Benvenuti nelle Marche N°14 – …und was bleibt?

Ich frug die Gattin am gestrigen Abend, welch erfreuliche Wahrnehmungen sie wohl aus dieser Reise mit nach Hause nähme. Wiewohl dem Verfasser hätte bewusst sein können, dass Menschen jenes umgebende Gefüge, welches wir “Welt” zu nennen pflegen auf höchst unterschiedliche Weise zu rezipieren pflegen, war doch die erste Replik ein Mü überraschend; sprach doch die beste Ehefrau zuerst von jenem Ort, der allüberall die Massen der Erholungssuchenden anzuziehen scheint, wie ein Haufen ausgeschiedenen Verdauungsdepositums die Fliegen: nämlich DEM STRAND. Von je her, rings um den Globus eine räumliche Entität, die ein höchst eigenes Soziotop repliziert, wo immer Menschoide mit Sonnenschirmen auf – “so wuuunderschönem” – zu wenig Platz zusammen kommen, um einem ausgesuchten Ausschnitt der Weltmeere zu huldigen; ein*e jede*r nach seinem individuellen Dafürhalten hinsichtlich Raumbedarf, Lautstärke, optischer Darreichungsform und sozialen Fähigkeiten; und daher zumeist ein Ort des Schreckens! Nun war jener Strand, welchen wir eben gestern noch einmal aufgesucht hatten natürlich eine Empfehlung unser höchst reizenden Gastwirte und damit quasi eine Art Geheimtip, an dem man üblicherweise vor allem Einheimische vorfindet – und von denen derzeit, da noch Vorsaison herrscht, auch nicht allzu viele. Selbst für den Autor war die Stranderfahrung daher als halbwegs angenehm zu bezeichnen, sind Menschenmassen, Enge und Radau doch ein Quell des Unbills. Daher barg der Gattin Antwort – der eigenen positiven Überraschung am Meer zum Trotze – eine Überraschung, hatte der Schreiber dieser Zeilen doch für sich selbst ganz andere Highlights gefunden.

An Landschaft herrscht hier in der Gegend kein Mangel, an beeindruckenden Ausblicken folglich auch nicht. Und wie schon erwähnt gilt – auch, wenn gelegentlich die Höhenangst ihren mentalen Tribut fordert – für den Autor, je weiter oben man steht, desto weiter kann der Blick schweifen. Das Gefühl der eigenen Nichtbedeutsamkeit im Angesicht der Natur hat eine kathartische Wirkung, die der Verfasser auch so manchem seiner Kollegoiden reichlich wünschen würde – es stellte so manches egoistische und narzisstische Gehabe eventuell ins richtige Licht. Aber für DIESE gedankliche Transferleistung mangelt es möglicherweise an… Gedanken… Mich rückt es immer wieder zurecht, feststellen zu müssen (oder zu dürfven…?), wie klein wir Menschlein doch sind – und wie wenig unser Tun oder Lassen mit Blick auf das Große Ganze wirklich bedeutet! Natürlich war die erste Frage dazu angetan, zum Ziehen eines Resümees anzuregen. Wenn man(n) also tatsächlich darüber nachdenken müsste, was man(n) aus dieser Reise mitnimmt, so ließe sich Folgendes konstatieren: Eindrücke und Ideen. Erholung und Lust am Entdecken. Echte Erlebnisse und gute Gespräche. Eine internationale Rollenspielrunde via Zoomkonferenz. Einige Fotos, um sich der Dinge erinnern zu können, wenngleich es dem Autor dazu meist keiner Hilfe bedarf. Und der bereits feste Plan, wieder herzukommen. Was sonst noch folgt, findet sich, wenn es soweit ist. Denn am Ende ist es vollkommen gleichgültig, wer an den heuer bislang bereisten Orten welche Erfahrungen als besonders inspirierend vorfindet; wichtig ist einerseits, dass für jede*n etwas dabei ist. Und andererseits muss jede*r die Zeit bekommen, die es dafür braucht.

Ich bin jedenfalls zufrieden mit dem was ich vorfinden durfte, auch, wenn morgen früh der Diesel wieder brummt. Ich bin auch ein bisschen traurig, weil ich hier vermutlich Monate zubringen könnte. Ich bin gespannt, was als nächstes kommt. Und ich bin zuversichtlich, noch mehr aus den Marken berichten zu können; allerdings erst nächstes Jahr. Wir lesen uns also das nächste Mal wieder aus der Heimat… Have a nice weekened!

Benvenuti nelle Marche N°12 – auf immer…?

Man ist an seinem Urlaubsort so richtig angekommen, fühlt sich dort sauwohl, genießt die Vorzüge der Gegend nach allen Regeln der Kunst, natürlich wohlwissend, dass in ein paar Tagen schon wieder Schluß sein muss mit la dolce vita; und immer wieder kriecht dieser kleine Gedanke in die Gespräche: wie wäre es wohl, hier zu leben? Vielleicht nicht das ganze Jahr, aber wenigstens einen Teil? Ich gebe schon zu, dass ich unsere diesbezüglichen Möglichkeiten mehr als einmal analysiert habe – stets mit dem gleichen Ergebnis: im Prinzip schon, aber… Ich selbst wäre vermutlich flexibel genug, ein solches Vorhaben anzugehen. Denn mein Verständnis des Begriffes “Heimat” ist ein vollkommen Anderes, als das so vieler meiner Landsleutoiden. Ich glaube nicht an Geburtsrechte und Deutschtümelei. Ich glaube, dass Heimat immer da ist, wo die Seele aufblüht, wo die Gedanken frei genug sind, die Kreativität fließen zu lassen, wo das Herz einen Sprung macht, wenn man den Blick schweifen lässt. Dieses Gefühl hatte ich daheim letzthin immer seltener, was allerdings auch daran liegen könnte, dass die letzten Monate wieder einmal zu einem beruflichen Parforceritt degeneriert sind. Von meinen Vorsätzen blieb nicht allzuviel übrig, außer tiefgreifender Erschöpfung. Es mag also nicht verwundern, dass die Marken mich in vielerlei Hinsicht verlocken. Aber wollte man aus süßen Träumen Taten werden lassen, gäbe es so viele Dinge zu beachten, vorzubereiten, zu studieren, zu beantragen. Und am Ende des Tages muss es doch an mehreren Aspekten scheitern:

  • Die Kinder: niemand, der bei klarem Verstand ist, entwurzelt seine Kinder ohne Not und ohne einen sehr guten Plan B. Womit auch klar ist, dass Italien (oder sonstwo) allenfalls in Betracht käme, NACHDEM unsere Töchter aus dem Gröbsten (und vor allem aus dem heimatlichen Nest) raus sind. Sie mitten im Leben aus unserem hiesigen Schulsystem herauszureißen ist dabei nur ein Aspekt… Freundeskreise sind ebenso wesentlich.
  • Die beste Ehefrau von Allen: ist eben dabei, in der Selbstständigkeit durchzustarten. Einen schlechteren Zeitpunkt, um über solchen Schmonzes wie die Verlegung des Wohnsitzes in eine andere Nation nachzudenken, kann ich mir jetzt nur schwerlich vorstellen. Und ich habe eine Menge Fantasie! Überdies sind ihre Wurzeln in unserer Stadt (vor allem familiär) wesentlich tiefer und fester, als meine es je noch sein könnten.
  • Die Sprache: Ich kann mich nicht auf das Abenteuer Auswanderung begeben (und selbst, wenn diese nur auf Raten bzw. zeitweise erfolgte), ohne die Landessprache fließend zu beherrschen! Mein Italienisch ist allerdings bis heute eher rudimentär, das meiner Lieben nonexistent. Und dies zu ändern bedeutete einen erheblichen Aufwand, für den keiner von uns momentan die Nerven, die Energie und die Zeit hätte.
  • Der Job: Meine Arbeit ist eine hochspezialisierte, bei der ich beim besten Willen keine Idee hätte, wie ich hier in Italien an eine halbwegs äquivalente Stelle käme. Und hochfliegende Pläne mit einem eigenen Häuschen im Schönen und allem Pipapo müssen nun mal leider finanziert werden; was nur geht, wenn man die laufenden Kosten mit einem regelmäßigen laufenden Einkommen decken kann. Klingt logisch oder…?
  • Die Politik: ich glaube, hier schon viel mehr als einmal klargemacht zu haben, dass ich mit Faschos nicht kann! Was zu Hause in Deutschland gilt, verliert nicht seine Bedeutung, nur weil die Fahne woanders andere Farben hat. Womit das Thema auch aus Meloniesken Gründen derzeit einfach gegessen ist. Daheim ist das rechte Gesindel wenigstens nur als Opposition im Parlament vertreten; was schon schlimm genug ist.

