Me, Self and I #07 – allzu gewollt?

Ich bin, was manche Dinge angeht ein ziemlich normaler Typ: ich habe eine Familie, die mir manchmal, aller Liebe zum Trotz, den letzten Nerv raubt. Wenige wahre Freunde, mit denen ich immer noch stetig Kontakt pflege. Einen Job, der mich fordert, aber wenigstens meistens Spaß macht. Und natürlich Schulden; also das ganze Portfolio des Mittelstands-Mittvierzigers. Man könnte auch sagen: so cliché!

Auf der anderen Seite pflege ich seit 30 Jahren ein Hobby, das erst in letzter Zeit ein bisschen Mainstream geworden ist: Rollenspiel. Und das kotzt mich irgendwie an. Denn früher konnte man sich wenigstens beim Zocken un-mainstreamig fühlen. Da sind aber auch noch andere Aspekte, durch die ich mich als was Besonderes definiere; so wie jeder andere Mensch das auch tut. Und so wie die allermeisten von uns bin ich nicht besonders. Nicht besonders schlau, oder geschickt, oder stark. Ich bin einfach ich.

Wie jeder Mensch habe ich Träume. Welche, an denen ich festhalte, welche, die ich tatsächlich aktiv verfolge und jene, die ich zur Ruhe gelegt habe. Um einen meiner alten Freunde zu zitieren: es gibt da in meinem Hinterkopf einen Gottesacker, den ich stets alleine besuche. Denn dort stehe ich manchmal und streichle traurig die Grabsteine dieser gestorbenen Träume. Und weiß insgeheim doch genau, dass jeder so einen Friedhof im Hinterkopf hat. Denn was wollte man nicht schon alles tun…?

Als Kind lernt man – meist mühsam – Bedürfnisverzicht. Sich selbst zugunsten anderer Menschen oder einer Sache zurückzunehmen, sich mit dem zufrieden zu geben, was man jetzt gerade hat. Und doch hört das Wollen nie auf. Denn aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben; zumindest nicht in einer Welt andauernden Konsum- und Wachstums-Versprechens. Schwierig wird es allerdings in dem Moment, da sich unser Wollen auf etwas einschießt, das nur sehr schwer zu erreichen ist. Denn oft steht am Ende der Geschichte nur ein weiterer Grabstein auf dem eben beschriebenen Gottesacker.

Ich schrieb irgendwann die Tage, dass ich doch eigentlich zufrieden sein müsste, anstatt wieder einmal im finsteren Tal der Depression umher zu irren. Aber ich glaube, jetzt zumindest eine Teilantwort darauf gefunden zu haben, was mir momentan so sehr auf’s Gemüt schlägt. Natürlich hat das mit Wollen zu tun, denn sonst hätte ich ja nicht mit den obigen Ausführungen starten müssen, oder…?

Das größte Problem ist, dass Wollen und Träume manchmal miteinander konfligieren. Wir wollen etwas allzu oft, weil es vernünftig ist und uns erlaubt, zum Beispiel im Job weiterzukommen; was uns dann erlaubt, sich selbst und den Lieben mehr Wünsche erfüllen zu können. Zumindest reden wir uns ein, dass ein bisschen mehr Kohle, die man in einer neuen, bedeutenderen Position erzielen kann uns tatsächlich weiter bringt.

Doch tatsächlich ist es nicht das, was uns glücklich macht. Ich werde vermutlich demnächst aufsteigen können, wie man das so schön nennt. Es läuft also eigentlich alles super. Ich habe meinen Immatrikulationsantrag für ein Masterstudium auf den Weg gebracht, in dem Wissen, dass ich noch knapp 25 Jahre arbeiten muss und dabei lieber führen als geführt werden möchte. Und doch bleibt ein schales Gefühl; nicht dem Herzen zu folgen, sondern wieder nur das zu wollen, was vernünftig ist.

Denn eigentlich will ich vor einem alten Natursteinhaus sitzen, das auf einem sanften Hügel liegt, umgeben von uralten Olivenbäumen und Weinreben. Ich will mir immer neue Geschichten ausdenken und erzählen. Und ich wünschte mir so sehr, mehr Zeit für die Menschen und Dinge zu haben, die mir etwas bedeuten, anstatt der Illusion von Karriere hinterher rennen zu müssen, weil Träume meist nun mal kein Essen auf den Tisch bringen, den Kleiderschrank füllen, oder den Turnverein für die Kinder bezahlen.

Ich bin, was ich bin ; das was man sehen kann, weil ich es zulasse. Aber auch das, was ich in den tiefsten Tiefen meines Selbst verberge. Wenigstens gibt mir das die Sicherheit, dass man mir meine Träume nicht einfach wegnehmen kann. Ob ich sie zu Grabe lege oder weiter träume, ist ganz allein meine Entscheidung. Wir alle sollten, wenigstens dann und wann wagen, mehr zu träumen…

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