Ich möchte meinen Job lieben, aber…

Das Gesundheitswesen. Unendliche Weiten der Profilneurosen, des unreflektierten „Weiter so!“, der (mehr oder weniger gerechtfertigten) Arroganz, des (mehr oder weniger ausgeprägten) Helfersyndroms und des endemischen Mangels an Blick über den Rand des eigenen, kleinen Tellers. Insbesondere in der Rettungswelt ist auch heute noch ein beängstigendes Maß an Ignoranz für größere Zusammenhänge zu beobachten, welches der Beschleunigung der Gesamtmasse beim Anflug auf die Wand Vorschub leistet, an der die ganze Chose zerschellen wird… sehr bald zerschellen wird.

Ich wollte sachlich bleiben, ein wenig darüber referieren, wie es vielleicht möglich sein könnte, wieder auf eine gemeinsame Basis zu finden und Ideen in Angriff zu nehmen, die das Unheil abwenden könnten. Verschiedene Personen haben in den vergangenen Jahren Beiträge veröffentlicht, die eine Vorstellung davon vermitteln, wie man es besser machen könnte. Wie man zum Beispiel die knappen Ressourcen medizinischer Akutversorgung besser und gezielter einsetzen könnte. Wie man quasi mehr Gesundheit pro Euro erzeugen könnte. Wie man besseres Outcome bei weitestgehend gleichbleibendem Ressourceneinsatz erzielen könnte. Das Know-How und die Skills sind vorhanden und ehrlich gesagt bräuchten wir für vieles keine Unterstützung aus fachfremden Gebieten, da sich in der eigentlich doch recht überschaubaren Rettungswelt einige Persönlichkeiten entwickelt haben, die recht beeindruckende Fähigkeiten akkumulieren.

Und doch… und doch…! Noch beeindruckender ist leider die Beratungsresistenz nicht nur vieler Entscheider sondern auch vieler Kollegoiden, die nicht begreifen können oder wollen, dass ihre sorgfältig ausgebaute Nische ohne Wandel keinen Bestand haben kann; vielmehr keinen Bestand haben wird! Das bei gleichbleibend ineffektiven Ressourcenverbrauch das Rettungswesen mit dem Voranschreiten der demographischen Entwicklung spätestens Ende der 2020 vollkommen dekompensieren wird, zeichnet sich bereits jetzt ab. Und trotzdem werden Alternativen anscheinend nicht wahrgenommen, geschweige denn diskutiert. Worüber allerdings diskutiert wird, treibt mir dann endgültig die Schamesröte ins Gesicht.

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit werden öffentlich (am liebsten auf Facebook) wahlweise die Handlungsweisen von Kollegen zerpflückt oder gar diskreditiert oder es wird sich auf’s Bitterste über die Feindseligkeit und Undankbarkeit der Patienten und Angehörigen beklagt. Würde man hier mit einem Mindestmaß an Zurückhaltung, Respekt, Konstruktivität und Augenmaß vorgehen, könnte man manches noch akzeptieren. Doch gerade bei der Analyse der Fehler anderer Menschen schießen meine Kollegen oft und gerne über’s Ziel hinaus, lassen jede Pietät und Professionalität vermissen, die sie sich doch so sehr in ihren Gegenübern wünschen. Oder geht es vielleicht doch nur um verletzten Stolz?

Ich habe gelernt, die Kommentarspalten sozialer Medien nicht mehr allzu ernst zu nehmen, weil eh jeder zweite nur noch trollt (wenn das langt…). Aber in den Äußerungen vieler Kollegen offenbart sich mittlerweile eine derart negative, aggressive Grundstimmung, dass man so manchem die Eignung zur Ausübung eines sozialen Berufes absprechen muss. Und genau das ist der Rettungsdienst: ein sozialer Beruf. Auch wenn viele das offenkundig nicht wahrhaben wollen. Vielleicht ist es eine Reaktion auf die – zumindest in Teilen – ebenso offenkundig asozialer werdende Gesellschaft. Aber wenn ich einen ethischen Standard einfordere, muss ich diesem auch selbst genügen und das ohne Wenn und Aber.

