Erwachsen bilden #10 – Yo bro, how’s your teaching?

Ach verdammt, hast du manchen Gedanken erstmal im Kopf, geht er einfach nicht mehr weg. So wie ich im letzten Artikel dieser Serie auf das Thema Fortbildungen für rettungsdienstliches Lehrpersonal eingegangen bin, habe ich damals auch das Thema des Nicht-Unterrichten-Könnens kraft Bachelor-Studium gestreift. Und wenn ich ehrlich sein soll – die Frage, wie man ein Refendariat in berufsbildenden Schulen meiner Profession implementieren könnte, ohne dass die Kosten dafür vollkommen aus dem Ruder laufen, lässt mich im Moment nicht mehr los.

Ich weiß heute, mit 25 Jahren Berufserfahrung und dem geschulten Blick des Ausbilders, wie grausam schlecht meine eigene Rettungsassistenten-Ausbildung zumindest streckenweise war, weil die Ausbilder selbst nie so richtig Ausbilden gelernt hatten. Man kann sich vieles autodidaktisch beibringen und methodischen Mangel – zumindest ein Stück weit – durch Talent ausgleichen. Und natürlich wird jemand, der bereit ist, aus seinen Fehlern zu lernen, mit der Zeit immer besser. Das ist in jedem Gewerk so, auch bei Lehrern. Aber dennoch passieren immer noch zu viele Fehler und es wäre unseren Auszubildenden gegenüber ungerecht, wenn wir dem nicht etwas entgegenzusetzen versuchten.

Ich weiß, wie es mir ging, als ich vor ein paar Jahren mit dem Unterrichten an Berufsfachschulen anfing. Ich hatte durch’s Studium tonnenweise Wissen im Kopf, Ideen, Strukturen, etc; und ich kannte die Methoden – theoretisch. Ich weiß nicht mehr, ob ich genug gefragt habe, ich entsinne mich aber, einige sehr hilfreiche Fragen gestellt und ein paar noch hilfreichere Ratschläge gegeben bekommen zu haben. Und zwar von jemandem, der sein Handwerk wirklich versteht. Wir haben meine Planungen diskutiert und ich konnte mein pädagogisches Instrumentarium testen und schärfen. Und doch – ich hätte mich über jemanden, der einfach mal hinten drin sitzt und mir direkte Manöver-Kritik für meinen Unterricht gibt, sehr gefreut!

Ich hatte einmal einen Methoden-Workshop (ein Arbeitgeber-internes Seminar), der wirklich geknallt hat. Gehalten von einem Gymnasial-Lehrer, der nicht nur mein Methoden-Verständnis erweitert hat, sondern auch ECHTES Feedback geben konnte. Etwas, womit ich immer noch und immer wieder kämpfe. So etwas stelle ich mir für, frisch an die Berufsschule kommende Lehrer vor. Du kommst mit deinem Bachelor daher und dann genießt du erstmal ein Methoden- und Feedbacktraining und in wirst den ersten drei Monaten deines Unterrichtslebens wöchentlich einmal (und wenn’s nur ein Vormittag ist) von einem erfahrenen Kollegen auditiert. Ich habe keine Ahnung, ob ich das vom Start weg implementiert bekomme. Aber es ist mir ein Anliegen. Denn wenn die Institution, an deren Entwicklung ich beteiligt bin, es anders, besser machen möchte, als die bestehenden Institutionen, gehören solche Dinge definitiv auf meine To-Do-Liste!

Talking about money: Legen wir die Ausbilderstunde mit einem rechnerischen Wert von ca. 40,00€ zu Grunde (was die Kostenstruktur bei hausinterner Abwicklung, also Arbeitszeit, Sozialabgaben und Opportunitätskosten ganz gut darstellt), betrügen die Kosten für eine solche Unterrichts-Begleitung zuzüglich eines zweitägigen Einführungs-Seminars für einen Lehrer übrigens rund 3.000,00€. Ich finde, das darf uns eine gute Ausbildung des Lehrpersonals wert sein. Insbesondere unter dem Aspekt des Fachkräftemangels kann man das auch als Maßnahme zur Steigerung der Personalbindung sehen. Ich werde sehen, ob diese Argumentation verfängt- Wir hören/lesen uns.

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Erwachsen bilden #09 – Klugscheißer?

Menschen, die sich mit Lernpsychologie nicht so auskennen, haben ja immer diese mechanistische Vorstellung von Unterricht: dass ich morgens im Lehrsaal die EZ-IO auf der Stirn des Schülers ansetze, mir so einen direkten Zugang zu seinem Gehirn verschaffe und eine Art Upload des notwendigen Wissens und der handwerklichen Fertigkeiten in Gang setze, der schnell und sauber dafür sorgt, dass dieser Mensch alsbald produktiv zum Einsatz kommen kann. Insbesondere Chefs haben diesen Anspruch. Allerdings ist diese Denke in mehr als einer Hinsicht Käse.

Sie lässt die Beschaffenheit des Lernprozesses außer Acht, der sich mitnichten bei jedem Menschen gleich schnell oder gleichartig vollzieht. Und sie negiert die Notwendigkeit, zuerst herausfinden zu müssen, ob der Mensch, der vor mir sitzt überhaupt für diese Art von Tätigkeit geeignet ist, deren Beherrschung ihm zu vermitteln ich nun aufgerufen bin. Zumindest gegen Letzteres ist ein Kraut gewachsen und auch viele Entscheider im Gesundheitswesen haben mittlerweile begriffen, dass der Aufwand für ein gut strukturiertes Assessment-Center keinesfalls Ressourcen-Verschwendung ist.