Ach ja, Träume sind Schäume. Ob ich dennoch immer wieder weiter über solche Dinge nachdenke und gelegentlich auch verstohlen die Optionen prüfe? Da dürft ihr aber sicher sein! Nicht, weil ich Deutschland nicht mag; sogar ganz im Gegenteil! Aber mein Geist verlangt immer wieder nach solchen Planspielen, welche mir die Chance eröffnen, andere Lebensentwürfe auszuprobieren, ohne diese wirklich in aller Konsequenz leben zu müssen. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass ich etwa allein damit bin, die zig Millionen aus diesem oder jenem Jackpot zumindest gedanklich schon komplett ausgegeben zu haben, egal, ob ich nun getippt habe, oder nicht… Wir alle brauchen ab und an diesen Eskapismus, denn er lässt uns unsere eigene – bisweilen durchaus belastende – Existenz etwas weniger bedrohlich erscheinen. In diesem Sinne dürfte der Urlaub hier durchaus noch etwas länger dauern. Ich gelobe daher hiermit, jeden Tag zu genießen. Schönes Wochenende.

Benvenuti nelle Marche N°9 – Warum nicht?

Über Urlaubsfahrten zu den Zeiten gesetzlicher Ferien ist jede notwendige und nicht so notwendige Glosse geschrieben worden; mal mehr, oft aber eher weniger lustig, Wenn sich viele 1000 auf den Weg in die gleiche Richtung machen, ist das Ergebnis halt Chaos auf den Straßen. Wir sind allem Chaos zum Trotze beinahe pünktlich gelandet – und zumindest ich habe einen Ort (wieder) vorgefunden, der sich erneut in beinahe allen Aspekten wie ein Zuhause anfühlt. Ich kann nur schwer beschreiben, welche Gefühle die letzten Kilometer einer 1.100 KM langen Reise in mir ausgelöst haben. Losgelöst beschreibt es nur unzureichend. Als ich dann, eine knappe Stunde nachdem der letzte Dreh des Schlüssels den Diesel zum schweigen gezwungen hatte, beginnen durfte, meine Bahnen im Pool zu ziehen, war ich genau da, wo ich schon seit Monaten hingewollt hatte… hingemusst hatte! Ich hatte neulich irgendwo mal gelesen, dass Urlaub ja im Grunde nicht nur problematisch sonder auch nutzlos sei, weil man ja eh nur irgendwohin führe, um an dem Ort dann genau das Gleiche zu tun, wie zu Hause, dafür aber kostbare Ressourcen vernichtet hätte. Also, normalerweise müsste ich das Autor*x (ich habe nicht mehr auf dem Schirm, was es denn nun war) so lange mit meiner pudelnassen Badehose in die Fresse schlagen, bis es versteht, dass diese Aussage – FÜR MICH – so ziemlich der allergrößte Quatsch ist, den irgendeine Journaille in letzter Zeit abgesondert hat!

Zuvorderst eine Liste der Dinge, die ich im Urlaub tue und für die ich Zuhause (wohl gemerkt unter der Prämisse Freizeit zu haben) dennoch weder die Muse noch die Motivation finde, weil die schiere Verfügbarkeit meines versch******n Dienstlaptops mich bereits zu oft dazu verführt – JA ICH BIN SO DUMM! HALTET EINFACH ALLE DIE FRESSE! – noch ein bisschen was zu arbeiten. Und das mir, der ich hier immer wieder über mein Verhältnis zu meinem Job und dessen mannigfaltige Frustrationspotentiale referiere; nun ja… Wo war ich? Ach ja, die Liste: Kreatives Schreiben (und nicht nur mein Blog). Knipsen, bis der verdammte Auslöser glüht. Neue Orte erkunden (und den Auslöser glühern lassen). Ortstypisch kochen und grillen (und dabei auch mal was Neues ausprobieren). Zwei bis drei Bücher lesen, die mich interessieren (keine Fachbücher!). Einfach mal in den Himmel, auf die Hügel oder ggfs. auf’s Meer schauen und NICHTS tun… Ich bin so alt – meine vertraute Umgebung kenne ich (andernfalls wäre sie nicht vertraut) auch in weiterem Umkreis. Und ich brauche ab und an neue Stimuli. Erst wenn ich ganz woanders bin – und damit stark entkoppelt von meinem üblichen Modus Operandi – beginne ich, mich selbst wieder (zweck)frei, kreativ und motiviert zu erleben. Und ich mag die südeuropäischen Mittelgebirge nun mal viel lieber, als den Strand (egal, ob im Norden oder Süden). Ich mag die kleinen Orrtschaften, die immer neue Blickwinkel ermöglichen. Ich mag die Straßen, die sich nicht anfühlen, wie ein Besuch bei Aldi, sondern wie ein kleines Abenteuer. Und ich mag es, dass sich nicht mal die Frage stellt, ob man abends Unterhaltung aus der Konserve konsummiert. JA, es gibt in unseren üblichen Ferienunterkünften zumeist einen Fernseher. NEIN, ich habe noch nie einen angemacht. Kurzum gesagt, mag ich reale Stimuli. Und damit ist die eine Sache noch nicht benannt, die ich einfach brauche – meine Bahnen in diesem kleinen Teich, die ich allmorgendlich ziehen kann, während Frösche quaken, Libellen summen und die Ringelnatter in Deckung gleitet. Und ich muss dafür nur aus dem Bett fallen, eine Badehose anziehen und ein ganz kleines Stück bergab gehen – so wertvoll!

Und was den Ressourcenverbrauch angeht: wir fahren zu viert mit dem Auto in Urlaub und unser Gesamt CO2-Verbrauch über 2 Wochen Urlaub liegt bei etwas über 800 KG. Für 620 KG schafft es gerade mal eine Person nach Malle und zurück. Über weitere Strecken müssen wir an dieser Stelle dann auch nicht mehr reden. Wir wohnen hier im historischen Natursteinhaus als Selbstversorger und haben damit weitestgehend den gleichen Klima-Fußabdruck wie zu Hause (und JA, der ist kleiner als bei vielen anderen, darf aber auch noch schrumpfen). Innen kühl, außen Sonne und das alles ohne Klimaanlage. Ob ich mich jetzt also schuldig fühle, weil ich einmal mehr den klischeebehafteten, nach Mittelitalien reisenden Pädagogen gebe, der abends mit der Rotwein-Buddel auf der Terrasse sitzt? (Tatsächlich war es gestern abend eine Buddel Prosecco, but who cares…) Nö, tue ich nicht. Und ich lasse es mir auch von niemandem einreden. Wenn es einen nicht so festlegen würde, hätten wir hier irgendwo schon lange ein eigenes kleines Häuschen. Aber es gibt noch mehr Ecken, die ich mal erkunden möchte. By the way – der Tourismus wird ja oft als Schuldiger für die Wassernot in vielen regionen Südeuropas genannt. Ich würde jetzt mal viel eher auf den ewigen, hemmungslosen Konsummaterialismus meiner Mitmenschen tippen, der den Klimawandel ausgelöst hat; aber was weiß ich schon… Doch, eines weiß ich ganz gewiss – ich bin im Urlaub und dennoch zu Hause, weil das ganze Setup hier den inneren Südländer aktiviert hat. Was wir die nächsten Tage anfangen, haben wir noch nicht entschieden. Aber das Schöne daran ist, dass man das im Zweifel ganz spontan tun kann. In diesem Sinne: sonnige Grüße!