Momentan jedoch könnte ich an der unreflektierten, unreifen, unflätigen und unsozialen Art mancher Vertreter meines Berufsstandes verzweifeln und möchte mich einfach nur noch schämen. Und wenn ich ehrlich bin, weiß ich noch nicht, welche Schlüsse ich aus diesen Gefühlen ziehen soll. Dass wird schwer – aber wir sehen uns.

A Propos

Neue Texte, neues Gewand, alte Leier. Auf Grund dezenter technischer Probleme mit der alten Installation musste ich ein bisschen umbauen. Auch werde ich Podcasts in Zukunft nur noch im Rahmen von Interviews o. Ä. anbieten. Ist einfach zu viel Arbeit. Ansonsten hoffe ich jetzt, da meine Abschlussarbeit schon seit einigen Wochen im Prüfungsamt liegt wieder zu einem regelmäßigeren Rhythmus des Veröffentlichens zu kommen. Wir werden sehen, ob das wirklich klappt… 😉

So oder so macht der Dezember alles neu. Nicht alles funktioniert schon so, wie es bislang gewohnt war, aber die Mucken werde ich der neuen Installation schon noch abgewöhnen. Bis dahin trotzdem viel Spaß und bis die Tage wieder!

Lieber nicht reden, als falsch reden?

Alle sprechen von konsequentem Handeln. Davon, dass die FDP, oder besser ihr derzeitiges Galionsfigürchen Christian Lindner es richtiggemacht habe, mit dem Rückzug aus den Blondierungsgesprächen. Oder so ähnlich… Wenn wir Konsequenz der Definition nach als die Übernahme von Verantwortung für ein Handeln oder Unterlassen verstehen, stellt sich mir die Frage, welche Leistung oder Nichtleistung denn nun durch die Liberalen so rühmlich konsequent abgearbeitet wurde? Eventuell der Versuch, Deutschland eine neue bürgerliche Mitte zu geben? Themen zu setzen, die Relevanz besitzen und dem Gros der Bürger dienen und nicht nur einer höchst begrenzten Klientel? Sich Widrigkeiten und differierenden Standpunkten zum Trotz den staatspolitischen Verpflichtungen zu stellen? Nun ja – epic fail.

Nur das wir uns richtig verstehen: ich bin und bleibe Sozialdemokrat. Ein Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen klang dennoch nach einer charmanten Idee, um den rechten Ausputzern den Wind aus den Segeln zu nehmen und durch kontroverse Debatten endlich wieder Leben in den Polit-Betrieb in Berlin zu bringen. Dieser war in den letzten 18 Monaten ja doch derart behäbig geworden, dass es weh tat. Und was bekommen wir jetzt? Söder in Bayern, der ein noch üblerer Propagandist und Rechtsausleger ist, als Seehofer. Na ja, vielleicht verkackt er’s ja so übel, dass die nächste Koalition in Bayern dann AfD/CSU heißt. Die Grünen suhlen sich in Schuldzuweisungen an die FDP. Die FDP brüstet sich mit ihrem konsequenten Handeln, dass für mich bestenfalls Ausdruck der Angst vor der eigenen Courage ist. Und die SPD wird vom Bundespräsidenten dazu verdonnert, den Lückenbüßer wider Willen zu spielen; was landauf landab zum Anlass genommen wird, die SPD als Umfaller zu schmähen. Und wer gewinnt dabei?

Es gäbe zwei Szenarien, die mir dazu einfallen: nach langem Trara platzt die zweite Sondierung CDU/CSU und SPD, es gibt Neuwahlen und der rechte Rand erstarkt auf Grund steigender Verdrossenheit über die Unfähigkeit der etablierten Parteien wahrscheinlich noch mehr. Oder sie raufen sich zusammen, die CDU verbucht wieder alle Verdienste für sich, das Land erstarrt weitere vier Jahre in Merkel’schem Topor ohne Visionen für die Zukunft und danach dümpelt die SPD bei 12%. In jedem Fall gewinnen die Schwarzen und noch mehr die Blauen, weil Menschen lieber um jeden Preis den Status Quo bewahren, anstatt etwas Neues wagen zu wollen. Ob die SPD anders kann, will ich jetzt nicht beurteilen müssen, denn im Moment muss ich vermuten: Nein!

