Tränen eines Clowns…

Bei einem Gespräch heute Abend sagte ich zur besten Ehefrau von Allen sinngemäß, dass es mir manchmal zu viel würde, der „Kümmerer“ zu sein. Den ganzen Tag allen möglichen (und auch unmöglichen) Menschen bei ihren Wünschen, Ideen und Anforderungen mit Rat und Tat zur Seite stehen zu müssen, weil das eben Teil meiner Jobbeschreibung ist; auch, wenn es die nirgends in Papierform gibt. Ich bin ein Troubleshooter. Ich beseitige Barrieren und Fußangeln (auch die selbst ausgelegten), besorge Ressourcen, bringe Menschen zusammen, etc. Und bleibe dabei immer schön easy, menschlich und trotzdem professionell…. und easy… und menschlich… und professionell… und easy… und mensch . . . . . . .

ICH WILL RAUS HIER! Ich möchte manche Menschen, mit denen ich regelmäßig zu tun habe gerne mal schütteln und sie fragen, ob sie eigentlich den Knall gehört haben? Ich möchte sie fragen, warum sie denken, dass jemanden nach Jahrzehnten aus dem Betrieb zu ekeln die richtige Lösung ist? Ich will wissen, warum jemand junge, motivierte Kollegen durch Ansprache gezielt demotiviert? Ich verstehe nicht, warum man immerzu über- anstatt miteinander redet? Und warum Gossip manchmal wichtiger scheint, als ehrlich und unvoreingenommen die Motive der Anderen zu analysieren. Vielleicht käme man dann nämlich an die wahren Probleme – und zu dem Schluss, bei sich selbst anfangen zu müssen. Aber wer kehrt schon gerne vor seiner eigenen Tür?

Oh, ich habe weiß Gott meine eigenen Fehler. Ich lasse die Dinge manchmal zu locker laufen. Ich kann nämlich unter Stress ganz exzellent Probleme lösen, die ich bei besserer Vorbereitung noch exzellenter ohne Stress hätte gelöst haben können. Ich vertraue zu oft darauf, dass das gesprochene Wort im Geschäftsverkehr Gültigkeit hat. Aber ich vergesse leider auch Dinge und verärgere damit Menschen, die von mir Besseres verdient gehabt hätten. Meistens habe ich meine Affekte im Griff und kriege mein Networking gut gerissen; aber gelegentlich bemerke ich diese Dämonen in mir, die gerne mal jemanden (und wenn nur verbal) in Stücke reißen und verspeisen möchten. Die Litanei könnte noch eine Weile weitergehen, doch ich will an dieser Stelle mit folgender Bemerkung schließen: ich bin doch auch nur so ein Kerl, der sich täppisch durch sein Leben schleppt und verzweifelt versucht, es hinzukriegen…

Während ich diese Zeilen schreibe, könnte ich eigentlich glücklich sein, denn alles, wofür ich hart gearbeitet habe (und immer noch arbeite) kommt nun ziemlich rasch voran. Und doch verfolgen mich stets die Geister dessen, was ich falsch gemacht habe und raten mir, mich nicht zu früh zu freuen, lassen mich nicht gut schlafen und flüstern immerzu, dass eh alles schief gehen wird. Da gibt es Menschen, die glauben, dass ich Ihnen willentlich ein Unrecht getan habe – und ich weiß bis jetzt nicht, was ich falsch gemacht habe. Doch der Weg zurück ist versperrt. Da sind Menschen, die viel erwarten – und ich bin mir nicht sicher, allen wahrhaft gerecht werden zu können. Da sind Menschen, die ich in meinem Stress vernachlässige – und ich fürchte, damit irreparablen Schaden an meinem echten Leben anzurichten. Schließlich sind da die Menschen, die mir helfen wollen – und ich weiß, dass ich ihnen manchmal falsch begegne, weil ich ihre Motive falsch interpretiere, nein, gar falsch interpretieren will.

Ich kann all das reflektieren, während es in meinem Hinterkopf immerzu schreit „LAUF WEG! LASS ALLES HINTER DIR! KÜMMER DICH UM DICH SELBST!“ Wenn ich doch nur wüsste, wie das geht und wohin ich laufen sollte. Denn im Grunde meines Herzens bin ich in vielerlei Hinsicht glücklich, da zu sein, wo ich nun bin. Nur lässt mein schwarzer Hund mich das manchmal vergessen. Und er ist wieder mal zu Besuch. Im Moment liegt er in der Ecke und schaut mich nur an. Doch ich weiß, dass ich etwas dagegen unternehmen muss, sonst nimmt er mich an die Leine! Dies hier zu schreiben ist eines der Dinge, die ich dagegen tun kann. Die anderen Dinge mache ich mit meinen Lieben ab. Doch falls irgendjemand sich von meiner manchmal überdreht-lustigen Benutzeroberfläche täuschen lässt: beim Clown sind die Tränen aufgemalt – bei mir ist es oft das Lächeln… Gute Nacht.

Meditation über Maulkörbe…

Paradoxien werden erst sichtbar, wenn man ein Stück zurücktritt. Das Dilemma des Dogmatikers ist, dass er in seiner Meinung lebt, was den Schritt zurück, um von der Detailbetrachtung in die Totale zu wechseln sehr schwer macht. Folglich erkennt er zu oft die Paradoxien seines Denkens und Tuns nicht, oder zumindest nur ungenügend. Wirklich problematisch wird das zumeist erst, wenn entweder die Freiheit Anderer oder gar deren sonstige Unversehrtheit beschädigt wird. Das letztere kommt selten vor. Doch das erstere ist in den letzten Jahren – vor allem aber seit den gesellschaftlichen Auswirkungen von Covid 19 – zu einem Kennzeichen des öffentlichen Nicht-Diskurses geworden.

Ich sehe unfundierte Meinungen, die wie Monstranzen vorneweg getragen werden, welche allerdings anstatt der Überreste Heiliger bestenfalls die heilige eigene Meinung beinhalten, um dann den Geweihen brünstiger Hirsche gleich gegeneinander geschlagen zu werden, bis die individuelle verbale Gewalt erreicht, was die Argumente niemals könnten: den totalen Sieg. Und alle machen sie mit bei diesem totalen Krieg des Dogmatismus. Ich könnte im Strahl kotzen, wenn wieder einmal irgend so ein selbstgefälliger Forist meint, seine Monstranz sei hübscher als meine und dann sofort persönlich wird, wenn ich ihm mit Argumenten komme.

