Spielerische Annäherung – Rollenspiel für Dummies #8

Ich habe neulich, wie ich so ein wenig in den weiten Untiefen des Netzes der Netze umherdümpelte (wer mich kennt, weiß, dass ich so oder so NICHT nach Surfer aussehe) natürlich auch mal wieder geschaut, ob es zu meinem Lieblingshobby etwas Neues zu wissen gibt. Hierzu als Aufklärung: ich bin schon seit weit über 25 Jahren Fantasy-Rollenspieler. Und neben solchen Dingen wie Spielsystemen, mit den dazu gehörenden Regel-, Quellen- und Fantasy-Art-Büchern, jeder Menge, für sich allein betrachtet, unnützen Allgemeinwissens und Diskussionen über alle möglichen soziologischen und technischen Aspekte des Spiels interessieren mich natürlich vor allem Ansichten, Ideen und Erfahrungen anderer Süchtiger… ähm, Pardon, Spieler meinte ich selbstverständlich. Und die findet man heutzutage, wie alles Mögliche andere auch, im Internet.

Rollenspiel ist insofern dem wahren Leben ziemlich ähnlich, als man hier ein um einen Faktor k (k kleiner eins) gestauchtes Modell desselben findet. Natürlich sind die Charaktere keine Normalos und sie tun im Kontext des Spiels auch keine normalen Dinge (es sei denn wüste Verfolgungsjagden, die NSA hacken, einen Drachen erschlagen oder sich durch feindliche Heerlager schleichen gehören zu eurem Alltag); ebenso wenig sehen sie zumeist wie Normalos aus und gehen manchmal auch keine normalen (virtuellen) Beziehungen ein. Oder besser gesagt: die zwei letzteren Dinge hängen vom Gusto der Spielerunde und ihrer Teilnehmer ab. Und wie man mit einem Blick in Foren, Blogs, etc. so feststellen kann, ist genau dieser Part gar nicht so unkritisch… fast wie im wahren Leben, nicht?

Es gibt da die unterschiedlichsten Ansichten, von denen ich einige durchaus „interessant“ finde; wobei dieses „interessant“ durchaus in Spock’scher Diktion verstanden werden darf. Da gibt es zum Beispiel jene, die sagen, Beziehungen im Rollenspiel interessieren sie nicht, für sie ist der „Loot der Woche“, also das Plündern irgendeines Schatzes weit wichtiger. Mich durchzuckte der Gedanke, dass jene, die sowas äußern entweder noch zu jung für Beziehungen sein mögen (sorry, aber Menschen unter 25, bzw. ohne eigene Kinder als „erwachsen“ ernst zu nehmen, fällt mir zunehmend schwerer), oder aber gebrannte Kinder sind, die nicht mehr an eine gelingende Beziehung glauben mögen. Schade für sie. Dann war da jene Gruppe, die grundsätzlich Beziehungen unter Charakteren OK findet, aber Männer müssen auf jeden Fall männliche Charaktere spielen und Frauen weibliche – was für ein Käse! Gerade das Spielen mit Rollen- und Geschlechterklischees macht doch den Reiz des Charakterspiels aus. Ach so, stop, vielleicht besteht die erste Gruppe auch aus Gamisten…? Die mögen natürlich kein Charakterspiel.

Ach ja und dann war da noch die Frage nach Homosexualität im Rollenspiel. Oh lieber Himmel, was da unter dem Deckmäntelchen „das passt ja nun nicht so in unseren Spielkontext“ an verkappter Homophobie unterwegs war, kotzt mich mal so richtig an. Ja, es ist nur ein Hobby, aber auch an diesem Ort des Spiels und Spaßes bin ich schon über Nazis, Rassisten und sonstige soziale Problemfälle gestolpert. Na ja, auch engstirnige Menschen haben manchmal Phantasie.

Ich klinge jetzt vermutlich ein bisschen gereizt, aber da liegt der werte Gast weit daneben. Amusement ist das Gefühl, welches mich mittlerweile befallen hat. Zum einen, weil ich die, den oben beschriebenen Meinungen zu Grunde liegende Selbstbeschränkung eigentlich lächerlich finde. Meine persönlichen Erfahrungen haben mich nämlich eine reiche Bandbreite an gespielten sozialen Beziehungen im Kontext einer guten Geschichte schätzen gelehrt. Zum anderen offenbart es jedoch in unverstellter Art und Weise, dass da Menschen am Spieltisch sitzen, die nicht so wirklich aus ihrer Haut können. Ein altes Diktum unter Rollenspielern sagt nämlich, dass in jedem Charakter ein Teil unserer ureigenen Persönlichkeit steckt. Und weil, wie ich vorhin schon sagte, das Rollenspiel ein quasi verkleinertes Abbild der wahren Welt ist, lässt dieser Gedankengang auch einen Blick auf meine eigenen Gedanken zu. Ich mag es, wenn mit Rollen- und Geschlechterklischees gespielt wird (ich selbst spiele gerne weibliche Charaktere, weil mich starke Frauen schon immer fasziniert haben und niemand wird ernsthaft erwarten, dass ein Rollenspielcharakter schwach ist – immerhin sollen es ja Helden sein). Ich finde, das Ausspielen von Beziehungen aller Art (nicht nur den romantischen, aber eben auch von denen) ist der wichtigste Teil von Rollenspiel überhaupt; und ich bin einem guten Loot dennoch nie abgeneigt.

Schließlich aber hoffe ich, mein Näschen für Beziehungskisten und meine Reaktionsfähigkeit hier spielerisch geschärft zu haben und dies auch weiterhin zu tun. Es ist für mich, da ich so viele Alternativen schon gesehen/gespielt habe, auch ein Training für meine sozialen Fertigkeiten; sozusagen eine spielerische Annäherung. Einerseits hoffe ich, mir so meine Offenheit für alles Neue konservieren zu können und andererseits sammle ich so auch die Contenance, mit den von mir hier geschmähten Meinungen und den Protagonisten, welche sie vortragen gelassen umgehen zu können. Auch im Spiel kann man was für’s Leben lernen, wenn man es nur zulassen mag. In diesem Sinne – always game on!

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