Ich habe versucht, mich zu analysieren. Nicht bezüglich meines mentales Status – dazu wäre ich eh nicht qualifiziert – sondern hinsichtlich meiner Vergleichbarkeit als individueller Typus mit dem Homo Zappiens, von dem im Bezug auf den MOOC ja dauernd die Rede ist. Wenn ich’s recht verstanden habe, ist dieser mutmaßlich neue, oder auch kürzlich erst als solcher identifizierte Typus von sozialer Entität durch seine Verwurzelung in der Multimedialität gekennzeichnet; Multitasker, Collaborative Worker, verspielter Teamplayer, digital höchst vernetzt und in den social media quasi omnipräsent. Also jemand, der sich im Web und all seinen Ausdrucksformen zu Hause und vermutlich auch abgebildet fühlt.
Neulich sprach ich hier davon, dass ich die Begriffe „netizen“ und „digital native“ wenig griffig fände, weil trotz des potentiell erreichbaren Grades an Verdatung und an medialer Präsenz, trotz des Entstehens eines digitalen Ich, das komplementär zum materiellen Ich auftritt und dennoch bisweilen völlig entkoppelt davon agieren zu können scheint eine Abbildung realer gesellschaftlicher Prozesse noch lange nicht in dem Umfang stattfindet, der es als glaubwürdig erscheinen lässt, sich selbst als im Netz geborenen Bürger betrachten zu dürfen.
Wenn ich mich aber selbst weder als netizen noch als digital native betrachten würde, obwohl ich doch durchaus einen veritablen Teil meiner Zeit in der Virtualität verbringe, stellt sich die Frage, in wie weit virtuelle Persönlichkeit und materielle Persönlichkeit einander durchdringen – oder besser, ob die von mir gedachte Komplementarität zweier Personas nicht vielleicht doch schon in einer Synthese zu münden beginnt.
Jedenfalls konnte ich – subjektiv – einige Aspekte des Homo Zappiens auch an mir ausmachen, obwohl ich rechnerisch wohl schon zur Vorgängergeneration gezählt werden müsste. Das parallele Erledigen verschiedener Tasks – wenn wir ehrlich sind ist es ja eher eine Art Erfordernis- und Lustgesteuerter Zeitmultiplex – das spielerische und dennoch auch Bedarfsmotivierte Hineinarbeiten in eine Materie, der ständige Blick über Tellerränder, der Umgang mit verschiedensten Personen über verschiedenste Kanäle, all das sehe ich auch bei mir. Wahrscheinlich ist allerdings der Grad der Ausprägung vergleichsweise eher reprimiert.
Größter Unterschied dürfte aber sein, dass für mich die Präsenz in den social media, überhaupt die Nutzung des Web in unterschiedlichster Form nur eine Kultur- und Kommunikationstechnik unter Vielen ist. Diese lässt aber erst zusammen mit den anderen, tradierten, in diesem Zusammenhang schon beinahe altbacken wirkenden Aspekten meines Daseins als soziale, politische und professionelle Entität ein vollständiges Bild meiner Selbst entstehen.
Mein Selbstbild als soziales Wesen an sich, als Healthcareprofessional, als Student der Bildungswissenschaft und noch manches mehr wird durch die Nutzung der sich immer weiter vervielfältigenden Möglichkeiten und Formen von social media, von crowd und cloud als neuen Orten der Begegnung und des Miteinanders auf persönlicher und professioneller Ebene verändert. Einschneidender verändert, als ich mir das je hätte träumen lassen. Und doch bleiben manche Dinge immer gleich…
Sicher ist für jemanden, der nicht dem Präinternetzeitalter entstammt, nicht mit drei Fernsehkanälen auskommen musste und Telefonzellen fast nur noch aus Movieclips kennt zumindest in weiten Teilen das Hineinwachsen in den Gebrauch von Medien anders verlaufen als zum Beispiel bei mir; dürfte also ein wesentlich intuitiverer Umgang mit den Gadgets des 21. Jahrhunderts zu erwarten sein. Und doch spielt das soziale Miteinander auch für die „Generation Post-X“ die Hauptrolle. Die Wege der Kommunikation und Interaktion mögen sich heute von Face-to-Face oder klassisch fernmündlich zu den endlos scheinenden asynchronen Varianten verschoben haben, das Hauptthema bleibt dennoch der Mensch.
Gerade, wenn sich die Dinge im Umbruch befinden, wenn Veränderungen zuerst vor allem Anderen die Unsicherheit des Zukünftigen zeitigen – noch viel mehr als zu dem Zeitpunkt, da Ulrich Beck seine „Riskogesellschaft“ postuliert hat – wenn die Rasanz, mit welcher die technische Entwicklung die soziale gerade überholt hat anscheinend den Homo Zappiens geradezu beflügelt, bleibt er doch immer als Erstes ein Mensch mit menschlichen Bedürfnissen – nach Nähe, nach Liebe, nach Anerkennung und Respekt. Erst wenn diese und noch andere emotionale Grundbedürfnisse gestillt sind, beginnt der Hunger nach Neuem, nach Erfahrungen und Abenteuer seine kulturellen Handlungen zu dominieren, denn unsere Homebase of Exploration bleibt zumeist ein Leben lang der Ort, wo wir unser emotionales Fundament verorten. Wo auch immer den der Einzelne gefunden haben mag.
Zumindest entspricht dieser Gedankengang meinen persönlichen Beobachtungen, die natürlich erstmal kaum wissenschaftlichen Wert haben, insofern sie nicht nach streng empirischen Maßgaben erhoben und gedeutet wurden. Allerdings ist dies eine ex post Betrachtung dessen, was sich bisher abgespielt hat. Und Vorhersagen auf der Basis gesammelter Erfahrungen sind im sozialen Bereich zumindest schwierig.
Ich bin also höchst gespannt, was ich durch den MOOC an Erfahrungen und Erkenntnissen mitnehmen kann, die mich auch meiner persönlichen Situation neue Perspektiven abgewinnen lassen.
Eine Antwort auf „Gehöre ich zur Generation Post-X? (MOOC #iddg13 – No 2)“