The Critic N°6 – …alles elektrisch, oder was?

Wann genau haben wir verlernt, wie die “willing suspension of diesbelief” funktioniert? Wann genau haben wir angefangen, alles zu hassen und zu dissen, was nicht EXAKT unseren Vorstellungen entspricht? Wann genau haben wir das Staunen verlernt? Ich hatte, das will ich zugeben, geringe Erwartungen, als ich gestern Abend mit der besten Ehefrau von allen auf der Couch Platz nahm, um mir “The Electric State” anzusehen. Gering deshalb, weil ich zuvor NICHT die Gelegenheit ausgelassen hatte, mich ein wenig mit den diversen Auslassungen der “Kritiker” zu befassen. Und was haben sie nicht alles bekrittelt: kein Plot, miese CGI, zu viele anachronistische Elemente, keine werkgetreue Umsetzung der Graphic Novel von Simon Stålenhag, keine emotional Pay-Offs, und so weiter, und so fort. Ganz vorne weg, wie immer, der Critical Drinker und seine Crew. Ganz ehrlich, nicht selten liegt er total richtig – aber dieses Mal kann ich ihm kaum zustimmen. Insbesondere nicht, wenn er damit anfängt, Milly Bobby Brown zu dissen, weil sie ihm zu alt aussieht für eine High-School-Teenagerin. Ich glaube, der saufende Schotte sollte mal gelegentlich aus seiner Bubble rauskommen und vor die Tür gehen; die Welt hat sich nämlich verändert… Aber, fangen wir doch ganz einfach von vorne an (ohne zu sehr zu spoilern).

Immersion? (erstellt mit chatgpt)

Das Worldbuilding ist meiner Meinung nach nicht schlechter, als etwa bei “Fallout”. Das Zusammenspiel von Retrofuturism bei den Robotern und realistischer 90er-Jahre-Tech hinsichtlich des ganzen Restes ist aus meiner Sicht durchaus gelungen. Tech-Entwicklung verläuft pfadabhängig und wenn ich in diesem Film nun Roboter habe, die nach und nach seit den 50ern klüger geworden sind, so bedeutet dies lediglich, dass sich im Kontext der Geschichte bestimmte Entwicklungspotentiale in diesen Bereich verlagert haben. Was den Aspekt des eigentlichen Hauptcharakters des Filmes (der zudem auch der MCGuffin der Geschichte ist) angeht, könnte man sagen, das ist ein bisschen Over the Top, bleibt aber konsistent mit der Idee eines Neuralink – und an dem bastelt man heutzutage rum. Hätten in den 40er Jahren des 20. Jhdts. mehr einflussreiche Leute an Anwendungen für die frühen Robotik-Konzepte geglaubt, hätte sich das alles vielleicht tatsächlich in eine ähnliche Richtung entwickelt. Also Schwamm drüber! Ist man bereit, sich darauf im Rahmen des Narrativs einzulassen, funktioniert dieser Part gut – wenn man darüber hinweg sieht, dass es eher unglaubwürdig erscheint, in einem Bot die Persönlichkeit eines Menschen zu erkennen und deshalb mir nix dir nix auf einen Roadtrip mitzugehen. Aber sind Teenager nicht dafür bekannt Entscheidungen eher emotional denn rational zu treffen…?

Die wichtigen Charaktere erhalten alle eine Einführung, ohne dabei zu viel “In-die-Fresse-Exposition” zu betreiben; es wird gezeigt, wie sie ticken, ohne es extra zu beschreiben zu müssen. Manche Aspekte über die wichtigen Personen werden nach und nach enthüllt, und sind aus meiner Sicht nicht zu dick aufgetragen. Auch wenn Chris Pratt halt Chris Pratt ist und in jedem Film basically Chris Pratt spielt; ein bisschen Overarcting inclusive. Die beste Dialogzeile hat nach meiner Ansicht Giancarlo Esposito kurz vor Schluss, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Lediglich Stanley Tucci – sonst eine sichere Bank – bleibt für mich hier seltsam farblos. An Milly Bobby Browns Spiel habe ich nichts auszusetzen. Sie hat gewiss noch Entwicklungspotential als Schauspielerin, aber schlecht macht sie das hier nicht. Und dass es keine Chemie zwischen Chris Pratt und ihr gäbe, ist schlicht Quatsch. Schaut mal genau hin, das passt schon so. Selbst die CGI-Roboter haben nach meinem Dafürhalten hinreichend Persönlichkeit, um die ihnen zugedachten Rollen ausreichend zu tragen. Comic relief inclusive. Ja… die CGI ist bisweilen etwas unscharf und ich hätte mir bei 320 Millionen Dollar tatsächlich ein paar mehr echte Setpieces gewünscht. Doch abseits dessen ist an der Cinematography wenig auszusetzen. Es gab die eine oder andere Kritik an den wenig innovativen Action-Sequenzen. Das erntet von mir jetzt aber lediglich ein schulterzuckendes “Ach echt…?” Das hier ist kein Action-Film, sondern ein retrofuturistischer Science-Fiction-Roadmovie. Get over it. Nicht alle Kämpfe müssen so knackig inszeniert sein, wie in “The Raid”. Lediglich das Ende kommt hier mehr als nur ein bisschen unglaubwürdig daher. Ich hätte da jetzt ein wenig mehr… Security… erwartet, so rings um die Deportationszone und um das Schaltzentrum DER global wichtigsten Tech-Firma der Erzählung herum…. nah, whatever….

Ja und der Plot? Okay…. einige Aspekte davon sind wirklich dünn wie Jugendherbergs-Tee. In dem Zusammenhang wird öfter die Frage gestellt, warum man nach einem “Krieg” die Roboter nicht einfach alle verschrottet hatte, anstatt sie in ein riesiges Freiluftgefängnis zu sperren. Wahrscheinlich war das tatsächlich billiger und hatte den Vorteil, dass man sich später würde Gedanken machen können, sie irgendwann doch wieder zum Einsatz zu bringen – etwa als billige Arbeitssklaven, sobald man eine Methode gefunden hätte, die freiheitsliebenden Anteile ihre Persönlichkeit wieder zu überschreiben. Aber Denken beim Filmschauen ist ja bekanntlich nicht jedermanns Sache. An einigen Stellen wird der Film unnötig langsam, ja beinahe langatmig, an anderen Stellen hingegen hätte ich mir etwas mehr Kontext für die Geschichte und etwas mehr Charakter-Tiefe für den finalen Pay-Off gewünscht. Aber insgesamt macht der Film seine Punkte: die Protagonisten erleiden Verluste und müssen harte Kämpfe durchstehen, schwere Entscheidungen werden getroffen, Charaktere machen eine (wenn auch zumeist eher geringe) Entwicklung durch, und am Ende bleiben genug lose Enden zum selbst weiterspinnen.