Es gibt so vieles, über das man diskutieren könnte. Doch anstatt Konsenz- und Lösungs-orientiert über Sachargumente zu sprechen, am besten auf Augenhöhe und ohne Dünkel, geht es sofort ad hominem, es werden Strohmänner aufgefahren, das Totschlagsargument der Political Correctness wie eine Peitsche geschwungen und wenn all das nicht gezogen hat, wird man halt beleidigend und unterstellt dem Gegenüber z. B., keine Ahnung zu haben. Ein kleiner Hinweis an die Netzcommunity: ICH MISCHE MICH NUR BEI DINGEN EIN, DIE ICH AUCH VERSTEHE! Vor diesem Hintergrund hat dieser Artikel bei ZON genau meinen Nerv getroffen, denn ich bin links, verstehe mich als systemkritisch – und verstehe dennoch nicht, warum man z.B. gewisse Corona-Schutzmaßnahmen verabsolutiert, ohne dafür eine sichere empirische Datenbasis zu haben. Warum man Klassiker wie Hegel und Kant plötzlich des Chauvinismus, Rassismus etc. bezichtigt, ohne dabei die historische Perspektive einnehmen zu können. Kants „Kritik der reinen Vernunft“ wird niemals ihrer Bedeutsamkeit beraubt werden können; und wenn er auch Rassist gewesen sein mag.

Wir leben heute mit Maulkörben, die eventuell unser Fortkommen als Menschheit behindern, zumindest aber das Miteinander schwerer machen. Unter anderem, weil z. B. das öffentliche Sichtbarmachen von Nicht-Binären Personen durch ein eigenes Personalpronomen (da es bei uns derzeit kein geeignetes gibt, wie etwa „hen“ im schwedischen, verwendet man momentan am besten „them/they“, auch wenn das sprachlich kontra-intuitiv sein mag) diese eher einer Stigmatisierung und Verfolgung aussetzen wird, anstatt ihnen als Personen in ihrer Identität gerechter zu werden. Und das ist nur einer von vielen Aspekten, bei denen proklamierte Diversity eher zu noch mehr dogmatisierendem Schubladen-Denken führen wird. Aber ich bin ja nur so ein cis-Typ, der keine Ahnung hat, woll…?

Sprache strukturiert das Denken. Dieses durchaus beachtliche Argument der non-binaries funktioniert in beide Richtungen. Indem ich Zonen des Unsagbaren definiere, schaffe ich automatisch – wenn auch mit etwas zeitlichem Abstand – Zonen des Undenkbaren. Wer also die Deutungshoheit über den Sprachwandel hat, der wird im Laufe der nächsten ein, zwei Generationen eine Gesellschaft umwälzen können. Sowohl die Linken, wie auch die Rechten versuchen im Moment mit verbaler Gewalt einen wahrhaft offenen „Marktplatz der Ideen und Argumente“ zu verhindern – jeweils in dem Bestreben, den anderen Pol zu vernichten. Wie viel Pluralismus hält der öffentliche Diskursraum wohl aus? Ich weiß es nicht. Aber ich würde das viel lieber herausfinden, anstatt mich mit einem Maulkorb arrangieren zu müssen, gleich welche Farbe dieser auch haben mag.

Eines zum Ende – ich habe ein großes Herz für die Anliegen der non-binaries und der LGBTQIA+-Menschen. Aber auch das sind nur Partikular-Interessen auf dem von mir favorisierten öffentlichen Markt der Ideen und Argumente. Wenn aber jemand von mir in spezieller Weise angesprochen werden möchte, so möge hen mir dies mitteilen. Und jetzt ein schönes Wochenende.

Erwachsen bilden #19 – Best Practice

Schon irgendwie witzig, wie man sein eigenes Tun als Käse entlarvt, je tiefer man sich mit Methoden und Theorien befasst, die sich abseits des Tellerrandes bewegen. Studium ist ja im besten Sinne dazu geeignet, sich seines eigenen Geistes zu bemächtigen; sofern man sich denn darum bemühen möchte. Die voran geschrittene Verschulung mancher Studiengänge im Rahmen des Bologna-Prozesses war manchem Vertreter deutscher Hochschulen von Anfang an ein Graus. Und man könnte trefflich darüber streiten, ob die im Rahmen der Bachelorisierung angestrebte Akademisierung mancher Berufsgruppen nicht vielleicht doch an den Realitäten des dualen Systems der Berufsbildung in Deutschland vorbei geht. Das ist aber heute nicht das Thema…

Jedenfalls bemerke ich, dass frischer Wind durch meinen Geist weht, wenn ich mich mit den Subjekten meines Studiums befasse. Ich spüre die Erweiterung meines kognitiven Horizonts und bekomme gleichzeitig neue Ideen und Ressourcen für meine praktische Arbeit. Tolles Ding soweit. Was ich besonders erfrischend finde, ist der Umstand, dass keiner der Profs den Inhalt seiner Vorlesungen als Anleitung zur Best Practice verstanden wissen möchte, sondern im besten Falle als Anregung, seine eigene „best contemporary practice“ zu finden – also die gegenwärtig bestmögliche Art, „Es“ zu tun (was auch immer „Es“ denn auch sein mag).

Nun bin ich Pädagoge und „Es“ ist natürlich zuallererst unterrichten. Gewiss muss ich mich mittlerweile auch mit solchen Dingen wie Qualitätsmanagement, Personaleinsatzplanung, Curriculums-Entwicklung etc. herumschlagen. Aber ich will nun ehrlich sein, meine wahre Leidenschaft ist der Lehrsaal – und es ist immer die Leidenschaft, die Leiden schafft… Denn sein berufliches Handeln zur best practice zu deklarieren bedeutet: Stillstand. Stagnation geht aber immer mit Rückschritt einher, denn die Welt bleibt ja nicht stehen, nur weil ich das möchte. Ich habe und hatte mit solchen Menschen zu tun. Und neuerdings auch häufiger mit jenen, die noch nicht erfahren genug sind, stetige Methodenreflexion als wertvoll zu begreifen und lieber vorgefertigte Lösungen für den Unterrichtssaal hätten, die jedoch allzu oft mit methodologischem Dogmatismus einher gehen.

Das ist der Grund, warum ich mir ein Referendariat für Lehrer an Berufsfachschulen wünsche. Denn viele der (zumeist noch sehr jungen) Kolleginnen und Kollegen, die gerade irgend so einen Bachelor an irgend so einer (zumeist teuren, privaten) Hochschule machen, bekommen die volle Breitseite zeitlich eng gespurter, verschulter Bildungshappen, die zum Prüfungszeitpunkt regurgitiert werden müssen. Verbunden mit einem Mangel an reflektierter Methoden-Kritik. Denn das Versprechen dieser Studiengänge ist, möglichst schnell auf den Arbeitsmarkt punkten zu können. Aber die wissenschaftliche Arbeit lebt von der Methoden-Kritik. Würden wir die Dinge immer noch genauso wie vor 500 Jahren tun, hätten wir die Renaissance vielleicht nie hinter uns gelassen.

Es ist erst die wissenschaftliche Arbeit, das Spiel mit unterschiedlichen Theorien und Konzepten, der Blick über den Tellerrand und die Kritik an Methoden und Programmen, die unser Verständnis von der Welt und unserer Profession so zu schärfen vermag, dass wir die Ambiguitäten und Ambivalenzen des Lehrsaales aushalten lernen; das wir stets rege und flexibel bleiben – und vor allem bereit, lieb gewonnene Angewohnheiten und angestaubte Konzepte abzulegen und etwas Neues zu versuchen; immer in der Hoffnung, dass daraus eine neue best comtemporary practice werde. Ich scheitere lieber drei Mal, als dass ich einmal stehen bleibe.