Vielleicht kommt auch alles anders und die nächste CDU/CSU-SPD-Koalition rockt total den Shit. Wozu allerdings vorher tatsächlich reichlicher Konsum Bewusstseinserweiternder Substanzen notwendig wäre…wegen der fehlenden Visionen und so. Und wer glaubt schon an sowas. Man muss nur zur Kenntnis nehmen, das wir keine Staatskrise haben, sondern eine Ideenkrise und eine Wagniskrise, die nur durch neue Ideen und Wagnisse zu beheben wäre. SO betrachtet sind wir allerdings in jedem Fall im Arsch, den Ideen und Mut sehe ich im Moment auf Bundesebene bei niemandem so präsent, dass es Hoffnung machen würde. Bis die Tage wieder.

a snipet of hate (for cellphones)

Ich lief dieser Tage durch meinen Stadtteil und wurde von einem Schaudern erfasst, als ich wieder mal eine Person (dass es sich dabei um eine hässliche, mit einem überaus nervtötenden Sprachduktus ausgestattete Person handelte, ist eigentlich ohne Belang) wahrnehmen musste, die laut über irgendwelche Unwichtigkeiten ihres Privatlebens schwadronierend durch die Fußgängerzone stapfte. Früher hätte man die Cops und die Sanis gerufen und dann weg damit in die Klapse (falls sich irgendjemand mit ernsthaften psychologischen Problemen an dieser Stelle auf den Schlips getreten fühlt: komm klar, die habe ich manchmal auch!).

Dann wurde mir jedoch klar, dass diese Person ja nur am telefonieren war. Früher gab’s da diesen Witz: „Chef: Wer schreit denn da so rum? Sekretär: Dass ist der Schulze, der spricht mit Paris. Chef: Warum nimmt er dann nicht das Telefon?“. Der ging mir dann gerade durch den Kopf, weil mich das wer mit wem und warum oder auch nicht anderer Menschen ja nun zum einen eigentlich nichts angeht, aber bei den allermeisten Menschen auch nicht die Bohne juckt. Was interessiert es mich, ob Mandy nun mit Kevin rummacht, oder mit Jaden-Pascal?

Jedenfalls gehören diese Freisprechdingens für überall schlicht verboten. Es führt zu Unaufmerksamkeit gegenüber anderen Menschen (unhöflich bis tödlich), oder gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern (gefährlich bis tödlich). Jeder darf sich jetzt raussuchen, was er oder sie schlimmer findet. Ich für mein Teil finde, das Privates ins Private gehört und nicht auf die Straße. Da diese immer-erreichbar-Apparate aber das Private entgrenzen (auf so viele Arten), werde ich nun täglich mit dem Privaten vollkommen wildfremder Menschen belästigt. Und das kotzt mich so richtig an.

Leider ist es nicht legitim, jemandem einfach sein Smartphone wegzunehmen und so weit wie möglich wegzuwerfen. Zumal diese Freisprechdingens leider auch funktionieren, wenn das Handy in der Tasche steckt, was die Außenwirkung noch viel schlimmer gestaltet => weg damit in die Klapse. Die Fragen die bleiben sind folgende: werde ich immer unduldsamer, oder die anderen immer Blöder? Und wie kriege ich eine Axt in die Tasche, ohne dass es auffällt…? Au revoir.

Rettung für alle?

Ich weiß nicht, ob ich’s da noch länger aushalte. Es gibt tatsächlich Menschen an einem meiner Arbeitsorte, die noch der schrägen Meinung sind, dass eine Trennung der Rettungsdienstbereiche Mannheim und Heidelberg eine gute Idee wäre. Diese Meinung teile ich explizit nicht! Und ich bin es satt, mich diesbezüglich stets bedeckt zu halten, weil es mir eine Herzensangelegenheit ist, diesen Leuten zu sagen, dass sie offenkundig nicht alle Tassen im Schrank haben!

