Kairos – mal wieder

Menschen sprechen ja ganz gerne mal von einer „glücklichen Fügung“, wenn ihnen etwas Gutes wiederfährt, wenn etwas Wichtiges klappt – insbesondere, wenn dies wider Erwarten der Fall ist – oder wenn ihnen unverhofft Fortuna hold ist. Ich persönlich denke ja, dass beim Gelingen eine Handlung weniger die Fügung sondern mehr die Fertigkeit den Ausschlag gibt. Zumindest ist man üblicherweise besser dran, wenn man auch beherrscht, was man anstellen möchte. Und Fortuna? Nun ja, sie kann einem beim Spiel helfen, wenngleich nicht alles auch ein Spiel ist, was wie eines aussieht. Ihr könnt ja mal Johnny Hooker und Henry Gondorff fragen(*). Was nun das Gute, welches einem einfach passieren kann angeht, so spielt Glück hier gewiss eine Rolle, aber nur eine von vielen, weil auch Elemente, die man eher dem bewussten, planvollen Vorgehen zurechnen würde in solchen Situationen eine Rolle spielen.

Wenn sich aber die Dinge einmal glücklich gefügt haben, also durch Anstrengung, Überlegung und das – manchmal – nötige Quäntchen Glück die Dinge eines zum anderen fiel und am Schluss alles irgendwie besser gepasst hat, als zunächst gedacht, dann sind wir in jenem Bereich, wo der Kairos regiert. In der griechischen Mythologie ist Kairos – der (glückliche) Augenblick – das Gegenstück zu Chronos – dem Zeitverlauf – und hatte sogar seine eigene anthropomorphische Personifizierung. Vulgo, der Augenblick wurde zum Gott, welcher für „die Gunst der Stunde stand“. Man dachte dabei an Momente, die für besondere, große Taten günstig seien; doch heutzutage darf man beim Kairos ruhig auch an andere günstige Gelegenheiten denken, die beim Schopfe zu packen oft eines gewissen Mutes, manchmal bestimmter Talente, aber eigentlich immer des Glückes bedarf.

Des Glückes, diesen Moment und die Chance, welche ihm innewohnt erkennen zu können. Des Glückes, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Des Glückes über notwendige Ressourcen zu verfügen. Und schließlich des Glückes, sein Glück begreifen und genießen zu können. Wem das nicht verständlich scheint, der stelle sich einfach vor, er sei im Urlaub und der Vermieter böte ihm an, kostenfrei noch etwas länger bleiben zu dürfen!

Wie dem auch sei, ich musste darüber nachdenken, wie oft, ohne dass man es merkt und damit auch, ohne dass man es angemessen würdigt solche Dinge geschehen, wir unsere Chancen nutzen, somit unser Leben einen anderen Verlauf nimmt und etwas verändert wurde, obschon wir uns doch so fest – manchmal zu fest – in der sicheren Bahn unserer Existenz wähnen. Hätte, hätte, Fahrradkette. Ich habe schon ein paarmal gesagt, dass ich nichts bereue und mein Leben mag, so wie es heute ist. Einzig ist mir eben bewusst geworden, dass ich all das, was ich bin und habe nicht oft genug feiere! Und damit bin ich gewiss nicht allein. Sicher, ich könnte damit hadern, noch nie im Lotto gewonnen zu haben, mich nicht für eine pekuniär erfolgreichere „Karriere“ entschieden zu haben, oder die falschen Freunde zu haben; also eben nicht solche, von denen ich mir leichte Kohle versprechen könnte. Aber ich liebe meine Lieben und meine Freunde, ich mag meinen Beruf und auch was ich studiere. Und ich finde meine Freude meistens an Dingen, die man nicht kaufen kann. Und der nächste Kairos? Nun, er kommt bestimmt, mal sehen, was ich mit ihm oder er mit mir anstellt…

(*) Für Leute, die keine solchen Cineasten sind: Johnny Hooker und Henry Gondorff sind die Hauptfiguren des Gaunerstreifens „Der Clou“ von 1973. Wer stylische Heist-Movies mag, wird ihn mögen, spielt aber in den 30ern.

Vor dem Reden zu denken, würde helfen!

Aus gegebenem Anlass hier eine kurze Lektion in Sachen Flüchtlinge, vielleicht auch, weil viele die folgenden Sachverhalte gerne vergessen. Dazu ein kurzer Rückblick ins Zeitalter des Kolonialismus. Das war jene Zeit, als die alten Nationen Europas es schick fanden, rings um den Globus zu segeln, um sich Land unter den Nagel zu reißen, welches ihnen nicht gehörte, die dort lebende Bevölkerung entweder durch eine Zweiklassengesetzgebung gegenüber den neuen Herren – die einfach nur den Vorteil überlegener Waffentechnik besaßen, jedoch keinerlei moralische oder sonstige Rechtfertigung für ihr Tun – wirtschaftlich, politisch und sozial zu benachteiligen oder gleich zu versklaven. Das daraus gewonnene Kapital wurde dann wiederum für Kriege in Europa oder direkt in den Kolonien verbrannt. Dieses Zeitalter dauerte übrigens, noch mal zur Erinnerung vom Ende des 15. Jahrhunderts bis in die 60er des 20. Jahrhunderts. Wir Europäer rühmen uns ja häufig damit, die Wiege der Demokratie zu sein und so moralisches Gewicht zu haben. Spanien war allerdings bis 1974 eine Militärdiktatur, Portugal bis 1975 und Griechenland bis 1981…

Wie dem auch sei, die Kolonialisierung „der Wilden“ zerstörte funktionierende, teils hoch entwickelte Staatsgebilde, vernichtete lokale Eliten und hinterließ, vor allem durch Landumverteilung insgesamt schwierige, manchmal auch verheerende soziale und wirtschaftliche Probleme, die bis heute nach wirken. Dass nach dem teils hastigen Abzug der ehemaligen Herren entstehende Machtvakuum begünstigte zudem oft genug, das Individuen und Gruppen an die Macht gelangen konnten, die alles Mögliche, aber nur selten das Beste für ihr Volk im Sinn hatten. Für jene Leute, die jetzt nicht zu Unrecht nach Quellen fragen: das Buch „Warum Nationen scheitern“ von Daron Acemoglu und James Robinson illustriert diese Prozesse in einem geschichtlichen Querschnitt sehr anschaulich. Die so entstandenen Staaten mögen heute Völkerrechtlich keine Kolonien mehr sein; da die meisten wirtschaftlich aber in nicht unerheblichem Umfang direkt oder indirekt vom IWF und ausländischen Konzernen (aus der ersten Welt) abhängig sind, darf von Freiheit keine Rede sein. Dass es dann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts überdies en vogue war, in Ex-Kolonien Autokraten an die Macht zu helfen, damit diese den wirtschaftlichen Interessen eben jener ehemaligen Kolonialherren dienlich zu sein hätten – oder den USA, je nach dem wer schneller am Drücker war – hatte die soziale Situation der Bevölkerung nicht verbessert.