Gegen das Erstere wirke ich direkt durch meine Unterrichtsgestaltung. Da vorgenannte Menschen ohne Ahnung über mein Fachgebiet allerhöchstens murren, wenn sie Rechnungen für Dinge präsentiert bekommen, die sie auf Grund des beschriebenen Mangels an Expertise nicht vollständig verstehen können, ist es mein Job, dafür zu sorgen, dass der Deckel finanziell nicht vollkommen vom Topf fliegt und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Medien dennoch den Shit zu rocken. Kann ich. Läuft.

Es wirft allerdings die Frage auf, ob, bzw. wie ich es schaffen kann, trotz systemischer Ressourcenknappheit innovative Konzepte zu entwickeln und zu implementieren. Auch die Bildungslandschaft entwickelt sich ja weiter und speziell in der Erwachsenen- und Berufsbildung ist es notwendig, mit den Entwicklungen Schritt zu halten, oder gar selbst welche zu liefern. Insbesondere da das Fachgebiet, in welchem ich unterrichte eines ist, das ständigen Veränderungen der zu vermittelnden Inhalte unterliegt. Man kann den Prozess mit dem Virenscanner auf dem heimischen Computer vergleichen. Wird der nicht regelmäßig geupdated, habe ich im schlimmsten Fall einen Totalausfall mit Datenverlust zu befürchten.

Nehmen wir jedoch an, dieser Computer steht in der Leitwarte eines Kraftwerkes und ein Virus legt ihn so lahm, dass das Kraftwerk ausfällt… wie haben die das in „Stirb Langsam 4.0“ genannt? Einen „Firesale“? Denken wir nun an einen Ausbilder für Rettungsfachpersonal, der seinen Schülern Käse beibringt; ist schon ein bisschen wie ein Firesale, oder? Immerhin übernehmen die Schüler auf der Basis des Vermittelten später Verantwortung für Gesundheit und Leben anderer Menschen. Es klingt also vernünftig, auch die Ausbilder regelmäßig zu updaten. Hier treffen wir allerdings auf zwei Problemstellungen.

Zum einen sind Ausbilder im Rettungsdienst, vor allem die Praxisanleiter auf den Wachen, voll in den normalen Dienstbetrieb eingebunden und haben weder die Ressourcen (vor allem Zeit), ihre Arbeit ordentlich zu machen, noch bekommen sie die Gelegenheit sich selbst fortzubilden. Und damit meine ich noch nicht mal die medizinischen Fortbildungen. Die sind hier in Baden-Württemberg ja mit 30h/anno im Landesrettungsdienstgesetz §9, Abs. 4 festgeschrieben. Ich rede vom Erhalt der Ausbilderqualifikation durch pädagogische Fortbildungen. Und da herrscht in Ba-Wü Niemandsland…

Es ist zwar schön, dass man jetzt für Klassenlehrer in der NotSan-Ausbildung eine Hochschulqualifikation vorschreibt. So ein Bachelor in Medizinpädagogik ist was Feines. Allerdings können die Leute dadurch nicht automatisch unterrichten, denn das lernen z.B. die Lehrer im Refendariat. So etwas gibt es an Berufsfachschulen nicht. Und auch Fortbildungen für diese Lehrkräfte gibt es noch nicht. Geschweige denn, dass jeder versteht, was ein Lernfeldorientiertes Spiral-Curriculum ist. Und dann stehen oft genug jene, die denken, sie könnten unterrichten vorne und verfallen doch wieder in Fachsystematik. Oder erzählen den Youngstern Käse. Oder wissen nicht, was jetzt gerade angezeigt wäre, weil ein Honorardozent zwar für Anfahrt und Unterricht bezahlt wird, nicht jedoch für die Vorbereitung. Und so mancher macht dann halt einfach irgendwas, nur nix Gescheites.

Womit wir beim zweiten Problem, nämlich den Entscheidern wären, die, wie gesagt, den notwendigen Aufwand nicht durchschauen können, weil ihnen dazu das fachliche Wissen fehlt. Viele treten dann auf die Bremse, weil Ihnen ein fahrender RTW wichtiger ist, als ein gut ausgebildeter, motivierter und mit den notwendigen Ressourcen ausgestatteter Ausbilder. Dass dieser Ausbilder tatsächlich dafür sorgt, dass nämlicher RTW auch in Zukunft noch fahren wird, weil das Personal dafür vorhanden ist, wird dabei allzu oft gerne übersehen. Personalbindung entsteht nämlich heutzutage über eine qualitativ hochwertige Ausbildung. Und die braucht vor allem eines: Zeit für den Azubi! Immerhin: manche Entscheider springen über ihren Schatten und sagen vertrauensvoll: „Mach, was du für richtig hältst, so lange das Budget sich nicht Stuttgart 21 annähert!“ Und genau damit befasse ich mich im Moment.

Ein Kollege von mir sagt immer: „Zum Klugscheißen muss man klug sein!“ Die Frage, die ich mir in letzter Zeit oft stelle ist, ob er – und vielleicht auch manch anderer – dann auch klug genug ist, sich und sein Ego zu hinterfragen. Denn oft genug müssen wir beim Design von Maßnahmen der Erwachsenenbildung um die Ecke denken, damit die Schüler geradeaus begreifen können. Etwas mehr Demut vor der Aufgabe und ein Quäntchen Respekt für die Ansprüche und Sorgen des Schülers wäre hier angebracht. Aber ich träume vermutlich zu viel. Mir bleibt nur zu sagen, dass wir noch einiges zu tun haben, bevor die Ausbildung wirklich rund läuft. in diesem Sinne: schönes Wochenende.

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Ein Sieg…?