Und man kann über die Frage nachsinnen, was denn nun der Electric State ist, welcher dem Film seinen Titel gibt: die Deportationszone für die Bots? Die Verbindung zwischen Mensch und Maschine? Was einen Menschen menschlich macht – und ob eine Maschine vielleicht auch menschliche Qualitäten erlagen kann? Ich fand diese Fragen allesamt in dem Film wieder. Bleibt also die eine Frage, ob “The Electric State” ein guter Film ist? Ich sag mal so: das hängt davon ab, wie sehr man bereit ist, über Hollywood-typische Logik-Lücken (räumliche Entfernungen, Charakter-Motivation), Inkonsistenzen (Zufälle, Deus ex Machina), allzu oft bemühte narrative Schemata (edle Wilde vs. gierige Konzerne) und gelegentlich holpriges Pacing (zeitliche Abläufe) hinweg zu sehen. Ich habe mir jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, immer noch keine abschließende Meinung gebildet. Aber eines weiß ich: wenn man sich unter Beachtung der zuvor genannten Aspekte Gedanken über Filme macht, ist der erfolgreichste Blockbuster aller Zeiten – ja, mit knapp drei Milliarden Dollar Einspielergebnis immer noch “Avatar” von James Cameron – KEIN NENNENSWERT BESSERER FILM. Viel Spaß mit dieser Nachricht.

Auch als Podcast…

Reisen…

Ich referierte vor einigen Tagen im Rahmen einer Fortbildung über eine spezielle Art des visuellen Storytellings für Vorträge. Ich wählte als übergeordnetes Thema “Bildung als Reise”. Und musste feststellen, dass mich, während ich sprach, das Fernweh überkam. Ich konnte die Erinnerung an den warmen Wind im Gesicht spüren, ebenso wie das beinahe übermächtige Gefühl, einfach davonlaufen zu wollen. Und ich schäme mich nicht dafür. Manche Situationen fordern mehr, als ich derzeit zu geben bereit oder in der Lage bin.

Ich durfte feststellen, dass ich die allermeisten Facetten meiner Arbeit immer noch mag. Aber ich musste auch erkennen, dass ich sie am meisten mag, wenn sie wohl dosiert daher kommen, nicht immer am gleichen Ort stattfinden – und wenn ich mich nicht dauernd mit idiotischen Amateuren auseinandersetzen muss, die immerzu versuchen, an alles was ich tue, Feuer zu legen. ’nuff said. Was nun aber Dosierung sowie Distanz angeht, bleibe ich immer wieder am Thema Reisen hängen. Es beflügelt mich ehrlich, regelmäßig andere Umgebungen besuchen und erkunden – ja, auch dort arbeiten – zu dürfen. Es bedarf dazu nicht einmal unfassbarer Entfernungen, sondern lediglich einer kurzen Entkopplung von der Alltagsroutine. Das, was etwa ein Urlaub erzeugen soll, funktioniert auch auf dieser Ebene recht gut. Es ist hilfreich sich dessen erinnern zu dürfen, denn ich klammere mich mittlerweile viel zu sehr an die Distanz zwischen den Urlaubsreisen, die ich machen darf, weil ich dann neue Impulse, neue Reize, neue Ideen sammeln kann, weil dann alles kann, ohne das irgendetwas muss!

Ob ich dazu unbedingt nach Südfrankreich fahren muss, oder nach Mittelitalien? Nö, muss ich nicht. Die bloße Distanz spielt ja, wie gesagt, keine große Rolle. Aber ich liebe die Weite des Himmels, den erdigen Duft dieser spannenden Landschaften an einem warmen Sommertag, das Gefühl, etwas geschafft zu haben, wenn ich oben auf einer alten Burg stehe; ein Gefühl, dass mir im Alltag viel zu häufig fehlt. Man findet außerdem derlei in Deutschland in dieser Form nicht allzu oft – und viele der Gegenden, wo dies der Fall ist, habe ich schon besucht… ich glaube aber vor allem, dass mir der Geist meiner hiesigen Mitmenschoiden letzthin zu eng geworden ist. Allüberall nur noch Neid, Missgust, Gier, Angst vor dem Unbekannten, Angst vor dem Risiko und der typisch deutsche Reflex für alles, was nicht perfekt läuft einen Schuldigen zu brauchen, den man – je nach Tageslage – mehr oder weniger hart punishen kann. Keinen Dank für ihre Leistung, aber halten sie mal brav den Rücken für das Messer hin. Der Begriff “Perfekt” ist für mich der absolute Endgegner guter Arbeit. Denn, wer dauernd nach Perfektion strebt, verlernt zuerst die Zufriedenheit mit den einfachen Dingen, brennt schließlich sehr hell – und dann ganz schnell aus! Danke, aber NEIN Danke.

Immerzu muss man ackern und planen und erklären und optimieren und wieder planen und dem Teufel sein erstes Kind opfern, damit auch ja nichts schief gehen kann. All diese Narren haben anscheinend noch nie etwas von der unüberwindbaren Mauer der nächsten Sekunde gehört. Ja, Planung ist wichtig, kann aber die Konfrontation mit der normativen Kraft des Faktischen nicht ersetzen. Zumal viele Pläne offenkundig unter reichlicher Zuhilfenahme bewusstseinserweiternder Substanzen und wishful thinkings entstanden sind. Anders sind solche Schwachsinnsruinen wie Stuttgart 21 nicht zu erklären. Aber was weiß ich schon von Planung… Was sich hinter dem nächsten Durchgang findet, muss ich oft erst herausfinden. Doch wir Deutschen starten, anstatt einfach hindurchzugehen, um mal zu kucken was es denn sein könnte, erst mal ein Planfeststellungsverfahren und rufen damit alle ängstlichen Bedenkenträger auf den Plan. Und dabei ist es vollkommen egal, ob es um Millionen-Projekte oder Hustengutzel geht. So vieles wird heute nur noch zerredet, kaputtgeplant, dann wieder schöngerechnet, in den Orkus geklagt oder von den Unken in den eigenen Reihen bewusst torpediert. Dabei ist Angst eher nur dann ein guter Ratgeber, wenn der Säbelzahntiger meine Witterung aufgenommen hat. Und LEIDER haben wir keine freilaufenden Säbelzahntiger mehr. Sie würden manches Problem lösen…

Ich wünschte wirklich, die Menschen würden öfter auf Reisen gehen. Nicht unbedingt auf weite Fahrten, aber auf die kleinen Abenteuer, die einem helfen, wieder zu lernen, sich für die Details rechts und links des Weges zu interessieren. Die einen verstehen lassen, dass der Weg tatsächlich fast immer das Ziel ist; und das Niemand in die Zukunft schauen kann, auch wenn BWLer immer so tun, als wenn ihnen das möglich wäre. Ist es nicht. Das einzige, was die können, ist hoffen, dass Menschen sich wieder genauso verhalten, wie letztes Mal in einem ähnlich gelagerten Zeitabschnitt. Je früher wir alle verstehen, dass Ökonomie nicht mehr – NIEMALS MEHR – das Primat über all unser Handeln haben darf, desto früher wird es hier auf der Erde wieder besser werden. Aber auf dieser gefahrvollen Reise sind wir gewiss noch eine Weile unterwegs. Einstweilen konzentriere ich mich lieber auf die kleinen Reisen, physisch, wie auch im Geiste und versuche, nicht an meinen Mitmenschoiden zu verzweifeln. Das ist vorläufig fordernd genug, während die nächste Sekunde vergeht… und vergeht… und vergeht. “The clock ticks life away” haben Linkin Park mal gesungen. Füllen wir die Ticks doch mit etwas Sinnvollem. In diesem Sinne – Rohe Ostern!