Zu uns nach Deutschland kommen nun in erster Linie Flüchtlinge vom Balkan, aus Afrika, Arabien und dem vorderasiatischen Raum. Für die Menschen aus dem Balkan taugen meine Erklärungen übrigens auch, insofern das mit dem wilhelminischen Kaiserreich aufs Engste verbandelte Habsburgerreich dort Land zusammengefügt hat, welches nicht zusammengehörte und während des Balkankrieges auch deutsche Blauhelme mehr oder weniger tatenlos danebenstanden, als es unter gewalttätigen Umständen wieder zerfiel. Europa und Deutschland haben seitdem wenig gegen die politische und soziale Katastrophe in unserem Vorgarten getan. Dass Menschen vor dem so entstandenen Elend davon rennen, ist menschlich, insbesondere, wenn man dort zu lange auf eine Perspektive hoffte, die niemals erschien, allen warmen Versprechungen der EU-Oberen zum Trotz. Abgesehen davon, dass sie hier sowieso wieder weg geschickt werden, haben sie kaum einen schlechteren Grund herkommen zu wollen: weg aus weitgehend gescheiterten Staaten, die vom alten Europa vergessen und abgekanzelt wurden, nachdem man dort seine Agenda abgearbeitet hatte. Hauptsache, kein Ostblock mehr, was aus den Menschen würde, war egal.

Menschen, die Not leiden, sind für Heilsverspechen, gleich welcher Couleur anfällig, ob diese nun im religiösen Gewand daherkommen, sich in einen uralten Stammeskonflikt institutionalisieren, oder in die Fremde weisen. Die einen machen Dschihad, die anderen rennen unter anderem davor davon. Und was hat das mit dem Flüchtlingsproblem zu tun? Nun sagen wir mal so, auch Deutschland besaß Kolonien und hat dort ziemlich grausig gewütet. Deutsche Außenpolitik orientierte sich nach 1945 über Jahrzehnte am großen Bruder USA und dessen Weltbeherrschungsagenda und auch heute interessiert sich zum Beispiel unser Wirtschaftsminister nur für das, was der Wirtschaft gut tut und kaum für Fragen der Menschenechte, die doch angeblich bei uns so groß geschrieben werden.

Wer also glaubt, dass er dennoch stolz auf unsere Nation sein möchte, dem sei dies unbenommen, er sollte sich jedoch daran erinnern, dass ein solches Gefühl der Verbundenheit mit dem Konstrukt Deutschland auch bedeutet, durch die Geschichte nicht nur mit den Errungenschaften, sondern auch mit den Fehlern und Missetaten verbunden zu sein; woraus Verantwortung erwächst. Nämlich die Verantwortung, eben die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und deshalb in der Gegenwart Recht an denen zu tun, die aus Gründen der Not zu uns kommen. Ich hasse das Etikett „Wirtschaftsflüchtling“, weil es unterstellt, es sei unlauter, aus bitterem sozialem Elend zu fliehen. Man übersieht dabei gerne, dass Deutschland nach dem 2. Weltkrieg nicht ohne Hilfe von außen wieder auf die Beine gekommen ist; Stichwort „Marshall-Plan“. Nirgendwo in Deutschland herrscht solche Not, wie jene, vor der diese Menschen davon laufen.

Noch ein Wort an jene, die jetzt gleich von der überbordenden Menge an Gewalttaten durch Migranten reden: lest die Kriminalstatistik des BMI, die Zahlen von 2014 sind online. Ja, es gibt – seit Jahren zum ersten Mal – einen Anstieg bei nichtdeutschen Tätern im adoleszenten Alter. Inwieweit das mit Neu-Migranten zusammenhängt ist noch nicht untersucht aber wer jetzt ohne Sachkenntnis vorverurteilt, muss damit rechnen, das ich das gleiche mit ihm tue: DU BIST EIN NAZI!

Denjenigen, die Leute mit braunem Gewäsch aus ihren Freundeslisten löschen: das bringt nix, weil sie dann dumm bleiben! Daher hier meine Lösung: Jeder, der sich ab heute in den sozialen Medien oder sonst wo mit meiner Kenntnis der dummen Nachrede von braunem Geschwätz, der Hetze gegen Migranten oder Andersdenkende oder schlicht der unreflektierten, nicht von Sachkenntnis gezeichneten Äußerung schuldig macht, der kommt auf meine persönliche Watchlist. Wiederholungstäter dürfen gerne damit rechnen, dass ich sie öffentlich des Nazi-Seins beschuldigen werde. Soweit alles klar? Dann bis die Tage…

Kann Gewalt richtig sein?

Ich las dieser Tage von einem streitbaren Mann, der sein Engagement, sich öffentlich politisch zu äußern jetzt komplett eingestellt hat, weil sich Individuen, die seine Meinungen offensichtlich nicht teilen dazu hinreißen ließen, ihm auf übelste Weise zu drohen: sie bezichtigten ihn einer Straftat, die er nicht begangen hatte und ließen ihn wissen, dass sie nicht nur seine Adresse, sondern auch die seiner Kinder kennen würden. Ich verstehe den Mann, denn mit Drohungen gegen sich selbst kann man meist gelassener umgehen, als wenn diese die eigenen Lieben betreffen. Es ist – leider – einleuchtend, dass er seine Familie durch sein staatsbürgerliches Engagement gegen die Gestrigen, die Unbelehrbaren, die Undemokratischen, die Gefährlichen, die Gewaltbereiten, vulgo die Nazis nicht gefährden möchte. Wäre es ein Einzelfall, würde ich sagen, dass ist nicht zu ändern und er hat mit Sicherheit schon viel bewirkt, so dass man einfach anerkennen muss, wenn es mal gut ist. Doch das mit dem Einzelfall ist Wunschdenken.