Entwickelt sich für das Berufsbild „Notfallsanitäter“ nun doch alles zum Guten? Ich weiß nicht; und wenn ich ehrlich bin, will ich noch nicht einmal spekulieren. Immer wieder wird, insbesondere von manchen Vertretern meines Berufsstandes, über den Lobbyismus der Ärzte gegen eine Substitution ärztlicher Maßnahmen durch Medizinalfachpersonal hergezogen. Es scheint manchmal, als wenn ständische Vertretungen der Ärzteschaft auf Standpunkten aus dem vergangenen Jahrhundert beharren, weil sie um ihre Pfründe fürchten. Doch ist dies tatsächlich der Fall?

Könnte es nicht eher so sein, dass diese Ständevertreter – angesichts ihres Alters und ihrer durchschnittlichen Positionen – einfach nicht mitbekommen haben, dass sich der Berufsstand des Rettungsfachpersonals in den vergangenen 25 Jahren erheblich weiter entwickelt hat? Dass der NotSan von heute mit dem RettSan von damals nur noch wenig gemein hat? Denn betrachten wir die Situation einmal nüchtern, sind die neueren Vertreter meiner Disziplin keine einfachen Befehlsempfänger mehr, sondern werden mit dem Handwerkszeug ausgestattet, selbst qua-wissenschaftlich die immer neuen Erkenntnisse der Evidenz-basierten Medizin sich anzueignen.

Zweifellos können manche das besser und andere weniger gut. Dennoch bleibt im Mittel eine deutlich verbesserte Fähigkeit, auf die Neuerungen und die damit einher gehenden Anforderungen des Feldes reagieren zu können. Doch diese Erkenntnis ist bei den Herren Standesvertretern der Ärzteschaft, in deren Köpfen wir immer noch dämliche Krankenträger sind, einfach noch nicht angekommen. Dies zu verändern, ist eine der Herausforderungen.

Ich habe mir heute morgen im Parlamentsfernsehen die öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses angesehen und musste ja ein bisschen schmunzeln, als der Vertreter der Bundesärztekammer sagte, dass man die Notwendigkeit sähe, auch andere hochschulisch-pädagogisch gebildete Menschen, nämlich z.B. Ärzte in die Leitung von OTA-Schulen berufen zu können. Um es aus der Sicht des studierten Berufspädagogen noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Ärzte sind allein Kraft ihres Studiums NICHT befähigt, pädagogisch tätig zu werden! Dazu mangelt es ihnen an der dazu notwendigen Ausbildung. Es mag von Fall zu Fall Ärzte geben, die dies zumindest teilweise durch Begabung ausgleichen können; aber das reine Fachwissen genügt nicht, um dieses auch didaktisch sinnvoll und dem Adressaten angemessen vermitteln zu können. Und es wäre mir sehr recht, wenn manche – allzu arrogante – Vertreter der ärztlichen Zunft dies endlich einmal zur Kenntnis nähmen.

Alle gestrigen Darlegungen wurden nun gewürdigt und heute morgen haben die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD ihren gemeinsamen Antrag auf Änderung des NotSanG zurückgezogen. Das heißt, die Bundesratsinitiative, welche von Bayern und Rheinland-Pfalz initiiert wurde, ist wieder im Rennen. Man könnte das als einen Sieg betrachten. Wäre da nicht der Umstand, dass das Einfügen einer begrenzten Befugnis zur Ausübung der Heilkunde im Rahmen der in der Ausbildung vermittelten Fähigkeiten in das NotSanG vermutlich zu kurz greift.

Eine Novelle des Heilpraktikergesetzes (HPG), welche für einzelne nicht-ärztliche Medizinalfachberufe jeweils – stets am Stand der medizinischen Forschung und der Tiefe der Ausbildung orientierte – Kompetenzen freigibt, wäre wesentlich sinnvoller und würde auch andere Berufsgruppen mit ähnlichen Problemen, wie etwa die Hebammen, Physiotherapeuten, etc. aus der Schusslinie nehmen. Aber das würde ja bedeuten, dass man zugeben müsste, dass a) unser Gesundheitswesen ziemlich kaputt ist und b) die deutsche Form der Arztausbildung auch nicht mehr der Weisheit letzter Schluss… Und so was glaubt ja keiner. Oder?

Komme es wie es mag, ich kann noch lange keinen Sieg erkennen. Dennoch bin ich froh, dass dieser halbherzige Quatsch von den GroKo-isten erstmal vom Tisch ist. In jedem Fall bleibt noch viel zu tun. Habe ich erwähnt, dass ich mich in die Schöpfung einer zweiten Braunwalder Erklärung involviere? Schönen Tag noch.

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My way to more kindness #0

Von Zeit zu Zeit nimmt man Trends wahr, lässt sich von Strömungen in den Medien oder in seiner ganz privaten Echokammer mitziehen. Das stößt die Neugierde an und man beginnt sich zu informieren, darüber nachzudenken, etc. Ich meine dabei bewusst keine Klamotten-Trends, denn mein Äußeres kommt meist in etwa so modisch daher, wie ein IFA W50. Ich denk halt immer, dass Baggy-Pants, T-Shirts und Sneaker schon reichen (außer, bei bestimmten Anlässen, natürlich). Wenn man(n) unbedingt zum Fashion-Victim werden will (so mit zu kurzen, zu engen Hosen, oder aber dem genauen Gegenteil, dass bis in die Kniekehlen hängt), bitte gerne. Is‘ nur nix für mich.

