Es ist zu ruhig hier!

Ich war in letzter Zeit eher monothematisch hier, bin gar nicht in die Niederungen meines Lieblingshobbies Pen’n’Paper hinunter geklettert, hab über wenig anderes als die Arbeit nachgedacht und rumgejammert, wie schlecht es mir doch manchmal geht. Ja, geht’s noch? Tatsächlich im Moment so lala, nachdem mich meine Geundheit noch mal zum kürzertreten gezwungen hat. Abseits dessen werden meine Versuche, wieder eine breitere Denkbasis zu bekommen langsam fruchtbarer. Und das verdanke ich widersinnigerweise im Moment dem Umstand, dass ich durch die Beschwerden, die mich derzeit plagen nachts nicht so gut schlafe. Was macht man also? Ja klar, lesen, um wieder müde zu werden! Klappt leidlich, aber manchmal stolpert man dabei über was Gutes. So zum Beispiel eine Studie der University of Cambridge und des Trinity College in Dublin, die sich mit der Sprachentwicklung von Kleinstkindern beschäftigt.

A propos Irland – Ballybunion beach, County Kerry

Man war bisher landläufig der Ansicht, dass Kinder Sprache dadurch lernen, das sie die Phoneme, aus denen jede Sprache besteht, oft genug vorgeprochen bekommen müssen, um diese zunächst einzeln zu immitieren und schließlich zu Wörtern zusammensetzen zu können. Vereinfacht gesagt sind Phoneme die kleinsten Grundlaute, welche der menschliche Sprechapparat hervorbringen kann; und aus denen sich jede Sprache individuell zusammensetzt. Unterschiedliche Sprachen haben unterschiedliche Phonemmengen. Allerdings weist die eben von mir erwähnte Studie darauf hin, dass es nicht die Phoneme sind, welche die Kleinsten an das Sprechen heranführen, sondern die Rythmik, mit der gesprochen wird. Weshalb die Forscher auch davon ausgehen, dass die elterliche Nutzung von Reimen und Kinderliedern, die zumeist eine formalisierte Rhythmik aufweisen für die frühkindliche Sprachentwicklung von Vorteil sei. Allerdings hatte die Studie nur eine eher kleine Zahl von Probanden, die noch dazu alle aus englischsprachigen Haushalten kamen. Das Thema Verallgemeinerbarkeit ist hier also vorläufig noch mit Vorsicht zu genießen.

Dennoch fasziniert mich die Studie, verweist sie doch zumindest ein wenig auf die Dinge, mit denen ich mich im Rahmen meiner Masterthesis befasst hatte. Walter Ong beschreibt in seinem Buch „Oralität und Literalität“ jene Techniken, mit denen, noch nicht mit einer Schriftsprache ausgestattete Erzähler in der Lage waren, z.B. die frühen Epen der griechischen Dichtkunst zu erschaffen aus dem Gedächtnis zu rezitieren. Homers „Ilias“ (die Erzählung um den Trojanischen Krieg) und „Odyssee“ (die abenteuerliche Heimfahrt des Odysseus) wurden erst Jahrhunderte nach ihrem Entstehen zum ersten Mal verschriftlich. Das bedeutet, dass es Menschen gab, die sich nur mit Hilfe einer starken Formalisierung der Sprache durch Rythmik, Versmaß, bildhafte Überzeichnung der Ereignisse, formalhafte Sprache etc. alle knapp 15.700 Verse z. B. der Ilias merken und in der richtigen Reihenfolge wiedergeben konnten. Ohne jetzt auf den Pisa-Schock eingehen zu wollen – eine Kultur ohne Schrift greift auf andere Möglichkeiten der Überlieferung zurück, verwendet dabei allerdings auch eine andere Art des Denkens. Allein der Umstand, dass ich diese Zeilen mittels einer Tastatur an einem Bildschirm verfasse bedeutet, dass mein Denkprozess ein vollkommen anderer sein MUSS, als der jener Dichter, die keine Möglichkeit hatten, ihre Gedanken derart zu visualisieren.

Nimmt man nun die oben erwähnte Studie dazu, erscheint es mir mit Blick auf die Sprachentwicklung natürlich, dass Rythmik, Formalisierung, Bildhaftigkeit auch heute noch eine bedeutende Rolle spielen; wenngleich die Verwendung natürlich auf vollkommen andere Art stattfindet. Aber beim klassischen Geschichtenerzählen sind es wohl genau diese Dinge, die eine Erzählung zu einem eigenen Ort machen, den Erzählende und Zuhörende miteinander teilen können. Und der, entgegen der üblichen Meinung die Zuhörenden nicht zur Passivität verdammt, wie dies z.B. der regelmäßige Konsum von Film und Fernsehen sehr wohl tut. Hat das jetzt nicht irgendwie wieder mit meiner Arbeit zu tun? Ja und nein, denn natürlich erzähle ich auch im Lehrsaal gelegentlich Geschichten. Aber viel lieber tue ich dies in Ausübung meines Lieblingshobbies Pen’n’Paper. Und ich frage mich, ob das wohl irgendwann in meinem Leben anders sein wird. Man wird sehen. So oder so muss ich die Ruhe hier mal wieder nachhaltig durchbrechen; und ich habe Ideen, Wir hören/lesen uns also die Tage noch öfter. Stay tuned and have a nice weekend.

Das große Staunen N°7 – Rituale

Nicht durchknallen, sich nicht vom Stress der Vorweihnachtszeit mitziehen lassen, sich nicht dem Wahnsinn der Anforderungen ausliefern, die so viele Menschen gerade jetzt an einen zu haben scheinen, nur weil mal wieder ein Jahr zuende geht und alle ganz entsetzt feststellen, dass heute der verf****e erste Advent ist! Es ist diese Zeit im Jahr, in der neben dem typischen Resümieren des sterbenden Jahres auch immer die höchst verlegene Kontaktaufnahme mit den sterbenden sozialen Beziehungen auf den Schirm kommt – jene Verbindungen, die ansonsten im Huzz und Buzz des Alltags untergehen, ohne dabei besondere Aufmerksamkeit zu erfahren; „hab ich XYZ eigentlich zum Geburtstag, zur Rente, zur Hochzeit/Scheidung, zum neuesten Kind, etc. gratuliert…?“ Wobei natürlich mit Blick auf die eben heruntergebetete, absolut unvollständige Liste die Frage erlaubt sein muss, ob es wirklich Sinn ergibt, jemandem zu etwas zu gratulieren, dessen Erreichung sich mehr oder weniger vollkommen seiner/ihrer Kontrolle entzieht? Muss jeder selbst wissen. So oder so bewegen wir uns im finsteren Tal der vergessenen Details, geplagt von der bangen Frage, wann der Karma-Bumerang wohl zurückkommt, um uns umzuhauen…?

