Über sich selbst hinaus wachsen…?

Ich denke, es schon oft gesagt zu haben – oft, aber vielleicht noch nicht oft genug – dass Wachstum um des Wachstums Willen Käse ist. Konsumkapitalistische Bullshit-Rhetorik, sonst nix. Fatalerweise überträgt man diese Metapher endloser Wachstumsfähigkeit auch auf die Opfer des Konsums – uns kleine Pappnasen, die allesamt mit Zeit, die wir anders nutzen könnten Geld zu verdienen versuchen, das nichts wert ist, um Dinge kaufen zu können, die wir nicht brauchen, und die uns nicht glücklich machen; was uns die Werbung dennoch so vehement weißzumachen versucht. „Heidewitzka-Trallala, das neue Phone, das ist schon da!“ Also strecken wir uns noch ein bisschen mehr, oder…?

Kann ich wollen, was ich will? Oder will (und bin) ich, was andere wollen? (Danke Schopenhauer!)

In dem Moment, da ICH diese Worte schreibe, frage ICH mich, wonach ICH eigentlich strebe. Wenn das dauernde Streben nach Performance- und damit Marktwert-Steigerung doch wahrscheinlich nach Nirwanowska führt, bestenfalls jedoch in die Ehrenhalle der Bornout-geplagten High-Performer (ja, auch die Russen brauchen ein Nirwana; und wenn’s noch keines geben sollte, würde Waldimir Wladimirowitsch der alte Superheld bestimmt eines erfinden – und die besten Plätze für sich, seine Jagdtrophäen und seine Oligarchen-Apparatschiks reservieren). Doch zurück zu MIR. Was ist das denn überhaupt, dieses ICH? Ein Wort ohne Bedeutung, ohne Ort, ohne Substanz? Ein Prozess, der sich im Zeitlauf immer und immer wieder neu realisiert? Ich weiß es doch auch nicht so recht. Kann mir einer von euch sagen, was ihr, oder sein, oder hen ICH tatsächlich ist, wo man es findet und was es bedeutet? Und jetzt labert nicht irgendwas sinnlos-poesiealbenwürdiges wie „das Spiegelbild meiner Seele“, „die Summe meiner Träume (auch der gestorbenen)“ oder „das Produkt meiner Gedanken“. Alles Käse. Zumindest aus Kognitionswissenschaftlicher Sicht.

Wenn also ICH ein so schwierig bestimmbares Dingenskirchens ist, etwas unfassbares, unnahbares, unbestimmbares – warum in drei Teufels Namen mache ICH mir dann so viele Gedanken darum, was ICH noch erreichen will? Gibt’s kein ICH, gibt’s auch keinen Grund für diesen riesigen Aufriss, der nur materielle und immaterielle Ressourcen verschwendet, ins Burnout-Nirwanowska führt (Wladimir, wenn du es wagst, diesen Begriff zu klauen, wirst du Kalaschnikowiert!), und sonst nix produziert außer Abraum und Verschwendung. Denn es sind immer die Egos, die schlimme Fehler und in der Folge Leid, Elend und Not verursachen. Denkt kurz etwas über 100 Tage zurück. Da gab es diesen Typen mit dem toten orangefarbenen Tier auf seinem Kopf. Was für ein Ego – was für ein Desaster. Ist es wirklich das, was ein jedes Menschlein braucht – sein ICH?

Ich sollte erwähnen, dass ich im Moment im Quarantäne-Home-Office bin. Ich nehme das mit der Absonderung ernst, weshalb meine Work-Life-Balance gerade vollkommen im Arsch ist. Ich habe total entgrenzt. Aber wenn man den ganzen Tag alleine in seinem Corona-Apartment-Büro mit angegliedertem Bad drin hockt, und mit seinen Gedanken, Ideen, Büchern und dem Computer alleine ist, was soll man da auch schon groß machen. Musst dich ja beschäftigen, wenn de nich meschugge werd’n willst! Also wird gemacht und getan und überhaupt. Aber die Gedanken sind da und man wird sie nicht mehr so leicht los. Kann ICH wollen was ICH will, wenn es dieses ICH nicht gibt? Und falls das wirklich so ist, was treibt mich dann überhaupt an, außer der bloßen Notwendigkeit zur Subsistenz, was ohne Kohle in unserer bekloppten Welt halt nicht funktioniert? Das was mich ausmacht (was auch immer das sein mag) weiß es immer noch nicht. Aber wenn es zu einer Erkenntnis kommen sollte, werdet ihr anderen ICHs da draußen es erfahren. Bis dahin allerdings hätte ICH einen Ratschlag – lasst es UNS mal mit weniger EGO probieren! Könnte der Welt und uns allen helfen. Gute Nacht…

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