Meine diesbezügliche Unfreundlichkeit liegt vor allem in den, von diesen Kollegen vorgetragenen Rechtfertigungen für eine Trennung begründet: sie wollen zum Beispiel nicht mehr mit den ganzen Assis aus Mannheim telefonieren. Auch der Umstand, dass speziell der Mannheimer Morgen, repräsentiert durch Herrn Ragge, keine Gelegenheit auslässt, sich in teilweise tendenziöser Art negativ über die ILS Rhein-Neckar auszulassen, wird bei solchen Gelegenheiten gerne angeführt. Ich gebe zu, meine Replik bezüglich der Klientel in Heidelberg war auch nicht gerade freundlich, aber wenn man lokal-patriotische Anfälle oder übertriebene Polemik über die typischen Kunden in den Leitungen einer Notfall-Institution mal bei Seite lässt, bleibt an harten Sachgründen nicht allzu viel übrig.

Es ist sonst nicht mein Stil, auf diese Art in die Offensive zu gehen, aber hier kann ich nicht anders, da selbst persönlich vorgetragene Sach-Argumente offensichtlich nicht verfangen. Und gute Gründe, das bestehende Konstrukt „ILS Rhein-Neckar“ weiter zu entwickeln, anstatt es auseinander reißen zu wollen, gibt es einige:

  • Synergie-Effekte bei der Disposition der sowieso knappen Rettungsmittel
  • Kurze Kommunikationswege bei Schadens-Lagen aller Art.
  • Großer gemeinsamer Personal-Pool
  • Standardisierung der Procedere
  • Etablierte Zusammenarbeit mit Nachbarleitstellen, etc.

Natürlich gibt es auf der Soll-Seite auch noch einiges zu tun, aber von Seiten der Politik einfach mal zu verkünden, dass man trennt, ohne ein Konzept, oder eine Ahnung davon zu haben, was dieses Vorhaben im Detail bedeutet ist schlicht kurzsichtig; und da wäre vor allem eines, worüber man zuerst hätte reden müssen, nämlich ein riesiger Haufen Kosten. Vor dessen Erstattung hat man im Übrigen, wie stets, den Finanzierungsvorbehalt der Krankenversicherer gesetzt, die einem rein politisch motivierten Vorhaben wenig Liebe entgegen zu bringen scheinen. Neben den Kosten für die Vor- und Unterhaltung doppelter Leitstellen-Strukturen  taucht auch noch die Notwendigkeit erweiterter Rettungsmittel-Vorhaltung an den Schnittlinien auf, weil ja Synergien wegfallen.

Erscheint ein solcher Schritt in Zeiten klammer Kassen im Gesundheitswesen sinnvoll? Insbesondere, wenn es eigentlich seit Jahren ausgesprochene Landespolitische Linie ist, Leitstellenbereiche zusammenfassen zu wollen? Ich denke, nein, aber so was wollen meine Kollegen nicht hören. Und deshalb reibe ich es ihnen nun öffentlich unter die Nase. Auch wenn das Echo vielleicht nicht so gut ausfällt. Denn ich habe es satt, hier verhöhnt, für dumm verkauft und ausgenutzt zu werden!

Ein Mann sagt, er sei Feministin…

… und das ist so absurder Blödsinn, dass ich ihm sagen muss, dass er ein Depp ist. Der früher halbwegs bekannte Moderator Nilz Bokelberg durfte auf Zeit Online einen Artikel veröffentlichen, in dem er sich darüber beklagt, dass seine Tochter (wohl kurz vor’m Abitur) so wenig Chancen im Leben hat, nur weil sie halt das falsche Geschlecht hat. Er reitet dann auf dem Gender Pay Gap herum und regt sich tierisch darüber auf, dass sie vor verschlossene Türen laufen wird, egal wie gut sie dereinst ausgebildet sein wird. Meine Fresse, wie kann man nur so arrogant und blind sein.