Auch als Podcast…

A storytellers voyage…

So, das neue Jahr hat schon wieder fünf Tage verbraucht und noch ist nix Schlimmes passiert. Gut, man sollte bei dieser Gelegenheit evtl. erwähnen, dass das Schlimme ja an einem anderen Ort passiert als Zuhause. Und das habe ich in den letzten Tagen nur sehr sporadisch verlassen. Mir war nicht allzusehr nach Menschen. Das passiert mir häufiger, wenn ich in eine selbstgesteuerte Kreativphase ohne festes Ziel einsteige. Solche Phasen sind üblicherweie das Ergebnis eines längeren mentalen Gärprozesses. Es ist schon so, dass die Umgebungsparameter einen Einfluss auf den Fluss des Kreativ-Mojos haben. Wenn ich dauernd irgend etwas produzieren, Deadlines einhalten, Ergebnisse liefern muss, dann ist das für meine persönliche Kreativität absolut tödlich. Es ist aber auch für die geschuldete komplexe Problemlösungsfähigkeit, welche Arbeitgeber nur zu gerne mit der echten Kreativität verwechseln nicht eben förderlich. Nur ein Geist der frei von zu vielen Beschränkungen ist, kann sich auch frei entfalten und so die Kraft entwickeln, innovative Lösungen für neue Herausforderungen finden zu können. “Aber wir sind ja auf einem guten Weg” Muhahahaha… Unfug. Wir fahren auf Sicht und das ohne Fernglas. Aber bitte, ich bin ja nur so’n döseliger Pädagoge, die haben vom Geschäft ja keine Ahnung, nich wahr? Jedenfalls hatte der Gärbottich pünktlich zu den Festtagen seine kritische Masse erreicht – und ich habe angefangen zu schreiben. Ich habe auch Infos zu anderen Projekten, und den dazu nötigen Assets und Techniken gesammelt; das sind jedoch Ideen, die erst noch reifen müssen. Aber in allererster Linie habe ich die letzten 10 Tage damit zugebracht, an einer Romanidee zu schreiben, die sich aus meiner sonstigen Storyteller-Tätigkeit im Hobbybereich entwickelt hat. Womit klar ist, dass es sich um Werk der Phantastik handelt, welches eben im Entstehen begriffen ist. Da mein Urlaub am Dienstag leider sein jähes und allzu frühes Ableben finden wird, ist allerdings mit einem abrupten Absinken des Outputs zu rechnen. 95 Seiten in 11 Tagen werde ich dann nicht mehr schaffen…

Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt einen derartigen Output erzeugen konnte. Muss Jahrzehnte her sein, aber es hat sich bis hierher ziemlich gut angefühlt. Ich habe vor einiger Zeit ja feststellen müssen, dass andere Projekte seit Jahren in der digitalen Schublade vor sich hin schimmeln, weshalb mein – erster und vermutlich wichtigster – Vorsatz für das noch neue Jahr 2025 ist, dieses Ding binnen Jahresfrist fertig zu schreiben UND zu veröffentlichen. Dafür scheiße ich auch auf den Dry January. Der zweite Vorsatz muss vermutlich noch mal gut überdacht werden, weil er mit starken Veränderungen einher ginge. Was mich ermutigt, ist der Umstand, dass ich offenkundig nach wie vor ohne den Einsatz von Hilfsmitteln auf meine kreativen Ressourcen zurückgreifen kann. Koffein ist dabei aus meiner Sicht allerdings absolut zulässig. Ein Leben ohne Kaffee ist denkbar, erscheint aus derzeitiger Sicht aber nicht lebenswert. Ich schrieb hier die Tage ja über meine früh-adoleszente Konditionierung auf nerdigen Medienkonsum. Und selbstverständlich spielt auch der seine Rolle. Manchmal als Ideenlieferant, oft einfach nur um die Kanäle zu meinem inneren Spielkind – oder sagen wir 16-Jährigen- zu deblockieren. Natürlich hat auch geholfen, dass ich mich in den letzten 16 Tagen NULLKOMMAFASTGARNICHT mit meiner Arbeit beschäftigt habe. Ich hab einmal 10 Minuten mit einem lieben Kollegen telefoniert und dat wars! [KURZER EXKURS: Wenn allein der Gedanke an verschiedene Aspekte deiner Arbeit es schon verlockender erscheinen lässt, mit einer WIRKLICH fetten Grippe im Bett zu liegen, wie meine beste Ehefrau von allen dieser Tage eine niedergestreckt hat, anstatt gesund zu sein und zur Arbeit zu gehen, dann ist es doch eigentlich an der Zeit, sich dringend was Anderes zu suchen, oder…? EXKURS ENDE]

Es is, wie es is… meine Freiräume werden wieder enger, was bedeutet, dass ich echt mein Zeitmanagement verbessern muss, um die Dinge, die mir wirklich wichtig sind unter einen Hut zu bekommen mit dem, was mein Brot verdient. Aber geht das nicht vielen so? Wie dem auch sei, ich wünsche euch morgen einen schönen Feiertag (HEYHO – GO Baden-Württemberg) oder einen guten Start in die neue (erste?) Arbeitswoche im neuen Jahr. Ich tue morgen noch mal was für mich und leite eine Spielrunde, denn mit Storytelling sollst du das neue Jahr beginnen… wie hören uns.

Auch als Podcast…

Benvenuti nelle Marche N°5 – Impressionen aus Assisi…

Hab ich eigentlich irgendwann mal erwähnt, dass ich kein sonderlich gläubiger Mensch bin, wohl aber ein durchaus spiritueller? Mich interessieren die Dogmen einer von Menschen gemachten Organisation nicht die Bohne. Kirche war (und ist teilweise heute noch) zumeist auch nichts anderes als Staat, nur mit anderer Dienstkleidung. Damit könnt ihr mir getrost vom Halse bleiben, denn meine Spiritualität braucht sicher niemand anderes Regeln und auch keinen besonderen Ort oder eine spezielle Zeit, um zu funktionieren. Dennoch gibt es da in mir schon eine besondere Verbindung zu alten Sakralbauten; nicht nur weil ich diese aus dem ästhetischen Kalkül heraus spannend finde, sondern weil ich zu wissen glaube, was Menschen jener Zeit bei dem Anblick empfunden haben müssen. Handwerkskunst als Stein gewordenes Gotteslob ist immer wieder beeindruckend. Manchmal ist sie auch echt spannend, Insbesondere dann, wenn Glaube und Pragmatismus eine Verbindung eingegangen sind. Ich konnte das in einer Kathderale in Südfrankreich sehen, wo man irgendwann einfach mit dem Kirchenschiff aufgehört hat, weil entweder keine Kohle mehr da war, oder kein Platz zum Bauen. Das erinnere ich nicht mehr so genau, ist aber auch Wurst, denn die dadurch entstandene, eher ungewöhnliche Form hat der Bau bis heute behalten. Die allermeisten neuen Kirchen sind aus meiner Sicht wenig spannend, weil die Formensprache sich mir nicht erschließen will. Aber das ist dann mein Problem.