Überall in der Bundesrepublik, im Moment aber verstärkt in Nordrheinwestfalen und Sachsen arbeitet das braune Drecksgesindel mit Einschüchterungstaktiken, welche unangenehm an die Mafia erinnern. Hier geht es zwar nicht um Schutzgeld, aber dennoch um einen hohen Zoll, welcher so der Demokratie abgepresst wird. Denn diese Methoden wirken oft höchst effektiv und das erzwungene Verstummen anständiger Bürger hat genau den gewünschten Effekt: die rechten Stimmen werden lauter und bleiben vor allem immer häufiger unwidersprochen! In den Städten und Gemeinden hat ein kalter Krieg um die Deutungs- und Meinungshoheit begonnen, der von den Feinden der Demokratie mit allen Mitteln geführt wird – insbesondere mit unlauteren, welche die Grenze zur Illegalität immer häufiger deutlich überschreiten. Dort wo intelligente, geduldige Nazis zu Werke gehen, läuft das ganze subtiler ab, aber es gibt auch genug von diesen Menschoiden, die dumm und skrupellos genug sind, weiter zu gehen.

Ich habe immer gesagt, eine vitale Demokratie muss das Geseire und die Kundgebungen aus diesem Spektrum duldend aushalten können, weil auch die nun mal Teil unserer Gesellschaft sind. Ich glaube auch nicht, dass unsere Strafverfolgungsbehörden tatsächlich auf dem rechten Auge blind sind. Ich denke eher, dass der Prozentsatz an Nazis dort in etwa kongruent zu dem in der Gesamtgesellschaft ist. 20% sind zwar eigentlich zu viel, doch ich durfte genug Polizisten kennenlernen, die dem Ideal vom Bürger in Uniform sehr nahe kamen und meine zu wissen, dass die Meisten auch, oder gerade bei Fällen mit Nazis ihr Bestes geben. Dennoch sind Wegschauen, oder gar Begünstigungen bei rechtsnational motivierten Straftaten nicht ausgeschlossen. Insbesondere in Gemengelagen, wo ein nicht mehr organisierbarer Zustrom an Migranten und die daraus unweigerlich resultierenden sozialen Probleme zum Dauereinsatz in, an und rings um Asylbewerberunterkünften führen. Auf beiden Seiten findet man Unverständnis für die Sprache, die Kultur und die Bedürfnisse des jeweiligen Gegenübers. Bis sich Menschen unter solchen Umständen radikalisieren, oder zumindest mit solchem Gedankengut sympathisieren, ist es da kein allzu weiter Weg.

Doch gerade eingedenk dieser Umstände ist es nicht hinnehmbar, wenn es den Kreaturen aus dem braunen Sumpf weiterhin so leicht gemacht wird, unliebsame Stimmen verstummen zu lassen. Es lässt in mir ehrlich Zweifel daran aufkommen, dass eine „Anzeige gegen Unbekannt“ tatsächlich genug ist. Es ist – ich sprach die Analogie weiter oben schon an – wie mit dem organisierten Verbrechen; man kennt die Protagonisten bestens, doch eine Anzeige zur Prozessreife zu bringen, ist in unserem Rechtssystem nicht ganz einfach. Gerade weil man Polizei- und Justiz-Willkür vorbeugen wollte. Doch genau das macht Justizias Waffen gegen die Nazis und ihre Schergen oft zu ungebührlich stumpfen Werkzeugen. Was mich zu der Frage bringt, welche Mittel uns Recht sein sollten, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten; oder ob Gewalt auch mal richtig sein kann?

Ich bin (noch) weit davon entfernt, zur Gewalt gegen Nazis aufzurufen, obwohl es in den Momenten, da man sich kleinbürgerlichen Gewaltphantasien hingibt durchaus einen gewissen Charme hätte, so einen – natürlich auf frischer Tat ertappten – Idioten einfach am nächstbesten Baum aufzuknüpfen. Immerhin weiß ich, wie der Henkersknoten geht. Doch wie wäre es stattdessen damit, wenn wir die Adressen bekannter Nazis in unserer Umgebung sammeln, veröffentlichen und mal „Abendspaziergänge besorgter Bürger“ vor deren Domizilen zu veranstalten? Anstatt dem Horst-Wessel-Lied könnten wir ja die „Internationale“ schmettern. Mir fallen bestimmt auch noch andere Methoden ein, von denen allerdings vermutlich auch nicht alle strafrechtlich einwandfrei wären, weshalb ich diese hier auch nicht zum Besten geben werde. Aber so ein bisschen wohldosierte Zivilcourage an der richtigen Stelle, das hätte schon was. Wer macht mit…?

PS: Ich fände es grundsätzlich toll, den verirrten Schäfchen unserer Gesellschaft die Zinsen ihrer Dummheit in bar auszuzahlen!

Urlaub, aber richtig!

Mehr als 1.000 Kilometer einfache Strecke. Immer wieder die Suche nach einem bezahlbaren und dennoch schönen Domizil, incl. der Abwägung, was in der Beschreibung alles beschönigend sein könnte und wieviel Wahrheit die Bilder wohl tatsächlich erzählen; weiß ich doch selbst gut genug, wie man mit Bildausschnitt, Belichtung etc. kreativ schummeln kann. Manchmal die bange Frage, ob auf der Anreise alles glatt geht, ob man auch an alles Wichtige gedacht hat, ob die Kinder (und manchmal auch die Partnerin) einen einfach in Ruhe fahren lassen, usw. Und das alles für gerade mal zwei bis drei Wochen Abstand von zu Hause, dessen erholsame Wirkung überdies allzu oft bei der ersten Berührung mit dem Feind, ähm ich meine der Arbeit in wenigen Sekunden verdampft. Wenn man nur die statistischen Fakten betrachtet, vulgo die Kosten-Nutzen-Rechnung, dann spricht nicht allzu viel dafür, im Urlaub wegzufahren. Könnte man zumindest meinen – aber da scheiß ich drauf!

Ich werde hier jetzt nicht dem bürgerlichen Ideal von der Bildungsreise das Wort reden, noch werde ich darauf eingehen, dass auch (Pauschal)Strandurlaub mit Party und (über)mäßigem Alkoholgenuss was für sich haben kann. Oder alles was irgendwie dazwischen liegt, pichelt doch der Bildungsbürger anstatt Shots und Bier oft genug Rotwein und zwar nicht wenig davon und der gern geschmähte Pauschaltouri nimmt auf dem Weg gelegentlich sogar etwas Kultur zu sich … Abseits all dieser wohlfeilen Klischees versuche ich jedoch mittlerweile, das Komplettpaket als den Weg zu sehen, der mir zugleich das Ziel sein sollte. Klar, ich empfinde Behinderungen und erzwungene Umwege auch heute noch als nervig, ärgerlich, ermattend, aber mit zunehmendem Alter wird man tatsächlich gelassener und der Fokus wandert mit dem Wanderer. Da wo ich hin reise, soll es NICHT genauso sein wie zu Hause. Warum auch, dann müsste ich ja nicht reisen. Komfort hat für mich auf Reisen eine andere Definition, wenn ich manche Dinge nicht auf die gewohnte Art, oder auch mal gar nicht bekomme; immerhin habe ich dafür Zugriff auf Anderes – zum Beispiel eine Hängematte und genug Zeit, darin herumlümmelnd ein interessantes Buch zu lesen. Was ein interessantes Buch ist, definiert jeder für sich, aber allein der Luxus, nicht um ..… in ..… sein zu müssen, weil man es versprochen hat, oder schlicht schnödes Geld dafür bekommt, lässt mich lächeln.