Ich bin dieser Tage kritisiert worden, weil ich es aus Sicht des Kritikers unterlassen habe, bestimmte Informationen zu Fortbildungsveranstaltungen auf unterschiedlichen Medien zu kommunizieren. Ich habe darauf verstockt reagiert, weil auf Grund der betrieblichen Übung alle Informationen als gegeben betrachtet werden könnten – und ich überdies schlicht keine Zeit mehr dazu hatte. Er wies darauf hin, dass andere Subsysteme unserer Organisation das besser machen würden. Wer hat nun Recht? Keine Ahnung. Aber ich vermute, dass sein Tonfall, der aus meiner Sicht den Passus „konstruktiv“ konterkarierte mich mehr auf die Palme gebracht hat, als angemessen gewesen wäre. Warum ich das hier thematisiere? Nun, weil es zeigt, dass meine „contemporary practice“ diesbezüglich von „best“ ein Stück zu weit entfernt ist. Ich wünschte nur, es wäre anders – nämlich tatsächlich konstruktiv und nicht … egal … – kommuniziert worden. Aber da bin ich wohl Idealist. Sei’s drum. Ich muss nicht jedermanns Freund sein. Schönes Wochenende.

Fresh from Absurdistan N°26 – Reich und Schön?

Mehr Gedanken im Kopf, als gut für mich sind. Weniger Zeit, Ihnen nachzugehen. Normalzustand also. Statt Denken und Schreiben zumeist rennen, schuften, den Lieben hinterher-was-auch-immern, versuchen, den ganzen Mist unter einen Hut zu bringen. Klappt mal mehr, mal weniger gut, ist aber immer für Ärger oder Amüsement gut. Letztlich oszilliert mein Leben im Moment zwischen diesen beiden Polen: Mal oben, mal unten, aber immer mittendrin. Also ist mein ganzes Leben im Moment ’ne Borderline…

Es überrascht mich selbst vermutlich am meisten; jedoch darf ich berichten, meine Psyche ist stabil. Wenn ich das doch von meinem Körper nur auch behaupten könnte. Wie dem auch sei. Action ist die neue Achtsamkeit, Echauffement die Entschleunigung und Meetings meine Meditation. Ich werde mich nicht beklagen, denn all die Energie muss ja irgendwohin und wird dabei sogar – zumindest weitesten Teils – nutzbringend verbraucht. Aber, wie das Leben so spielt, sind wir ja immer noch in Absurdistan unterwegs. Maskenverweigerer, Aluhutträger und anderes asoziales Geschmeiss versuchen immer und immer wieder, den öffentlichen Diskurs zu kapern.

Heute las ich auf Zeit Online (der Artikel ist leider hinter der Paywall verschwunden), wie reiche Gesellschaftsverweigerer versuchen, sich vor dem Virus zu schützen, indem Sie ihr Kapital einsetzen: sich ’ne Insel kaufen, in exclusive Clubs zurückziehen, sich gleich aus der Staatsbürgerschaft auskoppeln. Ich dachte so bei mir, dass die auf diese Weise vielleicht ihr Infektionsrisiko minimieren. Allerdings um den Preis, dem Menschsein vollkommen zu entrücken. Der Artikel spricht auch davon, dass, je reicher man ist, man (durch sozial-psychologische Studien nachgewiesen) unempathischer gegenüber den Bedürfnissen der Nicht-Habenden wird.

Ich wusste ja schon immer zumindest subjektiv dass (zu viel) haben asozial machen muss. Nun habe ich das zur Abwechslung mal schwarz auf weiß. Und es erklärt, warum Menschen wie Michael Ballweg, speziell Menschen aus dem Wohlhabenden Baden-Württemberg so vehement tun, als wenn Covid19 eine Erfindung wäre, um sie ihrer Autonomie zu berauben. Wie viel geistige Autonomie hat eigentlich ein, von den Phantomen seiner Phantasie gejagter Dogmatiker wirklich? Ich bitte die Polemik zu entschuldigen, aber für mich sind diese Menschen so dumm, dass man ihnen das Wahlrecht aberkennen sollte. Aber das ist nur die Meinung eines Typen, der schon sein ganzes Leben versucht, die Menschen zu verstehen. Meist mit geringem Erfolg.

Doch ich war gerade beim öffentlichen Diskurs. Und der findet zum Thema Corona nicht statt. Es gibt jene, die einfach klaglos alles hinnehmen, was irgendwelche Politiker und/oder Behörden verzapfen. Beispiel: Maskenpflicht in Thüringen. Oder der Umgang mit der bodenlosen Sauerei bei Tönnies durch die Nordrhein-Westfälischen „Autoritäten“. Meine Erkenntnis hieraus: Ramelow hört auf die falschen Berater und Laschet ist auch nur ein Heißluft-blasender Populist. Dass er nicht mein Kanzlerkandidat wäre, ist ja klar. Was nicht klar ist – wer ist denn nun mein Kanzlerkandidat? Frau Kramp-Karrenbauer hat zur Abwechslung im ZDF-Sommerinterview etwas kluges gesagt: der Wahlkampf würde sich nicht an der Frage des Corona-Krisenmanagements entscheiden, sondern an der Frage der Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Doch ich war bei der anderen Fraktion des nicht existenten öffentlichen Diskurses; denn der schweigenden Masse stehen die radikalen Idioten aller Coleur gegenüber. Und ich hocke zwischendrin und frage mich, was genau so schwer daran ist, zu verstehen, dass Absurdistan jetzt das neue „Normal“ ist. Das wir noch auf Monate, vielleicht Jahre mit immer wieder neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu rechnen haben. Das dies auch unsere Art zu Leben und zu Wirtschaften insgesamt in Frage stellt. Aber darüber reden sie nicht. Da wird nur von der Wirtschafts-Misere gesprochen, ohne wahrhaft über Nachhaltigkeit zu reden. Da wird nur von Gesundheit gesprochen, ohne tatsächlich Ahnung oder Konzepte zu haben. Da wird über Schule gesprochen, ohne die wahren Betroffenen im Blick zu haben. Und den Preis für diese Indolenz, Trägheit und Lobbyisten-Hörigkeit zahlen am Ende wir alle – auf die eine oder andere Art. Wollen wir mal darüber reden…?