Wenn man nun an einen Ort wie Assisi reist, der für gläubige Christenmenschen auf Grund der Verbindung mit dem Gründervater des Franziskanerordens eine gewisse Bedeutung haben mag, könnte man sich also von der dargebotenen Pracht des Gotteslobes einfangen lassen und gläubig werden; oder man nimmt einfach mit angemessener Bewunderung zur Kenntnis, was Menschen hier geleistet haben, interessiert sich für die Geschichte(n) des Ortes (einfach weil die Geschichte uns IMMER irgendetwas lehren kann) und ehrt diesen schließlich, indem man die Schönheit als Anlass zum inspiriert-sein begreift. Die Tage war ich wieder mal über so einen Artikel auf Zeit Online gestolpert, wo irgendsoein jemand dem “klassischen Bildungsreisenden” (den es übrigens genausowenig gibt, wie den “klassischen Journalisten”) Schuld an verschiedenen negativen Auswirkungen von Tourismus zuweist. Ich weise diese Anschuldigung insofern weit von mir und meinen Lieben, als wir abseits der Nutzung unseres privaten PKWs, die vermutlich CO2-mäßig allerdings dennoch eine gute Alternative zum viel zu beliebten Fliegen darstellt, stets respektvoll im Umgang mit Land und Leuten sind, nicht an jene Plätze drängen, wo eh schon alle anderen Selfie-Stick-jonglierenden Insta-Huren herum turnen, wo man eigentlich nicht rumturnen soll; und wir versuchen, die örtliche Kultur so gut zu leben, wie wir können. Wenn wir dennoch Teil des Problems sein sollten, muss mir das jemand mitteilen, damit ich was daran ändern kann. Komischerweise habe ich jedoch in den letzten 20 Jahren bei so gut wie allen Urlaubs-Gelegenheiten kein solches negatives Feedback bekommen. Wahrscheinlich sind es doch die Arschlöcher, welche die meiste Publizität bekommen…

Zurück zum inspiriert-sein: was auch immer meine Kreativität triggert versuche ich ganz und gar aufzusaugen. Es mag manchmal so wirken, dass ich diese Orte nur durch den Sucher meiner Kamera betrachte; doch das täuscht! Einerseits, weil der Blick durch den Sucher einem die Suche nach einer anderen, frischeren, besseren Perspektive aufzwängt, wenn man schon eine Weile geübt hat. Und zum Anderen, weil die Ergebnisse meiner Knipserei für mich ein Quell des Nachdenkens sind, aus dem ich noch schöpfen kann, lange nachem ich den fraglichen Ort schon wieder verlassen habe. Dass dabei unter 100 Shots oft nur einer heraussticht, liegt in der Natur des Augenblicks, dieser von mir schon öfter beschworenen, unüberwindbaren Mauer der nächsten Sekunde, deren Vergänglichkeit der Druck auf den Auslöser nur bruchstückhaft zu vermindern mag, weil alle anderen Eindrücke, die mich in dem Moment dazu bewogen haben mögen, genau diese Perspektive zu wählen schon wieder hinfort sind… für immer… Insofern sind meine Bilder nicht nur mangelhafte Abbilder meines inspiriert-seins, Gedankenstützen so nützlich wie ein Knoten im Taschentuch des Schicksals sondern stumme Zeugen meines verzweifelten Bemühens, Fetzen von etwas etwas einzufangen, was man eigentlich nicht einfangen kann – (ER)LEBEN! Also war ich auch nur ein typischer Besucher in Assisi, aber immerhin stets bemüht, kein Arschloch-Touri zu sein. In diesem Sinne einen schönen Abend.

Bienvenue en Alsace N°2 – Augen-blicklich?

Das die Zeit einfach vergeht, ist ein Allgemeinplatz, den jeder Mensch fühlen kann, und dem lediglich die Physiker wahrscheinlich vehement widersprechen wollen würden; nämlich indem sie sagen, dass Zeit nicht EINFACH vergeht, sondern RELATIV zum Betrachter. Auch diese Beobachtung kann man nachvollziehen, wenn man sich kurz daran erinnern möchte, wie unterschiedlich sich der Fluss der Zeit ANFÜHLEN kann, je nach dem, ob man gerade DIE Stunde seines Lebens hat (DIE ist verdammt schnell vorbei) oder auf das Ergebnis seines Was-auch-immer-Tests wartet (DIE fließt wie eiskalte Melasse). Insofern ist ein Augenblick hinsichtlich seiner Dauer eine sehr variable Angelegenheit; und das nicht nur bei der Kommunikation mit Teenagern, die irgendeine Aufgabe erledigen sollen… Was allerdings auch bedeutet, dass die Qualitäten, welche ein einzelner Augenblick haben kann, sehr unterschiedlich sind, gerade weil wir die eigentlich (zumindest hier auf unserer Erde) halbwegs gleichförmig verlaufende Zeit sehr oft emotional und auch kognitiv aufladen. Mit guten, wie auch schlechten Gefühlen und Gedanken, welche sich mit dem gerade geschehenden Augenblick dann auf wundersame Weise zu einem Erleben verflechten, dass uns entweder erinnerlich bleibt – oder aber auch nicht. Dass unsere Wahrnehmung dabei auch noch unterschiedlichsten Verzerrungen unterliegt, die durch unsere Erwartungen, Beziehungen und die generelle Überschätzung unseres eigenen Intellekts geprägt sind, macht die Sache nicht eben weniger komplex…

Was siehst DU hier?

Was nun das eben beschriebene Erleben anbelangt – allzuoft verzwecken wir dieses, zwar häufig unbewusst, aber dennoch wirksam. Wir erwarten von einem bestimmten Moment ein bestimmtes Ergebnis und können dabei allzu oft nur enttäuscht werden, weil es einen perfekten Augenblick auf Bestellung nicht gibt – so wenig, wie eine KI genau DAS Bild zeichnet, welches man gerade im Kopf hat, wie meine beste Ehefrau von allen, ausgefeilten Prompts zum Trotze feststellen musste. Und doch können wir einen Moment nicht einfach sein lassen, weil wir darauf getrimmt sind, all unser Tun, all unser Streben, all unser Sein auf Effizienz auszurichten: auf die Erfüllung eines Zweckes, der allzu oft wirtschaftlicher Natur ist. Aber selbst in der Freizeit streben wir noch nach Effizienz, nach höher, weiter, besser, mehr; anstatt die Dinge einfach mal geschehen zu lassen. Wir fühlen uns dann schlecht, weil wir keinen hohen Nutzen erzielt haben. Aber, WAS ZUM TEUFEL ist der Nutzen von Freizeit, die mich dazu zwingt, etwas “sinnvolles” tun zu müssen, einfach weil man das halt so macht? Was ist der Nutzen etwa von “Quality Time” mit der Familie, wenn der geplante Ausflug dann aus Genöle und unentspannter Gereiztheit besteht? Kriege ich dann einen Pokal “Dad of the Year”, weil ich es geschafft habe, keinen auszusetzen oder umzubringen? Ihr spinnt doch alle… [Exkurs: ich weiß, dass die beste Ehefrau von allen beim Thema Care Work möglicherweise gereizt reagiert, weil Menschen naturgemäß unterschiedliche Wahrnehmungen ein und der gleichen Situation haben können; ich versichere jedoch an Eides Statt, dass ich wirklich versuche, genug für den Haushalt und die Familie zu tun! Exkurs Ende]

Worauf ich nun hinaus will: darauf, sich mit dem japanischen Begriff “Komorebi” vetraut zu machen, der sinngemäß das Sonnenlicht beschreibt, welches durch die Blätter der Bäume gefiltert auf den Boden fällt und dabei immer wieder neue Muster zeichnet. Bewegliche, vergängliche Muster, deren Anblick einen jedes Mal auf’s Neue an zwei Dinge gemahnen kann: erstens die Vergänglichkeit allen Seins (und damit auch die eigene) vor allem zweitens aber die Einzigartigkeit jedes Momentes. Nicht jeder Moment ist nun erhebend, großartig, erfüllend, schön; aber jeder Moment verdient es dennoch, gewürdigt zu werden, einfach weil wir ihn erleben dürfen. Ein Umstand, den wir im HUZZ und BUZZ der schönen neuen Welt, in welcher wir leben allzu oft vollkommen vergessen. (Die Inspiration habe ich von Gert Scobel, ich habe zwei Youtube-Videos unten verlinkt) Ich war heute Nachmittag noch mal im Wald unterwegs, um einen Wasserfall zu suchen, von dem man mir sagte, er sei sehenswert. Man könnte jetzt also unterstellen, dass ich einfach nur die paar Kilometer gegangen bin, um ein Foto zu knipsen (tatsächlich wurde es mehr als eines), also auch aus einer Verzweckung meiner Freizeitgestaltung heraus. Und tatsächlich dachte ich derlei, als ich losging. Doch als ich angekommen war, war Zeit egal! Ich war im Jetzt, lauschte dem Rauschen, schaute mir das Naturschauspiel an, hatte eine lustige, zweisprachig geführte Begegnung mit einem anderen Wandersmann mit Hund und stellte fest, dass mein Kamera-Akku zu früh leer war. Drauf geschissen, denn ich fand zur Abwechslung mal wieder mich selbst ohne jede Verpflichtung wieder. Ich WAR einfach – Komorebi!

