Time for a barbecue…?

Wann immer, wo auch immer ein Artikel zum Thema Tierrechte/Vegane Lebensweise veröffentlicht wird, kann man den Sekundenzeiger nur ganz kurz beobachten und schon tobt in der Kommentarspalte eine Schlacht biblischen Ausmaßes. Das Thema triggert einfach jeden, weil es unsere Art zu leben in ihren Grundfesten berührt. Natürlich hat jeder und jede dazu eine Meinung; genauso, wie natürlich jeder und jede ein super Bundestrainer, Virologe und Pädagoge ist…NICHT!

Ich versuche es mal mit persönlicher Ehrlichkeit: die Art und Weise, wie in weiten Teilen Fleisch als Nahrungsmittel erzeugt wird, widert mich an. Ich sehe die Bilder, lese die Reportagen und verstehe rational, dass wir den Konsum von Fleisch, der vor sehr langer Zeit zum evolutionären Wachstum der Hominiden-Gehirne und damit zur Entwicklung des heutigen Homo Sapiens Sapiens beigetragen hat, heutzutage vollkommen pervertiert haben. Wir bräuchten, objektiv betrachtet, heutzutage kein Fleisch mehr essen. Oder bestenfalls einen kleinen Bruchteil der Menge, die tagtäglich verzehrt wird.

Und dennoch esse ich immer noch Fleisch und Wurst. Das ist bigott und ich weiß es. Ich versuche den Schmerz, welchen mein Gewissen mir dabei verursacht durch bewusstere Beschaffung zu lindern; will heißen, ich kaufe Bio, beim Erzeuger und versuche ganz allmählich den Konsum umzustellen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es nie schaffen werde, ganz auf Fleisch zu verzichten – aber zumindest den Konsum reduzieren und in eine gesündere Richtung lenken, dass wird mir gelingen. Nicht heute und morgen nicht gleich, aber ganz gewiss in den nächsten ein bis zwei Jahren.

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Und dennoch prallen zwei Welten voller Dogmen so unversöhnlich heftig aufeinander, dass man meinen könnte, dass der nächste Weltkrieg zwischen Veganern und Fleischessern ausgefochten werden wird. Weil auf der einen Seite jene stehen, für die der Umstand, sich Fleisch leisten zu können ein Zeichen ihres heutigen Wohlstandes ist. Ein Symbol für das persönliche Fortkommen, die subjektive Sicherheit, dass es ihnen (immer noch) gut geht. Gewachsen aus den dunklen Tagen des Krieges, verfestigt in Zeiten des „Wirtschaftswunders“, verankert als tradierte „Tatsache“, die heute fester Bestandteil der Sozialisation in Wohlstandsgesellschaften ist. Diese Menschen bilden die Mehrheit. Und diese Mehrheit fühl sich durch die Thesen der Anderen bedroht!

Denn diese Anderen sind jene, die angefangen haben, unsere Art zu leben und zu wirtschaften nicht nur analytisch durchdringen und darüber reden zu wollen, was wir alles falsch machen, sondern auch etwas gegen die Fehler tun zu wollen. In unserer Welt läuft so unfassbar viel falsch, woran ein Individuum (subjektiv) wenig ändern kann. An den eigenen Ernährungs-Gewohnheiten indes kann jeder etwas ändern. Die sind quasi der individuelle Einstieg dazu, die Welt (doch) verbessern zu können. Und viele der vorgebrachten Thesen und Argumente sind richtig und stimmig. Dieser Umstand – sich nicht zu Unrecht im Recht fühlen zu dürfen – zeitigt oft ein Sendungsbewusstsein, dass von der Mehrheit allzu oft als Dogmatismus wahrgenommen wird; recht oft ist es das auch…

Recht zu haben bedeutet nicht, die eigene Meinung auch mit Macht durchsetzen zu können, oder das zu müssen. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse gehen nämlich zumeist nur mit der Geschwindigkeit kontinentaler Plattendrift voran, wohingegen viele Veganer gerne JETZT den Rest der Bevölkerung von ihren Argumenten überzeugen würden. Wer sich mal mit Change-Management befasst hat, dem wird schnell klar, dass hier einige psychologische und sachliche Barrieren sind, die man so leicht nicht wird überwinden können. Et voilá: Krieg in der Kommentarspalte. Zweifelsohne wäre es für unsere Wert von Vorteil, wenn wir unseren Fleischkonsum schnell einschränken und zumindest an Nachhaltigkeit orientieren würden. Aber selbst das wird schon eine gewaltige soziale, wirtschaftliche und politische Aufgabe, die eng mit dem Klimaschutz verbandelt ist.

Je früher wir alle lernen, lieb gewonnene aber im Kern tatsächlich blöde Angewohnheiten langsam loszulassen, umso besser werden unsere Folgegenerationen hier leben können. Da unser Leben und Wirtschaften aber an der möglichst schnellen Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet sind („Geiz ist geil!“, „Ich will alles und das jetzt“, etc.), ist das eines der dicksten Bretter, die wir in den nächsten Jahren werden bohren müssen. Was bedeutet, dass beide Seiten aufeinander zugehen müssen. Das heißt nicht, dass Veganer Fleisch essen müssten; aber sie müssen etwas duldsamer mit uns Mehrheitsmenschen sein und ihre Argumente an der richtigen Stelle mit Bedacht vortragen. Und wir Mehrheitsmenschen müssen endlich wahrhaft begreifen, dass die Ressourcen der Natur endlich sind und dass „sich die Erde untertan machen“ auch die Verantwortung für den Erhalt derselben beinhaltet. Dann könnten wir alsbald zu einer besseren Version der Menschheit werden. Aber mit Krieg in der Kommentarspalte wird das nix. Schönes Wochenende. Grillt ihr auch?

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