Es wird immerzu davon gesprochen, dass wir uns Auszeiten nehmen müssen, damit wir den Rest des Jahres auch perfekt pausenlos roboten können, am besten möglichst viel für möglichst wenig und ohne zu murren. EFFIZIENZ – ich kann dieses verfluchte Wort nicht mehr hören und so wie es uns in der Arbeitswelt verfolgt, einem ungerechten, rachsüchtigen Gott gleich, schleicht es sich in unsere Freizeit und auch unseren Urlaub. Mag sein, dass ich meine Arbeit ordentlich und zur Zufriedenheit der Feststellungsberechtigten erfülle, aber selbst dann verweigere ich mich bewusst Aufforderungen, einfach durch jeden Reifen zu springen, den mein Boss mir hinhält, es sei denn ich respektiere seine Meinung und halte es gerade für sinnvoll. Denn Kunststücke um des Kunststückes willen sollten nur Künstler und Artisten aufführen. Und im Urlaub? Nun da ist es effizient genug, irgendwann nachher Essen zu machen, nachdem man einfach mal durch den Laden mäandert ist, um sich inspirieren zu lassen (was ich allerdings daheim auch oft genug tue). Der Tag hat keine Struktur und er braucht sie auch nicht, denn das, was getan werden möchte, passiert dann, wenn es passiert; also genau zum richtigen Zeitpunkt, wann auch immer der sein mag. Ich bin schließlich auf Reisen und nicht auf der Flucht… 😉

Familienurlaube sind nie perfekt. Immerzu passiert irgendwas, das nicht auf der Agenda stand, selbst wenn es eigentlich keine Agenda gibt. Manchmal möchte man eigentlich allein sein, was aber gerade nicht möglich ist und das Wetter ist ja auch nie so, wie man es sich erhofft hatte und, und, und. Ja und was? Ja nix, weil man das Leben nicht zu schwer nehmen darf. Nicht im Urlaub. Dazu ist er nämlich zu kurz. Man sollte sich nur nicht der Illusion hingeben, dass man irgendwie Erholung nach Hause mitnehmen könnte, man muss sie dann genießen wenn sie stattfindet. Dann werden Ort und Stilpräferenzen vollkommen nebensächlich. In diesem Sinne – schöne Ferien!

Beware of my demons…

Politik ermattet mich noch zuverlässiger, als es das gegenwärtig extrem Nerv tötende Geplärr meiner Kinder jemals könnte. Es gibt so viele wichtige Themen zu denen ich Auslassungen verfassen und hier veröffentlichen könnte, dass in den – gegenwärtig wenigen – Momenten, da ich noch ein Interesse an der Politisiererei verspüre der Wunsch entsteht, dass Tage 48 Stunden haben mögen. Dann schaue ich auf die Bilanz meiner vielen Posts und sinke nieder, erschlagen von der Erkenntnis, dass es sowieso nichts bringt, die Blinden sehen lassen zu wollen, wenn ihre Blindheit sie die Welt doch so vereinfacht wahrnehmen lässt; denn Simplifizierung bewirkt das beruhigende Gefühl, alles zu überblicken, alles im Griff zu haben und nicht nur ein getriebenes Rädchen im Gefüge der Welt zu sein. Kann man’s den Einfältigen verdenken, dass sie sich mit all dem Ballast des echten Wissens nicht belasten wollen? JA, kann man, nein MUSS man, denn die kurzsichtige, arrogante, egoistische Einfalt richtet unser aller Welt zu Grunde und das mittlerweile immer schneller!

So wenig wie das Gesellschaftliche von mir lässt, bin ich doch ein Mensch unter Menschen, so wenig kann ich vom Gesellschaftlichen lassen und dennoch… dennoch wird mir all das gegenwärtig zu viel, finde ich kaum Zeit zur Kontemplation, zum Müßiggang, der den Geist befreit, zum Ahnen und Planen, zum Schauen und Bauen; selbst, wenn’s nur Luftschlösser wären. Ich sitze hier, suche nach unverbauten Wegen aus meinem Trott, aus meiner immer dröger und drängender werdenden Abfolge von Routinen, die sich anfühlt, als würde ich wie der Esel stets im Kreis um den Brunnen laufen, immer vorwärts, ohne jemals irgendwo anzukommen. „Running around in circles is good way of getting nowhere fast“. Ich weiß nicht mehr so genau, wo ich das gehört habe, aber es beschreibt meine gegenwärtige Situation gut. Kurzum – ich bin Urlausreif!

Gut ist, dass es bis dahin nicht mehr lange dauert! Schlecht, dass es auch nicht mehr so lange dauert, bis der lang herbei gesehnte Urlaub wieder rum ist und ich mich erneut einem Tagwerk widmen darf, dass mich im Moment mehr auszehrt, als es das tun sollte. Und zwar, weil ich einmal mehr in den eben schon erwähnten Routinen gefangen bin. Ich weiß darum und kann es trotzdem nicht ändern. Klingt seltsam, ist aber so. Vermutlich, weil es im Moment keine Chancen gibt, die Dinge einfach mal anders anzugehen. Ich erhoffe mir diesbezüglich aber immerhin eine gewisse Veränderung, wenn ich mich bald an neue Aufgaben machen kann. Bis es soweit ist, tröste ich mich damit, dass ich in der Toskana mutmaßlich genug Zeit haben werde, mal wieder ohne besonderes Ziel in den Himmel zu kucken, einfach, weil… na weil halt.