Braucht es einen spezielle Ort für ein Ritual…?

Der Erhalt menschlicher Beziehungen baut oft auf ener Tausch-Logik auf, die dann teilweise äußert bizarre Züge annimmt, wenn Menschen anfangen, abschätzen zu wollen, wie viel ein Geschenk eines Gegenübers wohl gekostet haben wird, um den Wert der eigenen Gaben daran auszurichten. Immer wieder erlebt. Letztenende ist dieser Tanz um das Austauschen von Geschenken auch eine Art Ritual; allerdings keines, dass ich als wert- oder sinnvoll empfinde. Ich schenke, was und wann ich das angemessen finde und damit hat sich’s. Ob mir jemand was schenkt, ist mir weitestenteils egal, weil ich mir jene Dinge, die ich unbedingt haben will, oder zu brauchen glaube (und so viele Dinge sind das gar nicht) in aller Regel selbst kaufe. Ich lasse mich allerdings gerne mit Kleinigkeiten überraschen, die jenes große Kind in mir ansprechen, dass im gerade letzten Jahr allzu oft viel zu kurz gekommen ist. Ich brauche dazu allerdings auch keinen vorgeschriebenen Ritual-Termin, wie etwa Heiligabend oder meinen Geburtstag. Wenn ich etwas ritualisieren möchte, dann sind das andere Dinge, die mit Konsum eher wenig zu tun haben!

Ich habe beschlossen, mein eigenes Achtsamkeitsprogramm aufzubauen. Dabei sind Rituale wichtig, denn sie bieten zumeist der Seele und dem Herzen jenen Raum, welchen der Geist schon hat. Der Geist findet sein Gefäß in Denkanstößen aus Büchern und anderen Medien, in kleinen Gadgets für, bzw. rings um die Arbeit und in 1000 kleinen, oft hoch individuellen Angewohnheiten, die das Denken und die Kreativität fördern. Doch das Herz kommt dabei oft zu kurz, weil wir in diesem ganzen Selbstoptimierungswahn vergessen, dass die Achtsamkeit, welche wir der Psyche auf rationaler Ebene entgegen bringen auch den Emotionen, der Spiritualität und unseren Träumen gebührt. Und der Ort, an dem wir dies tun können, ist das Ritual. Ich meine damit natürlich keinen Hexensabbat, bei dem wir Ziegen opfern und Satan anbeten – obwohl ein Feuer zu machen, bzw. wenigstens eine Kerze anzuzünden schon dazugehören darf. Nur das mit den Messern und den Ziegen…, das bitte nicht!

Ein Ritual ist eine wiederkehrende Handlung, die der Seele jene Kontinuität schenkt, die sie braucht um gesund bleiben zu können. Dabei geht es nicht darum WAS wir tun, sondern DAS wir es immer wieder unter den gleichen – positiven – Vorzeichen tun. Eine Kerze anzünden und ein kurze Weile an nichts denken (nennt es meditieren, aber das ist mir schon zu hoch gegriffen). Die erste Tasse Tee oder Kaffee des Tages in Ruhe und ohne Ablenkung zu uns nehmen. Nachmittags oder Abends zum Runterkommen etwas Bewegung in die eigene Physis bringen. Tagebuch schreiben. Oder das, was einem gut gelungen ist, und das was einem nicht gut gelungen ist, oder wofür man keine Zeit hatte, und das was einem an unfertigen Ideen eingefallen ist aufschreiben und den Zettel in ein dafür gedachtes Glas legen. Oder 100 andere kleine Dinge, die man ohne Stress, ohne größere Anstrengung und ohne dafür großartig etwas aufwenden oder auf etwas verzichten zu müssen in seinen Alltag einbauen kann. Schlechte Angewohnheiten und ein trauriges Herz sterben langsam; es braucht Zeit und etwas Geduld mit sich selbst. Aber wann soll man damit anfangen, wenn nicht jetzt, wo das alte Jahr uns gemahnt, was wir alles erdulden mussten! Zeit, mit einem herzlichen „Drauf gesch****n!“ loszulassen und in die Zukunft zu blicken. Und wenn Rituale dabei helfen, bei diesem Blick weniger bang zu werden, dass haben sie ihren Zweck schon erfüllt. da brauchts keine bunten Päckchen für, in denen allzu oft eh nur unnützer Tand und schreiend hässliche Pullover stecken. Daher: besinnlichen ersten Advent, ihr Menschen(s)kinder.

Neues von Bibo Blogsberg #2 – Keine Zeit für Blues!

Wie man es auch drehen und wenden wollen würde – das Jahr galoppiert jetzt mit immer schnelleren Schritten auf sein Ende zu. „Wie so viele davor!“ sagt der Fatalist. „Wie so manches, das noch kommen wird!“ fügt der Realist hinzu, um vom Optimisten mit „Und das Kommende wird GEIL!“ übertönt zu werden. Der Pessimist beschäftigt sich derweil mit dem Umstand, dass mein Körper gerade nicht so will, wie mein Geist. Auch das ist jetzt für die Jahreszeit eher wenig ungewöhnlich; den positiven Signalen der letzten zwei Wochen zum Trotze. Ich könnte also auf der Habenseite abseits der physischen Schlappheit und des Krankheitsgefühls der letzten Tage einbuchen, dass es auf einigen Baustellen mit einem Mal relativ zügig vorangeht und Wiederstände sich in Commitment verwandeln. Ich bin zwar ob mancher Aussagen noch ein wenig skeptisch und doch von mildem Optimismus getragen. Aber es ist noch lange nicht Zeit für ein Fazit. Das kommt erst am 31.12, am frühen Nachmittag. Und bis dahin habe ich kaum Gelegenheit, den Blues zu bekommen, ganz egal, wie physisch und psychisch anstrengend dieses verfickte Jahr bisher auch gewesen sein mag.

