Gesinnungsmonotheismus

Eigentlich leben wir ja in einem säkularen Staat; will heißen Staat und Kirche sind voneinander getrennt und sollen aufeinander auch keinen Einfluss nehmen können. Natürlich ist diese Aussage Bullshit, denn es gibt mannigfaltige Arten gegenseitiger Einflussnahme, auch wenn diese als moralische Appelle ausgesandt, oder in obskuren Gesetzestexten versteckt, oder aber lobbyös in Hinterzimmern ausgekungelt werden. Es ist ja auch immer wieder von der christlich-abendländischen Prägung unserer Kultur die Rede. Was in mir die Frage keimen lässt, warum wir nicht endlich mal wieder einen zünftigen Kreuzzug machen, um Heiden zu bekehren…? Ach so, Mord und Totschlag im Namen des Kreuzes waren nur so lange in Ordnung, so lange nicht allzu viele dabei zuschauen konnten. Tja, da ist das Internet natürlich nicht hilfreich. Handyvideos von Kreuzrittern auf Youtube, die „Deus lo vult“ schreiend IS-Kämpfern die Köpfe abschlagen wären vermutlich ein bisschen zu hart für’s Christenmenschen-Image.

Oder anders gesagt: es wäre politisch nicht korrekt. Was für eine Formulierung… „politisch nicht korrekt“. Anstatt diesen linguistischen Dreck von einer Formulierung zu benutzen wäre es ehrlicher, einfach zu sagen: „Sage dies nicht öffentlich und tu das nicht öffentlich, oder du wirst von uns erst böse angeschaut und danach machst du einfach nie mehr Karriere!“ Wobei das Augenmerk auf der Verwendung des Wortes „öffentlich“ liegt. Wie so oft gilt, Hauptsache die Außenwahrnehmung bleibt sauber. Denn was nicht öffentlich wahrgenommen wird, ist nie passiert, ganz gleich wie verwerflich es auch sei. Womit allerdings die Wirkungen zu besprechen bleiben, welche dieses Konzentrieren auf Äußerlichkeiten mit sich bringen.

Da fühlen sich nun also Leute dazu berufen, die Worte und Taten ihrer Mitmenschen genau zu beobachten und nach, in deren Blockwartmentalitätswelt anerkannten Kriterien abzuurteilen. Mora-Plag sozusagen, nur, dass es hier keine harten Kriterien wie das Abschreiben in wissenschaftlichen Arbeiten gibt, sondern lediglich den selbstgerecht erhobenen Zeigefinger des Blockwarts. Wenn man sich die Wurzeln der Political Correctness anschaut, ging es ja darum, diskriminierenden Sprachgebrauch zu unterbinden, um auf diese Art die Stigmatisierung und Marginalisierung von Minderheiten zu reduzieren. Auf der anderen Seite standen von Anfang an die Rechten und haben die Einschränkung ihrer Redefreiheit beklagt.

Ich bin zwar kein Rechter und ich schließe mich der Kritik an der Political Correctness auch nicht an, um weiterhin diskriminieren zu können – Idioten, Low-Performer, Trolle und Rassistengeschmeiss diskriminiere ich sowieso wann, wo und wie ich will – sondern weil sich diese Idee zu einem Religionsersatz für Leute mit Sendungsbewusstsein entwickelt hat: ich will, dass jemand meine, zumeist vollkommen unwichtige Meinung wahrnimmt? Na da prangern wir doch einfach mal einen ausgewählten jemand mit konträrer Meinung für seinen zu unkonventionellen Sprachgebrauch, seinen Lebensstil, sein Aussehen oder irgendwas Anderes an, was jetzt gerade passt und lenken so von der eigenen Minderleistung ab. Kostet nix und macht viel Wind.

Auf diese Weise kann man jemanden zum Beispiel dafür flamen, dass er immer noch Fleisch ist, wie eklig… Hauptsache, eine Meinung ist in meiner jeweiligen Umwelt Mainstream-kompatibel, dann kann ich sie als moralischen Standard etablieren und jeden dämonisieren, der nicht meiner Vorstellung vom richtigen Leben entspricht. Und weil diese Gesinnungs-Nazis dabei im Vertreten ihrer Standpunkte geradezu religiöse Verzückung zu verspüren scheinen, rede ich im Zusammenhang mit Political Correctness jetzt gerne von Gesinnungsmonotheismus. Meine Meinung ist mein Gott und es kann nur einen Gott geben! Herrgott wie zuwider mir das ist, sich auf die (rein subjektive) eigene Wichtigkeit einen zu wichsen. Ekelhaft!

Dieses Phänomen geht übrigens eng einher mit dem neulich beschriebenen der Diskussionsunfähigkeit. Ich will nicht so weit gehen, unserer modernen Gesellschaft eine generelle narzisstische Störung zu unterstellen; allerdings erscheint es meinen Beobachtungen nach angezeigt, mal wieder auf Dieter Nuhr hinzuweisen: „Wenn man von irgendwas überhaupt keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten!“ Denn eine allzu explizit geäußerte Meinung ist leider oft auch ein ziemlich guter Gradmesser für eine mangelhafte Sachkenntnis bezüglich des Sachverhaltes, zu dem man sich gerade geäußert hat. Klingt paradox, ist aber so. Ich empfinde es deswegen übrigens auch nicht als Widerspruch, einerseits gegen Diskriminierung jeder Art zu sein und auf der anderen Seite Political Correctness Kacke unnötig zu finden, denn ich habe mich wenigstens weidlich mit dem Thema auseinandergesetzt, bevor ich zu meinen Worten anhub. In diesem Sinne schönes Kommentieren auf Fratzenbuch; aber immer schön den Ball flach halten!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert