Zwischenruf N°6 – oder, warum Einsamkeit mir verlockend erscheint!

Wir leben im Anthropozän – eigentlich sollte man es aber lieber Humanoblödozän oder Terradestruktozän nennen. In jedem Fall erscheint mir die Gesellschaft von Menschen, die ich mir nicht dazu ausgesucht habe, mir nahe zu sein, gerade äußerst wenig verlockend. Ich habe mich in den letzten Tagen bewusst zurückgenommen. Nix kommentiert, noch nicht mal viel gelesen, außer dem einen oder anderen Zeitungsartikel. Ich habe mich mit Absicht NICHT in irgendwelche nutzlosen Fratzenbuch-Diskussionen hineinziehen lassen, obwohl es ein paar Mal im Tippfinger gejuckt hat. Denn ich weiß, dass dies in meiner gegenwärtigen Gemüts-Verfassung nur wieder die, neulich benannte Escher-Spirale in Gang setzen würde, die zu bremsen ich mir nun für vier Tage alle Mühe gegeben hatte. Und so langsam hilft das sogar. Nur muss ich heute leider wieder zu Arbeit.

Nein, ich hasse nicht meine Arbeit! Auch nicht die mit meinen Schülern! Und es gibt ein paar Kolleginnen und Kollegen, die ich wirklich gern habe. Aber eben auch welche, die mich mal gern haben können. Und es ist dieses „nicht-über-mich-selbst-verfügen-dürfen“-Gefühl, dass mir im Moment die größten Schmerzen bereitet. Wenn man eh in einem Loch sitzt, auch noch das Gefühl zu haben, andauernd fremdgesteuert zu werden (auch wenn das tatsächlich NUR ein Gefühl ist), hilft nicht dabei, wieder auf die Spur zu kommen. Wobei natürlich die Frage gestellt werden dürfen muss, was denn „wieder auf die Spur kommen“ tatsächlich bedeuten soll? Bezogen auf den Job geht’s dabei doch um Nützlichkeit und Produktivität im wirtschaftlichen Sinne. Ich erzeuge keinen pekuniären Gewinn => ich bin nicht produktiv. Und dabei ist es heutzutage leider unerheblich, ich welcher Art von Gewerk man unterwegs ist. Man muss verdammt noch mal liefern!

Ich werde ja nicht müde, jedem der es wissen will, und auch denen, die es eigentlich nicht wissen wollen, zu sagen, dass Produktivität in meinem Metier a) natürliche Grenzen hat (denn jeder von uns bringt halt nur eine gewisse Ausstattung mit), b) meine Ressourcen endlicher sind, als ich gehofft hatte und c) Kreativität nun mal Ruhe, Zeit und Raum braucht. Wer tatsächlich glaubt, pädagogisches Arbeiten sei NICHT notwendigerweise auch kreatives Arbeiten, den lade ich dazu ein, sich mal eine Woche mit mir hinzusetzen. Es ist ja nicht so, dass man mir nicht sogar zuhört. Nur habe ich das Gefühl, dass man nicht versteht, was ich sage. Vielleicht ist es auch nur das Eingebunden-Sein der Anderen in ihre eigenen Abhängigkeiten und Nöte; ob es das war, oder aber schlichte Ignoranz Anderer dazu geführt hat, dass ich mich mal wieder so unsagbar ausgezehrt fühle, vermag ich nicht zu sagen. Letzten Endes ist es eigentlich auch egal.

Denn die Alternativen wären, keine Kohle nach Hause zu bringen, weil ich da nicht mehr arbeite (und woanders vielleicht auch nicht) und damit meine Familie im Stich zu lassen; oder weiter zu machen, bis ich vollkommen ausgebrannt bin (KEINE OPTION!). Der Zwischenweg wird wohl sein, meine Produktivität für eine Weile herunterzufahren und zu sehen, wie das Andernorts ankommt. Vermutlich nicht gut. Aber das kann ich aushalten, wenn ich dafür wieder mit mir selbst ins Reine komme. Denn das ständige Reduziert-Werden auf meine bloßen Funktionen ist mir mittlerweile so sehr zuwider, dass ich das nur schwer in Worte fassen kann. Ich würde mich gerne wieder als Mensch fühlen – vor allem als selbst bestimmter Mensch. Das scheint aber gegenwärtig nicht vorgesehen. Ein Dilemma, für das es keine einfach Lösung gibt, denn die Gesellschaft hat dieses Dilemma scheinbar für (fast) alle geschaffen.

Klingt das mal wieder wie einer meiner Anti-Kapitalismus-Rants? Vielleicht. Und das, obwohl mein Job wirklich alles andere als ein Bullshit-Job ist. Aber wann immer aus einer sinnerfüllten Aufgabe ein Geschäft wird, bleiben bestimmte Aspekte des Mensch-Seins unweigerlich auf der Strecke. Das scheint ein Naturgesetz zu sein. Ich werde versuchen, mich auf’s neue damit zu arrangieren und meine Aufgaben erledigen, so gut es eben geht. Aber ich beginne mich zu fragen, welche Alternativen es geben könnte, selbst wenn diese mit gewissen Einbußen für mich verbunden wären. Ich weiß nämlich wirklich nicht, wie viele solcher Talfahrten ich noch aushalte. Für’s Erste ist damit genug von meiner verdammten Depression gesprochen. Mal sehen, was die neue Woche bringt. Wir hören uns.

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