Cliffs 0f Moher… das wäre jetzt auch okay!

Ich bin kürzlich in einem beruflichen Kontext gefragt worden, ob ich von einer bestimmten Sache zu überzeugen wäre. Und ich habe sinngemäß geantwortet, dass ich von etwas nicht überzeugt sein muss, um es zu vertreten, wenn mir der Sinn dahinter verständlich ist. Und ich mein(t)e das vollkommen ernst. Oft im Leben haben wir Aufgaben zu erledigen, die wir tun, weil es halt sein muss, Entscheidungen zu treffen, bei denen eher die Suche nach dem kleinsten Übel uns antreibt, denn das allzu oft allzu große Wort „Überzeugung“. Spätestens mit Bourdieu ist mir dann klar geworden, dass Überzeugungen oft nichts weiter sind, als Illusionen, die wir nutzen, um uns selbst im Nachgang davon zu überzeugen, dass diese oder jene Entscheidung korrekt war – selbst wenn die nagenden Zweifel im Hinterkopf eine vollkommen andere Sprache sprechen. Das gilt im Privaten ebenso, wie im Geschäftsleben, auch wenn man sich gerne einredet, beruflich immer sachmotivierte Entscheidungen zu treffen. Wie schwierig bis nachgerade unmöglich das wird, zeigt sich dann, wenn divergierende persönliche Interessenlagen mit der theoretisch sachlichen Lösung konfligieren und plötzlich aus Nebenkriegsschauplätzen zentrale Schlachtfelder werden. Ich kann es gar nicht oft genug sagen: wir Menschen handeln insbesondere dann, wenn wir das behaupten, alles andere als rational!

Ich bin ein großer Freund davon, nach den Motiven der Menschen zu suchen. Denn viele Entscheidungen werden – gleich, ob man das gut oder schlecht findet – noch immer von Menschen getroffen. Und deren Entscheidungsfindung ist, wie wir seit Kahnemann wissen, alles andere als rational. Und wie bei der Tätersuche im Krimi ist die Frage nach dem Motiv des Gegenübers meistens der Schlüssel zu allem. Um Menschen hinreichend interpretieren zu können, braucht es allerdings – ganz im Gegensatz zum Krimi – mehr als nur eine kurze Beobachtung. Ich bin nämlich nicht Sherlock Holmes. Und wenn es so jemanden da draußen tatsächlich gibt, so hoffe ich, der Person nie zu begegnen. Ich möchte nämlich, dass MEINE Geheimnisse verdammtnocheins geheim bleiben! Aber selbst ohne Holmes’sche Beobachtungs- und Kombinationsgabe findet man, je besser man Menschen kennenlernt, umso besser heraus, was diese antreibt. Das dies auch für die anderen im Zusammenhang mit der eigenen Person gilt, muss einem dabei natürlich klar sein. Niemand hat ein so gutes Pokerface, dass man gar nichts lesen kann. Auch das gibt es nur im Film.

All dem zuvor Gesagten zum Trotz sind wir – manche etwas mehr, viele etwas weniger – zumeist in der Lage, das Gegegnüber einzuschätzen. Was man dabei herausfindet wirkt sich Entscheidungs- und damit Handlungsleitend auf unser Leben aus. Auf das Alltägliche mit seinen vielen kleinen Kooperationsaufgaben genauso, wie auf das Berufliche, wo mich allzu häufig Koordinationsaufgaben betreffen. Das bringt eine administrative Position so mit sich. Dennoch glauben wir immerzu, bei Entscheidungen nur unserem eigenen Denken verpflichtet zu sein. Das ist riesengroßer Unfug. Manchmal genügt eine kleine Geste, um das Gegenüber zu …interessanten… Dingen zu bringen. Die Intention hinter Geschenken oder Freundlichkeit z.B. sollte eigentlich nicht sein, Menschen zu etas zu bringen, denn dann wäre das Manipulation; sondern vielmehr ihnen meine Dankbarkeit oder meine Wertschätzung auszudrücken. Es gibt da einen sehr schmalen Grat zwischen Manipulation und ehrlicher Wertschätzung, von dem allzu oft in die falsche Richtung abgewichen wird. In jedem Fall ist so manche Entscheidung um Klassen „gefühliger“ motiviert, als wir uns das eingestehen wollen!

Genauso gut oder schlecht kann man auch negative Mindgames spielen, um Menschen zu spiegeln, wie man ihr Verhalten empfunden hat. Oder wie man glaubt, das andere (Dritte Beteiligte) dieses fragliche Verhalten empfinden könnten. Hat man vor einer Weile mit mir gemacht und ein kleiner Teil von mir ist darüber immer noch stinksauer. Da schwingen nämlich oft irgendwelche impliziten Unterstellungen mit, die mir nicht gefallen. Um eines klar zu sagen: wir ALLE lassen uns gelegentlich manipulieren, mal zu unserem Vorteil, mal zu unserem Nachteil. Muss man akzeptieren. Was man NICHT akzeptieren muss: Ich habe keine Lust auf Spielchen – und ich werde das auch in Zukunft ganz klar sagen. So, wie ich immer noch keine Zeit für den Blues habe, obwohl es verschiedene Gründe dafür gäbe, habe ich auch keine Zeit für vollkommen unnötiges Drama. Und es ist meiner Meinung nach unnötiges Drama, wenn sich Menschen in gewissen Positionen dünnhäutiger zeigen, als meine Teenager-Tochter. Das ist unwürdig, denn unsere Zeit und ihre Herausforderungen verlangen nach der Fähigkeit zum robusten Diskurs und nicht nach Schneeflöckchen! Ich denke, dass ich noch oft anecken werde, da ich, wie bereits weiter oben gesagt nicht im Mindesten bereit bin, mich von Dingen überzeugen zu lassen, die ich als unsachgemäß, überemotional, unterdurchdacht, überdurchdacht, oder unangemessen betrachte. Und ich werde ganz sicher nicht servil nicken und „JA“ sagen, wenn ich klar den Kopf schütteln und „NEIN“ sagen muss, weil ich der Sache verpflichtet bin, und nicht irgendwelchen Personen. Vielleicht würde es helfen, wenn sich manche Protagonisten der Tatsache erinnerten, dass nicht sie als Person wichtig sind, sondern das große Ganze. Aber als white middle-aged cis-gender-male muss ich bedaurlicherweise sagen, dass viele meiner Altersgenossen (aber auch jüngere/ältere) diesbezüglich noch enormen Selbstreflexions-Nachholbedarf haben. Ach wisst ihr was: drauf gesch****n. Freut euch auf den (F)Rohen ersten Advent. Tschüss.