Die Einschläge kämen näher, sagt man…

Es ist wieder so ein Sonntagabend. Gerade eben war ich noch absolut unbeschwert, habe mit meiner Gattin das Spiel-Wochenende mit Freunden reflektiert, Pläne für die nächsten Wochen geschmiedet und mich dann bei ihr empfohlen, weil ich morgen früh ganz unbeschwert ausschlafen wollte; da kommt ’ne Nachtschicht, direkt gefolgt von spezielleren Verpflichtungen in meiner neuen Funktion. Man öffnet Facebook… und unversehens wird es einem flau im Magen. Ich hatte dieses Jahr schon einen persönlichen Verlust zu beklagen, aber wir haben erst Halbzeit und da flattert schon die nächste schlechte Nachricht rein. Ein geschätzter Kollege und Wegbegleiter früherer Jahre musste allzu früh gehen. Ich weiß, er hätte keine ausufernde Laudatio gewollt – also muss ein schmerzvolles „Mach’s gut!“ genügen…

Ich pflege gelegentlich, mit meinen Patienten gemeinsam gegen den alten Gevatter Tod anzulachen, indem ich den Schnitter als letzte Gerechtigkeit stilisiere; als Gleichmacher, dessen Sense alle nimmt, egal, ob alt oder jung, ob arm oder reich, ob klug oder dumm… jeder von uns kommt irgendwann dran, keiner weiß präzise, wann es geschieht und das letzte Hemd hat – wie mein Vater immer sagte – keine Taschen. Er hatte damit verdammt Recht! Und doch ist mir natürlich bewusst, dass dieses Lachen ist, wie das Pfeifen des ängstlichen Kindes im Walde ob der heraufziehenden Dunkelheit. Denn natürlich weiß auch ich nicht, wann mein Stündlein geschlagen hat.

Ich könnte jetzt in Panik verfallen und mit hektischen Versuchen beginnen, meinen Lebensstil zu vergesunden. Ob das etwas ändern würde? Wer will das schon wissen? Für jenen Kollegen, den Gott zu sich genommen hat macht’s keinen Unterschied mehr. Und ich hoffe inständig, dass er jenen Frieden gefunden hat, der ihm zusteht! Das Leben ist für keinen von uns ein gerader Fluss ohne Überraschungen, sondern eher wie ein tosender Wildbach, der hinter jeder Kurve Überraschungen parat hält. Die von heute Abend war zugegeben sehr unschön. Andererseits bestätigt sie mich in meiner Annahme, dass wir Menschen gut daran tun, alle Tage mit mehr Leben anzufüllen, anstatt das Leben mit mehr Tagen. Ein Arzt, den ich mal kannte, meinte dazu nur ironisch, dass man die Tage, um die man sein Leben verlängerte eh im Fitnessstudio oder auf dem Sportplatz zubrächte…

Wie man es auch dreht und wendet: wenn ein Mensch geht, der das eigene Leben berührt hat – und dieser Kollege hat das zunächst getan, indem er mir auf den ersten, unbeholfenen Metern meines Arbeitslebens im Rettungsdienst in unnachahmlicher Art und vollkommen zu Recht in den Hintern getreten hat – dann beginnt man unwillkürlich, den gemeinsamen Teil des Weges zu reflektieren. Und weil unser Gehirn so ein wundersam soziales Organ ist, kramt es die guten Dinge hervor. Und mehr braucht es auch nicht! Was auch immer die anderen, die es betrifft denken und fühlen mögen – ich wünsche ihnen von Herzen die guten Erinnerungen an das gemeinsam Erlebte, viel Kraft für die nächste Zeit; und dass sie nie den Blick für das Wichtigste im Leben verlieren mögen: die Menschen, die uns begleiten. Gute Nacht.

Time for a barbecue…?

Wann immer, wo auch immer ein Artikel zum Thema Tierrechte/Vegane Lebensweise veröffentlicht wird, kann man den Sekundenzeiger nur ganz kurz beobachten und schon tobt in der Kommentarspalte eine Schlacht biblischen Ausmaßes. Das Thema triggert einfach jeden, weil es unsere Art zu leben in ihren Grundfesten berührt. Natürlich hat jeder und jede dazu eine Meinung; genauso, wie natürlich jeder und jede ein super Bundestrainer, Virologe und Pädagoge ist…NICHT!

Ich versuche es mal mit persönlicher Ehrlichkeit: die Art und Weise, wie in weiten Teilen Fleisch als Nahrungsmittel erzeugt wird, widert mich an. Ich sehe die Bilder, lese die Reportagen und verstehe rational, dass wir den Konsum von Fleisch, der vor sehr langer Zeit zum evolutionären Wachstum der Hominiden-Gehirne und damit zur Entwicklung des heutigen Homo Sapiens Sapiens beigetragen hat, heutzutage vollkommen pervertiert haben. Wir bräuchten, objektiv betrachtet, heutzutage kein Fleisch mehr essen. Oder bestenfalls einen kleinen Bruchteil der Menge, die tagtäglich verzehrt wird.

Und dennoch esse ich immer noch Fleisch und Wurst. Das ist bigott und ich weiß es. Ich versuche den Schmerz, welchen mein Gewissen mir dabei verursacht durch bewusstere Beschaffung zu lindern; will heißen, ich kaufe Bio, beim Erzeuger und versuche ganz allmählich den Konsum umzustellen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es nie schaffen werde, ganz auf Fleisch zu verzichten – aber zumindest den Konsum reduzieren und in eine gesündere Richtung lenken, dass wird mir gelingen. Nicht heute und morgen nicht gleich, aber ganz gewiss in den nächsten ein bis zwei Jahren.

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Und dennoch prallen zwei Welten voller Dogmen so unversöhnlich heftig aufeinander, dass man meinen könnte, dass der nächste Weltkrieg zwischen Veganern und Fleischessern ausgefochten werden wird. Weil auf der einen Seite jene stehen, für die der Umstand, sich Fleisch leisten zu können ein Zeichen ihres heutigen Wohlstandes ist. Ein Symbol für das persönliche Fortkommen, die subjektive Sicherheit, dass es ihnen (immer noch) gut geht. Gewachsen aus den dunklen Tagen des Krieges, verfestigt in Zeiten des „Wirtschaftswunders“, verankert als tradierte „Tatsache“, die heute fester Bestandteil der Sozialisation in Wohlstandsgesellschaften ist. Diese Menschen bilden die Mehrheit. Und diese Mehrheit fühl sich durch die Thesen der Anderen bedroht!

