Ein kreatives Leben…?

Kreativität wird heute in vielerlei Hinsicht auf den Aspekt ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit reduziert, als Akt des Lösens von Problemen für Andere zum Zwecke des Geldverdienens begriffen. Wenn ein Unternehmer (oder aber eine verantwortliche Person in dessen Diensten) sagt, man müsse kreativ werden, bedeutet das im Klartext, dass man innovative Wege suchen soll, die mentale Kraft der Mitarbeiter zu monetarisieren. Und in einem gewissen Umfang mag das auch legitim sein, denn schließlich werden Leute, etwa in meiner Position vor allem als Troubleshooter, also Problemlöser bezahlt, die mittels jeweils neuer Ideen die auftauchenden Herausforderungen meistern helfen sollen. Und solche Herausforderungen tauchen mit unschöner Regelmäßigkeit auf. Kreativität bedeutet in so einem Kontext, über situationsadäquate Handlungskompetenz zur Lösung variierender Probleme zu verfügen. Aber Kreativität ist so viel mehr als dass – muss so viel mehr als das sein! Denn nehmen wir mal an, Musiklosigkeit würde als mechanistisch lösbares Problem gesehen; und kahle Wände als bloßer Anlass, psychomotrische Geschicklichkeit zu üben. Wie viel weniger reich wäre doch unsere Welt ohne Kunst.

Das hier ist KEINE Kunst – das sind Wildschweine… 😉

Kreativität bedeutet zunächst, seine Lebens-Umgebung wahrzunehmen; und zwar nicht einfach nur unter dem Gesichtspunkt des sich-in-ihr-bewegen-müssens, sondern als Stimulans für alle Sinne. Die Umwelt in ihrer Vielgestaltigkeit ist voller Ambivalenz, voller Fragen, voller oberflächlicher Sinnlosigkeiten und Ambiguität. Dies alles aushalten zu können, ohne dabei gleich durchzudrehen, ist für mich eine der bemerkenswertesten Eigenschaften des Menschen. Noch bemerkenswerter ist allerdings der Umstand, dass wir so viele Mittel und Wege gefunden haben, diese Spannung zu thematisieren und für uns und Andere greifbar zu machen. Denn DAS ist Kunst für mich – der Versuch, mit dieser Welt und ihren vielen Baustellen irgendwie klarzukommen, und gleichsam mit anderen in Kontakt zu treten, um in deren Erfahrungswelt eintreten zu dürfen. Der Mensch ist ein hoch soziales Tier und sucht Verbindung auf vielerlei Arten. Freundschaften, mehr oder weniger klassische Paarbeziehungen und Familienbildung, aber eben auch künstlerischer Ausdruck, der versucht ANDEREN etwas von MIR nahezubringen, dass sich aus verschiedenen Gründen vielleicht nicht so gut mit Worten ausdrücken lässt. Kunst ist Kommunikation! Auch wenn, wie bei Sprache, die Dekodierung der gesendeten Botschaft der Kenntnis des verwendeten Code-Schlüssels bedarf. Andernfalls versteht man nur Bahnhof und Bratkartoffeln.

Für klassische Kommunikation leuchtet das vermutlich ein. Verstehe ich die Sprache des Gegenübers nicht (mir fehlt also der Code-Schlüssel), kann die Person senden, so viel sie will – wir werden nicht auf einen Nenner kommen. Bei Kunst jedweder Art ist das für viele Menschen allerdings nicht ganz so einleuchtend, weshalb Kunstwerke, deren Code man nicht versteht, nur zu gerne als Müll abgetan werden. Ganz analog dazu, dass man Menschen, deren Kultur man nicht versteht gerne auf exakt die gleiche Art entwertet. Insbesondere in der Kunst der Moderne, wo die Abstraktion des Objektes nun doch oft ein ziemlich hohes Level erreicht, mangelt es nicht wenigen Menschen am richtigen Code-Schlüssel. Diesen zu erwerben bedarf allerdings des bewussten Auseinandersetzens mit dieser Kunst, nicht jedoch der Ablehnung aus Nichtverständnis. Doch viele machen es sich gerne einfach und suchen den Fehler beim Künstler; sowas nennt man einen Circulus Vitiosus, oder Teufelskreislauf. Der Grund ist häufig in Unbildung oder gefährlichem Halbwissen zu suchen. Beides entsteht, weil nicht unerhebliche Teile unserer Gesellschaft und auch die allgemeinbildenden Schulen nicht ihrem Auftrag nachkommen, unsere Kinder für ihre Umwelt und die Spannungen in dieser hinreichend zu sensibilisieren. Und ich richte diese – möglicherweise wohlfeil daherkommende Kulturkritik – explizit auch an mich selbst.

Hat man aber nun für sich solche Code-Schlüssel zu wenigstens ein paar Türen in Reichweite gefunden, entsteht irgendwann unter Umständen in einem der Drang, es selbst mal mit Kunst im weiteren Sinne zu versuchen, angetrieben von dem Wunsch mit eigenen Mitteln anderen Menschen die eigene Sicht der Dinge, eigene Ideen, Spinnereien, Fantasien und Projekte nahebringen zu wollen – weil man zu der Überzeugung gelangt ist, dass diese individuellen Ausdrücke der eigenen Kreativität für andere einen Wert haben könnten. Und wenn es nur der Wert des Unterhalten-Werdens sei. Und dann stellt man fest, dass andere Menschen sich nicht sonderlich für die eigenen Kulturartefakte interessieren, und manche einen sogar anfeinden, weil sie denken, dass jemand, der sich selbst mühevoll die Empfindsamkeit für bestimmte künstlerische Ausdrucksformen beigebracht hat und diese nun ohne erkennbares wirtschaftliches Vewertungsinteresse zum Besten gibt ein arroganter Spinner sein muss, der sich für was Besseres hält – am Ende glaubt der noch, er sei ein Intellektueller. Das ist ja wohl die Höhe… Sagen wir mal so: es braucht schon ein gewisses Ego, um einfach mal davon auszugehen, dass die eigenen Produkte, gleich welcher Art, irgendjemanden interessieren könnten.

Auf diese Art entstehen übrigens auch die erfolgreichen Künstler, die dann Geld damit verdienen können. Die Allerwenigsten Kultur-Schöpfenden kommen allerdings jemals so weit. Ich selbst bin bislang nicht so weit gekommen, bezeichne mich aber sehr wohl trotzdem als jemanden, der ein kreatives Leben lebt und stolz darauf ist. Und ja – manchmal werde ich auch missverstanden, weil dem Gegenüber der Code-Schlüssel fehlt. Macht aber nichts! Ich bin gerne auch beim Erlernen einer neuen Sprache behilflich, die nicht mit Worten gesprochen wird. Einstweilen wünsche ich einen guten Start in die neue Woche.

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