New Work N°15 – Let’s do this AI-thing…

Ich war heute Morgen in der Stimmung zum Cheaten, also habe ich Chat.GPT 3.5 gefragt worüber ich heute bloggen sollte. Natürlich habe ich das Ganze ein bisschen spezifiziert und den Auftrag auf den Bereich „Kreativität und AI“ eingegrenzt. Ich will euch die Ergebnisse nicht vorenthalten:

Exploring the intersection of AI and the creative process can be a fascinating and engaging topic for a blog post. Here are some specific ideas you might consider:

1) AI in Art and Design:

Discuss how AI is being used in various forms of art, such as visual arts, music, and literature. Explore specific examples and the impact AI has on creativity in these fields.

2) Creative Collaboration with AI:

Explore how artists and creators are collaborating with AI tools to enhance their work. Highlight case studies where AI has played a role in co-creating content with human artists.

3) AI and Writing:

Dive into the ways AI is influencing the writing process. Discuss AI-generated content, writing assistance tools, and the implications of using AI in creative writing.

4) Ethical Considerations:

Address the ethical concerns surrounding the use of AI in the creative process. Discuss issues such as attribution, ownership, and the potential for bias in AI-generated content.

5) AI Tools for Creatives:

Create a list of AI tools that can aid creatives in their work. This could include tools for generating ideas, enhancing designs, or even assisting with the editing process.

6) The Future of Creativity with AI:

Speculate on how AI might continue to shape the future of creativity. Discuss emerging trends and potential advancements in AI technology that could impact the creative process.

7) Challenges and Limitations:

Explore the challenges and limitations of integrating AI into the creative process. Discuss instances where AI may fall short and the ongoing efforts to overcome these obstacles.

8) AI and Innovation:

Discuss how AI is contributing to innovation in various creative industries. Explore how it's enabling new forms of expression and pushing the boundaries of traditional creative disciplines.

Remember to include examples, case studies, and practical insights to make your blog post informative and engaging. Additionally, consider incorporating visuals, such as images or infographics, to enhance the reader's understanding of the concepts you discuss.
Netzwerkblume… 😉

Chat-GPT 3.5 ist das frei verfügbare Tool, für dessen Nutzung man sich lediglich auf Open AIs Webseite registrieren muss, und schon taucht der Eingabeprompt auf. Was mich an den obigen Antwort am meisten fasziniert, ist die Tatsache, dass „Die Maschine“ in ihrer Vorschlagskiste auch, oder vor allem, die bereits kontrovers diskutierten Fragestellungen nicht ausklammert (siehe etwa Punkt 4). Nun sind wir noch eine Weile davon entfernt, dass künstliche Intelligenz ein eigenes Bewusstsein erlangt, aber die Tools, die irgendwann möglicherweise dazu führen werden, sind zum größten Teil bereits vorhabenden (schaut euch mal diese Simulation eines neuralen Netzwerkes an). Irgendwann wird jemand herausfinden, wie dieses sich kombinieren lassen, um den finalen Schritt zu gehen. Die wichtigste Frage, die keiner so recht beantworten kann oder will, ist jedoch: wird dieses neue Bewusstsein den Weg des Prometheus nehmen und uns Menschen als Vordenker und Bringer eines neuen Funken helfen, besser zu werden; oder doch den von Frankensteins Kreatur, die von blindem Streben getrieben anfängt zu töten, um schließlich ihre eigenen Fehler zu erkennen, und sich selbst ein Ende zu setzen. Wenn man so will, hat Mary Shelley diese Frage vor über 200 Jahren in ihrem Buch vorweg genommen. Manchmal lohnt es sich doch, die Klassiker noch mal neu zu lesen…

Ich glaube nicht, dass ich solche Fragen sinnvoll oder umfänglich beantworten kann. Da ich jedoch sowohl im Beruflichen als auch im Privaten ein Geschichtenerzähler bin, reizen mich die Möglichkeiten der aktuell verfügbaren Technik immens; und ich bin dabei bereit, wenigstens ein bisschen mit dem prometheischen Feuer zu spielen, denn die aktuellen Large Language Models – wie eben Chat-GPT – lernen ja durch die Interaktion mit Nutzern dazu. Will heißen, wir sind jetzt im Bereich des Beta-Testes angelangt, wo Nutzer durch die Interaktion das Maschinenlernen beschleunigen und befördern. Über die Frage, ob AI in der Arbeitswelt eine Rolle spielen wird oder nicht, sind wir längst hinaus. Der Geist ist aus der Flasche, die Büchse der Pandora offen – wie wir damit umgehen, wird darüber entscheiden, ob daraus Gutes erwächst, oder eben Unheil. Auch in der Kreativ-Branche, oder besser vor allem dort, wird derzeit heiß diskutiert, was das alles bedeutet; und doch nutzen laut einer Befragung bereits 83% der Beschäftigten auf die eine oder andere Art und Weise AI. Das soll nicht wie Zweck-Fatalismus klingen. Es ist eher eine Feststellung, dass wir Menschen schon immer sehr gut darin waren, neue Techniken zu entwickeln, diese zum Einsatz zu bringen – nicht selten gleich zur Waffe bastardisiert – um uns erst DANACH zu fragen, was wir eigentlich gerade getan haben. Der große Unterschied, etwa zu Oppenheimer und der Bombe ist, dass die Dinge HEUTE im großen Theater der antisozialen Medien und des dauerdurchbrennenden Hechel-Journalismus nicht ernsthaft diskutiert oder durchdacht werden, und trotzdem jeder eine Meinung dazu hat; unabhängig davon, wie gut oder schlecht informiert dieses auch ein mag. Denn Reichweite bekommen Informationen heute viel schneller als früher – allerdings auch die FALSCHEN Infos…

AI verändert bereits jetzt den Modus Operandi vieler Bereiche, ohne, dass wir uns tatsächlich schon die Mühe gemacht hätten, ernsthaft über Technikfolgen-Abschätzung zu reden, oder gar verbindliche Regeln für den Umgang mit den Chancen und Grenzen von AI aufgestellt zu haben. Wie so oft rennen Philosphie und Jurisdiktion der technischen Entwicklung hinterher, weil Ingenieure in blinder Begeisterung „einfach mal machen“. Offenkundig steht Mary Shelleys „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ als Hinweis auf die NOTWENDIGE Reflexion eigenen Tuns, BEVOR man es tut bis heute nicht sonderlich hoch im Kurs. Wie ausgesprochen schade. Vielleicht lege ich meine Hoffnung einfach darein, dass es genug Menschen wie mich gibt, die „Der Maschine“ Empathie beibringen wollen, bevor sie dereinst dann endgültig – und leider nicht vollkommen zu Unrecht – auf uns Menschen losgehen wird. Welcome to SKYNET! Und viel Spaß in der neuen Woche,

VLOG 06 – Oldschool Teacher…?