Denn diese Anderen sind jene, die angefangen haben, unsere Art zu leben und zu wirtschaften nicht nur analytisch durchdringen und darüber reden zu wollen, was wir alles falsch machen, sondern auch etwas gegen die Fehler tun zu wollen. In unserer Welt läuft so unfassbar viel falsch, woran ein Individuum (subjektiv) wenig ändern kann. An den eigenen Ernährungs-Gewohnheiten indes kann jeder etwas ändern. Die sind quasi der individuelle Einstieg dazu, die Welt (doch) verbessern zu können. Und viele der vorgebrachten Thesen und Argumente sind richtig und stimmig. Dieser Umstand – sich nicht zu Unrecht im Recht fühlen zu dürfen – zeitigt oft ein Sendungsbewusstsein, dass von der Mehrheit allzu oft als Dogmatismus wahrgenommen wird; recht oft ist es das auch…

Recht zu haben bedeutet nicht, die eigene Meinung auch mit Macht durchsetzen zu können, oder das zu müssen. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse gehen nämlich zumeist nur mit der Geschwindigkeit kontinentaler Plattendrift voran, wohingegen viele Veganer gerne JETZT den Rest der Bevölkerung von ihren Argumenten überzeugen würden. Wer sich mal mit Change-Management befasst hat, dem wird schnell klar, dass hier einige psychologische und sachliche Barrieren sind, die man so leicht nicht wird überwinden können. Et voilá: Krieg in der Kommentarspalte. Zweifelsohne wäre es für unsere Wert von Vorteil, wenn wir unseren Fleischkonsum schnell einschränken und zumindest an Nachhaltigkeit orientieren würden. Aber selbst das wird schon eine gewaltige soziale, wirtschaftliche und politische Aufgabe, die eng mit dem Klimaschutz verbandelt ist.

Je früher wir alle lernen, lieb gewonnene aber im Kern tatsächlich blöde Angewohnheiten langsam loszulassen, umso besser werden unsere Folgegenerationen hier leben können. Da unser Leben und Wirtschaften aber an der möglichst schnellen Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet sind („Geiz ist geil!“, „Ich will alles und das jetzt“, etc.), ist das eines der dicksten Bretter, die wir in den nächsten Jahren werden bohren müssen. Was bedeutet, dass beide Seiten aufeinander zugehen müssen. Das heißt nicht, dass Veganer Fleisch essen müssten; aber sie müssen etwas duldsamer mit uns Mehrheitsmenschen sein und ihre Argumente an der richtigen Stelle mit Bedacht vortragen. Und wir Mehrheitsmenschen müssen endlich wahrhaft begreifen, dass die Ressourcen der Natur endlich sind und dass „sich die Erde untertan machen“ auch die Verantwortung für den Erhalt derselben beinhaltet. Dann könnten wir alsbald zu einer besseren Version der Menschheit werden. Aber mit Krieg in der Kommentarspalte wird das nix. Schönes Wochenende. Grillt ihr auch?

Erwachsen bilden #18 – Persönlichkeitsentwicklung…?

Man liest seine Studienbriefe. Und dann kommt manchmal so ein Punkt, an dem einem die Frage gestellt wird, ob man die rote oder die blaue Pille nehmen möchte. Nein – da sitzt natürlich man nicht mit Laurence Fishbure in seinem fancy Kostümchen in einem Abbruchhaus und der gerade macht seelenruhig einen auf Morpheus. Diese durchaus eigenwillige Umdeutung des Gottes der Träume darf ruhig rein cineastisch bleiben. Aber man findet sich auch bei wissenschaftlichen Betrachtungen gelegentlich mit der Frage wieder, welcher Argumentationslinie man lieber folgen möchte. Fühlt man sich der Wissenschaft als solcher verpflichtet, wird man so lange als möglich allen gerade noch überschaubaren Pfaden folgen wollen. Aber irgendwann erarbeitet man für sich selbst einen Grad an Plausibilität der einen oder anderen Argumentationslinie, den ein weniger wacher Geist auch mit Gewissheit verwechseln könnte.

Es sei einmal mehr bekräftigt: Wer sich einer Sache gewiss wähnt, ist bereits auf halbem Wege zum Dogmatismus. Sokrates sagte nicht umsonst „Ich weiß, dass ich nicht weiß.“ Er will uns damit auf die Verblendung hinweisen, die aus verfestigter Gewissheit erwachsen kann. Daher begnügt man sich – speziell in dem Sozial- und den Geisteswissenschaften – üblicherweise damit, hinreichend Erklärungshaltige Theoriegebäude zu formulieren, um diese dann genüsslich wieder einreißen zu können, wenn mal eine neue Erkenntnis daher kommt. Diese Vorläufigkeit des Wissens ist es, die mich stutzig werden lässt, wenn ein Studienbrief über das Thema Persönlichkeits- und Kreativitätsförderung referiert.

Dem Konstruktivisten in mir stellt sich nämlich sofort die Frage, welche theoretischen Interventionsmöglichkeiten ich – im Angesicht der individuellen Konstruktion von Realität durch den Teilnehmer in sich selbst- denn überhaupt haben könnte, hier Eingriff nehmen zu können? Und der Humanist fragt sich, welche Berechtigung ich als Pädagoge dazu haben könnte? Denn allein der Begriff legt – nach meiner Lesart – eine Defizit-orientierte Grundhaltung an den Tag, die mich nach den Kriterien für die normative Anwendung deskriptiver Methoden fragen lässt. Natürlich ist die Frage ein bisschen ketzerisch, denn prinzipiell werden solche Eingriffe regelmäßig – mit mehr oder weniger Erfolg – durchgeführt: nämlich in der Psychotherapie. Und da kommen Methoden der Gesprächsführung und der Sprachanalyse zum Einsatz, die erprobt und in vielen Fällen sehr hilfreich sind.

Dennoch muss man sich als Pädagoge meines Erachtens sehr wohl mit der Frage auseinandersetzen, wodurch und inwieweit solche, eigentlich zur Therapie pathologischen Verhaltens gedachte, Instrumente im regulären Unterricht ihren Platz haben könnten. Es ist ja nicht so, dass meine Schüler in der Mehrzahl psychopathologisches Verhalten zeigen. Die Grundhaltung scheint mit auch eher der Idee zu entspringen, Menschen zum Erreichen ihres bestmöglichen Selbst verhelfen zu wollen. Das klingt vielleicht nach einem tollen Ziel; es bleibt indes für mich der fade Geschmack der Defizitorientierung. Oder, etwas anders formuliert, die Frage, in wie weit als wünschenswert beschriebenes Verhalten tatsächlich der Person selbst dient? Oder nicht doch eher dem Staat als Ruhe stiftender Institution und potentiellen Arbeitgebern für deren Wertschöpfung? Ist Devianz stets schädlich, oder nicht vielleicht doch gelegentlich ein Hinweis auf (nützliches?) unabhängiges Denken.

In meinem Hinterkopf spielen dabei „1984“-Szenarien weniger eine Rolle. Dystopien dieser Art sind schöne Gedankenspielereien, jedoch – allen „Diktatur“-Rufern in der Corona-Zeit zum Trotz – weitab der hiesigen Realität. Dennoch ist der direkte Zugriff auf die Teilnehmer mittels Strategien aus dem psychotherapeutischen Arsenal ein zweischneidiges Schwert, da die individuelle Autonomie meiner Schüler unbedingt erhalten bleiben soll. Ich denke vermutlich zu weit, doch ich kann das begründen; nämlich, weil ich allenthalben Idioten sehe, die Führern zu den Aluhuten auf den Leim gehen. Mündigkeit im Sinne einer entwickelten Menschenwürde bedarf nämlich vor allem der Fähigkeit und des Willens auch abseits der Mehrheitsmeinungen seinen Weg finden zu können. Ob wir dem als Pädagogen dienen, oder es verhindern liegt auch an unserem eigenen Handeln und Unterlassen im Lehrsaal und im mobilen Ausbildungsort RTW.

