Der erwartete Zusammenbruch hielt sich – Gottseidank – in Grenzen. Mag dem Umstand geschuldet sein, dass ein antizipierter Termin im Anschluss an die Lehrveranstaltung ausfiel, und ich mich nicht noch als Bonus zu den 3,5h im Auto und 7,5h im Lehrsaal mit Themen auseinandersetzen musste, für manche von denen es im Moment einfach noch keine gute Lösung gibt. Sei’s drum. Ich sitze nun am späten Vormittag in meinem Heim-Büro und beschäftige mich mit Dingen, die nix mit Arbeit zu tun haben. Zumindest nicht direkt. Ist ja aber auch Vatertag – und damit in meinem Heimat-Bundesland Feiertag. Nichts muss, vieles darf, alles kann. Läuft…
Das Problem ist ja immer, dass man Denkkreisläufe nur sehr schwer unterbrechen kann. Sich selbst STOP! zuzurufen, um mit dem Grübeln aufhören zu können, ist zumeist ziemlich witzlos. Insbesondere, weil wir soziale Wesen sind. Existierte ich als Solitär in dieser Welt, würde mich viele Dinge ja gar nicht anfechten, aber die Menschen um mich herum senden unablässig auf den verschiedensten Frequenzen (Watzlawicks. 1. Axiom: Man kann nicht NICHT kommunizieren!); und vieles davon sind Ansprüche, die an mich gerichtet sind. Und viele dieser Ansprüche sind ja gerechtfertigt, weil ich a) Ehemann und Vater bin, b) Freund bin, c) (gerne) Lehrer bin, d) (gerne) Kollege bin und e) dafür in manchen Fällen auch Geld bekomme. Mischbefunde sind natürlich jederzeit möglich.
Ist eine Botschaft in der Welt – und damit im Geist des Empfängers – hört sie ja aber nicht auf zu wirken, nur weil Feierabend ist. Überhaupt ist Feierabend so ein Thema. Ich las heute morgen auf Zeit Online (wo auch sonst) einen Artikel mit dem Titel „Home-Office ist ein Privileg der Reichen“. Die Aussage ist aus mehreren Gründen Bullshit. Unter anderem, weil mitnichten jede:r im Home-Office ein Spitzensalär bekommt. Aber das ist aus meiner Sicht nebensächlich. Wichtig ist mir eher der Umstand, dass die immer gerne als Beispiel für die vermeintliche Ungerechtigkeit von Home-Office herangezogenen Handwerker und Facharbeiter aus dem Produktionsgewerbe am Schichtende den Kittel in den Spind hängen und es damit gut ist. Die nehmen sicher auch Zwist und Probleme aus dem Arbeitsumfeld mit nach Hause, aber der Impact ist erfahrungsgemäß nicht so, als wenn man frisch aus der anstrengenden VK in die Küche spaziert, wo gerade Home-Schooling stattfindet und zum Ausgleich dann manchmal am Feiertag, oder gegen 23:30 Abends die letzten Mails und Präsentationen bearbeitet werden! Feierabend passiert da öfter den Anderen…
Ich bin weit entfernt von Jammern – ich möchte einfach keinen weiteren Zwist haben, nach dem Motto: „Der/die da hat’s aber besser als ich, weil der/die von zu Hause arbeiten darf!“ Das ist nämlich, ernsthaft betrieben, kein Zuckerschlecken! Zwist und Spaltung haben wir doch schon mehr als genug in unserem Lande. Und Sorgen sowieso. Würde ich nämlich nicht den ganzen Mist immerzu zu Hause haben (sowohl oft buchstäblich, als eben auch als Anforderung in meinem Kopf) wäre ich nämlich nicht schon wieder im tiefen dunklen Tal unterwegs. Die Pandemie fordert von jeder/jedem auf individuelle Weise ihren Tribut. Ich hab’s mit der Arbeit übertrieben. Andere wünschten sich vermutlich, sie hätten welche. Und für uns alle ist der Mangel an Austausch, der Wegfall von so etwas wie Normalität und Ablenkung nach nunmehr 15 Monaten immer schwerer zu verkraften. Da nutzt auch Klatschen keinem was…
Was mich wirklich nervt ist, dass es mir momentan immer schwerer fällt, zwischen den legitimen und den illegitimen Ansprüchen an mich trennscharf zu unterscheiden. Was dazu führt, dass die Sortierung vielleicht nicht immer sachrichtig ausfällt. Aber im Moment ist es mir alles viel zu viel; und ich wünschte, ich könnte den beruflichen Bereich mal wirklich ausblenden. Genau das jedoch will gegenwärtig einfach nicht klappen. Ich möchte an dieser Stelle nicht missverstanden werden: ich liebe meine Arbeit immer noch. Und genau deswegen mache ich weiter, wenn stoppen besser wäre. Denn meine Familie und meine Freunde liebe ich noch mehr, nur sind die ins Hintertreffen gekommen. Ausgerechnet der Ort, wo ich Ruhe finde. Dieses Paradoxon aufzulösen könnte etwas Kraft und Zeit kosten. Daher bitte ich, es zu entschuldigen, wenn ich vielleicht in nächster Zeit manchen Dingen eine Absage erteilen werde, auch wenn sie mir eigentlich wichtig sind. Denn keiner von uns hat unbegrenzt Power. Ich muss erst wieder zu meinen 70% zurückfinden. Mal schauen. Wir sehen uns… und, by the way: Schönen Vatertag!