Habe mich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit mal wieder mit Methoden und Techniken auseinandergesetzt und bin dabei zu der Erkenntnis gelangt, dass Oldschool nicht immer schlecht sein muss, wenn man die IDee mit etwas technichem Einsatz „aufbohrt“ und in ein frisches Gewand kleidet. Wie wär’s heute zur Abwechslung mal mit ein bisschen Overhead-Projektor-Feeling? Enjoy.

Homestudio Productions Indie Edition… 😉

Bienvenue en Provence N°4 – Quoi faire…?

Wenn man so bei Regen im Ferienhaus sitzt, was diese Woche an zwei Tagen der Fall war, hat man Zeit, sich mit seltsamen Dingen zu beschäftigen. Einerseits bedeutet Müßiggang in diesem Falle, ein wenig die guten alten Storyteller-Muskeln zu flexen und sich mal wieder an One-on-One-Pen’n’Paper zu versuchen. Mein Take auf 80s-Mystery-Horror-Action ist ein wenig anders, als in „Stranger Things“ oder „Tales from the Loop“, lässt sich aber ganz gut an. Vielleicht mache ich daraus ’ne Kampagne, wenn ich noch ein paar andere Leute angespielt habe. Man wird sehen. Andererseits habe ich natürlich Blogposts geschrieben, gelesen – und Zeit im Internet verdödelt. In letzter Zeit spült mir Insta häufig irgendwelche Leute in die Timeline, die entweder a) ihre „Coaching-Lehrgänge“ für Leute anpreisen, die schnelles Geld machen wollen b) ihre Online-Plattform für „Coaches“ anpreisen, die schnelles Geld machen wollen oder c) ihr „Coaching“ für Leute anbieten, die – wie könnte es auch anders sein – schnelles Geld machen wollen. Scheint fast so, als wenn die Welt nur noch aus Tradern, Influencern, Coaches und Leuten besteht, die „irgendwas mit Medien“ machen; und es überdies kinderleicht wäre, schnelles Geld zu machen. Allen Leuten, die mit Traden schnelles Geld machen wollen, empfehle ich folgendes Buch „Eine Billion Dollar“ von Andreas Eschbach. Stellt für einen Eschbach erstaunlich gut globale Wirtschafts-Zusammenhänge dar; und erklärt nebenbei, warum unser Reichtum mittelbar auf der Armut des globalen Südens beruht.

Brücken sind in jeder Hinsicht ein Symbol für das Erschließen neuer Wege!

Ich habe das vermutlich auch noch selbst ausgelöst, indem ich mich neulich online über die Möglichkeiten einer Berater-Ausbildung informiert habe. Mir schwebte dabei die Idee eines kurzen Akademie-Studiums mit einem universitäten Zertifkat als Abschluss vor, und nicht der andere Schischi, den man sonst so erwerben kann. Aber, wenn überhaupt, erst in einer größeren Weile. Und jetzt habe ich dauernd diesen Mist in meiner Timeline. Ich habe kein Interesse an schnellem Geld! Ich habe Interesse an nachhaltigem persönlichem Wachstum, und ich möchte mich dabei mit Ideen und Konzepten auseinandersetzen, deren Fokus NICHT auf MONEY, MONEY, MONEY liegt. Ich sehe mich selbst als Ermöglicher, als Trouble-Shooter, als Wege-Aufzeiger, Brückenbauer und ja, auch als Berater. Ich bin Erwachsenen-Pädagoge, da gehören die vorgenannten Dinge, wenn man seinen Job ernst nimmt, automatisch zur Beschreibung. Und doch haben mich diese ganzen Posts zum Nachdenken gebracht. Ich meine – wenn man eine digitale Lernumgebung, die es Leuten ermöglicht, Dinge besser tun zu können für ein, die Subsistenz absicherndes Micropayment abieten könnte, und besonders Benachteiligten über ein Sponsoring Lernen kostenfrei ermöglichen könnte (und ich bin sicher NICHT der erste, der auf solche Ideen kommt), könnten wir Bildung wieder ein Stück weit demokratisieren. Denn genau der Mangel an Bildung und Teilhabe, der durch Armut entsteht ist es, der die Fundamente unserer Demokratie erodiert. Manche Dinge müssen ohne Zweifel Geld kosten, weil es nicht umsonst ist, sie zu produzieren, zu hosten und zu vertreiben. Aber meine Absicht wäre nicht, damit Unsummen Geld zu verdienen, denn ich habe einen guten Job. Aber vielleicht so viel, dass ich den guten Job irgendwann reduzieren und mich anderen wichtigen Fragen widmen kann.

Im Moment wälze ich einfach nur unreife und spinnerte Ideen, aber ganz sicher werde ich mich, wenn ich wieder etwas Zeit und einen Kopf dafür habe, um die Reifung jener eben beschriebenen Konzepte bemühen. Es erscheint mir die Mühe wert, weil es mein Weg sein könnte, der Gesellschaft etwas von dem zurückzugeben, was ich ihr verdanke. Und ich möchte diesen ganzen selbstdarstellernden Menschen auf Insta eines mitgeben: ihr mögt eure Motive hinter vielen wohlklingenden Worten verstecken, die Werte suggerieren; ich kann nur einen einzigen Wert erkennen, der euch wirklich interessiert: euch selbst. Und da gehe ich nicht mit, denn der schnellste Weg, viel für sich selbst zu erreichen, führt immer über den Rücken Anderer; ein Umstand, den ihr immer gerne unterschlagt, wenn ihr von euren „Erfolgen“ berichtet. Lasst uns doch stattdessen die antisozialen Medien zur Abwechslung mal wirklich für etwas soziales nutzen und Bildung demokratisieren, anstatt sie zu monetarisieren. Ich fänd’s gut! Und ihr so…?

