Kairos – mal wieder

Menschen sprechen ja ganz gerne mal von einer „glücklichen Fügung“, wenn ihnen etwas Gutes wiederfährt, wenn etwas Wichtiges klappt – insbesondere, wenn dies wider Erwarten der Fall ist – oder wenn ihnen unverhofft Fortuna hold ist. Ich persönlich denke ja, dass beim Gelingen eine Handlung weniger die Fügung sondern mehr die Fertigkeit den Ausschlag gibt. Zumindest ist man üblicherweise besser dran, wenn man auch beherrscht, was man anstellen möchte. Und Fortuna? Nun ja, sie kann einem beim Spiel helfen, wenngleich nicht alles auch ein Spiel ist, was wie eines aussieht. Ihr könnt ja mal Johnny Hooker und Henry Gondorff fragen(*). Was nun das Gute, welches einem einfach passieren kann angeht, so spielt Glück hier gewiss eine Rolle, aber nur eine von vielen, weil auch Elemente, die man eher dem bewussten, planvollen Vorgehen zurechnen würde in solchen Situationen eine Rolle spielen.

Wenn sich aber die Dinge einmal glücklich gefügt haben, also durch Anstrengung, Überlegung und das – manchmal – nötige Quäntchen Glück die Dinge eines zum anderen fiel und am Schluss alles irgendwie besser gepasst hat, als zunächst gedacht, dann sind wir in jenem Bereich, wo der Kairos regiert. In der griechischen Mythologie ist Kairos – der (glückliche) Augenblick – das Gegenstück zu Chronos – dem Zeitverlauf – und hatte sogar seine eigene anthropomorphische Personifizierung. Vulgo, der Augenblick wurde zum Gott, welcher für „die Gunst der Stunde stand“. Man dachte dabei an Momente, die für besondere, große Taten günstig seien; doch heutzutage darf man beim Kairos ruhig auch an andere günstige Gelegenheiten denken, die beim Schopfe zu packen oft eines gewissen Mutes, manchmal bestimmter Talente, aber eigentlich immer des Glückes bedarf.

Des Glückes, diesen Moment und die Chance, welche ihm innewohnt erkennen zu können. Des Glückes, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Des Glückes über notwendige Ressourcen zu verfügen. Und schließlich des Glückes, sein Glück begreifen und genießen zu können. Wem das nicht verständlich scheint, der stelle sich einfach vor, er sei im Urlaub und der Vermieter böte ihm an, kostenfrei noch etwas länger bleiben zu dürfen!

Wie dem auch sei, ich musste darüber nachdenken, wie oft, ohne dass man es merkt und damit auch, ohne dass man es angemessen würdigt solche Dinge geschehen, wir unsere Chancen nutzen, somit unser Leben einen anderen Verlauf nimmt und etwas verändert wurde, obschon wir uns doch so fest – manchmal zu fest – in der sicheren Bahn unserer Existenz wähnen. Hätte, hätte, Fahrradkette. Ich habe schon ein paarmal gesagt, dass ich nichts bereue und mein Leben mag, so wie es heute ist. Einzig ist mir eben bewusst geworden, dass ich all das, was ich bin und habe nicht oft genug feiere! Und damit bin ich gewiss nicht allein. Sicher, ich könnte damit hadern, noch nie im Lotto gewonnen zu haben, mich nicht für eine pekuniär erfolgreichere „Karriere“ entschieden zu haben, oder die falschen Freunde zu haben; also eben nicht solche, von denen ich mir leichte Kohle versprechen könnte. Aber ich liebe meine Lieben und meine Freunde, ich mag meinen Beruf und auch was ich studiere. Und ich finde meine Freude meistens an Dingen, die man nicht kaufen kann. Und der nächste Kairos? Nun, er kommt bestimmt, mal sehen, was ich mit ihm oder er mit mir anstellt…

(*) Für Leute, die keine solchen Cineasten sind: Johnny Hooker und Henry Gondorff sind die Hauptfiguren des Gaunerstreifens „Der Clou“ von 1973. Wer stylische Heist-Movies mag, wird ihn mögen, spielt aber in den 30ern.

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