New Work N°12 – Ist weniger mehr?

Im Moment geistert eine Studie durch’s Netz, und auch die Seiten einschlägiger Postillen, die gerne und viel zitiert wird, weil das Thema kontrovers ist – die probeweise Einführung einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Die Initiative 4 day week global hat einen Pilotversuch mit etwas über 60 Unternehmen aus verschiedenen Branchen durchgeführt, und die parallel dazu angelegt Studie ist jetzt veröffentlicht worden. Die Diskussionen im Netz drehen sich nun um die typischen Themen: „geht doch nur in Büro-Jobs!“, „ist nichts für den Mittelstand!“, „wer soll das finanzieren?“, „sowas gefährdet den Standort BRD!“, „die sollen mehr, nicht weniger arbeiten!“, etcpp. Steffen Kampeter, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat denn auch gleich geäußert, dass wir in Deutschland MEHR Bock auf Arbeit bräuchten, anstatt weniger, weil ja auch jemand etwas erwirtschaften müsse, um das alles zu bezahlen. Nun ist es aber so, dass es dazu auch andere Ansichten gibt. Einerseits ist klar, dass die fortschreitende Automation Arbeitsplätze für Ungelernte zunehmend obsolet macht, und dass wir insgesamt eher weniger, und das auch noch zu einem, für die Umwelt gerechteren Preis erwirtschaften müssten, wenn wir dem Klimawandel irgendetwas entgegensetzen wollen. Aber die Arbeitgeber möchten gerne weiter Party machen, als wenn’s kein Morgen gäbe. Niemand scheint bereit zu sein, Arbeit von einer anderen Seite her zu denken. Noch immer rennen wir dem Homo Oeconomicus und dem Ideal des ungezügelten, immer weiter wachsenen Konsums für alle hinterher – munter mit dem Kopf durch Wände, bis wir die eine, finale Wand treffen, durch die wir nicht durchkommen – den Klimakollaps, oder den Kollaps der Sozialsysteme dank ungezügelt weiterwachsenden Gini-Koeffizienten. Whichever comes first…

Industrie-ROMANTIK…?

Der Gedanke, dass der Wohlstand schrumpfen könnte, scheint offenkundig für Viele erschreckender, als ein Strand auf der Domplatte, weil die Kölner Bucht ihren Namen endlich verdient. Aber was würde das für uns übersättigte Nordhalbkugel-Könige der Welt tatsächlich bedeuten? Kein neues Handy jedes Jahr, kein Urlaubsflug um die halbe Welt, nicht jeden Tag Fleisch auf dem Tisch, etwas weniger Wohnraum pro Person, insgesamt weniger Gimmicks und weniger Mobilität. Ich komme damit jetzt schon zurecht, WAS ZUM TEUFEL STIMMT ALSO NICHT MIT EUCH NARREN? Mobilität ist Freiheit? Ja klar, auf der A1 Mittwochmorgens um 08:00 total, oder? Wacht endlich mal auf. Und jetzt kommt aus dem OFF die entscheidende Frage: was hat denn DAS nun mit der 4-Tage-Woche zu tun? Antwort: einfach alles! Und zwar, weil wir uns erstens überlegen müsses, welche Arbeit WIRKLICH getan werden muss, wir zweitens echte Bullshit-Jobs (alles mit Fiat-Geld und vieles mit Medien) ABSCHAFFEN müssen, und drittens den Wert jedes übrig bleibenden Jobs neu bewerten müssen. Ich habe z.B. kein Problem damit, wenn ein moderner Gladiator, ähm pardon… Fußballer gutes Geld verdient. Aber wirklich niemand auf diesem Planeten braucht Blattgold auf seinem Steak – nicht wahr, Herr Ribéry?

Yuval Noah Harari beschreibt in seinem Buch „Sapiens. A Brief History of Humankind.“, wie viel Arbeitszeit ein durchschnittlicher Jäger und Sammler pro Woche für seinen Unterhalt zugebracht hat. Spoiler: es waren ca. 15 Stunden! FÜNFZEHN STUNDEN! Zugegeben, der Lebensstandard war sicher nicht vergleichbar mit dem heutigen, und die Lebenserwartung dürfte deutlich niedriger gewesen sein. Aber würde man beide Seiten fragen können, wer insgesamt mit seiner Existenz zufriedener war/ist, bin ich mir nicht sicher, wo wir raus kämen. Ich persönlich hätte mit 15h/Woche jedenfalls nicht das geringste Problem. Mit den momentan üblichen FÜNFZIG jedoch schon! Und dann höre ich diesen Arbeitgeberfuzzi, der sagt, wir bräuchten mehr Bock auf Arbeit. Er verhöhnt damit vor allem jene, die jetzt schon hart genug arbeiten, und trotzdem ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, weil man ihnen eben nur den Mindestlohn zugesteht! Die Prekarisierung der Arbeit, welche in Deutschland auch noch durch die Sozialdemokraten vorangetrieben wurde (Hartz-Gesetze), ist noch nicht genug, weil man Gewinnwarnungen rausgeben muss. Was zum Henker ist das überhaupt für ein Wort GEWINNwarnung? Ich verstehe die Welt nicht mehr; und ich bin damit offenkundig nicht allein (auch wenn das Zitat schon alt ist).

„How the hell could a person enjoy being awakened at 6:30AM, by an alarm clock, leap out of bed, dress, force-feed, shit, piss, brush and hair, and fight traffic to get to a place where essentially you make a lot of money for somebody else and were asked to be grateful for the opportunity to do so?"

Danke, charles Bukowski!

Wir brauchen nicht mehr Arbeit – wir brauchen die richtige Arbeit: Bildung, Forschung, Carework, nachhaltiges Produzieren vor Ort, mehr Reparieren und weniger Wegwerfen, Naturschutz und Landschaftspflege, Communitywork und vor allem mehr Zeit für einander. Uns allen ist eine 4-Tage-Woche mehr als ausreichend, wenn wir endlich verstehen, dass mehr Konsum weder zufriedener macht, noch dem Leben mehr Sinn gibt. Und vielleicht bekämen wir es dann auch hin, den Wohlstand gerechter zu verteilen. Aber DAS ist nur ein Traum. Nennt mich Sozialist. Ist mir egal. Ich bin lieber ein stolzer Soze, als ein Pollunder-tragender Möchtegern-Leistungsträger, der mehr Ressourcen verbrennt, als seine nutzlose Arbeit jemals zu erzeugen vermag. Klinge ich gerade böse? Na hoffentlich! Bis die Tage…

Auch als Podcast…
Harari, Y., N. (2011): Sapiens. A brief history of humankind. London: Vintage, part of Penguin Random House.

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