Ich plaudere hier über solche Dinge, einfach weil es in erster Linie mir hilft, meine Gedanken zu sortieren, mich selbst zu reflektieren, aber auch um anderen Punkte zum Nachdenken oder Kommunizieren zu bieten. Einerseits ist es billiger als eine Gesprächstherapie, andererseits informiere ich über meinen Gemütszustand. Manche mag das interessieren. Ich bin mit dem Umstand, dass ich seit nunmehr 18 Monaten zum Kreis der behandlungsbedürftig Depressiven gehöre ja von Anfang an offensiv umgegangen, weil ich mich scheue, eine psychische Erkrankung als Stigma betrachten zu wollen. Eigentlich bin ich mit der Krankheit und mir im Reinen, aber ich merke, dass ich wieder zu häufig über die 70% komme; jene 70% der maximalen Leistungsfähigkeit, die mir mein Therapeut damals als den Wert für langfristige Belastungen genannt hatte, der sich nach seinen Erfahrungen als gut machbar erwiesen hatte.

Ja, meine Dämonen machen mir gegenwärtig zu schaffen, aber noch habe ich sie im Griff, versuche sie mit gelegentlichen Ausflügen aus dem Circulus Vitiosus von mir weg, vor mir her zu treiben, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Aber wie’s auch weiter gehen mag, ich bin noch lange nicht fertig. Leider nicht fertig mit meinen Dämonen, aber auch nicht fertig mit den Projekten und Aufgaben auf meiner „eternal to-do-list“ und ebenso wenig fertig mit der Hoffnung; Hoffnung, dass ich an den vielen Prüfungen wachsen möge und dass vielleicht ein paar andere an den Prüfungen, die ich ihnen stelle ebenso wachsen mögen. Denn dann wären weder mein Leben noch meine Schreiberei umsonst. Vielleicht sind meine Dämonen ja doch zu was nütze…?

Manchmal muss man ein Arsch sein…

Man gerät ja relativ leicht in den Verdacht, ein linksromantischer Schaumschläger zu sein, wenn man nicht in den allgemeinen Tenor des Wirtschaftsliberalismus einfällt und das Nicht-Regieren von Frau Dr. Merkel für DAS gültige ordnungspolitische Paradigma hält. Ich tue mir schwer damit, zu akzeptieren, dass es zu unserer gegenwärtigen Gesellschaftsordnung mit ihren vielen im Verborgenen wirkenden Machtachsen bestens organisierter Interessenverbände keine Alternative geben soll; überhaupt ist das ewige Wiederholen der viel zu oft proklamierten Alternativlosigkeit dieser oder jene Entscheidung großer polit-rhetorischer Stuss. Der einzige Dummbatz, welcher das noch übertrifft, ist unser bayrischer Problembär; aber der ist ja im Moment leider beschäftigt, seine Prinzlinge im Zaum zu halten.

Mir ist letzthin vorgeworfen worden, ich würde in meinem Blog sprachlich überziehen, zu oft den Leser beschimpfen, unsachlich werden, schlecht argumentieren, also insgesamt keine gute Arbeit abliefern. Stellen wir hier mal etwas klar: in meinem Blog äußere ich meine Meinung, von der ich mir üblicherweise einbilde, das sie halbwegs fundiert sei. Selbstverständlich durchschaue ich auch nicht alles korrekt, mache Schlussfehler, verrenne mich in meinen Einschätzungen; und ja, ich bin gerne mal volkstümlich frontal in meinem sprachlichen Duktus. ABER, erstens ist es mein Blog, zweitens muss hier niemand lesen, der sich nicht für meine Betrachtungen interessiert, auch wenn ich manchmal den Leuten etwas zumute; und drittens ist das Leben ein Ponyhof – niemand hat behauptet, die Ponys wären alle nett. Das Leben in einer komplexen Gesellschaft und alles was damit zu tun hat, sind nicht nett. Nicht mal nahe dran. Beschäftigt man sich mit gesellschaftlichen Themen, kann man sich nicht immer den Luxus der political correctness leisten, wenn man zum Punkt kommen will!

Überhaupt ist Zumutung ein wichtiger Faktor, um ins Bewusstsein der Menschen zu gelangen. Leise und bedächtig vorgetragene Ideen und Meinungen gehen im Rauschen des Medienwaldes zu oft gnadenlos unter, ganz gleich, wie gehaltvoll sie auch sein mögen. Welche Reize eine Botschaft am besten transportieren ist zwar zumeist Kontextabhängig, doch wenn es um gesellschaftliche Themen bzw. Probleme geht, deren Lösungen stets im Bemühen um einen Kompromiss ausgehandelt werden (sollten)(, tut man gut daran, nicht zu leise zu sein, wenn man sich in den Resultaten de Diskussion irgendwie berücksichtigt sehen möchte. Es gibt nämlich leider genug Randgruppen, die zwar nicht so große Mengen an Menschen bewegen können, durch ihre Lautstärke aber vermeintliche Meinungs- und Deutungshoheit vorzuspiegeln vermögen: zum Beispiel das ekelerregende Braune Gesocks, zu dem jetzt, Petry sei Dank, auch die armseligsten Früchtchen Deutschlands gehören, gemeinhin bekannt als AfD. Die nervtötendsten Idioten sind halt die Idioten mit einer Mission…

Ich habe mir schon oft den Kopf zerbrochen, wie es sein kann, dass gebildete, empfindungsfähige Individuen überhaupt auf die Idee kommen, sich an Nazi-Ideologie anzunähern, bis ich gelernt habe: nur die Wenigsten sind überzeugte, reflektierte Nazis und bekanntermaßen bringt unsere Spezies immer wieder einen kleinen Anteil an hoch gefährlichen Soziopaten hervor, die einfach nur die Welt brennen sehen wollen. Die anderen sind einfach schlicht empfindungsunfähig oder reflexionsunfähig, oder beides. Gegen Dummheit hilft Bildung, gegen soziopatische Tendenzen Medikamente. Das sollten wir doch irgendwie hinkriegen. Zumindest dachte ich das eine Weile.

Doch während wir uns im Innern immer und immer wieder mit den gleichen ewig gestrigen Idioten herumschlagen müssen, zieht unsere Bundesangie munter los und demontiert in einer Nacht das gewachsene Vertrauen in Deutschland als europäische Nation und setzt uns einmal mehr dem Verdacht aus, ein durch und durch nationalistisches, geiziges, nur auf den eigenen Vorteil bedachtes Völkchen zu sein. Danke Frau Dr. Merkel für diesen legendären Schachzug, mit dem sie das griechische Volk endgültig in den Abgrund stoßen, die Ressentiments gegen Deutschland nachhaltig stärken und die hässliche Fratze des Neoliberalismus zur Ikone unseres Landes erheben. Schande über dich und deine willfährigen Genossen du hinterhältige kleine Pastorentochter aus der Provinz! Ich bin wahrhaftig kein gottesfürchtiger Mann, aber ich bete, dass du und deine Bande aus blinden Idioten alsbald im Orkus der Bedeutungslosigkeit verschwinden mögt. Ich kann diesen Dreck in Berlin nicht mehr ertragen!