Für ein paar Fotos hat’s dann doch noch gereicht.

Ich weiß, dass ich nächste Woche wieder werde anderer Leute Zwecke erfüllen müssen. Und diese Erkenntnis wird mich, wenn sie dieser Tage an Gewicht gewinnt, gewiss traurig machen. Doch genau jetzt ist sie vollkommen belanglos, denn ich bin hier und frei. Sich solche Oasen des freien Geistes auch im Alltag schaffen zu können, ist mein erklärtes Ziel, denn nur das wird mich langfristig davon abhalten, Menschen auszusetzen oder umzubringen, weil deren Zweck ist, Andere um den Verstand zu bringen. Ich wünsche euch den freien Geist auch solche Momente erleben zu können. Wir hören uns.

Auch als Podcast…

The Critic N°4 – love it or leave it!

Viszerale Gewaltdarstellung, dark’n’gritty! Eine Geschichte, bei der Tragik definitiv nicht mit dem feinen Pinsel aufgetragen wurde, sondern mit dem 10-Liter-Eimer ausgeschüttet! Antagonisten, die zu hassen man nach kurzer Zeit LIEBT! Screenwriting, dass erwachsene Zuschauer ernst nimmt; und durch den Protagonisten mit auf eine heftige Achterbahnfahrt der Erfahrungen und Gefühle nimmt. Comic Relief, der nie überzeichnet wird. Charakterbögen, die diese Bezeichnung auch verdienen, weil man darin eine Entwicklung erkennen kann. Eine ambivalente Bindung zum Protagonisten, dessen Entwicklung zu wahrer Größe Zeit braucht. Und Animation, die über jeden Zweifel erhaben ist. Normalerweise ist es nicht mein Ding, in einen großen Chor der Lobpreisung einzustimmen, aber wenn man von der für Animes typischen Überzeichnung von EINFACH ALLEM mal absieht, ist BLUE EYE SAMURAI so ziemlich das Beste, was ich in letzter Zeit gesehen habe. Die Geschichte um eine Person, die den gesellschaftlichen Anforderungen einfach nicht genügen KANN und in der Folge verzweifelt versucht, an ihr begangenes Unrecht mit dem Schwert zu sühnen, ist nun weder neu noch sonderlich originell. WAS allerdings mehr als nur originell daher kommt, ist die Art, die Geschichte zu erzählen. Wenn etwa in einer Episode DREI visuell mächtige Zeit- und Erzählstränge verknüpft werden, um die Motive des Protagonisten zugänglicher zu machen, dann ist das Blutvergießen nur ein äußeres Zeichen für den inneren Kampf – und was für einen Kampf.

Jedes Bild kann interpretiert werden…

Wenn man einen Streamingdienst bemüht, wünscht man sich Unterhaltung. Manchmal braucht es einfach nur flimmernde Bilder, um von den Fährnissen, Sorgen und Problemen des Alltags abzulenken, mit denen das Leben nun mal in Hülle und Fülle gesegnet ist. Und vieles, was man dabei konsumiert ist… nun ja, hoch generisch trifft es relativ gut. Viele Produktionen gleichen sich, es war in den letzten Jahren viel Young Adult Fiction dabei, bei der die Umsetzung sich nicht eben an ein reflektiertes Publikum wandte. Wenn wenigstens die Schauwerte okay waren, konnte ich darüber hinweg sehen. Aber letzthin waren ein paar Gurken unterwegs, die mich dazu gebracht haben, fernzubleiben: dumme Kinder, die den selben Fehler in jeder Staffel auf beinahe die selbe Art begehen. Dauernd Mary Sues als Weltenretterinnen – oder Prinzchen/Prinzesschen, die durch dumb luck den gleichen Effekt erzeugen konnten. Das zu Tode Melken des Fantasy Genres mit den immer gleichen Topoi. Actionszenen im Dunkel (ZU DUNKEL), die kaschieren sollen, dass man a) keine Action kann, b) kein CGI kann oder C) die Darsteller/Stuntmen nix können. Dann kann ich solche Szenen auch lassen! Und schließlich – zu Tode gefranchised durch Dauerberieselung – der (von mir mittlerweile sehnsüchtig erwartete) klagende Abgesang auf die Superhelden. WAS. FÜR. EIN. HAUFEN. BULLENSCHEISSE!

Wenn man einen Streamingdienst bemüht, wünscht man sich Unterhaltung. Doch wenn diese mir tatsächlich zu etwas Eskapismus verhelfen soll, dann erwarte ICH mittlerweile, dass sie sich an den erwachsenen Fantasy/Science-Fiction-Geek, Gamer und Popculture-Nerd wendet, der ich bin – und mir die Chance gibt, zu staunen, mitzufiebern und eventuell zum Denken angeregt zu werden. Ist das zuviel verlangt? Ich denke nicht. BLUE EYE SAMURAI tut das auf ziemlich vielen Ebenen. Ein guter Hinweis, dass mich etwas hooked ist, wenn ich das Handy vor dem Fernseher aus der Hand lege und mich voll auf die Geschichte einlasse – und das passiert mir heutzutage nur recht selten. Übrigens war auch “The Brothers Sun” so eine Serie. Heidewitzka, endlich darf, abseits der Action und der durchaus spannenden Geschichte Michelle Yeoh mal zeigen, das sie tatsächlich eine gute Schauspielerin ist! Aber zurück zum Thema. Nun muss man sagen, dass ich seit 35 Jahren Anime-Fan bin; lange bevor das im Westen Mainstream wurde. Und man kann an BLUE EYE SAMURAI erkennen, dass es ein Anime ist, dessen Macher die typischen gestalterischen Merkmale respektieren und zugleich auf eine Art interpretieren, die diesen Anime für westliche Sehgewohnheiten besser verdaulich macht. Bildgewaltig auf eine andere Art ist er immer noch. Aber ein gut gemachter Anime erfordert, dauernd hinzusehen, da die Bilder ihre Geschichte auf eine Art erzählen, die der zu Grunde liegenden Graphic Novel, bzw. dem Manga sehr ähnlich ist. Wer verstehen will, was damit gemeint ist, sollte Scott McClouds “Understanding Comics” lesen. Es ist nach wie vor DAS Standarwerk zum Thema – und übrigens eine Graphic Novel… ich mag es, wenn Meta-Ebene und Erzählung Hand in Hand gehen!