Ja, es gibt sie immer noch die ungleiche Bezahlung. und ja, es gibt für Frauen in vielen Betrieben gläserne Decken. Ich hatte die Tage darüber gesprochen, dass man dem durch eine bessere Durchsetzung von Tarifverträgen und eine sinnvollere Sozialpolitik besser entgegen treten kann, als durch Quotierung; aber es will ja keiner ran, an die Lobbyisten. Was mich jedoch richtig wütend macht, ist das jemand, der so gut vernetzt ist (vulgo über Vitamin B verfügt) und seinem Kind zudem noch jede Menge soziales Kapital mitgibt (lest euren Bourdieu noch mal, verdammt) dann auch noch öffentlich so tut, als stünde seine Tochter vor den gleichen Problemen, wie die Tochter einer Alleinerziehenden mit drei 450-Euro-Jobs, die froh sein kann,wenn das Nötigste zur Verfügung steht.

Keine Ahnung von Deutschland, aber die Fresse aufreißen bis zum Anschlag: „Ich bin Vater und ich bin Feministin.“ Ein Scheiß bist du! Es gibt so viele Dinge, die man tun kann, um sich für eine Verbesserung der – in der Tat immer noch beklagenswerten – Situation hinsichtlich der Gleichberechtigung einzusetzen. Rumzujammern, dass es der eigenen Tochter vielleicht so schlecht gehen wird ist jedoch kein probates Mittel.

Wie wäre es, wenn Herr Bokelberg seine Medienpräsenz ernsthaft dafür einsetzte, dass auch unterprivilegierte Mädchen und junge Frauen eine Chance bekommen; z.B. bei einem Medienunternehmen, oder Ähnlichem… Aber das verlangt dann wohl doch etwas mehr Arbeit, als mal schnell einen Artikel hinzurotzen, oder.

Ich frage mich auch, ob meine Töchter irgendwann auf solche Probleme stoßen werden. Meine gegenwärtige Strategie besteht darin, sie darauf vorzubereiten und ihnen so viel Rüstzeug mitzugeben, wie geht, ohne ihre Kindheit zu killen. Außerdem tue ich mein Teil wenn es um Aus- und Fortbildung geht (heißt, ich versuche Gleichberechtigung zu leben). Und alles weitere (was ich noch tun kann, findet sich. Allerdings hat meine Stimme auch keine solche Reichweite, wie von diesem Ex-VIVA-Heini. Schönen Tag noch.

Keiner macht mir Drogen!

Als ich anfing, Blaulichtauto zu fahren, da gab es, zumindest gefühlt, einen Haufen Einsätze mit Junkies. Ich hatte zu Beginn meiner Karriere als Healthcare Professional ein sehr bigottes, sicherlich auch von meiner jugendlichen Naivität gefärbtes Weltbild. Dieses sagte mir, dass Drogenkonsumenten böse seien und aus eigener Schuld auf der Schattenseite unserer Gesellschaft wandeln würden.

Was für ein Bullshit! Menschen die aDrogen konsumieren, sind in allererster Linie Menschen … die Drogen konsumieren!

Mal ganz davon abgesehen, dass Drogenkonsum damals nur problematisiert wurde – und auch heute zumeist nur negativ dargestellt wird – wenn es sich um illegale Drogen handelt. Von den Millionen Hektolitern Bier, Wein und Schnaps, die jährlich durch teutonische Kehlen rinnen, wird immer nur berichtet, wenn es sich für irgendeine sinn- und nutzlose Blaulichtdokusoap als „Action“ eignet; womit wir wieder beim bigotten Weltbild wären, habe ich doch damals auch gerne mal einen weggezecht. Von Tabak wollen wir gar nicht erst reden.

Man hat erst angefangen, auch gegen diese Kulturdrogen zu schießen, als man feststellen musste, dass der volkswirtschaftliche Schaden, welchen harter oder auch riskanter Konsum anrichten können, unsere Shareholder jährlich einen Haufen Penunze kostet. Volksgesundheit? Dass ich keinen Lachflash kriege. Es geht niemals um den Menschen, sondern immer nur um die Kohle. Nichtsdestotrotz werden die meisten Menschen immer noch hysterisch, wenn die Sprache auf so genannte harte Drogen kommt. Freunde der Nacht; „zu Tode gehascht!“? Echt jetzt? Keine Ahnung von Pharmakologie, aber mir erzählen wollen, wie Drogen wirken, was sie im Menschen anrichten, wie gefährlich sie sind und dass man ja von Crack und Meth beim ersten Mal süchtig wird…