Bienvenue en Provence N°3 – Kairos…

Nö, ich habe mich NICHT bei der Haupstadt Ägyptens verschrieben. „Kairos“ ist der griechische Ausdruck für einen günstigen Moment; dieses „genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Idee haben“-Ding, welches im Ergebnis dazu führt, dass z.B. ein Bill Gates stinkreich ist – und ich nicht. Na ja, dieser Vergleich unterschlägt natürlich einige Details, aber der Grundgedanke ist, dass man „das Richtige“ tut, wenn der Moment dafür gereift ist, oder sich eine günstige Gelegenheit aus den Geschehnissen heraus ergibt. In diesem Sinne ist der Kairos also nicht notwendigerweise das Ende einer langwierigen und komplizierten Planung (obwohl das durchaus möglich sein kann), sondern er realisiert sich nicht selten auch darin, die Umstände lesen und geschickt reagieren zu können. Louis Pasteur sagte zwar sinngemäß, dass das Glück mit den gut Vorbereiteten sei, aber auf mache Gelegenheit bereitet dich nichts vor. Manchmal ist es dann der Sprung vom Kopf des Löwen, wenngleich es eher selten um den Beweis von Würdigkeit geht. Wir suchen im Alltag aber auch nur selten den heiligen Gral.

Was ist wichtiger – Hintergrund oder Vordergrund…?

Doch, was ist dieses „Richtige“. Es geht ja hier und jetzt um günstige Gelegenheiten, und nicht etwa um Moral – oder…? Frage ich Adorno, kann es natürlich kein richtiges Leben im Falschen geben – wobei er sich dabei, entgegen der Alltagsverwendung des Zitates zunächst lediglich auf die Ästhetik des Wohnraumes bezog. Die Frankfurter Schule hat sich halt auch mit Fragen des Alltags befasst. Doch im Grunde lässt es sich auch auf die Kant’sche Suche nach der Moral übertragen. Denkt man jedoch Adorno kurz zu einem vorläufigen Ende und fügt ’ne nicht zu knapp bemessene Prise Marx hinzu (Erst kommt das Fressen, dann die Moral), dann wird klar, dass die äußeren Umstände unseres Lebens, also die Art, wie wir unser direktes Lebensumfeld gestalten (wollen würden), eine Reflektion unserer inneren Umstände darstellen. Ich nehme noch eben den Bourdieu für eine Tasse „Notwendigkeits-Geschmack“ aus dem Regal, und schon wissen wir, dass diese Darstellung in aller Regel durch unsere wirtschaftlichen Grenzen (nennt es Klasse, Milieu, Stand, ganz wie euch bleiebt) deformiert wird. Das ist Moralsozialisation in a nutshell: wir sind eine Mischung aus dem, was andere uns vormachen/anbieten, den daraus destillierten individuellen Wünschen und dem, was wir uns tatsächlich leisten können. Denn ohne den ganzen weltlichen Tünnef sind wir alle – zumindest größtenteils – gleich geschaffen…

Moral ist aber eine entscheidende Komponente, wenn es um das Richtige Tun (oder Lassen) im richtigen Moment geht. Den Kairos zu erkennen ist das Eine. Sich „richtig“ zu entscheiden das andere. Denn zum einen überschätzen wir üblichwerweise unsere Fähigkeit zur objektiven Einschätzung von Chancen und Risiken eines gegebenen Sachverhaltes Xn maßlos (lest Daniel Kahneman „Schnelles Denken, langsames Denken“, dann wisst ihr, was ich meine); zum anderen unterstellt allein der Begriff „günstige Gelegenheit“ per Konnotation für die meisten lediglich eine Chance auf wirtschaftlichen Gewinn. Von moralischen Gewinn durch Solidarität, Altruismus, Bedürfnisverzicht, etc. ist da beinahe nie die Rede. Weil so viele von uns gar nicht mehr wissen, was diese Begriffe bedeuten. Ihr wolltet doch noch wissen, warum ich gestern behauptet habe, (zumindest die meisten) Menschen zu hassen. Da habt ihr eure Antwort: weil Menschlichkeit unter Menschen zu oft nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Wenn solche Mitmenschoiden einen Kairos erkennen, ist dieser stets nur mit dem persönlichen Vorankommen verknüpft, selten bis nie jedoch mit einem übergeordneten Wert für die Gesellschaft, deren Teil sie trotzdem immer noch sind; so sehr sie sich auch gegen diese Erkenntnis wehren mögen.

Ob ich selbst wirtschaftlich günstige Gelegenheiten beim Schopfe packe…? Ein paar Mal in meinem Leben tat ich das und ich kann sagen, dass ich mich nicht dafür schäme, weil ich denke, die Vorteile, welche ich daraus ziehen durfte, durch mein Tun für diejenigen, welche sie mir gewährten umfänglich ausgeglichen zu haben. Man kann gewiss immer noch ein bisschen mehr auf die Haben-Seite des eigenen Karma-Kontos einzahlen, aber ich bin diesbezüglich mit mir ziemlich im Reinen. Bedauerlicherweise denken das jene, die eigentlich deutlich in der Karma-Bringschuld sind, vermutlich ebenso…! Man könnte mir nun natürlich einen Wahrnehmungsbias unterstellen, da wir doch alle eine positive Geschichte unseres Seins erzählen wollen. Identitätsbestätigung und so. Aber ich erlaube mir folgende Entgegnung: kehrt erst mal vor eurer eigenen Tür! Danke. Ansonsten versuche ich, auch jene Chancen zu ergreifen, die andere, oder wahlweise eine gute Sache voranzubringen versprechen. Und als Lehrer und Leitungsperson habe ich dazu durchaus Gelegenheit. Mir wäre es aber vor allem wichtig, dass sich andere auch für diese Sicht der Dinge begeistern können. Ihr hättet jetzt die Gelegenheit, euch die Frage zu stellen, ob es für euch – neben euch selbst – noch etwas anderes gibt, was euch wichtig genug ist, nach den richtigen Gelegenheiten Ausschau zu halten und etwas zu tun, wenn sich welche ergeben. Ich würde mich freuen, davon zu hören.