War das jetzt irgendeinem da draußen, der tatsächlich immer noch glaubt, diese lächerlichen Abziehbilder von Politikern wären das Richtige für unseren Staat eventuell zu hart? Tja, Pech für dich, denn manchmal muss ich ein Arsch sein…

Leggings vs. Hot Pants

Sind wir zu Porno? Mit dieser Frage behelligte mich dieser Tage morgens ein Radiomoderator, unter Verwendung des Hinweises, dass insbesondere die heißen Tage der letzten Zeit einen Stoffschwund an der Oberbekleidung wahrnehmen ließen. Tja, was soll man da sagen… man könnte sich auf folgenden Standpunkt stellen: bei nicht wenigen – häufig weiblichen – Individuen wäre etwas mehr tatsächlich mehr, so im Sinne der Vermeidung optischer Umweltverschmutzung, oder um der Pietät Genüge zu tun, oder was weiß ich. Vielleicht hat es aber auch etwas mit etwas ungeschickt kaschiertem Spießertum zu tun, wenn eine Schule im Horb am Neckar ein Hot-Pants-Verbot erlässt? Nur eine Vermutung, die mit diesem ersten Standpunkt perfekt harmoniert, doch ehrlich gesagt glaube ich, dass das Problem ein wenig tiefer liegt.

Betrachten wir nämlich den Umstand, dass oben erwähntes Verbot auf ein rein weibliches Kleidungsstück abzielt, welches nicht vollkommen über den Verdacht erhaben ist, seine Trägerin sexy wirken zu lassen – und es ist in diesem Zusammenhang wirklich vollkommen unerheblich, ob das nur die Trägerin so empfindet, oder auch ihre Umwelt – könnte man auch auf die Idee kommen, dass hier gegen den Gleichstellungsgrundsatz verstoßen wird. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung was ein sexy Outfit für einen Mann ausmacht; möglicherweise möglichst wenig Stoff? Man könnte sich jetzt doch auch über männlicherseits ausgeübte textile Verstöße gegen den guten Geschmack erregen, zum Beispiel diese bekackte Sitte, zu weite Hosen über den dürren Arsch baumeln zu lassen, wobei eine schluffige Boxershorts zum Vorschein kommt. Hier wir Unteräsche gezeigt – ist das etwa nicht auch eine Art von Erregung? Denn genau darum geht es. Mann hat Angst erregt zu werden und vertraut seiner Affektkontrolle nicht. Und wenn man sich so ansieht, wie oft Frauen heutzutage in aller Öffentlichkeit belästigt werden, ist diese Befürchtung nicht allzu weit hergeholt.

Das bedeutet aber nicht etwa, dass man die Schuld dafür bei Mädchen und Frauen suchen sollte, die sich nun mal gerne hübsch kleiden und auch hübsch wahrnehmen lassen wollen, sondern bei den Männern, die glauben, eine hübsche Verpackung würde ein weibliches Wesen in eine Ware verwandeln, die man sich einfach nehmen kann! Und ebenso wenig bedeutet es, dass man eben diesen Mädchen und Frauen verbieten darf, sich zu kleiden, wie es ihnen in den Kram passt – ganz gleich ob Mama, Papa oder sonst wer damit so ihre Sorgen haben. Der eigene Kleidungsstil ist, wenn bei Jugendlichen vermutlich auch wenigstens teilweise durch die Peergroup gesteuert, so doch Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und darf nicht durch Regulationen eingeengt werden. Dass Schuluniformen hinsichtlich der Einebnung von Klassenunterschieden für den Arsch sind, hat man mittlerweile andernorts auch begriffen.

Ich muss nicht schön finden, was manche Frauen anziehen. Gleiches gilt aber gleichermaßen auch für Männer. Vollkommen unabhängig von meinem Geschmack ist es ein Unding, Frauen und Mädchen Kleidungsvorschriften zu machen, weil wir Männer es nicht ertragen können, öffentlich an unsere Instinkte und die Macht, welche sie oft über uns ausüben erinnert zu werden. Konsequent zu Ende gedacht landen wir da nämlich bei den Schergen des IS und der Ganzkörpervermummung, die nichts weiter leisten soll, als die Frau außerhalb des Hauses zu einem asexuellen Objekt zu erniedrigen! Wir sind noch weit von Gleichberechtigung entfernt und was uns tatsächlich zu Mann, Frau, Transgender oder sonst was macht, ist nicht immer so einfach zu sagen, aber ich finde, was die Kleidung angeht, sollte jedes Individuum selbstbestimmt leben dürfen, gleich ob es dem Nachbarn gefällt, oder auch nicht. Das ist zwar nur ein Aspekt individueller Autonomie, wie ich finde aber ein ziemlich wichtiger. Nur einen Stil-Hinweis kann ich mir nicht verkneifen: Leggings, insbesondere solche mit Tierprints, sehen fast nur an Kindern nicht lächerlich aus. In diesem Sinne allen noch einen schönen Sommer…

Veggie-Bashing

Zunächst ein Bekenntnis: ich mag Fleisch. Kann sein, dass dies heutzutage bereits einen Grad an politischer Unkorrektheit konstituiert, für den mich irgendwer maßregeln möchte, aber zum einen ist das hier tatsächlich weitestgehend noch ein freies Land und überdies scheren mich in diesem Punkt üblicherweise anderer Leute Meinungen recht wenig. Nicht etwa, weil mir die Verbrechen, welche in der Lebensmittelindustrie an Tieren begangen werden egal wären, sondern weil ich mir des Umstandes bewusst bin, dass erst der Verzehr von Fleisch die Hominiden zum Homo Sapiens hat reifen lassen. Und auch, wenn so manche „Errungenschaft“ des Menschen besser unentdeckt und auch unverwirklicht geblieben wäre, so bin ich doch recht glücklich damit, ein halbwegs intelligentes, empfindungsfähiges Wesen zu sein. Andererseits wüsste ich vermutlich nicht, was mir fehlte, wenn ich’s nicht wäre, also was soll‘s…

Mir ist allerdings in letzter Zeit ein Trend aufgefallen, ausgerechnet mir, der von Trends so viel Ahnung hat, wie eine Kuh vom Fliegen. Aber tatsächlich scheint es derzeit en vogue zu sein, Vegetarier eher aber noch Veganer generell mit dem Verdacht des rechthaberischen Dogmatismus und der Arroganz zu strafen. Ich will gestehen, dass ich schon Vegetarier kennengelernt habe, die ein geradezu zwanghaftes Sendungsbewusstsein hatten. Aber diese waren in der Minderzahl und die üblicherweise pragmatisch, sachlich und freundlich vorgetragenen Argumente der anderen Fleischverschmäher waren für mich stets verständlich. Ich teile deren Standpunkte zwar nicht, habe aber Verständnis; und was die Massentierhaltung angeht: Discounterfleisch versuchen wir langsam aber sicher durch Bio zu ersetzen. Man isst heute eh tendenziell zu viel Fleisch.