Hinsichtlich solcher Legenden und der sozialen Implikationen des Gebrauchs von Drogen hätte ich folgende Leseempfehlung im Angebot: Dr. Carl Hart, High Price: Drugs, Neuroscience, and Discovering Myself. Das Buch handelt zwar in/von den USA, die Schlussfolgerungen, die vom Autor hinsichtlich der sozialen Folgen der Kriminalisierung von Drogen gezogen werden, gelten jedoch in Deutschland ebenso, wenn auch nicht im gleichen Umfang. Dennoch ist es bedenkenswert, wenn die politische Diskussion um teilweise Legalisierung, Fixer-Stuben, Substitutions-Programme und ähnliches wieder von den Ewiggestrigen dominiert wird, die der Meinung sind, dass ihr Weltbild auch die soziale Realität der anderen dominieren muss. Diese Typen gehen in den Anden nach Machu Picchu wandern, würden ihren Wanderführer aber in Good Old Germany einlochen lassen, weil er Coca-Blätter kaut; eine jahrtausendealte Kulturdroge, die bei uns halt zufällig als Kokain bekannt geworden ist. Und schon wieder sind wir bei bigott.

Die Gründe für Drogenkonsum – sei es Alkohol, Tabak, oder eine x-beliebige von den bösen anderen Substanzen – sind so mannigfaltig wie die Menschen und ihre Lebens-Umstände. JA, zweifellos muss man den Konsum im Auge behalten und regulieren. Aber das reine Prohibition nicht funktioniert, haben gerade die USA von 1920 bis 1933 mehr als schlagend bewiesen. Das einzige, was der 18 Zusatzartikel der Verfassung bewirkt hat, war ein Anstieg der organisierten Kriminalität (oder was denkt ihr, wie Al Capone so reich und berüchtigt geworden ist?).

Nutzer und kleine Dealer einzulochen, ist genauso sinnfrei (ein paar Stunden später sind sie eh wieder draußen), wie es unnötige Arbeit für unsere Ermittlungsbehörden erzeugt. Und die Großdealer kriegt man sowieso so gut wie nie. Warum also nicht diese ganze Illegalität austrocknen, in dem man den Konsum unter staatliche Kontrolle stellt und Psychologen, Sozialarbeiter und Juristen darüber wachen lässt, so wie in Portugal. Wenn Menschen etwas konsumieren wollen, tun sie das, egal, ob es legal ist oder nicht. So zu tun, als ob das allesamt Verbrechen wären, nutzt aber keinem.

Denn indem ich diese Menschen kriminalisiere, schließe ich sie von der Teilhabe an der Gesellschaft aus, ohne herausgefunden zu haben, wie wertvoll sie eventuell für diese sein könnten. Das ist dumm, wenn ich doch Fachkräftemangel beklage und überdies die Kosten bedenke, die dieser tägliche Kleinkrieg gegen die Drogen erzeugt. Der dabei erzeugte volkswirtschaftliche Schaden wiegt viel schwerer, als der durch Alkohol und Tabak. Denkt doch einfach mal drüber nach.Gute Nacht.

Bin ich ein Spießer?

Ich weiß gar nicht so recht, ob dieser Begriff – früher mal als Schimpfwort für die Ewiggestrigen verstanden – heute überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hat. Wer sich ein bisschen mit Sozialwissenschaft auskennt, dem ist bewusst, dass es die früher gerne propagierten „Klassen“ gar nicht mehr gibt, sondern dass man das jetzt „Sozialmilieu“ nennt und das die Unterscheidung in „besitzend“ und „nicht besitzend“ mit Bezug auf Produktionsmittel im Marx’schen Sinne wohl kein taugliches Unterscheidungsmerkmal mehr ist. Daraus folgt, dass sich die Unterscheidungskriterien für eine soziale Einordnung teilweise verflüchtigt haben. An denen hat man übrigens früher auch die Parteipräferenz ablesen können (wollen). Wenn man bedenkt, dass Mannheim-Nord früher eine rote Hochburg war, ist ein AfD-Direktmandat dort zunächst ein wenig irritierend, oder?