Ich muss über diesen Aspekt noch eine ganze Weile nachdenken; und ich kann es nur in meinen Kolleginnen landauf, landab anregen, das auch zu tun: Nachdenken, welchen Einfluss ich auf meine Schüler/Auszubildenden nehme und ob dieser Einfluss DENEN dient, oder einer Vorstellung, die ICH in meinem Kopf habe? Ich würde mich freuen, wenn wir darüber ins Gespräch kämen. Gute Nacht…

Der verwirrte Spielleiter N°22 – roleplaying and racism

Es wäre gut, wenn man zunächst eine Unterscheidung trifft. Reden wir über Rassismus im Rollenspiel – also gegen bzw. durch die Charaktere? Oder reden wir über Rassismus durch Rollenspiel – also eine Stigmatisierung bzw. Benachteiligung von Spielern oder Dritten durch Aspekte des Spiels? Wenn es um den zweiten, gesellschaftlich relevanten Aspekt geht, kann ich nur mein, vor ein paar Tagen unter diesem Post getroffenes Statement wortgetreu wiederholen:

„Ach Herrjeh, wo fang‘ ich an…? Gehen wir erst mal zu den neurophysiologischen Ursprüngen: Xenophobie – also die Angst vor dem Unbekannten – als eine unserer Basisemotionen ist im limbischen Cortex verankert und wird für uns, von der Amygdala im Mesolimbischen Cortex vermittelt, zu einem spürbaren Gefühl, dass wir zunächst nicht präzise einordnen können. Das soziale Framing ethnischer Gruppen, etwa durch Identitäts-Politik führt dazu, dass dieses zunächst nur diffuse Gefühl, welches daher rührt, dass wir das Fremde dank unseres Hominiden-Erbes primär als Gefahr einstufen allzu leicht in Abneigung oder gar Hass umdeuten und in der Folge anfangen, z. B. PoC zu stigmatisieren. Das betrifft andere Bevölkerungsgruppen, die soziale oder physische Merkmale außerhalb einer – z. B. von Menschen als völkische Zugehörigkeit definierten – Norm aufweisen genauso. LGTBQIA+-Personen etwa haben ja leider oft mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Dagegen anzugehen muss als gesamtgesellschaftlicher Prozess passieren und wird Zeit in Anspruch nehmen. Dass wir jetzt auch im RPG über das Thema nachdenken, ist natürlich und richtig. Die Frage, die jeder nur für sich individuell beantworten kann, ist die, inwieweit das Thema seine/ihre Spielrunden überhaupt tangiert und falls ja, ob es tatsächlich Spieler*innen gibt, die sich bei der aktuellen Art, damit umzugehen unwohl oder sogar benachteiligt fühlen? Hier kann eigentlich nur ein offenes Gespräch zur Klärung führen. Was nun das Individuelle angeht: auf Grund meines Alters und meiner Sozialisation würde ich davon ausgehen, dass ich zumindest früher einmal Alltagsrassist war. Es ist mir so vorgelebt worden und Kinder imitieren ihre Umwelt. Ein bewusstes Reframing, um die eigene Wahrnehmung des/der Anderen zu modifizieren ist allerdings ein umständlicher und langwieriger Prozess, der manchmal nicht die Ergebnisse erzielt, die man sich wünscht. Das sollte einem allerdings ein Ansporn sein, den Weg trotzdem zu gehen.“

Dem hier gesagten habe ich einstweilen nichts beizufügen. Wollen wir uns also stattdessen über Rassismus im Rollenspiel unterhalten, einverstanden? Jedem, der Pen’n’Paper mehr als ein paar Wochen spielt, ist bewusst, dass man bis heute auf Seiten der Game-Designer, speziell im Fantasy-Bereich gerne und häufig mit ethnischen Stereotypen hantiert hat: eilige Elfen, olle Orks, zwanghafte Zwerge, tranige Trolle, etc. Die dabei entstandenen Beschreibungen und Zuschreibungen waren vor allem dazu angetan, natürlich Feinde für die Spieler zu erzeugen, um ein gewisses physisches Herausforderungs-Level für die Charaktere erzeugen zu können, ohne dafür mehr als das „Monsterhandbuch“ bemühen zu müssen. Ich selbst stehe da mehr auf Hausmacher-Drama. Der Mensch ist sich meistens ja selbst der schlimmste Feind; und der Umwelt gleich mit. Aber weil es halt geschmeidig war, so genannte Monster-R****n [ACHTUNG, heutzutage gefährliches R-Wort] zu haben, deren Mitglieder man den Spielercharakteren als Adversary of the week servieren konnte, war das über Jahrzehnte ein Standard. Experience to go, sozusagen.

Nun glauben wir heutzutage, ziemlich aufgeklärte Burschinnen und Burschen zu sein und wollen ja auch niemandem weh tun. Es ist ein Hobby, aber es genießt immer mehr Publicity, also müssen wir aufpassen, schön politically correct zu agieren, gell? Ich sach jetzt einfach ma: nö, muss ich nich! Im gegenteil halte ich es für absolut sinnvoll, Rassismus, wenn es sich ergibt, als Teil des Spiels zu benutzen. Selbst eine Second-Hand-Stigmatisierungs-Erfahrung hat tendenziell ihren Wert für das wahre Leben. Und davon ab stelle ich immer wieder fest, dass ein bisschen schwarz-weiß im Spiel noch keinem weh getan hat. Im Gegenteil verlangen Spieler gelegentlich sogar nach einer erkennbar dualistischen Struktur der Spielwelt, weil sie gerne mal jemanden mit Recht vermöbeln dürfen wollen, ohne dafür real-weltliche Sanktionen befürchten zu müssen. Jeder, der sich ab und an mal zum Pixeltöten vor seine Playse setzt, weiß genau, wovon ich rede: Eskapismus.

Und seien wir mal ehrlich: wir kommen doch üblicherweise zum Zocken zusammen, weil wir für eine definierte Zeit den Sorgen, Anforderungen und Problemen des Alltags entfliehen wollen; manchmal sogar entfliehen müssen. Man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass die, in Spielsettings benutzten Stereotypisierungen lebensweltliche Analogien haben, die es u.U. vereinfachen, Handlungsmuster aus dem Spiel auf die Realität zu übertragen – womit wir wieder bei der leidigen „Ballerspiele machen Kinder zu Mördern“-Diskussion wären. Und ich sage einfach mal: für diese These gibt es bislang keine brauchbare wissenschaftliche Fundierung. Eher für das Gegenteil. Aber kommen wir zurück zum eigentlichen Thema: gefunden habe ich bei einer Recherche, ob Rollenspiel denn nun rassistisch macht ein Projekt, welches von der Antonio Amadeu-Stiftung unterstützt wird – und das Gegenteil bewirken soll….

