Sinn-l-Ich!

Raide-Wendungen. Es gibt viele davon und jene mit englischen Wurzeln werden gefühlt immer mehr. Eine von Ihnen verursacht imho immer wieder semantische Probleme: „Das macht Sinn!„. Warum die Falschverwendung auf Grund der wörtlichen Übersetzung des englischen „That makes sense!“ schwierig im Bezug auf den Sinngehalt sein kann, will ich kurz zu erklären versuchen. Vergewissern wir uns zunächst über den Umstand, dass der so einfach daherkommende Begriff „Sinn“ keinesfalls eindeutigen Bedeutungsgehalt hat. Sinn kann in der Philospohie und Linguistik – je nach Theorie – als Synonym für Bedeutung (im Englischen „meaning“), Bedeutungsumfang (also ALLES, was unter einem Begriff subsummiert werden kann), Bedeutungsinhalt (Spezifika, die verschiedene, mit einem Begriff gemeinte Dinge gemeinsam haben) oder Bedeutungsausprägung im wortwörtlichen (im englischen „sense“) verwendet werden. Was gerade gemeint sein könnte erschließt sich, egal ob beim gesprochenen Wort oder einem geschriebenen Text, oft erst aus dem Kon-Text – also dem Sinn-Zusammenhang (ich bitte das Wortspiel zu entschuldigen). Dies im Hinterkopf gehen wir nun an die Frage, ob man Sinn überhaupt herstellen („make“ oder „machen“) kann?

Welche Bedeutung mag das hier wohl haben…?

Geht man davon aus, dass man etwas – also irgendein Ding, oder einen Sachverhalt, z.B. etwas so allgegenwärtiges wie „Mensch“ – mit einem Begriff benennt, der einem selbst DIE (eine mögliche) Bedeutung des Dinges erschließt, macht das in der Tat Sinn; allerdings nur für denjenigen, der diese Begriffszuweisung gerade vorgenommen hat! Der Begriff „Mensch“ z. B. kann aber einen speziellen Menschen, die Gesamtheit der Gattung, eine spezielle Gruppe innerhalb dieser Gattung, eine Schnittmenge mehrerer spezieller Gruppen innerhalb dieser Gattung, eine Dichotomie zur Abgrenzung vom Gegenteil (also etwa KIs) oder das spirituell aufgeladene Abbild Gottes auf Erden meinen – je nachdem, wen man gerade fragt. Wenn einer nun also versucht, Sinn herzustellen, indem er einen Begriff – für sich mit einer speziellen Bedeutung versehen – benutzt, entsteht der Sinngehalt (also das, was semantisch wahrgenommen wird) für das Gegenüber trotzdem aus dem, von Gegenüber interpretierten Bedeutungszusammenhang. Sinn wird daher mitnichten gemacht, sondern emergiert – taucht also aus der Menge möglicher Bedeutungen als Folge einer Interpretationsleistung durch den Rezipienten auf. Wenn zwei das Gleiche sagen, meinen sie noch lange nicht das Selbe!

Sinn ist also immer mit dem Ich verbunden – nur nicht immer durch ein L! Wenngleich eine „sinnliche“ Erfahrung ebenso ein interpretationsfähiger Begriff ist, wie Mensch; oder Sinn. Sinnliche Erfahrung kann für den einen das bewusste oder unbewusste Erleben einer beliebigen Sinneserfahrung sein, etwa Emotionen beim Anblick eines Sonnenunterganges; für jemand anders ist der Begriff evtl. mit Erotik verbunden. Und der Sozialwissenschaftler denkt an die Wirkung des sensorischen Registers (früher als Ultrakurzzeitgedächtnis bekannt) auf pädagogisches Handeln. Wie man es auch dreht und wendet – den Sinn eines Begriffes macht das Gegenüber. Weshalb „Sinn machen“ als intentionales Herstellen von Bedeutung nur gelegentlich funktioniert, wenn die Wahrnehmungs- und Erlebenswelten der beteiligten Individuen zumindest sehr ähnlich sind. Ansonsten verschwindet gemeinter Bedeutungsgehalt nämlich allzu schnell im Orkus. Jemand sagte, es mache doch keinen Unterschied, wenn man „Das macht Sinn sagt!“, weil’s ja das gleiche bedeuten würde, wie „Das ergibt Sinn!“; denn an der Supermarktkasse benutze man die Begriffe ja auch analog. „Das macht 13,59 €.“ sei das Gleiche wie „Das ergibt 13,59 €“. Beide Sätze sagen doch aus, dass man 13,59 € bezahlen muss. Aber der eine Satz bedeutet auf Grund sprachlicher Konventionen, dass man dem Supermarkt 13,59 € SCHULDET; der andere lediglich, dass die Addition mehrerer Teilbeträge die Summe von 13,59 € ERGIBT. Das Gleiche ist NICHT das Selbe!

Das mag auf den ersten Blick wie Dippelschisserei klingen, aber die Folgen sind unter Umständen weitreichend. Denn jemand, der die Wahrnehmungswelt eines einzelnen Gegenübers, oder auch vieler Rezipienten auf einmal gut genug kennt, kann auf diese Art sehr wohl doch Sinn herstellen – und das auf höchst manipulative Art. Schaut euch mal die Reden von Hitler und Göbbels genau an, dann versteht ihr, worauf ich hinaus will. Wenn man sich der Tatsache bewusst ist, dass man auch durch einfach Veränderungen der Sprache semantischen Gehalt nach Belieben verändern kann, versteht man vielleicht, warum die Feder IMMER mächtiger als das Schwert ist, und man den vermeintlich als Minderheiten-Meinungen abgetanen Äußerungen des ganzen Nazi- und Querlutscher-Geschmeisses in der Öffentlichkeit Einhalt gebieten muss. Großes erwächst immer aus Kleinem, im Guten, wie im Bösen! Deshalb lege ich so großen Wert auf Sprache. Deshalb lege ich in meinem beruflichen Tun so hohe Maßstäbe an begriffliche Präzision an: weil es keine Alternative gibt, wenn man es mit seinem Erziehungsauftrag als Berufsbildner ernst meint. Und weil für den überzeugten Demokraten ebenfalls kein Weg daran vorbei führt. Aber nun genug gedacht für heute – erstmal raus und den vermeintlichen Frühling genießen. Wir hören uns.

Auch als Podcast…

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