Nun ist es also amtlich. Ein von rechter politischer Gesinnung motivierter Mord an einem Politiker. Hatten wir schon eine Weile nicht mehr. Ich meine, rechte Gewalt, rechter Terror sind nie weg gewesen, aber sie waren im Bewusstsein der Gesellschaft immer schön am Rand, oder sogar ein Stück dahinter vergraben. Wenn linke Terrorakte begingen, hatte es stets etwas von einem Staatsakt, wie darüber berichtet wurde, aber Rechte, die Terror machten? DAS durfte es in einer angeblich entnazifizierten Republik nicht geben!
Nun gab es das aber immer; und auch wenn der Whataboutism der Medien und vieler Politiker immer einen Riesen-Bohei um die Zahl der Opfer des linken Terrorismus zelebrierte, um schön vom braunen Sumpf abzulenken, der allenthalben in der jungen Republik gärte, gibt es das jetzt auch offiziell. Es wurde lange genug relativiert, herum laviert und unsere Demokratie unterminiert, aber es muss laut gesagt werden: unsere Gesellschaft hat ein Nazi-Problem! Und zwar ein gewaltiges! Denn wenn Menschen bejubeln, dass ein CDU-Politiker getötet wurde, weil er so frei war, darauf hinzuweisen, dass Flüchtlinge aufzunehmen zu unserer politischen Kultur als Demokratie und zu unserem, ach so heiligen, christlich-westlichen Wertekanon gehört, dann muss ich mich nicht wundern, dass mit der Sprache allenthalben auch der Umgang insgesamt verroht.
Georg Seeßlen dekliniert in seinem heutigen Essay auf Zeit Online die Funktionsweise des politischen Mordes an sich. Und sein Hinweis, dass wir zwischen der Person und der Funktion, welche sie trägt sowohl juristisch als auch ethisch unterscheiden müssen, beweist tiefes Verständnis für Semiotik. In der Psyche eines Täters werden die Person und die Zeichen, bzw. Symbole, die sie aussendet eins. Walter Lübcke war wohl ein aufrechter Demokrat, aber was die Rechten wahrnahmen, war Folgendes: „DER LÄSST ASYLANTEN REIN! UND SAGT AUCH NOCH, WIR SOLLEN DIE FRESSE HALTEN ODER VERSCHWINDEN! DER IST KEIN AUFRECHTER DEUTSCHER!“ Das Walter Lübcke selbst ein konservativ-christlicher Politiker war, der einfach nur die Zeichen der Zeit erkannt hatte und pragmatisch handeln musste, ist ihnen dabei entgangen.
Wir neigen sehr oft dazu, Menschen auf ein einzelnes, von uns wahrgenommenes, Symbol zu reduzieren. Meist sind dabei optische Reize dominant und heraus kommt dabei zum Beispiel folgende Stereotypisierung: „dicke Menschen sind faul, dumm und unbeweglich!“. Wie dumm, oder faul, oder unbeweglich dicke im vergleich mit schlanken Menschen sind, oder ob die Gewichtszunahme bestimme Gründe hat, wird dabei übersehen. Viele vergessen sogar, dass es diese Frage geben könnte! Das gilt aber natürlich auch für Reize, welche auditiv (durch Hören) wahrgenommen werden.
Es ist kein weiter Weg von der Verächtlichmachung zur Stigmatisierung und dann weiter zur aktiven Diskriminierung. Ob ich mir dabei nun Dicke zum Ziel nehme, oder Grüne, oder Linke, oder Ausländer, oder gleich alle zusammen, ist dabei einerlei. Die Mechanik des Prozesses der Ausgrenzung und Stigmatisierung bleibt stets die gleiche. Und es beginnt IMMER MIT DER SPRACHE! Über die Zuweisung bestimmter Attribute, die als sprachliche Zeichen weitergegeben und so verbreitet werden. Erscheint der postulierte Zusammenhang irgendwie auch nur ein bisschen plausibel, stärkt er dabei vielleicht auch noch das Selbstwertgefühl der Diskriminierenden und wird er nur oft genug wiederholt, wird Propaganda zum Selbstläufer: „Flüchtlinge sind schlecht, denn sie nehmen uns die Arbeitsplätze und die staatlichen Zuwendungen weg!“. Das die gleichen Leute sich im nächsten Satz mit: „Flüchtlinge sind faul und liegen uns nur auf der Tasche!“ selbst widersprechen, wird dann nonchalant mit einem: „Ja was interessiert mich denn mein Geschwätz vorn vorhin!“ weggebügelt.
Und genau das passiert seit mittlerweile fast vier Jahren. Indem die Neo-Faschisten jeden gesellschaftlichen Diskurs kapern und mit ihren Hass-Thesen durchsetzen, erreichen sie einen Verbreitungsgrad, der vollkommen ausreicht, um den Teil der Bevölkerung, der für ihre Denke offen ist, zu radikalisieren. „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“ wird da gerne mit einem süffisanten Hinweis auf die Meinungs- und Redefreiheit gesagt. Dass diese Menschoiden, die sich so gerne auf Art. 5, Abs. 1 unserer Grundgesetzes berufen, diesen gerne für alle anderen einschränken würden, wird offenbar, wenn man nur offenen Auges durch unsere Medienlandschaft stromert. Und das dieses rechte Dauerfeuer mittlerweile auch Politiker anderer Parteien zu unglückseligen Ideen inspiriert, beweißt Frau Kramp(f)-Karrenbauer einmal mehr sehr deutlich.
Die Rechten lachen sich unterdessen kaputt und würden nun gerne auf die Zielgerade einbiegen. Und ihre Gefolgschaft? Ist in einer Filterblase gefangen, aus der man sie so leicht nicht mehr herausbekommt. Weil die sogenannten „Altparteien“ seit Jahren im diskursiven Dornröschenschlaf verweilen, anstatt die Deutungshoheit über die gesellschaftlich relevanten Themen mit sachlicher aber dennoch deutlicher Rhetorik zurück zu erobern. Denn eines weiß ich sicher, zu den Thesen Rechten: „NEIN, DAS DARF MAN NICHT EINFACH MAL SAGEN!“ In diesem Sinne noch eine heiße Woche…