Auf den Punkt – ich glaube, wir SL und Spieler täten gut daran, aller Selbstreflexion und allem wünschenswerten Wachstum als Menschen zum Trotze eines nicht zu vergessen: es ist nur ein Spiel! Und manchmal sollte man die Kirche im Dorfe lassen. Ohne Zweifel werde ich Rassismus gegen (Mit)Spieler nie dulden oder laufen lassen. Und ebenso zweifelsfrei steuere ich das sehr bewusst, wenn meine NSCs sich rassistische, chauvinistische oder faschistische Ideologie zu eigen gemacht haben und das im Spiel auf die Charaktere wirkt. In aller Regel ist es ja deren Auftrag, dem entgegen zu wirken. Und wenn die Spieler nun im Spiel selbst andere SCs oder NSCs stereotypisieren und stigmatisieren? Dann hängt der Ausgang einerseits sehr von den Prämissen des Settings ab. Andererseits muss für mich jederzeit erkennbar bleiben, dass zwischen Charakter und Spieler unterschieden wird und niemand wirklich etwas zu erdulden hat, was er/sie nicht will. Das magische Zauberwort hierzu lautet: Kommunikation!

Ich denke, dass meine Sichtweise gewiss davon beeinflusst wird, dass ich ein (mittel)alter weißer Sack bin, der mit Oldschool-RPGs aufgewachsen ist, dass ich dem Thema jetzt nicht so viel Brisanz entnehmen kann, wie manch anderer in der oben abgebildeten Diskussion das tut. Aber ich lasse mich durch wohl abgewogene Argumente gerne eines Besseren belehren. Einstweilen denke ich jedoch, dass es ganz clever wäre, wenn wir im Rollenspiel zwar gerne real existierende Probleme spielerisch abarbeiten können, uns dabei manchmal aber nicht zu viele Gedanken um den realen Meta-Kontext machen sollten. Das zerstört für viele nämlich das Spiel. Zum Beispiel für mich. In diesem Sinne: always game on… thoughtfully

Fresh from Absurdistan N°25 – Rassisten-Bullshit-Bingo

Ganz ehrlich – ich hatte eigentlich daran gedacht die FFA-Reihe leise weinend sterben zu lassen, weil es den allermeisten Menschen offenkundig schwer fällt, zu verstehen, dass wir immer noch in Absurdistan sind. Spätestens in dem Moment, in dem Kinn-Accessoire-Träger, Distanz-Verweigerer und Gesundheits-Diktatur-Rufer mich daran gemahnt haben, dass wir noch lange nicht über den Berg sind und dennoch allenthalben die Menschen tun, was sie halt so tun – anderen Menschen mit ihrem Verhalten auf die Nerven gehen, sinnlos konsumieren, Vernunft als nutzlos weil Spaß-bremsend diffamieren und was weiß ich nicht noch alles – wurde mir aber klar, dass ich genau diese Reihe weiterführen muss. Wir brauchen andere Aspekte in der Diskussion.

Im Moment ist es mal wieder ein „Merkel muss weg“; als wenn der Austausch einer politischen Führerin am System irgendwas ändern würde. Hinter Trump stehen – so peinlich er manchmal auch sein mag – ja auch jede Menge Menschen, die ihn pausenlos dafür feiern, dass er mit aller Gewalt eine nationalistische Zeitenwende in den USA einzuläuten versucht. Politik ist ein seltsames Geschäft, über welches der französische Komiker Henri Tisot mal folgendes sagte: „Bei der Fischsuppe und bei der Politik sollte man nicht zuschauen, wie sie gemacht werden.“ Mir schmeckt beides nicht besonders…

Und mitten in diese seltsamen Zeiten platzt die altbekannte Erkenntnis, dass es bei unseren Sicherheitsbehörden faule Äpfel gibt. Nun, die gab es leider schon immer, die gibt es jetzt offenkundig in zu großer Zahl und die wird es vermutlich auch noch eine ganze Weile geben. Diesen Umstand jedoch als Grund zu gebrauchen, nicht darüber reden zu wollen, ist schlicht dämlich. Denn der Satz „Das haben wir aber schon immer so gemacht!“ bringt halt weltweit die meisten Menschen um. Genauso wenig, wie es keinen latenten Rassismus bei Mitarbeitern unserer Sicherheitsbehörden gibt, gibt es nur gute Menschen mit Migrationshintergrund. Jedoch diese beiden Sachverhalte mittels Whataboutism gegeneinander auszuspielen, wie das gerade in der Diskussion um die Ereignisse von Stuttgart vom letzten Wochenende geschieht, wird weder den, auf Grund ihrer Herkunft stigmatisierten und benachteiligten in unserer Gesellschaft, noch dem leider notwendigen Vorgehen gegen kriminelles Handeln gerecht. Und nichts Anderes waren die Krawalle von Stuttgart. Man kann das natürlich sozial-psychologisch begründen, warum ausgerechnet junge Männer zu solchem Verhalten neigen. Das ändert nichts daran, dass es sanktioniert werden muss.

Die Gemengelage zündfähiger Befindlichkeiten, welche sich im Verlauf des Lockdowns gebildet hat, wird gerade durch die Einkehr des Sommers potenziert. Die Menschen möchten wieder mehr Mensch sein dürfen, weil sie sich durch Abstandsregeln, Masken und viele andere Einschränkungen der persönlichen Entfaltung sozial amputiert fühlen. Die Regelungen zu Corona haben den Zweck, uns Menschen vor uns selbst zu beschützen, weil wir als Spezies im Median ziemlich schlecht darin sind, auf uns selbst – vor allem aber auf die Schwächeren unter uns – Acht zu geben. Anders kann man sich den Zustand unserer Welt auch schwerlich erklären. Aber nun ist es sehr vielen einfach genug! Ich verstehe das – Empathie meint zuvorderst, sich in die Gefühls-Welt des Gegenübers rational hinein denken zu können. Mitgefühl, oder gar Mitleid reserviere ich mir gerne für jene, die mir wirklich nah sind, aber ich kann wohl durchdenken, was die Menschen landauf, landab so umtreibt, weil ich selbst einer bin. Und das Gefühl der behinderten Selbstentfaltung habe ich in den vergangenen Wochen auch dann und wann erlebt.

