New work N°11 – Networking…?

Netzwerken ist in der Personal- und Organisationsentwicklung ein alter Begriff. Allerdings meinen viele Menschen höchst unterschiedliche Dinge, wenn sie diesen benutzen. Für Manche ist das lediglich die Beschreibung einer technizistischen Angelegenheit; es geht ihnen um das elektronische Verbinden von funktionalen Einheiten, seien dies Menschen, Liegenschaften oder unterschiedliche Informations- und Kommunikations-Technologien. Also Hard- und Software. Am anderen Ende der Skala finden wir den psychologisch-sozialwissenschaftlichen Ansatz, der Individuen miteinander verbunden sehen möchte, um die jeweiligen Stärken füreinander nutzbar machen zu können, also die Wetware. Zur Erinnerung, wir bewegen uns in der Welt der Arbeit – hier geht es nicht um die Dimensionen Sympathie <=> Liebe, Antipathie <=> Hass, oder Unmut <=> Spaß. Wenn wir bei der Arbeit zu viel Spaß hätten, müssten wir womöglich noch eine Gebühr an den Chef bezahlen… Nein, nein, hier geht es zuerst um die Nutzbarmachung von Potentialen zum Gewinn des Unternehmens. Auch wenn Netzwerke ein normaler, ja sogar notwendiger Bestandteil von Leben sind!

Sind in der Natur hinterlassene menschliche Artefakte auch Networking?

Allerdings haben private und geschäftliche Netzwerke eines gemeinsam: immer noch betrachten wir technologische Artefakte und Sozialbeziehungen als strikt voneinander zu trennen. Das reflektiert sich in komplexen Institutionen z. B. durch das Vorhandensein personell und räumlich voneinander getrennter IT- und HR-Abteilungen (Human Ressources, für Menschen, die mit Business-Sprech nicht so vertraut sind). Diese Trennung suggeriert, dass Mensch und Technologie voneinander unabhängig seien. Ich behaupte, das ist falsch. Schauen wir uns Twitter als Beispiel an. Dieser Tage entspann sich ein ein kleiner Schlagabtausch zwischen Horror-Tycoon Stephen King und Möchtegern-Alleskönner-Tycoon Elon Musk, der sich im Kern um die Frage drehte, ob es legitim sei, jetzt für Twitter-Accounts Geld zu verlangen, obwohl doch das einzige Kapital, welches Twitter hätte, seine Nutzer seien, die ja den ganzen Content generierten; und das ganze Drama, die ganze Spannung, die ganzen Stürmchen im digitalen Wasserglas, usw. Elon Musk, der alte Empörungs-Nutznießer will für Twitter, dass digitale Brennglas der globalen Entrüstungs-Industrie jetzt Gebühren erheben; wenn das nicht ironisch ist…?

Aus diesem Blickwinkel lassen sich Medium und Creator nicht trennen. Und das gilt für andere Formen antisozialer Medien genauso. Auch bei TikTok, Instagram und Snapchat werden Sender, Botschaft und Medium eins – im Guten, wie im Bösen. Mal wieder mit Marshall McLuhan gedacht realisiert sich die Einheit neuer Technologien mit uns Menschen hier als Verlängerung unserer Physis in die Virtualität. Wenn man so will, haben wir uns schon einen Cyberspace geschaffen, denn selbst politische Mehrheitsbildung kann heutzutage im Netz der Netze beeinflusst werden. Kommen wir zurück zur New Work, so bedeutet hier das aristotelische Diktum vom „mehr als die Summe seiner Teile sein“, dass das Netzwerk Synergien erzeugt, die mehr sind, als nur die Summe seiner Technologie und seiner Nutzer – sofern wir uns darauf einlassen, technologische Artefakte und ihre Bedeutung für unser Miteinander als gleichwertige Variablen in Netzwerktopologien miteinzubeziehen. Hierzu sei auf die Akteur-Netzwerk-Theorie verwiesen, die vom erst kürzlich verstorbenen Technik-Soziologen Bruno Latour maßgeblich mitentwickelt wurde.

In der, für die Abbildung gewählten Nomenklatur steht M für Mitarbeitende, C für Cluster, L für Leitungsperson und T für Technologie. Die unterschiedlich gezogenen Doppel-Pfeile zeigen, dass eine Vielzahl möglicher Verbindungen von unterschiedlicher Intensität und Verbindlichkeit unter allen Prozessbeteiligten möglich ist. Dazu ist zu bemerken, dass diese Verbindungen bedarfsbedingt emergieren können (etwa im Rahmen von Projektarbeiten), und nicht zwingen zeitstabil bleiben müssen. Überdies sind alle Arten von Verbindungen zunächst als gleichwertig zu betrachten. In der Akteur-Netzwerk-Theorie spricht man von Punktualisierungen, die notwendigerweise, weil alles Soziale ein Prozess ist, ein gewisses Maß an Instabilität aufweisen (hierzu Law 2006, S. 436 ff). Zur zeitlichen Instabilität einiger Akteure und Aktanten (hierzu Akrich, 2006, S. 408) tritt die Frage von individueller Nähe und Distanz, sowie von zeitlicher Dauerhaftigkeit anderer, spezieller Akteure; hierin besteht die Antwort auf die Frage, was Führung in einem Akteurnetzwerk voller, eigentlich auf Augenhöhe agierender Individuen und Technologien ausmacht: nämlich die Dauerhaftigkeit einiger Akteure, welche durch ihr früheres und längeres Vorhandensein zu Netzwerkknoten werden und daher die Spielregeln des Netzwerkes zumindest zeitweilig prägen können. Modelliert man das Bild einer Organisation unter diesen Gesichtspunkten, stellen z. B auch die vielzitierten Ansprüche der Generation Z keine echte Herausforderung des Tradierten mehr dar, weil eben dieses Tradierte, Zuvor-Gewesene sich schon des steten Wandels bewusst ist.

Ich sitze schon wieder krank daheim, und während die Beschwerden langsam besser werden, funktioniert das Hirn halt weiter. Daher schreibe ich hier, denn es wäre mir daran gelegen, wenn die Menschen sich des Umstandes erinnerten, dass man Kultur immer in ihrem prozessualen Aspekt denken muss. Dass meint auch Organisations-Kultur und das dazugehörende Networking. Ich wünsche eine schöne Woche.

McLuhan, M. (2011): Die Gutenberg-Galaxis. Die Entstehung des typographischen Menschen. Deutschsprachige Ausgabe. Hamburg: Gingko Press Verlag.
Akrich, M. (2006): Die De-Skription technischer Objekte. In Belliger, A.; Krieger, D. J. (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld, transcript Verlag, S. 407 – 428.

Law, J. (2006): Notizen zur Akteur-Netzwerk-Theorie: Ordnung, Strategie und Heterogenität. In Belliger, A.; Krieger, D. J. (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld, transcript Verlag, S. 429 – 446.

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