Fresh from Absurdistan N°25 – Rassisten-Bullshit-Bingo

Ganz ehrlich – ich hatte eigentlich daran gedacht die FFA-Reihe leise weinend sterben zu lassen, weil es den allermeisten Menschen offenkundig schwer fällt, zu verstehen, dass wir immer noch in Absurdistan sind. Spätestens in dem Moment, in dem Kinn-Accessoire-Träger, Distanz-Verweigerer und Gesundheits-Diktatur-Rufer mich daran gemahnt haben, dass wir noch lange nicht über den Berg sind und dennoch allenthalben die Menschen tun, was sie halt so tun – anderen Menschen mit ihrem Verhalten auf die Nerven gehen, sinnlos konsumieren, Vernunft als nutzlos weil Spaß-bremsend diffamieren und was weiß ich nicht noch alles – wurde mir aber klar, dass ich genau diese Reihe weiterführen muss. Wir brauchen andere Aspekte in der Diskussion.

Im Moment ist es mal wieder ein „Merkel muss weg“; als wenn der Austausch einer politischen Führerin am System irgendwas ändern würde. Hinter Trump stehen – so peinlich er manchmal auch sein mag – ja auch jede Menge Menschen, die ihn pausenlos dafür feiern, dass er mit aller Gewalt eine nationalistische Zeitenwende in den USA einzuläuten versucht. Politik ist ein seltsames Geschäft, über welches der französische Komiker Henri Tisot mal folgendes sagte: „Bei der Fischsuppe und bei der Politik sollte man nicht zuschauen, wie sie gemacht werden.“ Mir schmeckt beides nicht besonders…

Und mitten in diese seltsamen Zeiten platzt die altbekannte Erkenntnis, dass es bei unseren Sicherheitsbehörden faule Äpfel gibt. Nun, die gab es leider schon immer, die gibt es jetzt offenkundig in zu großer Zahl und die wird es vermutlich auch noch eine ganze Weile geben. Diesen Umstand jedoch als Grund zu gebrauchen, nicht darüber reden zu wollen, ist schlicht dämlich. Denn der Satz „Das haben wir aber schon immer so gemacht!“ bringt halt weltweit die meisten Menschen um. Genauso wenig, wie es keinen latenten Rassismus bei Mitarbeitern unserer Sicherheitsbehörden gibt, gibt es nur gute Menschen mit Migrationshintergrund. Jedoch diese beiden Sachverhalte mittels Whataboutism gegeneinander auszuspielen, wie das gerade in der Diskussion um die Ereignisse von Stuttgart vom letzten Wochenende geschieht, wird weder den, auf Grund ihrer Herkunft stigmatisierten und benachteiligten in unserer Gesellschaft, noch dem leider notwendigen Vorgehen gegen kriminelles Handeln gerecht. Und nichts Anderes waren die Krawalle von Stuttgart. Man kann das natürlich sozial-psychologisch begründen, warum ausgerechnet junge Männer zu solchem Verhalten neigen. Das ändert nichts daran, dass es sanktioniert werden muss.

Die Gemengelage zündfähiger Befindlichkeiten, welche sich im Verlauf des Lockdowns gebildet hat, wird gerade durch die Einkehr des Sommers potenziert. Die Menschen möchten wieder mehr Mensch sein dürfen, weil sie sich durch Abstandsregeln, Masken und viele andere Einschränkungen der persönlichen Entfaltung sozial amputiert fühlen. Die Regelungen zu Corona haben den Zweck, uns Menschen vor uns selbst zu beschützen, weil wir als Spezies im Median ziemlich schlecht darin sind, auf uns selbst – vor allem aber auf die Schwächeren unter uns – Acht zu geben. Anders kann man sich den Zustand unserer Welt auch schwerlich erklären. Aber nun ist es sehr vielen einfach genug! Ich verstehe das – Empathie meint zuvorderst, sich in die Gefühls-Welt des Gegenübers rational hinein denken zu können. Mitgefühl, oder gar Mitleid reserviere ich mir gerne für jene, die mir wirklich nah sind, aber ich kann wohl durchdenken, was die Menschen landauf, landab so umtreibt, weil ich selbst einer bin. Und das Gefühl der behinderten Selbstentfaltung habe ich in den vergangenen Wochen auch dann und wann erlebt.

Was haben aber nun diese beiden Phänomene miteinander zu tun? Aus meiner ganz bescheidenen Sicht Folgendes: wir projizieren unsere Gefühle und suchen Schuldige für das, was uns gerade am Menschsein hindert. Wir wollen unsere Freiheit verteidigen; unbeachtet der Tatsache, dass sie eigentlich gar nicht bedroht ist. Wer in den Lockdown-Maßnahmen eine Bedrohung der Demokratie, bzw. seiner individuellen Freiheit sieht, darf gerne mal ein Austauschjahr in Nordkorea machen. Frustration und Wut über die eigene Lage vermengen sich mit diffuser Xenophobie und Wumms => Rassismus. Oder Frustration und Wut über den Mangel an Freiheit vermengen sich mit einem, hierorts allerdings in den allermeisten Fällen ungerechtfertigen ACAB-Gefühl und Wumms => Randale in Stuttgart. Angst ist nur ein guter Ratgeber, wenn sie dazu führt, dass ich mich einer Auseinandersetzung entziehe. Angst und Wut zusammen sind meist ein guter Grund für unnötiges Leid; egal bei wem…

Wie man es auch dreht und wendet – der Lockdown lässt diese alten Gefühle seit Wochen hochkochen und niemand hat bisher ein gutes Rezept gefunden, wie man diese Bombe entschärft. Fest steht jedoch, dass sie da ist und irgendwelche Idioten immer wieder versuchen, die Lunte anzuzünden. Möglicherweise ist es doch wahr, dass es immer ein paar Menschen gibt, die die Welt einfach nur brennen sehen wollen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Soziopathen und Psychopathen nicht die Oberhand gewinnen. Denn weitere solche Unruhen wie in Stuttgart in Verbindung mit Corona wären in ihren Auswirkungen noch viel schlimmer als die sozialen und hygienischen Abgründe, welche sich beim Skandal-Schlachter Tönnies offenbart haben. Kauft eigentlich noch irgendwer von euch beim Discounter Fleisch? Schönes Wochenende mit Steaks vom Grill…

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