Der Storyschreiner N°2 – Grenzbereiche

„Hat Sie diese Geschichte gefesselt?“. „Was denken Sie, war diese Erzählungen wirklich wahr?“. „Wollen Sie mehr wissen?“. Eine Erzählung, die uns so richtig abholt, spielt sich immer in dem zumeist recht schmalen Grenzbereich ab, der sich zwischen unserer erlebten Realität und dem was wir uns vorstellen können befindet. Geschichten sind dann für uns INTERESSANT, wenn diese für uns RELEVANT sind. Dieser Effekt tritt allerdings am ehesten dann ein, wenn wir die Geschichte auf uns selbst beziehen können, weil wir uns in bestimmten Rollen wiedererkennen. Der Effekt verstärkt sich, wenn wir uns durch dieses Wieder-Erkennen in bestimmten Bereichen als selbstwirksam erleben. Intrinsische Motivation, also das Bestreben aus uns selbst heraus etwas tun zu wollen, hat mehrere Energiequellen: 1) Kompetenz: wir wollen das Gefühl haben, UNSEREN SHIT SELBST gerockt zu bekommen! 2) Soziale Eingebundenheit: wir wollen DAZUGEHÖREN, uns als Teil von sozialen Gruppen erleben dürfen! 3) Autonomie: wir wollen SELBST ENTSCHEIDEN können, zu welchen Gruppen wir gehören und WIE wir unseren Shit rocken! Und diese Punkte berühren natürlich auch unsere Wahrnehmung von Geschichten, die man uns serviert. Habe ich eine Identifikationsfigur in einer Geschichte gefunden und dieses Figur handelt auf nicht nachvollziehbare Weise gegen ihre ureigensten Interessen, gegen ihre Überzeugungen, wider besseres Wissen, etc., dann irritiert uns das; und führt in der Folge dazu, dass wir uns von dieser Geschichte abwenden.

Finde die Schnittpunkte…

Das bedeutet jedoch mitnichten, dass eine Geschichte, deren Pro- und Antagonisten zunächst auf kontraintuitive Weise vorgehen, oder deren Setting uns unwahrscheinlich oder weit hergeholt vorkommt, von uns immer automatisch abgelehnt wird. Es gibt Grauzonen, in welchen unsere Wahrnehmung von Realität, die Realität der Geschichte (sei diese nun vollkommen fiktional, oder in wahren Begebenheiten verwurzelt) und objektive Lebensumgebung einander recht nahe kommen, ohne sich zu berühren. Dieses Driften in solche „Zonen partieller Konvergenz“ nennen wir „Aus der Komfortzone geholt werden!“. Und dies ist der Ort (wenn auch nur ein metaphorischer, kein physisch greifbarer Raum), an dem die Auseinandersetzung mit dem stattfindet, was wir noch nicht kennen. Für den letzten Teilsatz gibt es übrigens ein griffigeres Wort: LERNEN. Und bevor sich jetzt irgendjemand erschreckt, weil der Pädagoge LERNEN gesagt hat: wir Menschen lernen notwendigerweise unser ganzes Leben lang. Und wenn’s nur die Bedienung des neuen Staubsaugeroboters oder die PIN für die neue Kreditkarte ist. Wir tun dies meistens en passant, oder wie der Spezialist sagt INFORMELL; also nicht im Rahmen organisierter Unterrichtsveranstaltungen, sondern nebenher. Weil uns irgendetwas interessiert, wir mit Neuerungen konfrontiert werden, sich irgendetwas, dass wir schon länger kennen verändert, wir an andere Orte kommen, etcpp. Leben ist Veränderung – und die meisten von uns nehmen das einfach zur Kenntnis, passen sich an und machen weiter. Und genau das ist Lernen! Wir Pädagogen machen uns diesen ganz normalen Verhaltensmodus einfach nur zunutze, indem wir Lernsituationen so zu gestalten versuchen, dass diese Beiläufigkeit auch geplant entstehen kann. Und Geschichten, gleich in welchem Kontext, zu welchem Zweck oder in welchem Medium sie erzählt werden, tun dies auch…

Ein erstes, einfaches Modell…

Meine Arbeit dreht sich um die Frage, wie man Geschichten in diesem Kontext- also einem Lernen, welches den natürlichen Modus operandi menschlicher Aneignung von Neuem möglichst gut abbildet – besser einsetzen kann, ohne dabei allzu künstlich zu wirken und Menschen so die Freude an Geschichten (und am Lernen) zu nehmen; sondern vielmehr die Lust auf’s Neue eher fördert, indem man Menschen mit auf imaginäre Reisen nimmt. Denn in meiner Wahrnehmung als Storyteller im Pen’n’Paper-Bereich sind gut erzählte Geschichten genau das – ein kollaborativer Akt des Reisens im Geiste. Und das würde ich gerne aus dem Hobbybereich ins Reich der Didaktik holen. Übrigens – und das gebe ich gerne zu – auch aus Eigennutz: denn Storytelling macht mir Spaß. Und wenn ich etwas, dass mir wirklich viel Spaß macht, auch noch in meinem Job nutzbringend für Andere einsetzen könnte – umso besser! Aber vor diesen erwünschten Erfolg haben die Götter noch einigen Schweiß gesetzt. in diesem Sinne wünsche ich uns noch ein bisschen Sommer und Freude an Geschichten. Und wenn ihr auch noch was dabei lernt… Win-Win 😉

Auch als Podcast…

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