Was aber nun das Veggie-Bashing an sich angeht, habe ich den Verdacht, dass es dem Feuilleton im Moment einfach an guten Feindbildern fehlt. Die Griechen werden schon von den Kollegen der Politik- und Wirtschaftsressorts abgearbeitet, gleiches gilt für TTIP (wenn sich überhaupt jemand dafür interessiert), die ganze Streikerei, und so weiter. Man kann sich ja nun aber nicht immer nur mit Hochkultur befassen, oder Kunst- und Kulturschaffende beleidigen, die nicht der Kritik schmeicheln, also generiert man eine schöne Leinwand, auf die man ein bisschen selbstgerechten Hass projizieren kann. Veggies bilden nämlich eine gesellschaftliche Minderheit, bestimmte Stereotypen, die man mit ihnen in Verbindung bringt, taugen zur Stigmatisierung, et voilá, fertig ist das Feindbild. Schon seltsam, dass ausgerechnet Menschen, die sich im Grunde für eine bessere Welt engagieren, so leicht zur Blaupause einer Hassfigur werden können, nicht wahr…?

Alles halb so wild, werden jetzt andere abwinken. Lasst die Journaille doch ein bisschen die Veggies bashen, tut keinem weh, kostet kein Geld extra, ist irgendwie auch ein bisschen lustig, oder? Nö, ist es nicht! Es mag kein Geld kosten und im ersten Moment wirken manche Artikel unterhaltsam und irgendwie richtig. Denkt man aber einen Moment länger darüber nach, entdeckt man billigen Populismus übelster Machart. Töne, wie sie die AfD anschlägt. Denn dumpfe Feindbilder erzeugen Hass, der das Denken vernebelt, die Wahrnehmung manipuliert und unser Land zu einem noch etwas schlechteren Ort macht. Aber Toleranz nicht nur buchstabieren, sondern auch leben ist wohl eine Fähigkeit, die uns immer mehr verloren geht. Wie dem auch sei, ich es jetzt erst mal ein vegetarisches Gyros. Probiert’s doch auch mal, erweitert den Horizont.

Idiotie am Arbeitsplatz

Es ist, bei Lichte betrachtet, ein ziemlich schmaler Grat zwischen noch halbwegs charmanter Prinzipientreue und dogmatischer Phrasendrescherei. Ich selbst bin ein kleiner arroganter Drecksack, wenn es darum geht, eine persönliche, aus langer Erfahrung kondensierte Meinung zu vertreten. Ich tue dies allerdings auch nur selten vordergründig; es ist viel einfacher, die sokratische Mäeutik zu benutzen. Und ich versuche meistens nicht, meine Meinung anderen aufzudrängen. Mag sein, dass der eine oder andere mich dennoch für einen besserwisserischen Idioten hält, aber zum richtigen Klugscheißen muss man halt auch klug sein. Ist man dies nämlich nicht, entsteht Ablehnung vielleicht aus eigenem Unvermögen oder Unverständnis? Wie dem auch sei, ich bin mir meiner vielen Fehler bewusst und dennoch schaffe ich es recht oft, nicht so furchtbar daher zu kommen wie jene, die ihre eigene Meinung für das Maß aller Dinge halten, eben weil ich meine Fehler und die daraus zwangsweise resultierende Fehlbarkeit meines Intellektes anerkenne. Außerdem bedeutet Recht zu haben nicht zwangsläufig auch, Recht behalten zu müssen – vor allem nicht um jeden Preis! Es sei denn, andere Menschen sind einem wirklich vollkommen gleichgültig.

Unterwegs auf dem schmalen Grat stolpert man manchmal. Das ist bei schwierigen Wegen nun mal so. Manche aber machen sich entweder bewusst, oder weil sie ihre eigenen Fehler nicht erkennen können, auf den Weg abseits des Grates. Und weil die saftige Wiese der Besserwisserei, vulgo des Dogmas nun mal viel einfacher und hübscher zu beschreiten ist, als der karge, rutschige Hang der Selbstreflexion, begegnet man den allzu selbstgefälligen, von der Richtigkeit ihres Redens und Tuns unbedingt Überzeugten andauernd. Im Privatleben kann man derartige Begegnungen oft elegant abkürzen, indem man den oder diejenige meidet, einfach woanders seine Lebensnotwendigkeiten und Dienstleistungen einkauft, oder die Nervtöter straight forward darauf hinweist, dass die Grenze eben erreicht wurde. Wenn das auf der Arbeit doch nur auch so leicht wäre.

Natürlich kann man dort nicht so einfach vermeiden, wie im privaten Sektor und eine direkte Konfrontation muss nicht unbedingt klärend wirken, sondern kann auch im Gegenteil dauerhafte Probleme wie Mobbing, Denunziation, negative Halo-Effekte und manch anderes bewirken. Davon hat man wirklich eine lange Zeit und es kann einen so weit treiben, dass man davon arbeitsunfähig wird. Wie immer bei sozialen Beziehungen spielen hier eine Menge individueller Faktoren eine Rolle, so etwa die persönliche Resilienz gegen Stress, die jeweiligen kognitiven Ressourcen, die Verträglichkeit der eigenen Person usw. Doch auch, wenn man unterstellt, dass es unterschiedliche Persönlichkeiten gibt, die auch unterschiedlich gut mit dem Stress am Arbeitsplatz umgehen können bleibt immer der Umstand übrig, dass in jedem Job ein paar von diesen Typen gibt, die einfach jeden Morgen erst mal eins in die Fresse verdient haben, damit sie sich einen ruhigen Platz suchen und nicht nerven; und mindestens einen, der die Welt, wenigstens aber ein paar Kollegen brennen sehen will. Und sei es nur, um selbst ein bisschen besser dazustehen.