Nein, ich meine soziale Trends, Bewegungen, neue Netzwerke und neues Wissen. Dabei muss es nicht immer um Politik gehen. Dem Thema werde ich für eine Weile abschwören, sonst – bei Gott – werde ich gewalttätig gegen dumme Menschen. Aber auch abseits der Politik gibt’s genug zu erforschen und zu erfahren; insbesondere dann, wenn man, wie ich, in der Erwachsenenbildung und im Gesundheitswesen zeitgleich tätig ist. Beide Arbeits-Felder erfahren immer wieder Veränderungen durch die Menschen, welche in Ihnen tätig werden. Manchmal aus echten Notwendigkeiten heraus, manchmal auch einfach nur, weil eine Person etwas Wichtiges erkennt und Wege findet, die Botschaft zu verbreiten.

Menschen, die mich näher kennen wissen, dass unter dem Clown, der fast alles in seiner Umgebung mit einer Mischung aus Ironie und Zynismus kommentiert eine Seele steckt, die’s gerne harmonisch hat. Den Wunsch nach Harmonie darf man hier bitte nicht mit Konfliktscheue verwechseln. Ich kann auch böse, wenn’s denn unbedingt sein muss. Aber ich mag es nicht. Mein durchaus gelegentlich etwas cholerisches Naturell reitet mich dabei öfter in den Dreck, als mir lieb ist. Aber wer dauernd mit Menschen arbeitet, muss wohl darauf gefasst sein, dass es menschelt… nicht wahr?

Nun bin ich, nachdem ich bei Recherchen für etwas völlig anderes über Dave Burgess gestolpert bin, bei „A passion for kindness“ von Tamara Letter gelandet. Ich vermute mal, dass mein Unterbewusstsein mir irgendwas mitteilen wollte, denn der Titel und die Beschreibung sprachen mich irgendwie an:

Quelle: amazon.com

Ich lese gerne echte Bücher. Diese Dinger aus Papier und Druckerschwärze, ihr wisst schon. Man kann nicht wischen, man muss blättern. Dafür kann man reinkritzeln (sofern sie einem selbst gehören) und so seine Gedanken zum Gelesenen festhalten. Ja ich weiß, dass geht auch mit PDFs; aber das ist einfach nicht das Gleiche… Außerdem müssen wir ja auch nicht für alles dauernd Strom verbrennen. Mein CO2-Fußabdruck ist auch so schon groß genug. Jedenfalls finde ich die Art, wie die Autorin über „kindness“, diese schlecht ins Deutsche übersetzbare Mischung aus Freundlichkeit, Güte und Großzügigkeit denkt und auch danach handelt großartig und inspirierend.

Ich stelle nämlich einerseits immer wieder fest, dass ich in die selbst ausgelegten Bäreneisen tappe, wenn ich mit meinen Lieben interagiere. Eigene Kinder können einen ja so leicht aus der Reserve locken. Andererseits ist in meinem Arbeitsumfeld letzthin oft eine Atmosphäre gespannter Nervosität zu verspüren, die allen dort auf’s Gemüt und damit die Höflichkeits-Sensoren schlägt. In einem Hochrisiko-Job wie dem Rettungsdienst keine optimalen Voraussetzungen für die – üblicherweise von uns erwarteten – guten Ergebnisse.

Ich will gar nicht groß auf den Inhalt eingehen, denn auf den muss man sich als Leser schon bitte selbst einlassen. Nur so viel: auch bei kindness gilt: wie man in den Wald hineinruft… Und so will ich dies zum Anlass nehmen, zu versuchen, es selbst noch besser zu machen. Nicht nur zu Hause, sondern auch für und mit meinen Kollegen und Azubis. Besser geht nämlich immer. Und wenn es dazu beiträgt, das Arbeitsklima zu verbessern und damit auch unser Outcome als Organisation, bin ich gerne vorne mit dabei. Ihr werdet davon hören. Und vielleicht wollt ihr ja auch mitmachen? Schönen Abend noch!

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Erwachsen bilden #06 – Kulturwandel olé

Jeder, der ein bisschen was von Marketing versteht, weiß, dass man mit dem richtigen Konzept auch abseitige Ideen an den Mann bringen kann. Der zunehmende Erfolg rechts-nationaler Politik überall in Europa und auch auf der restlichen Welt spricht diesbezüglich Bände. Und so ist es kein Wunder, dass manches Konzept, welches bei näherer Betrachtung wertvoll ist, zunächst meinen Widerwillen erregt, weil es vermarktet wird. Nicht mal wegen der Art der Vermarktung, sondern einfach nur, weil jemand dafür wirbt. Soweit ist es mit meiner Social-Media-Konditionierung also schon gekommen. Und das bedaure ich, denn gelegentlich stolpert man in der Masse von Publikationen, welche sich selbst auf die Fahnen schreiben, Game-Changer sein zu wollen, tatsächlich über eine Perle.

Whack – a – mole.

Die Bezeichnung für dieses Spiel, bei der man mit einer Schaufel auf den Maulwurf kloppt, der so blöd ist, seinen Kopf aus einem Loch zu stecken. Das ist David Marx‘ Analogie zu unserer vorherrschenden Fehlerkultur im Gesundheitswesen. Wer einen Fehler begeht, wird dafür bestraft, anstatt sich den Fehler zum Anlass zu nehmen, daraus zu lernen, um zukünftige Wiederholungen dieses Fehler vermeiden zu helfen; und demjenigen, der diesen gemeldet hat, für seine Ehrlichkeit zu danken.