Bienvenue en Provence N°2

Ist es nicht komisch, dass man woanders hinfahren zu müssen glaubt, um sich selbst finden zu können? Ich meine – man sucht seine verlegte Brille, die Haustürschlüssel, die neue Versicherungskarte oder das Einladungsschreiben zum Elternabend ja auch nicht in Südfrankreich, Irland oder sonstwo, sondern in der heimatlichen Hütte. Eine Sicherheit, sein selbst im Weinkeller eines Häuschens in der Provence zu finden gibt es nicht. Die Wahrscheinlichkeit hängt vermutlich proportional vom Konsum ab – je mehr, desto liegend. Geld kosten die Dinge woanders auch. Und Kinder (egal ob Puber-Tier oder die Vorversion davon) geben einem nicht selten das Gefühl, dass man auch genausogut nur hätte bis zum Nachbarort fahren müssen. Es gibt also eine Menge Gründe, die dagegen sprechen, überhaupt in Urlaub zu fahren; fliegen kommt eh nicht in Frage und auf Kreuzfahrt dürfen meinetwegen Piraten gehen. Wenn DIE dabei so eine Aida Schwabladilusa, oder wie diese dämlichen Glitter-Pötte mit eingebauter Kleinstadt voller uniformer Pauschaltouri-Honks nun heißen in die Finger kriegen, trifft’s vermutlich keinen Falschen. Missverstehen Sie mich ruhig richtig – ich finde Kreuzfahrtschiffe und das ganze Drumherum noch hässlicher und entsetzlicher, als irgendwohin zu fliegen. Aber wir waren beim in Urlaub fahren, so wie: mit dem Auto. Ja, das schränkt den Radius ein, schont aber auch das Klima. Doch selbst, wenn man mit dem Auto zu einem sorgsam ausgewählten Selbstversorger-Ferienhäuschen fährt, sind da auf der Straße und an manchen Orten, die man vielleicht besuchen möchte, andere Menschen.

Forteresse St. André – Villeneuve-lès-Avignons

Ich bin nicht nur immer wütend – ich hasse auch Menschen! Die wenigen Ausnahmen, die ich in meiner Existenz dauernd dulde, sind dort entweder, weil ich sie lieben gelernt habe, weil sie irgendwie mit denen verwandt sind, die ich lieben gelernt habe, oder weil die Notwendigkeit des Geldverdienens uns zu Gefährten in diesem Wahnsinn namens Existenz gemacht hat – manchmal auch mehr als eines davon. Andere vorgebliche Mitglieder der Spezies Homo Sapiens sapiens – vulgo Kollegen im weiteren Sinne, Klienten, Schülers, etc. – mit denen ich mehr als nur ein bisschen umgehen muss, bekommen von mir jede Chance, sich dieses Privileg der dauerhaften Duldung zu erarbeiten; doch nicht wenige scheitern, weil sei denken, die Benutzeroberfläche und das Innenleben seien identisch. Menschen, bei denen ich etwa einkaufe, oder andere Dienstleistungen beziehe, kann ich glaubhaft das Gefühl von Nettigkeit und Zugewandtheit vermitteln. Aber andere Touris? Die rangieren bei mir auf einer Stufe mit Putin, Trump, Erdogan – dieses nervtötende, gemeingefährliche Gelichter kann weg. Am besten vor allem weit weg vom Inhalt meines Kamera-Suchers. Denn ich suche mich selbst, und die von mir gewählten Objekte sind Spiegel dessen, womit sich mein Unterbewusstsein gerade auseinandersetzt. Da kann ich Fremde beim besten Willen nicht gebrauchen. Ich hol mir ja auch keine Leute von der Straße, um mit denen Weihnachten zu feiern.

Rückseite des Palais Papale in Avignon

„Ach, er nun wieder mit seinem misanthropen Gelaber!“, höre ich den Chor der Genervten aufbranden. JA, ABER WIE ZUM HENKER SOLL MAN DENN AUF DIESE KACKBRATZEN SONST REAGIEREN? Sie stehen überall im Weg, lassen ihren Schmutz fallen, wo es ihnen beliebt, können kein Schild respektieren, auf dem steht „… hier verboten!“, bzw. interpretieren nämliches Ver-/Gebot als Einladung zu dessen Übertretung, mockieren sich über andere, die sich an nämliche Ver-/Gebote halten – und sie sehen nicht selten zum Kotzen aus. WANN KÖNNEN WIR ENDLICH MIT SOCKEN IN ADILETTEN AUFHÖREN IHR GESTÖRTEN PAPPNASEN? Butter bei die Fisch: ich bin mit meinen T-Shirts, Hosen, Pullis, Jacken, Sneakern in weitestgehend gedeckten Farben sicher keine Fashion-Ikone – aber ich mag Querstreifen, knallige Farben auf allem und jedem, Motto-Hüte/Kappen und vor allem Adiletten nicht tragen, weil’s Scheiße aussieht. Und zwar auch an Fitness-Influencern*innen. Stil ist nicht das Dings unten an der Blume, wisst ihr…? Es läuft auf Folgendes hinaus: es gibt ein paar wenige Menschen, die ich wirklich gern habe – alle anderen könne mich mal gernhaben!

Der Palais Papale von der Festung aus…

Ich bin vermutlich einer von diesen Typen, die sich selbst für eine relativ lange Zeit genug sein können, ohne irgendwas nennenswert zu vermissen. Ich ziehe deswegen sicher nicht in eine Einsiedelei im Wald – dazu habe ich das moderne Stadtleben mit seinen Vorzügen hinsichtlich Ver- und Entsorgung einfach viel zu gern. Und jene, die mir etwas bedeuten möchte ich auch um mich haben – also zumindest zu gewissen Zeiten. Aber dieser ganze andere Gen-Schrott, der sich, nur noch um sich selbst drehend, auf dem Highway ins Verderben immer noch nach besserem Asphalt und der Aufhebung des Speedlimits brüllt… der darf mir gerne so lange wie möglich vom Halse bleiben. Denn gegenwärtig sitze ich in einem solchen, weiter oben erwähnten provenzalischen Häuschen und kann das Interaktionsniveau recht gut regulieren. Es gibt allerdings keinen eigenen Weinkeller, was einen dazu nötigt, beim Händler im Ort einzukaufen. Doch irgendwie macht es mir Spaß, von Tag zu Tag einzukaufen, zu kochen, zu denken, zu plann, zu leben. Ob ich mich selbst dabei (wieder)finde? Einige Befunde – ein erhöhtes zweckfreies Kreativitätsniveau, sowie ein Gefühl von heiterer Gelassenheit, wenn ich meine Ruhe habe – deuten darauf hin. Ob’s so bleibt? Wir werden sehen. Für’s Erste versuche ich die Befürchtung beiseite zu schieben, schon am kommenden Montag wieder hart landen zu müssen. Und bleibe gelassen, auch wenn für morgen Regen angesagt ist; man muss ja, wie bereits festgestellt, nicht dauernd umhergondeln, um Urlaub zu haben. Wir hören uns.