Ich habe neulich – nicht zu irgendjemand speziellem, sondern eher so ganz allgemein in den Raum – gesagt, dass ich mich auf der Arbeit nicht mehr anschreien lasse. Die entsprechende Person dürfte mit körperlicher Züchtigung rechnen. Danach würde ich einfach die Schlüssel auf den Tisch legen und mir was Neues suchen. Ich habe noch mal kurz darüber nachgedacht, aber irgendwie stehe ich dazu. Wahrscheinlich würde ich nicht körperlich werden, sondern verbal, aber der Bullshitmorast, durch den ich, speziell bei Diensten in einem Großraumbüro abseits meines eigentlichen Arbeitsplatzes waten muss, ist zu zehrend, als dass ich mich in einer SITUATION mit dogmatischen Phrasendreschern noch sonderlich zurücknehmen könnte – oder wollte! Ich gebe, was ich habe und lass jedem seinen Sandkasten, erwarte aber im Gegenzug, dass man mir auch meinen Sandkasten lässt, sonst reagiere ich unter Umständen auch mal harsch. Schönes Leben noch!

Interessenkonflikt?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Reisen in mir ziemlich oft ambivalente Gefühle auslöst. Nicht immer, aber zumindest häufig, wenn ich es alleine tue; bzw. alleine tun muss. Das mit dem alleine müssen hat mit meinem Studium zu tun, so dass es letzten Endes einem Zweck dient, der die Mittel zumindest ein Stück weit rechtfertigt. Aber darum soll es hier gar nicht gehen, denn mit den kleinen und großen Problemen, die das zeitigt, will ich hier keinen langweilen. Nun ist Ambiguität allerdings ein Thema, welches mich brennend interessiert. Einerseits, weil ich es aus psychologischer Sicht brutal spannend finde, in welch unglückliche Lagen unser Gehirn uns manchmal unverhofft bringen kann; andererseits, weil ich denke, dass die Spannungen, welche ambivalente Gefühle in uns erzeugen können, gleichsam einen Motor zur Innovation darstellen. Zumindest, wenn man es versteht, diese Energie für sich nutzbar zu machen.

Widerstreit im Geiste erwischt uns immer dann, wenn wir uns unserer Selbst und folglich auch unserer Einstellung zu irgendeiner Situation, Sache oder Person nicht sicher sind. Meiner persönlichen Erfahrung nach ein nicht allzu selten auftretender Umstand. Tatsächlich bilden wir uns ja gerne eine, Meister unseres Schicksals zu sein, jedoch entlarvt die Realität dies öfter als Illusion, als uns lieb ist. Viele Prozesse, die unser Tun oder Lassen zum Teil entscheidend mitbestimmen, laufen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle ab, also unbewusst und automatisiert. An diesem Ort unseres Geistes regieren die Stereotypen und die Heuristiken. Also Schemata und Prozesse, die sich durch eigene, voran gegangene Erfahrungen, durch die Ideen und Informationen Anderer, die in uns wirken und durch unsere tiefsten Emotionen erschaffen, manchmal verändert, aber im Lauf der Zeit vor allem verfestigt werden. Und die unsere Wahrnehmung, unsere oberflächlichen Empfindungen, unser Denken und damit zwangsläufig auch unser Handeln strukturieren. Ich würde nicht sagen, dass wir dem hilflos ausgeliefert sind, aber wissenschaftlich erwiesenermaßen üben diese Automatiken des Geistes einen nicht unerheblichen Einfluss auf uns aus.

Zurück zur Ambiguität ließe sich sagen, dass sie somit ein wesentlicher Bestandteil unserer mentalen Welt wird, weil die Idee, welche wir von uns haben, das Selbstbild, welches wir zu entwerfen wagen, ebenso zwangsläufig häufig von Verhalten torpediert werden wird, dass nicht unseren bewussten Intentionen entspricht. Immer und immer wieder. Denn unser Bestreben, eine sinnhafte Geschichte unserer Identität zu erzählen, wird dabei durch eigenes Tun untergraben. Die Folge sind innere Konflikte, deren Auflösung uns um die eine oder andere Nacht Schlaf bringen kann. Oder uns dazu nötigt, uns mit dem Gedanken auseinander zu setzen, dass wir gar nicht so clever, so großartig, so intellektuell gewandt oder wissend sind, sondern ganz schlicht nur Menschen… Menschen, die gleich ob es ihnen gefällt oder nicht, allem Wissen und allen Fertigkeiten zum Trotz regelmäßig in die Emotionsfalle tappen.

Ich habe mal gesagt, dass ich nicht klingen möchte, wie irgend so ein Ratgeberbuch, weil die meisten Machwerke dieser Coleur mir ein Graus sind; unausgegoren, einseitig, dogmatisch, und was weiß ich nicht noch alles. Für die meisten Autoren geht es doch nur um einen schnellen Euro, also schmieren sie mal geschwind ein Buch hin, kann ja jeder. Jetzt habe ich mich selbst in die – ambivalente – Zwickmühle manövriert, behauptet zu haben, dass man diese innere Zerrissenheit in Energie ummünzen kann und blieb bisher die Ausführung schuldig, wie das denn gehen soll. Ich kann aber nur beschreiben, wie ich das angehe. Ob es so auch bei anderen funktioniert, weiß ich nicht.

Ich selbst lasse meinen Emotionen in solchen, zumeist anspannenden Situationen kurz freien Lauf – zumindest, sofern die Art der Empfindung dies erfordert – und konzentriere mich danach sofort auf eine halbwegs anspruchsvolle Aufgabe. Die Zeitspanne des Dampfablassens sollte dabei nicht länger als drei bis fünf Minuten sein, so dass noch Drive da ist. Während dieser Zeit wird der Emotionsüberschuss kanalisiert, bei Wut zum Beispiel, indem ich eine stilisierte Sorgenpuppe, die meine Frau mir mal geschenkt hat in die Ecke pfeffere, gerne auch von einer unartikulierten Verbaläußerung begleitet. Es ist meines Erachtens nämlich Irrglaube, sich immer schön still verhalten zu müssen. Manchmal lasse ich auch kurz Heavy Metal laufen und poge dazu einen Song lang durchs Zimmer. Und dann fange ich sofort an, etwas Produktives zu tun. Klingt einfach, ist aber schwer, klappt nicht immer und braucht im ersten Moment Kraft; danach profitiere ich aber von frei gewordener Energie.

Ich finde diese Strategie dann und wann hilfreich, man sollte aber eines nicht vergessen: Egal, wie man es angeht, es sind diese Interessenkonflikte mit sich selbst, die man bereinigen muss, bevor man sich mit jenen beschäftigen kann, die andere Menschen betreffen. Und gelegentlich kann man dabei das eine oder andere schlechte Stereotyp über Bord werfen.