Wir hatten am Wochenende zum ersten Mal seit langen Monaten eine Spielsitzung. Und ich schwöre, es liegt nicht an Spielleiter-Burnout. Ich hatte letzthin schlicht keine Zeit, und kämpfe immer noch, immer wieder, mal mehr, mal weniger mit meiner Depression. Jetzt vor den Feiertagen macht sie sich besonders biestig mit nihilistischen „Ich lasse alles stehen und liegen und verschwinde“-Ausbrüchen bemerkbar. Da hilft eigentlich nur Selbsttherapie. Zocken kommt also gerade recht. Und tatsächlich war es eine gute Sitzung. Die Story kam voran, Fäden wurden entworren und miteinander verflochten; es gab Herausforderungen, Characterplay und meine Villera-Kampagne ist wieder auf Kurs. Kommende Woche geht’s sogar gleich weiter. ALLRIGHT!
Mir ist dabei etwas aufgefallen, von dem ich noch nicht so genau weiß, ob ich es ändern muss/möchte, oder ob es eigentlich ganz okay so ist. Ich kenne Spielleiter, insbesondere auf Youtube, die zeitgenössische popkulturelle Anspielungen an Spieltisch hassen, weil es aus ihrer Sicht Immersion zerstört. Ich merke wohl, dass es manchmal sehr schwierig ist, einen konstanten Ton der Erzählung aufrecht zu erhalten. Allerdings ist der Gesamt-Stil an meinem Tisch cinematisch, lakonische Einzeiler und eine nicht geringe Portion (manchmal bösartiger, manchmal beinahe flacher) Humor gehören ebenso dazu, wie solche Zitate. Auf der anderen Seite ziehen sie bei gepfefferter Action auch mit. Nicht jeder Spieler ist halt so ein Nerd mit einer Drama-Datenbank im Hinterkopf und dann sind Vergleiche für die Vorstellungskraft manchmal hilfreich. Dass daraus auch gute Gags und Drama werden können versteht sich dann, wenn die Meta-Ebene mit der In-Play-Ebene interagiert, ohne dass der Plot beschädigt wird. Mit den gleichen Leuten könnte ich allerdings NICHT Call of Cthulu spielen. Das mit dem kosmischen Horror jenseits der Vorstellungskraft und dem harten Drama des unbedingten Verlierens bekämen die einfach nicht hin. Ich bin da auch nicht böse drum. Horror muss man wollen, ein wenig Grusel schaffe ich aber durchaus auch mit dieser Truppe. Es gibt allerdings Momente, in denen ich es gerne etwas weniger wild Off-Topic hätte. Die Dosis macht bekanntermaßen, dass ein Ding ein Gift ist, und manchmal ist es ein wenig zu viel. Was mich dabei besonders betroffen macht – ich kann manchmal selbst meine Klappe nicht halten. Und das ärgert mich dann hinterher umso mehr, als ich dadurch bei manchen Gelegenheiten meine eigenen Pläne für die Session durchkreuzt habe. Ich brauche wohl mal einen „how to hold back“-Workshop, oder sowas.
Ein zweiter Aspekt, der mir im sprachlichen Zusammenhang aufgefallen ist – ich arbeite relativ wenig mit meiner Stimme. Ich meine, ich ändere meine Tonlage, wenn sich der Ton der Sitzung wandelt (…und plötzlich wird es stockdunkel, und du hörst hinter dir einen Kratzen auf dem Boden und eine asthmatische Stimme spricht „Willkommen Kind!“) Manchmal, wenn mir danach ist, gebe ich also einem NSC eine „special voice“, aber oft sprechen meine NSCs einfach nur mit meiner Stimme. Der Stil, in dem sie kommunizieren ändert sich. Straßenvolk schwätzt halt anders als Adlige. Und vielleicht passe ich die Tonlage ein bisschen an. Aber im Großen und Ganzen versuche ich nur, durch die Art der Kommunikation die Persönlichkeit und die Motive der NSCs (wie übrigens auch meiner Chars) heraustreten zu lassen. Ob’s dazu funny voices braucht, lasse ich jetzt mal dahingestellt. Ich weiß, dass es da draußen Leute gibt, die, weil sie irgendwann mal eine Episode „Critical Role“, „Acquisitions Incorporated“ oder sowas gesehen haben glauben, dass Spieler und SL „the voice“ machen müssten. Das ist Käse. So lange eine Geschichte erzählt wird, die Drama entfaltet, Spaß macht und den Chars die Möglichkeit bietet, diese mit zu gestalten, ist es MIR vollkommen schnuppe, ob irgendjemand mit einer speziellen Stimme spricht, oder halt einfach so, wie er oder sie immer spricht. „…und dann war da der Dude mit dem Dämon und dem Zirkel“ ist für mich vollkommen legitim, solange der Spieler sich in die Geschichte und seinen Char hineindenkt und dabei Spaß hat. Alles andere ist Schauspiel – ich kann und darf zwar vieles lehren, aber „dramatic acting“ gehört gewiss NICHT dazu!
Ich weiß noch nicht, ob ich am Spieltisch in der Zukunft etwas stringenter mit „Störungen“ durch das Off-Topic-Gelaber und allzu viele unnötige Zitate umgehen werde, oder es eben doch weiter durchgehen lasse, weil Pen’n’Paper halt ein soziales Event ist und man sich manchmal über einen längeren Zeitraum nicht gesehen hat. Man wird sehen. Wichtig ist, dass alle am Spieltisch Spaß haben. In diesem Sinne – always game on!