Bienvenue en Provence N°1

Zeit ist relativ. Manchmal relativ knapp, dann wieder relativ egal, oft relativ lang(weilig) und dann plötzlich vorbei, ohne dass man sagen könnte, man hätte sie wirklich wahrgenommen. Die Aussage Einsteins, dass Zeit einfach nur etwas ist, dass wir mit Uhren messen und dass der wahrgenommene Fluss der Zeit von der Position des Beobachters – oder auch des Messinstrumentes – relativ zur gemessenen Zeit abhängt, scheint also auch in der individuellen Betrachtung wahr zu sein. Selbst wenn wir die Schwingungsraten von Cäsiumatomen benutzen, um zu definieren, wie lange eine Sekunde denn nun dauert, bleibt Zeit etwas Unfassbares, Unwirkliches, manchmal auch Bedrohliches. Insbesondere, wenn man sich gedanklich der unüberwindbaren Barriere der nächsten Sekunde nähert.

Château Féodal in Boulbon

Nun muss man nicht in die Zukunft sehen können, um bestimmte Dinge einfach zu wissen: z.B., dass die wirklich schönen Dinge im Leben immer unerhört schnell vorbei sind, wohingegen die Wartezeit darauf sich nervenzerfetzend dehnen kann. Oder dass manche Rhythmen (wie etwa die Abfolge der Jahreszeiten, die Streiks der Bahnbeschäftigten vor den Feiertagen oder die Ausrufung des Unterganges des Abendlandes durch die CDU bei jeder politischen Äußerung durch die Grünen) stets gleich zu bleiben scheinen. Das ist ein Wahrnehmungsbias, der unserem unbewussten Bedürfnis nach Sicherheit entspringt. Kontinuität vermittelt Sicherheit – oder zumindest die Illusion davon. Eine Martinsgans wird ja auch jeden Tag von dem netten Menschen gefüttert. Wie soll sie da ahnen, dass irgendwann, kurz vor dem 11.11 eines gegebenen Jahres anstatt dem guten Futter ein scharfes Beil lauert…

Es ist das (zumeist ungerechtfertigte) Vertrauen in unsere eigene Fähigkeit zur objektiv-rationalen Abschätzung von Chancen und Risiken, welches uns diese Idee von Berechenbarkeit vermittelt. Nun will ich damit nicht unbedingt sagen, dass wir alle ahnungslos wie die Martinsgänse auf das Beil warten: jedoch wäre etwas mehr Realismus im Angesicht unserer beschränkten Fähigkeiten zur Voraussage der Zukunft manchmal hilfreich, um sich von allzu optimistischen Betrachtungen des evtl. Kommenden freizumachen. Und vor allem etwas mehr im Hier und Jetzt zu leben und die Dinge nicht immerzu kaputtanalysieren zu wollen/müssen. „Aber Zimbo, du wütend-depressiver Beobachter der Welt“, höre ich euch rufen, „ausgerechnet du müsstest doch…“ GAR NIX MUSS ICH – DEM SCHICKSAL SEI’S GELOBT! Zum einen, weil ich Urlaub habe und noch mal von südlicher Sonne kosten darf, die auch jetzt noch angenehm die Knochen wärmt. Und zum anderen, weil mir mittlerweile eines klar geworden ist: alles Streben, Schuften, Studieren und Schachern auf der Jagd nach Erfolg ist NICHTS im Vergleich zu der Zufriedenheit und Ruhe, welche das Schreiben dieser Zeilen in mir auslöst. Denn plötzlich ist da dieses Gefühl – es geht mir gut.

Niemals fällt alle Last vollkommen von einem ab. Niemals ist man als Leitungsperson vollkommen ohne Gedanken an die nächsten Schritte. Und doch… genau jetzt könnte mir jemand mitteilen, dass meine Arbeit der letzten Jahre zu Hause sich gerade in Rauch aufgelöst hat – und es wäre mir egal. Weil ich weiß, was ich wert bin, wer ich sein möchte und welche Wege mir offenstehen. Und das sind eine Menge Wege. Genau jetzt fließt die Zeit genauso, wie es richtig ist und genau dahin, wo sie hingehört: in die Dinge, die mir wichtig sind. Ich konnte neulich zurückblicken und feststellen, dass meine Wurzeln noch alle da sind und schaue jetzt nach vorne; und wenngleich ich weiß, dass diese Barriere, von der ich letzthin häufiger sprach, immer da ist, macht sie mir keine Angst mehr, weil sie neben ihrer Unüberwindbarkeit für meine primären Sinne auch stets ein Versprechen für meine Vorstellungskraft beinhaltet – dass ich frei bin, diese Sekunde, und jede andere, die noch kommen mag, zu gestalten, wie es mir in den Sinn kommt. Es mag dabei ein paar Grenzen geben (Nazis und andere dumme Menschen töten und im Wald verbuddeln, ist leider immer noch illegal), doch für mich ist es Freiheit genug, in diesem Moment kreativ sein zu können, ohne einem anderen Zweck dienen zu müssen, als meinem eigenen.

Das ist, was Urlaub tatsächlich bedeutet. Zweckfrei sein zu können. Zeit so nutzen oder auch mal vertrödeln zu können, wie es einem in den Kram passt. Die Dinge auch mal passieren zu lassen. Ist mit Kindern zwar nicht ganz so einfach, wie es klingt, aber ich habe Hoffnung. Und gutes Essen. Und gute Getränke. Und einen Ort, der Freude bereitet. Daher wünsche ich euch auch eine gute…Zeit…