Randnotizen eines Erschöpften #10 – opium populi?

Ich gebe es hiermit offen zu – ich kann es nicht lassen. Immer wieder wandere ich hinab in die Niederungen des Rechtspopulismus um an jene zu appellieren, von denen ich denke, dass sie sich aus verständlichen Gründen auf einen falschen Weg begeben haben. Und vermutlich denken die genau das gleiche über mich, denn ich bin ja nur eine elende, dreckige, links-grün-versiffte Schmarotzer-Zecke, die sich auf Kosten der „Leistungsträger“ vollkommen leistungsfrei durchfressen möchte. Ach stop, dass ich ein recht normaler Mittelstandstyp bin, der sich auch nur Sorgen um sein Land macht, zählt ja nicht, denn das würde ja bedeuten, dass man nicht mit dem Finger auf mich zeigen kann, weil ich ihnen zu ähnlich bin, nicht wahr…

Doch wann immer ich mich dort aufhalte, wo meine Komfort-Zone schon lange zu Ende ist, muss ich die wahrhaft erschreckende Argumentenarmut der Populierenden feststellen. Wenn man nichts Sachliches beitragen kann, nutzt man das niederträchtige Verächtlich machen des vermeintlichen Gegners. Ein stets auf’s neue abschreckendes Beispiel ist Stephan Paetows Kolumne „Blackbox“ auf „Tichys Einblick„. Was der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der Bildzeitung für Pseudo-Intellektuelle „Focus“ dort regelmäßig von Stapel lässt, verursacht mir Brechreiz. Noch schlimmer ist allerdings die Wirkung, welche er damit erzielt; denn seine Fans feiern seine Menschen verachtenden, chauvinistischen, rassistischen und ganz und gar undemokratischen Sichtweisen, als wenn er sowas wie ein ernst zu nehmender Journalist sei. Und loben seinen Witz, wo es NICHTS zu lachen gibt.

Offenkundig nicht dazu gedacht, zu informieren, damit man sich selbst eine eigene Meinung machen kann, sondern gezielt so gestaltet, Meinung direkt zu transportieren ist dies nur eine von vielen Seiten, die – wenngleich seriös daherkommen – alles andere als seriös ist. Wenn man fragt, was denn Lügenpresse wirklich bedeutet, kommt man leider nicht umhin, als Antwort die Frontpage von „Tichys Einblick“ zu präsentieren. Würde man dort die Fakten präsentieren, so wie sie sind, gäbe es sicher immer noch Menschen, die sich auf Grund ihrer Schlüsse als so reaktionär einordnen würden, dass man den Begriff „Nazi“ getrost verwenden könnte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass jene, die gerade nach einer neuen Orientierung in einer Welt ohne gut erkennbare soziale und politische Landmarken suchen, dann so weit rechts landen, wäre allerdings deutlich geringer. Dass sich die Konsumenten dann auch noch bei anderen „liberalen“ Leitmedien wie der „Neuen Zürcher“ oder der „Jungen Freiheit“ komplementär informieren, komplettiert das Parallelfaktenuniversum in geradezu beängstigender Weise. Wobei rechts natürlich der falsche Begriff ist. Der, in diesem Post von mir ausgeführte Mechanismus der Partikularisierung macht einen solchen politischen Kompass obsolet. Ebenso, wie er übrigens die Klassenkampf-Rhetorik der SPD und der Linken obsolet macht. Die Mechanismen der Macht zur Kenntnis zu nehmen, wäre diesen Menschen dienlicher, als irgendwelchen gestrigen Rattenfängern hinterher zu rennen, die eine gute alte Zeit propagieren, die es so nie gegeben hat.

Aber das wäre ja zu einfach. Dann müsste man ja selbst denken, anstatt sich freiwillig zum Claqueur der Populisten zu degradieren, und gleichsam zur Nutte des Konsums zu werden. „Opium des Volkes“, so nannte Marx die Religion. Die wird in unseren Breiten immer unwichtiger; da wundert es also wenig, wenn die Populisten mit ihren einfachen Antworten auf komplizierte Fragen und vor allem einem klaren Feindbild es sehr leicht haben, jene hinter sich zu scharen, die nach Antworten und einem Feindbild suchen, in der Hoffnung, ihrer Existenz wenigstens ein bisschen Sinn geben zu können.

Ich frage mich, wie lange ich hier noch schreiben kann, bevor irgendwelche im Stechschritt marschierenden Idioten meine Karre anzünden, meine Frau und meine Kinder und mich bedrohen, weil selbst denkende Menschen mit einer eigenen, auf Durchblick basierenden Meinung den Reaktionären Kräften schon immer ein Dorn im Auge waren? Wir werden sehen. Bis dahin hören wir uns weiterhin regelmäßig…

Auch zum Hören…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert