Erwachsen bilden N°30 – …alles für die Kunden?

Ich nehme das Credo des Artikels vorweg und sage rundweg mal NEIN! Ich tue nicht ALLES für meine Kunden. Ich erfülle gerne alle legitimen Ansprüche. Ich denke mir auch gerne Lösungen aus, die um die Ecke liegen, anstatt mitten im Sichtfeld. Ich baue mit Freude und Anstrengung ein Lern-Buffet auf, an dem man sich reichhaltig bedienen kann und gehe auf spezielle Wünsche ein, wenn es denn irgendwie machbar ist. Aber ich mache mich NICHT zum Affen, ich lasse mich NICHT ausnutzen, NICHT für dumm verkaufen und vor allem NICHT beleidigen. Da kommt ja immer mal wieder dieser Spruch „Der Kunde ist König!“ (in den Köpfen der meisten Dienstleister direkt gefolgt von „NIEDER mit der Monarchie!“) und dieser Spruch ist halt leider einfach falsch. Oder besser gesagt, er wird häufig entweder missverstanden oder – noch viel lieber – missbraucht, um ein Verhalten zu rechtfertigen, das schlicht und ergreifend Bullshit ist.

Ich verkaufe Bildungsdienstleistungen. Zugegeben sehr spezielle; aber das ist erst mal eher unwichtig. Also präziser gesagt, entwerfe ich im Rahmen der hierfür gültigen Anforderungskataloge welche, halte den Unterricht auch häufig selbst und habe die Vorgabe, damit am Ende etwas Geld verdienen zu müssen. Aber der Job ist schon ein bisschen vielfältiger als bloßes Verkaufen. Wichtig ist dabei, den Unterschied zwischen verschiedenen Dienstleistungen zu verstehen. Wenn ich ein maßgeschneidertes Softwareprodukt für den Launch einer Business-Plattform bestelle, dann gibt es ein Pflichten/Lasten-Heft in welchem Kunde und Dienstleister gemeinsam festlegen, was zum Portfolio gehört – und was nicht! Bei Bildungs-Dienstleistungen hingegen ist dieses Pflichtenheft, insbesondere im berufsbildenden Bereich eher dünn und hoch interpretationsfähig: am Ende soll üblicherweise der Erwerb einer, auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Qualifikation stehen. Sicher ist jeweils definiert, was die Person schlussendlich „können“ können soll. Der Weg dahin jedoch… ist oft Terra incognita. Weil Lehr-Lern-Prozesse nicht wie ein Software-Algorithmus programmierbar sind.

Chefs, Vorgesetzte, Teamleiter, etc. haben ja oft diese naive Vorstellung, dass meine Kollegen und ich morgens mit einem Bohrer und Infusionsbeuteln voller Wissen in den Lehrsaal kommen und dann das „Mana der Kompetenz“ fließen lassen, auf dass alle Teilnehmer:innen am Ende höchst belehrt und voll einsetzbar sind. Dass das Lernen meist schon viel früher (z.B. bei der Auswahl geeigneter Auszubildender) beginnt und damit Lernschwierigkeiten, eine mangelhafte Berufspassung, unbefriedigende Performance und manch andere Dinge u.U. ein hausgemachtes Problem sind, wird entweder nicht gesehen, oder geflissentlich ignoriert. Die Schule wird’s schon richten. Tatsächlich entwerfen wir Lernsituationen, in welchen die Teilnehmer:innen (oder SuS: Schülerinnen und Schüler) in die Lage versetzt werden, sich Wissen, Fähigkeiten und wie man diese kombiniert, um kompetent handeln zu können, selbst aneignen zu können (der Konstruktivismus lässt grüßen). Denn man kann niemanden „lernen machen“!

Aber auch die SuS oder Teilnehmer:innen haben oft nur eine vage Vorstellung, wie Erwachsenenbildung funktioniert, weil das allgemeinbildende Schulwesen mit seinem Fachzentrierten Unterricht anders läuft, als das Lernfeldzentrierte Unterrichten in einer Berufsfachschule. Die begreifen oft erst nach und nach, dass unser Ansatz im Kern ganzheitlich ist, also niemals nur ein Wissensfeld (oder Fach, wenn wir von Schule sprechen wollen) allein beackert wird, sondern immer mehrere auf einmal. Weil vor allem die Fähigkeit zum vernetzten Denken und Handeln gefördert werden muss. Dass ist eine der Anforderungen des Berufsfeldes, in welchem ich tätig bin. Daraus resultiert, dass es jemandem, der gerade die allgemeinbildende Schule hinter sich gebracht hat (oder auch manche Berufsschule aus dem gewerblich-technischen Bereich) ungemein schwer fällt, einen roten Faden zu erkennen, auch wenn der von Anfang an da ist – sofern der Lehrplan halbwegs clever designed wurde…

Ich muss wohl nicht erklären, dass daraus Zielkonflikte resultieren, denn die SuS denken, wir würden ihnen gar nicht das beibringen, was sie brauchen. Obwohl die ja oft noch gar nicht wissen (können), was sie alles brauchen (werden). Und die Chefs denken, dass das alles nicht schnell genug geht, weil sie in Kennzahlen und Einsetzbarkeit denken. Tellerränder und so…? Es braucht also oft viel Erklärungsarbeit (ich bin in mancher Hinsicht ein wahrer Transparenz-Junkie!), aber auch Geduld auf beiden Seiten. Und da entstehen dann die Probleme, die mich richtig fuchsig machen. Z.B. Menschen, die denken, dass alles nach ihrem Kopf gehen muss, und man die Abläufe (Unterricht, Prüfungen) gefälligst nach ihren Vorgaben strukturieren soll. Wenn ich aber einen Klempner bestelle, erkläre ich dem auch nicht, wann und wie das mit dem Rohr gemacht wird. Weil ich a) gar keine Ahnung habe, wie das geht und b) keine Verfügungsgewalt über die Zeitabläufe anderer Menschen habe. Man kann höflich um eine gewisse Flexibilisierung von Abläufen bitten. Wenn aber Forderungen gestellt werden, die schlicht das Unterrichtsziel gefährden, ist Schluss! Und zwar in jeder Hinsicht.

Auch über Rahmenbedingungen wird ja oft gemosert (zu warm, zu kalt, zu viel Theorie, zu viel Praxis, zu lang, zu kurz, schlechtes oder gar kein Catering, la, bla, laber, schätz). Den Service der eigenen Orga öffentlich zu beurteilen (gar zu loben), steht mir nicht zu; aber ich denke ehrlich, dass wir uns nicht verstecken müssen. Und dann nervt es schon, wenn man sich auf manche Kritik einlässt, Abhilfe schafft und im nächsten Schritt noch mehr Forderungen gestellt werden. Irgendwann ist es mal gut. Und auch wenn der Spruch ein wenig abgedroschen daher kommen mag: Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Das gilt auch anno 2021 noch! Ich tue daher nicht alles für den Kunden (wenn man es denn überhaupt als klassisches Anbieter-Kunden-Verhältnis sehen will; immerhin haben Berufsfachschulen auch einen gewissen Erziehungsauftrag); ich tue alles, was notwendig ist, damit die SuS am Ende erfolgreich sein können. Zwischen diesen Lesarten des Begriffes „alles“ muss man unterscheiden lernen, wenn man sich als Dozent und Schulleiter nicht vollkommen aufreiben lassen möchte. Und jetzt wünsche ich uns allen eine gute Woche.

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