Das Buch ist mitnichten neu. Im Original von 2009, in einer zweiten Auflage von 2014 nun auf meinem Schreibtisch liegend, thematisiert es zunächst die Fehlbarkeit des menschlichen Individuums. Insbesondere in Berufsgruppen, in denen von den Tätigen nicht weniger als Perfektion erwartet wird. Zu unrecht erwartet wird! Denn Perfektion ist ein Ziel, nach dem viele Menschen streben und das doch noch keiner erreicht hat, weil es unabdingbarer Teil der menschlichen Natur ist, fehlbar zu sein. Und damit ganz automatisch immer und immer wieder Fehler zu machen. Auch – vielleicht sogar besonders dort – wo Perfektion als Voraussetzung für die Beschäftigungsfähigkeit angesehen wird. Zum Beispiel im Gesundheitswesen, wo Fehler zweifelsohne zu Schäden an Leib und Leben der uns anvertrauten Patienten führen können. Was – allem Training zu Trotze – nichts an der Fehlbarkeit des Menschen ändert.

Und so ist David Marx‘ Buch denn auch ein Plädoyer, einerseits zu verstehen, dass 100% Fehlerlosigkeit in keinem Berufsfeld und unter keinen Umständen erwartbar ist. Und andererseits in der Folge dieser Feststellung zu einem neuen Umgang mit Fehlern zu finden; weg von der sinnlosen Bestrafung des unabdingbaren menschlichen Makels Fehlerhaftigkeit, hin zu einem konstruktiven Umgang damit. Zum beispiel durch die Schaffung besserer Systeme zur Fehlerprävention. Und indem ich Menschen dahin führe, bei kritischen Entscheidungen die bessere (sichere) Option zu wählen. Das ist jedoch nur möglich, wenn ich aufhöre, Menschen für Fehler, die sie im Rahmen ihrer Verrichtung nach bestem Wissen und Gewissen begangen haben zu bestrafen, als wenn sie mit Vorsatz gehandelt hätten. Und ihnen so die Chance gebe, über den Fehler offen zu reden. Die dann möglichen präzise Analysen und daraus resultierenden Veränderungen an Arbeitsabläufen führen zu besserer Fehlervermeidung.

Es ist ein Aufruf zum Systemwandel. Und auch, wenn seit der Erstpublikation schon 10 Jahre ins Land gegangen sind und Marx‘ Analysen natürlich primär seine Heimat USA betreffen, hat das Buch dennoch weder etwas an Aktualität verloren, noch ist es für unser bundesrepublikanisches Gesundheitswesen irrelevant, da wir vielerorts exakt die gleichen – falschen – Methoden im Umgang mit Fehlern und Beinahe-Fehlern pflegen, die hier beschrieben wurden.

Ich mache wirklich selten Werbung, aber dieser Titel ist für jeden healthcare-professional einen Blick wert. Insbesondere, wenn man ein Interesse daran hat, Patienten-Benefit UND Arbeitsbedingungen gleichzeitig zu verbessern. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

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The italian tales n°7 – no politics please!

Ich bin ein politischer Mensch. Jeder, der auch nur einen flüchtigen Blick auf dieses Blog geworfen hat, weiß, was ihn erwartet. Ich bin eine vollkommen links-grün-versiffte Demokraten-Sau, die auch noch zu ihren Überzeugungen steht. Ich diskutiere gerne (und suche mir regelmäßig zu den falschen Zeiten die falschen Gegner) und viel auf Facebook. Wo auch sonst? Ein alter Bekannter hat es neulich so formuliert: es sei ja auch eine Art Fliegenpapier für Idioten. Ich bezog das explizit auch auf mich, denn auf Fratzenbuch mit verirrten Seelen zu streiten, ist definitiv alles andere als gut für die eigene mentale Verfassung.

Sei’s drum. Wenn wenigstens ab und zu mal eine meiner Anregungen zum Hinterfragen der eigenen Meinung beim Adressaten Wirkung zeigt, habe ich mehr erreicht, als manch anderer Mensch in seinem ganzen Leben. Es ist also nicht zu erwarten, dass ich allzu bald von solcherlei Tun ablassen werde. Ich verwickle mich ja auch im wahren Leben durchaus manchmal in politische Diskussionen; und durfte selbst feststellen, dass zu Dogmen verfestigte Meinungen nicht mehr umstößlich sind. Selbst, wenn ich manchen Protagonisten für einen vernünftigen Menschen oder gar Freund halte. Aber auch diese Erfahrung stählt einen ja für’s Leben.

Nun gibt es allerdings einen Ort, der stets frei bleiben sollte von Politik: mein Lehrsaal. Ich trage vieles in meinem Herzen und manchmal auch auf meiner Zunge spazieren, aber in dem Moment, da ich in die Haut des Dozenten, Lehrers, Trainers schlüpfe, haben diese Dinge keinen Platz in meinen Äußerungen. Zumindest sollten sie das nicht haben. Allerdings ist mir durchaus bewusst – auch diesen Umstand erwähne ich, wie ich glaube nicht zu selten – dass ich verdammt regelmäßig Fehler mache. Und da kann es auch passieren, dass mir mal ein Einzeiler mit politischem Inhalt rausrutscht.

Was mich in diesem Zusammenhang geflasht hat, war die Aussage einer Kollegin, die tatsächlich eine ganze Weile gedacht zu haben schien, dass ich eher im rechten Spektrum verortet sei. Ich zeigte ihr meinen SPD-Mitgliedsausweis und damit war die Geschichte gegessen. Es gemahnt mich allerdings der Tatsache, dass Schweigen bei bestimmten Themen, aller guten Gründe zum Trotz, auch falsch ausgelegt werden kann. Unser soziales Tun ist eben stets Gegenstand der Interpretation durch Andere. Anekdote zu Ende.

