Es ist zu ruhig hier!

Ich war in letzter Zeit eher monothematisch hier, bin gar nicht in die Niederungen meines Lieblingshobbies Pen’n’Paper hinunter geklettert, hab über wenig anderes als die Arbeit nachgedacht und rumgejammert, wie schlecht es mir doch manchmal geht. Ja, geht’s noch? Tatsächlich im Moment so lala, nachdem mich meine Geundheit noch mal zum kürzertreten gezwungen hat. Abseits dessen werden meine Versuche, wieder eine breitere Denkbasis zu bekommen langsam fruchtbarer. Und das verdanke ich widersinnigerweise im Moment dem Umstand, dass ich durch die Beschwerden, die mich derzeit plagen nachts nicht so gut schlafe. Was macht man also? Ja klar, lesen, um wieder müde zu werden! Klappt leidlich, aber manchmal stolpert man dabei über was Gutes. So zum Beispiel eine Studie der University of Cambridge und des Trinity College in Dublin, die sich mit der Sprachentwicklung von Kleinstkindern beschäftigt.

A propos Irland – Ballybunion beach, County Kerry

Man war bisher landläufig der Ansicht, dass Kinder Sprache dadurch lernen, das sie die Phoneme, aus denen jede Sprache besteht, oft genug vorgeprochen bekommen müssen, um diese zunächst einzeln zu immitieren und schließlich zu Wörtern zusammensetzen zu können. Vereinfacht gesagt sind Phoneme die kleinsten Grundlaute, welche der menschliche Sprechapparat hervorbringen kann; und aus denen sich jede Sprache individuell zusammensetzt. Unterschiedliche Sprachen haben unterschiedliche Phonemmengen. Allerdings weist die eben von mir erwähnte Studie darauf hin, dass es nicht die Phoneme sind, welche die Kleinsten an das Sprechen heranführen, sondern die Rythmik, mit der gesprochen wird. Weshalb die Forscher auch davon ausgehen, dass die elterliche Nutzung von Reimen und Kinderliedern, die zumeist eine formalisierte Rhythmik aufweisen für die frühkindliche Sprachentwicklung von Vorteil sei. Allerdings hatte die Studie nur eine eher kleine Zahl von Probanden, die noch dazu alle aus englischsprachigen Haushalten kamen. Das Thema Verallgemeinerbarkeit ist hier also vorläufig noch mit Vorsicht zu genießen.

Dennoch fasziniert mich die Studie, verweist sie doch zumindest ein wenig auf die Dinge, mit denen ich mich im Rahmen meiner Masterthesis befasst hatte. Walter Ong beschreibt in seinem Buch „Oralität und Literalität“ jene Techniken, mit denen, noch nicht mit einer Schriftsprache ausgestattete Erzähler in der Lage waren, z.B. die frühen Epen der griechischen Dichtkunst zu erschaffen aus dem Gedächtnis zu rezitieren. Homers „Ilias“ (die Erzählung um den Trojanischen Krieg) und „Odyssee“ (die abenteuerliche Heimfahrt des Odysseus) wurden erst Jahrhunderte nach ihrem Entstehen zum ersten Mal verschriftlich. Das bedeutet, dass es Menschen gab, die sich nur mit Hilfe einer starken Formalisierung der Sprache durch Rythmik, Versmaß, bildhafte Überzeichnung der Ereignisse, formalhafte Sprache etc. alle knapp 15.700 Verse z. B. der Ilias merken und in der richtigen Reihenfolge wiedergeben konnten. Ohne jetzt auf den Pisa-Schock eingehen zu wollen – eine Kultur ohne Schrift greift auf andere Möglichkeiten der Überlieferung zurück, verwendet dabei allerdings auch eine andere Art des Denkens. Allein der Umstand, dass ich diese Zeilen mittels einer Tastatur an einem Bildschirm verfasse bedeutet, dass mein Denkprozess ein vollkommen anderer sein MUSS, als der jener Dichter, die keine Möglichkeit hatten, ihre Gedanken derart zu visualisieren.

Nimmt man nun die oben erwähnte Studie dazu, erscheint es mir mit Blick auf die Sprachentwicklung natürlich, dass Rythmik, Formalisierung, Bildhaftigkeit auch heute noch eine bedeutende Rolle spielen; wenngleich die Verwendung natürlich auf vollkommen andere Art stattfindet. Aber beim klassischen Geschichtenerzählen sind es wohl genau diese Dinge, die eine Erzählung zu einem eigenen Ort machen, den Erzählende und Zuhörende miteinander teilen können. Und der, entgegen der üblichen Meinung die Zuhörenden nicht zur Passivität verdammt, wie dies z.B. der regelmäßige Konsum von Film und Fernsehen sehr wohl tut. Hat das jetzt nicht irgendwie wieder mit meiner Arbeit zu tun? Ja und nein, denn natürlich erzähle ich auch im Lehrsaal gelegentlich Geschichten. Aber viel lieber tue ich dies in Ausübung meines Lieblingshobbies Pen’n’Paper. Und ich frage mich, ob das wohl irgendwann in meinem Leben anders sein wird. Man wird sehen. So oder so muss ich die Ruhe hier mal wieder nachhaltig durchbrechen; und ich habe Ideen, Wir hören/lesen uns also die Tage noch öfter. Stay tuned and have a nice weekend.

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