Fresh from Absurdistan N°12 – …serious about social distancing?

Man darf ja vor die Tür. Also, alleine und mit genügend Abstand von den anderen Menschen darf man somit durchaus spazieren gehen. Und darum mache ich das im Moment so regelmäßig, wie ich dies eigentlich auch ohne Corona tun sollte; denn etwas mehr Bewegung schadet meinem Leib kein Jota. Nun habe ich das Glück, dass ich für einen anständigen Spaziergang nicht allzu weit von zu Hause weg muss: ich stolpere aus der Haustür, drehe mich nach links und ein paar Augenblicke später bin ich im Waldpark. Heidewitzka, da isses wirklich schön! Man mäandert über die Waldwege und je tiefer man hinein latscht, umso distanziger wird es dann auch.

Die ganzen Alibi-Spaziergänger schaffen es bis auf den Promenadenweg und spätestens am Bellenkrappen ist dann Sense. Enten füttern, blöde kucken, wieder zurückgehen. Ich gehe lieber am „Schlauch“ entlang, bis ich keine Lust mehr habe und dann wieder zurück. Man begegnet bei schönem Wetter auch dort Menschen. Nur nicht ganz so vielen. Man sieht auch Radfahrer, die im Waldpark eigentlich nur auf die asphaltierten Wege dürfen; aber wen interessieren schon Regeln, wenn einen kein Cop vom Bike schießt. Ich schere mich da auch nicht nennenswert drum, so lange sie Abstand halten – und damit meine ich nicht Corona-Distanz, sondern halt mindestens so viel, dass ich nicht wegen denen auf die Fresse falle. Kriegen die meisten sogar hin.

Was mich jedoch ganz und gar irritiert, ist der mittlerweile ubiquitär zu verzeichnende Verlust von Höflichkeit. Ein freundliches Nicken und ein „Guten Tag“ (heute Vormittag wahlweise auch ein „Frohe Ostern“), da bricht man sich doch echt keinen Zacken aus der Krone, oder? Weit gefehlt. Manch muffeln sogar rum, die meisten kucken aber einfach ostentativ weg. Eine kurze, nicht repräsentative Erhebung meinerseits förderte übrigens folgendes zu Tage: je jünger die Spaziergänger / Radfahrer, desto unhöflicher waren sie. Umgangsformen haben also doch etwas mit Reife zu tun, ich hab’s ja schon immer gewusst. Ob das aber tatsächlich mit Corona zusammenhängt? Nun zumindest bei der alten Dame, die sich bei meinem Anblick den Jackenkragen vor’s Gesicht schlug (so entsetzlich sehe ich doch nun wirklich nicht aus), liegt dieser Verdacht wohl nahe.Nun ja. In der Ebene zwischen Nixraffien und Kannitverstahn liegt halt Vulgarien, direkt unterhalb von Indolentistan. Man kann von da übrigens auch super einen Ausflug zu den Aluhuten machen(© beste Ehefrau von allen).

Seien wir doch mal ehrlich – es ist schon ein Trauerspiel, was diese Seuche mit unserer Gesellschaft anstellt. Doch abseits von Covid-Leugnern, nicht medizinisch gebildeten Besserwissern, Hamsterkäufern und dem anderen typischen Internet-Geschmeiß nagt die Angst an mir, dass wir das Wort Solidarität nach Ablauf des Lockdowns einfach aus dem Wortschaft streichen wollen. Dieser Artikel aus Zeit Online legt für mich den Verdacht nahe, dass die momentan aufgezwungene Isolation dem eh schon um sich greifenden Online-Narzissmus nur noch mehr Schub gibt. Und je mehr Menschen glauben, dass es sich als „Digital Native“ doch ganz gut leben lässt, desto mehr schwindet das, was wir Öffentlichkeit nennen in der Realität. Beste Voraussetzungen für Faschos und Spinner, noch mehr gesellschaftliche Positionen zu besetzen. Denn in Absurdistan scheint der Trip zu den Aluhuten ziemlich kurz zu sein…

Ich bin weit davon entfernt, in Resignation zu verfallen. Dafür kenne ich viel zu viele kluge, patente, solidarische Demokraten, die nicht nur dem Fascho-Gesindel, sondern auch den Bewohnern der Aluhuten und anderen unnötigen Zeitgenossen schon bei Zeiten Paroli bieten können und wollen. Und dennoch wäre Warten jetzt falsch! Denn im Gegenteil ist genau jetzt ist die Zeit, sich auf die Lockerung des Lockdown vorzubereiten. Nicht durch noch größere Einkäufe, noch strikteres Cocooning oder andauernde Instrospektion, sondern durch Beteiligung. Nur, weil wir alle daheim hocken müssen (außer während des Spazierganges), heißt dass nicht, dass wir nicht analysieren, hypothetisieren, diskutieren, entwickeln, träumen könnten; und das am besten zusammen. Um an dieser Stelle Rezo zu zitieren: „Ich hätte Bock drauf.“ Ihr auch? C U soon.

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