Animes sind – aus den vorbeschriebenen Gründen – nicht unbedingt für Jede*n etwas, auch wenn diese Art des graphischen Erzählens heutzutage getrost als Mainstream angesehen werden darf. Was das weltweite Interesse an BLUE EYE SAMURAI gerade eindrucksvoll dokumentiert. Man muss sich darauf einlassen WOLLEN – und wird dann aber auch mit einer nachdenklich machenden, fesselnden, tragischen und manchmal auch komischen Geschichte um Stigmatisierung, Rache, Liebe, Erlösung und innere wie äußere Dämonen belohnt, die – obwohl eingebettet in den kultur-geschichtlichen Hintergrund des Edo-Zeitalters im Japan des 17. Jahrhunderts – aus meiner Sicht universell funktioniert. Danke für die erwachsene Unterhaltung. Und wenn jemand anderer Meinung ist, darf er oder sie dies natürlich kundtun – aber nur, wenn die Analyse fundiert ist. Schönen Tag noch.

Auch als Podcast…

Bienvenue en Provence N°2

Ist es nicht komisch, dass man woanders hinfahren zu müssen glaubt, um sich selbst finden zu können? Ich meine – man sucht seine verlegte Brille, die Haustürschlüssel, die neue Versicherungskarte oder das Einladungsschreiben zum Elternabend ja auch nicht in Südfrankreich, Irland oder sonstwo, sondern in der heimatlichen Hütte. Eine Sicherheit, sein selbst im Weinkeller eines Häuschens in der Provence zu finden gibt es nicht. Die Wahrscheinlichkeit hängt vermutlich proportional vom Konsum ab – je mehr, desto liegend. Geld kosten die Dinge woanders auch. Und Kinder (egal ob Puber-Tier oder die Vorversion davon) geben einem nicht selten das Gefühl, dass man auch genausogut nur hätte bis zum Nachbarort fahren müssen. Es gibt also eine Menge Gründe, die dagegen sprechen, überhaupt in Urlaub zu fahren; fliegen kommt eh nicht in Frage und auf Kreuzfahrt dürfen meinetwegen Piraten gehen. Wenn DIE dabei so eine Aida Schwabladilusa, oder wie diese dämlichen Glitter-Pötte mit eingebauter Kleinstadt voller uniformer Pauschaltouri-Honks nun heißen in die Finger kriegen, trifft’s vermutlich keinen Falschen. Missverstehen Sie mich ruhig richtig – ich finde Kreuzfahrtschiffe und das ganze Drumherum noch hässlicher und entsetzlicher, als irgendwohin zu fliegen. Aber wir waren beim in Urlaub fahren, so wie: mit dem Auto. Ja, das schränkt den Radius ein, schont aber auch das Klima. Doch selbst, wenn man mit dem Auto zu einem sorgsam ausgewählten Selbstversorger-Ferienhäuschen fährt, sind da auf der Straße und an manchen Orten, die man vielleicht besuchen möchte, andere Menschen.

Forteresse St. André – Villeneuve-lès-Avignons

Ich bin nicht nur immer wütend – ich hasse auch Menschen! Die wenigen Ausnahmen, die ich in meiner Existenz dauernd dulde, sind dort entweder, weil ich sie lieben gelernt habe, weil sie irgendwie mit denen verwandt sind, die ich lieben gelernt habe, oder weil die Notwendigkeit des Geldverdienens uns zu Gefährten in diesem Wahnsinn namens Existenz gemacht hat – manchmal auch mehr als eines davon. Andere vorgebliche Mitglieder der Spezies Homo Sapiens sapiens – vulgo Kollegen im weiteren Sinne, Klienten, Schülers, etc. – mit denen ich mehr als nur ein bisschen umgehen muss, bekommen von mir jede Chance, sich dieses Privileg der dauerhaften Duldung zu erarbeiten; doch nicht wenige scheitern, weil sei denken, die Benutzeroberfläche und das Innenleben seien identisch. Menschen, bei denen ich etwa einkaufe, oder andere Dienstleistungen beziehe, kann ich glaubhaft das Gefühl von Nettigkeit und Zugewandtheit vermitteln. Aber andere Touris? Die rangieren bei mir auf einer Stufe mit Putin, Trump, Erdogan – dieses nervtötende, gemeingefährliche Gelichter kann weg. Am besten vor allem weit weg vom Inhalt meines Kamera-Suchers. Denn ich suche mich selbst, und die von mir gewählten Objekte sind Spiegel dessen, womit sich mein Unterbewusstsein gerade auseinandersetzt. Da kann ich Fremde beim besten Willen nicht gebrauchen. Ich hol mir ja auch keine Leute von der Straße, um mit denen Weihnachten zu feiern.

Rückseite des Palais Papale in Avignon

“Ach, er nun wieder mit seinem misanthropen Gelaber!”, höre ich den Chor der Genervten aufbranden. JA, ABER WIE ZUM HENKER SOLL MAN DENN AUF DIESE KACKBRATZEN SONST REAGIEREN? Sie stehen überall im Weg, lassen ihren Schmutz fallen, wo es ihnen beliebt, können kein Schild respektieren, auf dem steht “… hier verboten!”, bzw. interpretieren nämliches Ver-/Gebot als Einladung zu dessen Übertretung, mockieren sich über andere, die sich an nämliche Ver-/Gebote halten – und sie sehen nicht selten zum Kotzen aus. WANN KÖNNEN WIR ENDLICH MIT SOCKEN IN ADILETTEN AUFHÖREN IHR GESTÖRTEN PAPPNASEN? Butter bei die Fisch: ich bin mit meinen T-Shirts, Hosen, Pullis, Jacken, Sneakern in weitestgehend gedeckten Farben sicher keine Fashion-Ikone – aber ich mag Querstreifen, knallige Farben auf allem und jedem, Motto-Hüte/Kappen und vor allem Adiletten nicht tragen, weil’s Scheiße aussieht. Und zwar auch an Fitness-Influencern*innen. Stil ist nicht das Dings unten an der Blume, wisst ihr…? Es läuft auf Folgendes hinaus: es gibt ein paar wenige Menschen, die ich wirklich gern habe – alle anderen könne mich mal gernhaben!

Der Palais Papale von der Festung aus…

Ich bin vermutlich einer von diesen Typen, die sich selbst für eine relativ lange Zeit genug sein können, ohne irgendwas nennenswert zu vermissen. Ich ziehe deswegen sicher nicht in eine Einsiedelei im Wald – dazu habe ich das moderne Stadtleben mit seinen Vorzügen hinsichtlich Ver- und Entsorgung einfach viel zu gern. Und jene, die mir etwas bedeuten möchte ich auch um mich haben – also zumindest zu gewissen Zeiten. Aber dieser ganze andere Gen-Schrott, der sich, nur noch um sich selbst drehend, auf dem Highway ins Verderben immer noch nach besserem Asphalt und der Aufhebung des Speedlimits brüllt… der darf mir gerne so lange wie möglich vom Halse bleiben. Denn gegenwärtig sitze ich in einem solchen, weiter oben erwähnten provenzalischen Häuschen und kann das Interaktionsniveau recht gut regulieren. Es gibt allerdings keinen eigenen Weinkeller, was einen dazu nötigt, beim Händler im Ort einzukaufen. Doch irgendwie macht es mir Spaß, von Tag zu Tag einzukaufen, zu kochen, zu denken, zu plann, zu leben. Ob ich mich selbst dabei (wieder)finde? Einige Befunde – ein erhöhtes zweckfreies Kreativitätsniveau, sowie ein Gefühl von heiterer Gelassenheit, wenn ich meine Ruhe habe – deuten darauf hin. Ob’s so bleibt? Wir werden sehen. Für’s Erste versuche ich die Befürchtung beiseite zu schieben, schon am kommenden Montag wieder hart landen zu müssen. Und bleibe gelassen, auch wenn für morgen Regen angesagt ist; man muss ja, wie bereits festgestellt, nicht dauernd umhergondeln, um Urlaub zu haben. Wir hören uns.