Der Grundsatz: keine Politik im Lehrsaal hängt für mich eng mit dem Grundsatz zusammen, dass wir verpflichtet sind, jedem zu helfen, ohne Ansehen, seines Standes, seiner Herkunft, seiner Ethnie, seiner religiösen, politischen und sexuellen Orientierung! Falls ich was vergessen haben sollte, setzt es hier ein ………! Ich leite diese Verpflichtung für mich aus meinem Respekt für die Menschenrechte und aus meinem Berufsethos ab. Und ich habe, soweit ich mich erinnern kann, zumindest diesbezüglich noch nie versagt. Auch wenn mir immer noch die Frage einer ehemaligen Kollegin in den Ohren klingt, was das denn nun sei: die Würde des Menschen?

Nun trifft man gelegentlich die Kollegen auch online und diskutiert dort, zwangsweise, eben manchmal auch Themen, die sehr politisch sind. Und Politik wird schnell sehr persönlich, da sie Meinungen und Grundsätze berührt… Scheiß-Dilemma, kann ich nur sagen, denn im Lehrsaal sieht man sich wieder und nun steht u.U. etwas zwischen den Menschen; also dem Lehrer und dem Schüler. Haben alle Beteiligten die Größe, trotzdem einfach mit ihren Aufgaben weiterzumachen. Oder wird das zu einem greifbaren Problem? Keine Ahnung. ich werde es sicher irgendwann herausfinden und dabei versuchen, MEINEN Grundsätzen treu zu bleiben.

Memo an mich: Facebook ist böse! Lass es endlich…

Erwachsen bilden #03 – Immergency…?

Einen nicht unerheblichen Teil meiner Arbeitszeit verwende ich heutzutage auf das Konzipieren und Durchführen von Simulations-Trainings. Ich arbeite in der Ausbildung von Rettungsfachpersonal und versuche dabei natürlich, mit der Zeit zu gehen. Ganz gewiss profitieren die Auszubildenden, aber auch das Bestands-Personal, welches immer wieder aufgerufen ist, seine Skills weiter zu entwickeln davon, wenn solche Szenarios möglichst nah an der Realität spielen. Möglichst nah an der Realität bedeutet allerdings u. U. einen nicht unerheblichen Ressourcen-Aufwand. Einerseits für die Materialien und Geräte – andererseits auch für die Schulung und Entwicklung der notwendigen Skills beim Ausbilder/Trainer selbst.

Die Prämisse ist, über eine Reduktion der Übungskünstlichkeit einen höheren Grad an Immersion zu erzeugen; also ein Für-wahr-nehmen des Übungs-Szenarios, was zu einem möglichst tiefen Eintauchen in die simulierte Realität führen soll. Wir wollen also quasi „Immergency“ erzeugen – Immersion in emergency. Und selbstverständlich sind dem Aufwand, den man dabei betreiben kann, kaum Grenzen gesetzt. Man kann bereits heute Tausende und Abertausende Euros in Material und Ausbildung investieren. Bei hohen Investitionen in die Qualifikationen bin ich da auch dabei. Was jedoch die Ausgaben für Equipment angeht, habe ich mittlerweile den einen oder anderen Zweifel, dass wir in die richtige Richtung gehen.

Man darf mich an dieser Stelle bitte nicht falsch verstehen: insbesondere das, was nicht unbedingt zu unserer alltäglichen Einsatzrealität gehört, müssen wir um so öfter üben, um im gegebenen Fall die indizierten Maßnahmen korrekt ergreifen zu können. Und ich bin stets bereit, für bestimmte Produkte Geld auszugeben, die einen leicht messbaren Mehrnutzen für die Aus- und Fortbildung erzeugen. So gehört zum Beispiel Video-gestütztes Debriefing nach der Simulation eindeutig zu den Dingen, von denen die Trainees (nicht nur subjektiv) profitieren; nämlich indem wir ihnen die Perspektive des Trainers auf ihr Tun zeigen und so den zweiten Learning-Loop anstoßen.

Doch wohin führt uns der Weg, wenn wir bei der Simulation immer mehr auf Immergency durch Technik setzen. Denn zweifelsfrei können wir mit den modernen Methoden erwartbare Reaktionen auf standardisierte Situationen drillen und durch Variationen auch das – oft notwendige – Um-die-Ecke-Denken in unseren Auszubildenden fördern. Was uns aber, wenn wir zu sehr auf technische Hilfsmittel setzen u. U. verloren geht, ist die Durchdringung der mannigfaltigen sozialen Aspekte unserer Tätigkeit. Ich brauche nicht unbedingt mehr Technik, um z. B. psychosoziale Notfälle zu simulieren, sondern vielmehr handwerkliche Skills als Ausbilder, die schon fast ans Schauspielerische grenzen.

Ich denke, erst die richtige Mischung aus Technik-Einsatz, wo er sinnvoll ist und stets entwicklungsfähigem Handwerk des Ausbilders/Trainers/Dozenten macht aus meiner Arbeit einen Gewinn für diejenigen, an denen ich sie ausübe – nämlich den jungen Kolleginnen und Kollegen, die unseren Beruf in die Zukunft führen werden. Das, was ich mir immer am meisten für meine Azubis wünsche – nämlich sie dahin zu führen, dass sie sich selbst und ihre Arbeit immer wieder reflektieren und aus eigenem Bestreben daran wachsen wollen – genau das muss ich durch mein eigenes Tun auch leben. Einerseits durch die Adaption neuer Simulations-Techniken, aber auch durch die Erweiterung meines persönlichen Methoden-Repertoires als Ausbilder. Denn auch für Ausbilder gilt – geführt wird von vorne und ich darf von niemandem mehr erwarten, als ich selbst zu leisten bereit bin. In diesem Sinne – frohe Pfingsten.

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Gemeindenotfallsanitäter – wie läuft’s?

