„Ich klatsche dem Litch einen Meteoritenschwarm vor den Latz!“. „Mein Schwert +28 reißt den in zwei Hälften!“. „Nur 30 Eisriesen? Na ja, langt für’n paar EP…“. High-Level-Groups brauchen High-Level-Gegner! Ist doch richtig…oder? Ich würde sagen – jein! Aber fangen wir doch erst mal richtig an, die Szenerie zu setzen, bevor wir uns in Details verlieren, gelle?
Wie ich vor einer ganzen Weile im Rahmen dieser Reihe schon einmal schrieb, hat unser heutiges Pen’n’Paper seine Wurzeln im Tabletop-Wargaming, wo man Zinnfiguren-Armeen gegeneinander antreten ließ. Auch damals gab es schon das Würfeln zur Konfliktresolution, ein Wenig später spezielle Fertigkeiten und noch ein bisschen später wob man die Kämpfe in kleine Geschichten ein, die nach und nach größer wurden, um schließlich die Dominanz über das bloße Kämpfen zu gewinnen. Doch der Kampf als ultimative Lösung eines, wie auch immer gearteten Konfliktes blieb inhärenter Bestandteil fast jeden Spielsystems. Bis heute. Und wenn die allermeisten Spieler ehrlich sind, haben sie damit auch kein Problem.
Der moderate Nervenkitzel, den eine halbwegs ordentlich aufgebaute Geschichte durch den ihr zu Grunde liegenden Konflikt erzeugt ist es, wonach wir gieren; sowohl als Spieler, wie auch als SL. Als Spieler will ich natürlich wissen, ob meine Ideen, meine Einsichten, meine Handlungen – zusammen mit denen der anderen Charaktere – tatsächlich den Tag zu retten vermögen. Idealerweise haben die Spieler sich dabei zuvor abgesprochen, aber sehr häufig wird aus dem sorgsam aufgebauten Schlachtplan schnell der Plan X. Oder man hat von Anfang an so wenig Infos (entweder, weil man zu blöd war, an der richtigen Stelle zu suchen, oder weil die Herangehensweise zur Abwechslung mal etwas zu subtil und vorsichtig gewählt war), dass es zwangsläufig auf Schmierentheater und unverschämte Bluffs hinausläuft. Ist uns neulich passiert und war irgendwie auch ziemlich spaßig. Kein Ahnung, ob der SL das auch so fand, aber ich war hochzufrieden mit unserer Unterbindung einer Wahnsinnstat in Staatsstreichsgröße. Wie dem auch sei…
Jedenfalls kulminierte das Szenario etwas anders als gedacht und es wurde kurz blutig. Für meinen Char war’s gefühlt knapp. Weil ich zu blöd zum Ausweichen war. Ging trotzdem nochmal gut. Allem Spaß zum Trotze muss ich sagen, dass der Umstand, dass wir alle die Unausweichlichkeit der finalen Konfrontation als Konvention des Spiels begriffen haben mich im Nachhinein irritiert hat. Nun war der Gegner nicht als potentiell freundlicher Gesprächspartner beschrieben worden. Nichtsdestotrotz hat keiner mit Gewalt gezögert. Das verdient zumindest ein gedehntes „Hm…?“ Bleiben wir bei diesem Gedanken und führen ihn konsequent fort, ist die Idee einer subtilen Vorgehensweise eigentlich immer zum Scheitern verdammt. Eine Schlussfolgerung, die ich nicht gut finde. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass ich meinen Kindern beizubringen versuche, dass Gewalt kein legitimes Mittel der Konfliktlösung ist. Allerdings ist das reale Leben auch kein Rollenspiel und umgekehrt. Oder doch? Ach egal…
Man muss an dieser Stelle sagen, dass dieses Zusammentreffen von meinem Char nicht intendiert war, aber manchmal muss man’s nehmen, wie’s kommt. Wenn man aber solche physischen Auseinandersetzungen als legitime Höhepunkte eines Szenarios begreift, dann müsste man als SL irgendwann anfangen zu (e)skalieren. Denn die Chars werden natürlich (leider) mit der Zeit auch besser. Was uns nun zu der eingangs gestellten Frage bringt. Um es an dieser Stelle gleich vorweg zu nehmen: es gibt keine fertige Antwort, nur ein paar Anregungen, wie man über das Thema meditieren könnte.
Zunächst gehe ich nochmal zur Frage zurück, warum Kämpfe als Konvention des Spiels begriffen werden? Letzten Endes ist da wohl doch ein eher archaisches Bedürfnis in (vor allem männlichen) Vertretern unserer Spezies, welches wohl gelegentlich befriedigt werden will. Man muss es dem Zivilisations-Prozess hoch anrechnen, dass wir heutzutage dafür niemandem mehr wirklich weh tun müssen, wie das noch im alten Rom Gang und Gäbe war. Wir geben uns auch mit der Simulation von Gewalt zufrieden. Sei es nun Pen’n’Paper, unsere Spielkonsole, der Computer, Lasertag oder irgendeine andere Art der Action-orientierten Zerstreuung. Das passende Stichwort ist einmal mehr Eskapismus – etwas zu tun, dass man im normalen Leben nicht tun kann, will, oder darf. Und so lange niemand dabei ernsthaft zu Schaden kommt, will ich das mal als Legitimation gelten lassen.
Was nun das Skalieren angeht – eine Herausforderung bemisst sich nicht nur an den jeweiligen Statistika oder Fertigkeitswerten eines Gegners, sondern vor allem an dessen Cleverness, Ausnutzung des Terrains und der Schwächen der Chars, einem Aufbau des Szenarios, der die Chars nicht sofort alle Möglichkeiten ausschöpfen lässt, ohne sie jedoch in ihrer Entfaltung zu behindern. Zum Beispiel, indem ich sie auf unbekanntem Terrain gegen eine unbekannte Gefahr vorgehen lasse und erst nach und nach den Plan enthülle – wie es in einem gut gemachten Thriller auch passiert. Die Kunst, dabei weder eine (zu starke) Über- noch eine Unterforderung entstehen zu lassen ist reine Übungssache. Nicht immer muss ich dazu an der „Das-Monster-gibt’s-auch-in-größer“-Schraube drehen. Manchmal genügt auch eine leichte Modifikation, mehr Schein als Sein, um den Spielern (und ihren Chars) den Schweiß auf die Stirn zu treiben.
Noch ein letztes Wort zu High-Level-Chars – oder was auch immer das Äquivalent dazu in meinem Klassen- und Stufenlosen Regelwerk wäre: kann Spaß machen. Aber nur, wenn sie sich von der Pike auf hochgedient haben. Sich mal eben eine Gruppe aus High-Level-Chars zu machen, nur damit man Drachen jagen kann, finde ich persönlich ziemlich witzlos, denn letzten Endes ist es nur eine zentrische Streckung um den Faktor k. Das ist – mit Verlaub -wie in den Quellen-Büchern mancher RPG-Verlage, die mit x neuen Waffen, Rüstungen, etc. beworben werden. Es ist doch jedesmal wieder der gleiche alte Wein in halbwegs hübschen neuen Schläuchen. Wer’s kauft, ist selber schuld. Ich kann – sowohl als Spieler, wie auch als SL – auch mit blutigen Anfängern Spaß haben, wenn alle mitziehen und nicht plötzlich Dinge verlangt werden, die auf keinen Fall zu schaffen sind. Denkt mal drüber nach. in jedem – always game on!