Was haben aber nun diese beiden Phänomene miteinander zu tun? Aus meiner ganz bescheidenen Sicht Folgendes: wir projizieren unsere Gefühle und suchen Schuldige für das, was uns gerade am Menschsein hindert. Wir wollen unsere Freiheit verteidigen; unbeachtet der Tatsache, dass sie eigentlich gar nicht bedroht ist. Wer in den Lockdown-Maßnahmen eine Bedrohung der Demokratie, bzw. seiner individuellen Freiheit sieht, darf gerne mal ein Austauschjahr in Nordkorea machen. Frustration und Wut über die eigene Lage vermengen sich mit diffuser Xenophobie und Wumms => Rassismus. Oder Frustration und Wut über den Mangel an Freiheit vermengen sich mit einem, hierorts allerdings in den allermeisten Fällen ungerechtfertigen ACAB-Gefühl und Wumms => Randale in Stuttgart. Angst ist nur ein guter Ratgeber, wenn sie dazu führt, dass ich mich einer Auseinandersetzung entziehe. Angst und Wut zusammen sind meist ein guter Grund für unnötiges Leid; egal bei wem…

Wie man es auch dreht und wendet – der Lockdown lässt diese alten Gefühle seit Wochen hochkochen und niemand hat bisher ein gutes Rezept gefunden, wie man diese Bombe entschärft. Fest steht jedoch, dass sie da ist und irgendwelche Idioten immer wieder versuchen, die Lunte anzuzünden. Möglicherweise ist es doch wahr, dass es immer ein paar Menschen gibt, die die Welt einfach nur brennen sehen wollen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Soziopathen und Psychopathen nicht die Oberhand gewinnen. Denn weitere solche Unruhen wie in Stuttgart in Verbindung mit Corona wären in ihren Auswirkungen noch viel schlimmer als die sozialen und hygienischen Abgründe, welche sich beim Skandal-Schlachter Tönnies offenbart haben. Kauft eigentlich noch irgendwer von euch beim Discounter Fleisch? Schönes Wochenende mit Steaks vom Grill…

Fresh from Absurdistan N°24 – Der kleine Sozial-Autist

Wann immer sich die Gelegenheit ergibt, versuche ich es mit etwas Chillen. Man unterstellt den etwas gewichtigeren Menschen – und zu dieser Subkategorie unserer Spezies zähle ich – ganz gerne, dass sie einfach zu faul seien. Und darum habe ich neulich mal nachgerechnet. Ich komme, wenn man meine 100%-Stelle und das Studium zusammennimmt im Mittel auf 55-60 Stunden/Woche. Was daran jetzt faul sein soll, weiß ich beim besten Willen nicht; zumal man ja auch noch etwas Zeit für die Pflege seiner sozialen Kontakte braucht.

Keine Frage: ich könnte etwas weniger essen und noch mehr laufen und vor allem Fahrrad fahren, als ich das im Moment tue. Der Ratschlag ist angekommen. Wobei ich tendenziell mit Ratschlägen immer ein Problem habe. Ich gebe manchmal selbst welche – wenn ich danach gefragt werde. Ansonsten ist es mir lieber, die Leute von selbst auf die richtigen Fragen kommen zu lassen. Denn die eventuell passenden Antworten sind in aller Regel so individuell, dass ICH sie höchstens für mich selbst geben kann. Und auch dann sind sie oft genug einfach falsch…

Doch zurück zum eingangs erwähnten Chillen. Faulheit hat für mich einen Selbstzweck. Nämlich, sich bewusst und absichtsvoll den Zwecken Anderer zu entziehen. Viel zu oft rennen wir heute den Idealen und Ideen nach, die eben Andere uns vorgeben. Wenn man auf der Suche nach etwas Sinn für sein Leben ist, stolpert man leider recht schnell über Menschoiden, die einem erzählen wollen, was gut für einen ist. One-Size-Fits-All ist und bleibt jedoch Bullshit! Ich werde es immer wieder sagen; solange, bis die Menschoiden um mich herum es endlich zu verstehen beginnen.

Wenn ich also von Chillen rede, bedeutet das mitnichten, dass ich den ganzen Tag in der Hängematte liege und nichts tue. Zum einen kann der Mensch genauso wenig nicht denken, wie er nicht kommunizieren kann (siehe Watzlawick); jeder, der schon mal von seinem Gedanken-Zirkus um 03:25 in der Früh mit Macht am Wieder-Einschlafen gehindert wurde, weiß genau, wovon ich gerade rede. Zum anderen sprach ich ja auch von Sinn. Der kann sich zwar auch mal in einem verluderten Nachmittag der Prokrastination finden lassen. Häufiger jedoch tue ich dann etwas , einfach, weil ICH das tun will und es mir im Gegenzug gut tut. Schreiben zum Beispiel.

Allzu häufig finde ich mich dann aber dabei wieder, etwas zu erledigen, dass auch mit meiner Arbeit (also dem Vorbereiten, Nachbereiten, Planen, Unterrichten) oder meinem Studium zu tun hat. Ich hielt mich bislang nie für einen Workaholic – und dennoch bereiten mir solche Tätigkeiten häufig Freude. Oder ich erledige diese jetzt, damit ich später entspannter prokrastinieren kann. Na ja, es könnte schlimmer kommen… Nun ist es so, dass der Corona-Lockdown mich etwas mehr auf mich selbst und mein kleines Reich (also mein echtes Home-Office) zurückgeworfen hat, als dies üblicherweise der Fall ist. Ich habe hier viel Zeit zugebracht und dabei etwas herausgefunden, dass mir eine Zeit lang gar nicht bewusst war: ich könnte das noch viel länger! Und mein Arbeitgeber müsste keine Angst haben, dass die Arbeit nicht erledigt wird. Denn irgendwie gehen meine ganzen kreativen Tätigkeiten Hand in Hand. Denn man kann nicht nur nicht denken und nicht kommunizieren – ich kann auch nicht wirklich gut faul auf meinem Allerwertesten sitzen. Sitzen schon – aber bitte nicht faul!

Ich habe mich mehr als einmal über diese Work-Life-Balance-Gurus lustig gemacht. Und ich stehe noch immer auf dem Standpunkt, dass die allermeisten von denen weg können, weil das, was sie betreiben keine Kunst ist, sondern allenfalls gesunden Menschenverstand und etwas Selbstreflexion braucht. Nun ist klar, dass manche Leute weder über das eine, noch das andere verfügen – die sind aber zumeist auch nicht in der Position, Home-Office arbeiten zu dürfen, bzw. zu müssen, weil das doch eher Jobs mit gewissen kognitiven Anforderungen vorbehalten ist. Klingt das arrogant? Vielleicht, aber das ist mir gerade egal. ICH komme gut klar und meine Balance hat sich wieder ausgepegelt.

Paradoxerweise sind jene, die viel mit Menschen arbeiten oft auch jene, die lernen müssen, dass Menschen insgesamt gar nicht so toll sind und es sich deswegen rausnehmen, abseits des Jobs bezüglich ihrer Sozialkontakte sehr eklektisch zu sein. Gilt auch für mich. Und manchmal wäre ich auch während der Arbeit gerne eklektisch. Weshalb ich sehen werde, ob ich das mit dem Home-Office beibehalten kann. Es tut mir und meiner Leistung nämlich gut. Und der Weg vom Prokrastinieren zur Arbeit und zurück ist auch kürzer. Spart Zeit, Nerven und Geld. In diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes, stressfreies und von den Ansprüchen Anderer unberührtes Wochenende!

Auch zum Hören…