Vor einem knappen Jahr hatte ich einen Blogpost veröffentlicht, der sich mit dem Oldenburger Pilotprojekt befasst hatte. Mittlerweile ist das Projekt am Laufen und ich verfolge die Entwicklung mit großem interesse. Auch, weil ich immer noch die Idee verfolge, derlei auch im Südwesten umzusetzen. Daher hier Re-Blog meines damaligen Posts vom 18.05.2018:

Es ist also soweit: im Landkreis Oldenburg startet nun ein wissenschaftlich begleitetes Projekt zur Etablierung eines Gemeinde-Notfallsanitäter-Systems. Und schon kommen Kommentare wie “billiger geht’s wohl nicht”. Tja, dümmer geht’s wohl nicht… Was soll ein GNFS denn tun? Hat sich mal jemand echte Gedanken über diese Frage gemacht? Wer aufmerksam liest, stellt einige Punkte fest, die interessant sind:

  • Alarmierung durch die Ortszuständige integrierte Leitstelle
  • Alarmierung bei Situationen unterhalb der Notfallschwelle
  • mehrmonatige Zusatzausbildung

Ein Gemeinde-Notfallsanitäter wird hier gedacht als Gatekeeper, der einer weiteren Überschwemmung der Notaufnahmen und des Rettungsdienstes mit unnötigen Bagatelleinsätzen Einhalt gebieten soll. Wenn ich das wenige, was bisher bekannt wurde richtig interpretiere, ist dies ein erster Schritt zur Veränderung der Akut-Versorgung, wie wir sie kennen. Und aus mehreren Blickwinkeln vermutlich der richtige: Aus ökonomischer, weil unnötige Hospitalisierungen und deren Folgekosten vermieden werden. Aus organisatorischer, weil eine Disposition aus einer Hand die Ressource RTW und NA für echte Notfälle freihält. Aus Sicht der Arbeitsgestaltung, weil es eine neue Chance zur Weiter-Qualifizierung schafft. Aus medizinischer, weil der GNFS eine Schnittstelle zwischen verschiedenen Komponenten des Gesundheitswesens sein könnte. Und aus sozialer, weil es einen Teil der Sorge für die Gemeinschaft wieder näher an die Gemeinschaft trägt.

Sieht man sich nämlich amerikanische Community Paramedic Programme an (hier z.B.- aus Minnesota), so wird klar, dass diese auch für präventive Aspekte Sorge tragen sollen; also z.B. das Monitoring von chronisch Kranken, die Nachsorge nach Klinik-Aufenthalten organisieren oder auch Unterricht in medizinischer Selbstkompetenz planen und durchführen. Für diese Aufgaben ist der deutsche NFS ebenso wenig ausgebildet, wie der amerikanische Paramedic (wobei es den als Archetyp ja gar nicht gibt), was aber bedeutet, dass derjenige, der ein Curriculum für GNFS entwickeln möchte/soll tatsächlich “dicke Bretter bohren” muss, um es mal mit den unnachahmlichen Worten unseres Landesinnenministers zu sagen…

Hier mal ein Vorschlag für eine Grobstrukturierung eines solchen Curriculums:

  • 40 h Einführung in die Aufgabenbereiche des GNFS
  • 160 h Erweiterte Grundlagen der Pflege (davon 40 h Praxis-Einsatz auf Station)
  • 40 h Schnittstelle Pflege/Nachsorge – Akutversorgung
  • 360 h Krankheitslehre / Pharmakologie (davon 40 h Praxis-Einsatz in Arztpraxis und 40 h Praxis-Einsatz in einer ZNA)
  • 40 h Erstellung eines Behandlungsplans
  • 80 h Methodisch-Didaktische Aufbauschulung  zum Ausbilder für medizinische Selbstkompetenz (davon 20 h Hospitation in einer Ausbildungseinrichtung im Gesundheitswesen)
  • 40 h Rechtsfragen: u.a. Haftung und strafrechtliche Fragen, Delegation
  • 40 h Abschlusswoche mit Prüfung

Wären netto 800 h Ausbildung, die von einer E-Learning-Plattform zum Selbststudium und  weiteren Praxisbegleitungen in der Anfangsphase flankiert werden müssten. Die Voraussetzungen wären:

  • mind. 2 Jahre als NFS tätig gewesen
  • Aufnahmetest zur Ausbildung
  • Monitoring durch ein Board aus Ärzten (sowohl NA als auch aus dem hausärztlichen Bereich) und erfahrenen Pflege-, sowie NFS-Ausbildern.
  • obligate 48 h anstatt 30 h Fortbildung pro Jahr

Ich würde mich gerne an der Etablierung eines solchen Ausbildungsganges beteiligen. Sonst noch wer?

Lieber ein bitteres Ende…

…als gar keines. Ich wäre dann jetzt soweit. Nachdem meine Arbeit auf Leitstellen mich dann jetzt endlich an den Punkt gebracht hat, dass ich nicht mehr – wie früher – immer meine Contenance gegenüber den Frechheiten der Anrufer wahren kann, ist es an der Zeit, endgültig den Deckel drauf zu machen, bevor ich dran kaputt gehe. Tatsächlich öffnet sich sogar die Gelegenheit, dies bei meinem aktuellen Arbeitgeber darzustellen. Andernfalls müsste ich – vollkommen ernst und ohne jeglich weitere Zurückhaltung – den Arbeitgeber wechseln. Ich bin zu alt, zu gut in den anderen Teilen meines Jobs und zu unglücklich über manche Aspekte meiner Arbeit, um noch allzu viele Kompromisse eingehen zu können, oder zu wollen.

Ich dachte bei meiner Arbeit lange Zeit, dass man die Dinge pädagogisch angehen müsse, dass sich jede verbale Konfrontation deeskalieren lasse, dass ich als Dienstleister für allzu menschliches Geduld mit den Anrufern haben müsse – heut weiß ich, dass das Bullshit ist. Ein nicht unerheblicher Teil der Kontakte findet mit Menschen statt, deren Wertesystem so verschoben und deren Vorstellung von der Wichtigkeit des eigenen Anliegens (auch Egoismus genannt) so groß ist, dass ich damit schlicht nicht mehr klar komme. Zumindest nicht in dieser Intensität. Es macht einen großen qualitativen Unterschied, ob ich fünf bis sieben Einsätze pro RTW-Schicht abarbeiten muss, oder 140 – 160 Telefonate. Die Dosis macht, dass ein Ding ein Gift ist…

Bitte nicht falsch verstehen; mit den normal agierenden Menschen mit ihren normal vorgetragenen Anliegen habe ich überhaupt kein Problem. Ganz im Gegenteil. Aber diese Menschoiden mit ihrer Vollkasko-Mentalität, die glauben, dass die Welt ihr ganz persönlicher Selbstbedienungsladen ist, kann ich nur noch schwer ertragen. Und da meine Fertigkeiten im Feld der Ausbildung von Rettungsfachpersonal mittlerweile ein akzeptables Level erreicht haben, sehe ich meine Zukunft – mehr oder weniger ausschließlich – in diesem Bereich. Denn als demotivierter, dauergeladener Calltaker nütze ich weder mir, noch meinen Klienten.

Ich hoffe auf die Zukunft!

Ein letztes Mal…

…kann ich nicht anders, als Herrn Ragge vom Mannheimer Morgen entschieden zu widersprechen. In seinem Kommentar spricht er davon, dass ein zu großer, ohne Wissen der Stadt eingerichteter Rettungsdienstbereich an Versorgungsproblemen in Mannheim Schuld sei. Dies Aussage ist in mehrerlei Hinsicht unzutreffend.

Erstens ist es bereits seit den frühen 2000er Jahren ausgewiesene Landespolitik, größere Leitstellenbereiche schaffen zu wollen, um Synergieeffekte im Rettungswesen nutzbar machen zu können. Vor dem Hintergrund steigender Notfallzahlen eine schlichte Notwendigkeit, um das System bezahlbar zu halten. Die dazu notwendigen Strukturen sollen überall im Land entstehen. Da es bereits seit 2006 eine Leitstelle in Ladenburg gab (und immer noch gibt), die beide Bereiche disponierte, war es eine logische Entscheidung, die schon seit Jahren in der Praxis aus einer Hand koordinierten Bereiche auch organisatorisch zusammenzuführen. Größe und Unwissenheit sind damit Strohmann-Argumente – man könnte es auch tendenziös nennen, was in diesem Zusammenhang bei den Äußerungen Herrn Ragges allerdings auch nichts neues ist.

Versorgungsprobleme gab es in Mannheim (allerdings weniger ausgeprägt als in den allermeisten anderen Bereichen Baden-Württembergs) schon lange; aber nicht wegen der Leitstellen-Struktur, sondern weil die Krankenkassen ihre Macht in den sogenannten Bereichs-Ausschüssen (das sind die Gremien, in denen die Vertreter der Leistungserbringer und die Vertreter der Krankenkassen seit Jahrzehnten ohne sinnvolle Rechtsaufsicht die Entgelte für die Leistungen der Rettungsdienste verhandeln) ausgenützt haben, um den Rettungsdienst in Baden-Württemberg kaputt zu sparen. Auf Kosten der Bürger. Erst seit das 2011-12 öffentlich ruchbar geworden ist, interessiert es überhaupt irgendjemanden.

Mitnichten jedoch haben diese Versorgungsprobleme (präzise die Nichteinhaltung der P95-Regel: 95% aller Einsatzstellen müssen in längstens 15 Minuten von einem Rettungsmittel erreicht werden) mit mangelnder Ortskenntnis, Bürgernähe oder Betriebssicherheit zu tun. Die Disponenten, welche heute ihren Dienst in Ladenburg versehen, haben allesamt zuvor in Heidelberg oder Mannheim auf den ehemaligen dortigen Leitstellen ihren Dienst versehen, oder wurden hier im Bereich für den Bereich ausgebildet. Ich kann das voller Überzeugung sagen, denn ich bin einer dieser Disponenten und habe bereits 1998, noch im Turm der ehemaligen Feuerwache Mitte meinen Dienst versehen…

Herrn Ragges Äußerungen implizieren einmal mehr, dass hier Amateure ohne Ortskenntnis tätig wären und das ist schlicht und ergreifend unwahr. Die Auftrennung des Bereiches – rein politisch motiviert, weil Politiker ihr Gesicht wahren wollen und mancher Amtsinhaber nach mehr Macht strebt – ist nicht mehr aufzuhalten. Eine Verbesserung, so wie von Herrn Ragge beschrieben bringt sie nicht. Diese entsteht allenfalls dadurch, dass das Landes-Innenministerium mittlerweile endlich seiner Aufsichtspflicht nachkommt, die das ehedem zuständige Landes-Sozialministerium über Jahrzehnte vernachlässigt hat. Was dazu führt, das allenthalben Standorte für Rettungsmittel aus dem Boden sprießen, wie Pilze in einem feuchten Sommer.

Ich sage daher – danke für nichts! Hauptsache man zerstört funktionierende Strukturen, damit man behaupten kann, etwas für die Bürger getan zu haben. Ich habe von diesem Schmierentheater die Schnauze voll. Schönes Rest-Wochenende.