Ist es nicht, denn es gibt ja keine klassische Arbeiterklasse mehr, die SPD wählt. Die gab es übrigens noch nie. Kleinbürgerliche Milieus (das, was man gerne als Spießer beschimpft hat), waren schon immer an Beständigkeit, Besitzstandswahrung und dem Erhalt bestimmter Normen und Werte interessiert. Früher, in Zeiten des Überflusses und der Zollbarrieren bedeutete die SPD für den kleinen Mann diesbezüglich sowas wie eine sichere Bank. Aber die Zeiten ändern sich und speziell die fast schon auferstanden geglaubten Sozen haben nie ein passendes Narrativ für ihre ehemaligen Anhänger gefunden, dass diesen Wandel und was er so mit sich bringen würde in positiven Bezug zur Partei und deren Handeln hätte setzen können. Sie konnten einfach nicht erklären, was da mit der Welt passiert, was das für Deutschland bedeutet und wie sie damit umgehen würden, um es für die Menschen ein wenig leichter zu machen. Denn schwerer wird es für die einfachen Leute in einer globalisierten Welt von ganz alleine.

Spießer, das waren früher diese eher proletarischen Kleinbürger und die Mittelschicht, die sich eher durch den Wirtschaftsliberalismus der CDU (oder auch der FDP) repräsentiert sahen. Heute ist die Welt nicht mehr so einfach. Heute könnte man einen Spießer aber als eher wertkonservativen, an Besitzstandswahrung in Einklang mit ökologischen Gesichtspunkten orientierten und die Zukunft eher ängstlich beobachtenden Menschen beschreiben. Schließlich kann man bei ständigem Konsum der Nachrichten nur zu dem Schluss kommen, dass unser Lebensstil dem Untergang geweiht ist.

Ich sage bewusst Lebensstil, denn wir verwechseln unsere Art zu leben gerne mit Leitkultur. Was bitte schön hat an meiner Art zu leben die Qualität, Standard für die Allgemeinheit sein zu können, bzw. zu müssen; was auch immer „die Allgemeinheit“ sein soll. Ich teile meinen Lebensstil, oder das, was man nach außen davon mitbekommen kann mit vielen anderen Landsleuten, aber das macht diesen weder besser, noch schlechter, als irgendeinen anderen.

Was nun die Frage nach meiner Spießigkeit angeht: ich möchte bestimmte Werte und Normen auch geschützt sehen; zum Beispiel Demokratie, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit (zumindest das gleichwohl geringe Maß, welches gegenwärtig zu realisieren wir im Stande sind), und noch einiges mehr. Ich würde mich freuen, wenn unser Staatswesen auch fürderhin die Rahmenbedingungen böte, in denen ich mit meiner Arbeit einen substantiellen Beitrag zum Unterhalt meiner Familie erbringen kann. Und ich fände es schön, wenn wir endlich zu mehr Nachhaltigkeit und ökologischer Orientierung beim wirtschaften kämen.

Ich habe jedoch KEINE Angst vor der Zukunft und ich denke, dass wir uns in mancherlei Hinsicht endlich vorwärts bewegen müssen (insbesondere bei der Energiewende, der Stadtplanung und der individuellen Mobilität); und dabei gleich noch die Macht der Lobbyisten brechen. Das ist der Schlüssel dazu, die endlose Gewaltspirale beim geopolitischen Kampf-Schach zu brechen, das es in den meisten Fällen nur gibt, weil Interessengruppen aus Habgier Einfluss auf die Politik nehmen können. Ich bin also eher ein Halb-Spießer. Ich hoffe, dass ist für euch ein Anfang. Vielleicht schaffe ich es ja noch, mich ganz zu entspießern, bevor ich erwachsen werde. Bin ja erst 43…

Urlaub mit Kindern…

Jeder, der Kinder im Alter meiner Töchter hat (sie sind gegenwärtig 4 und 8 Jahre alt) kennt das: Man möchte sich im Urlaub mal etwas anschauen und kaum, dass der Motor ein paar Minuten läuft, geht das Genöle los. Sind wir bald da? Müssen wir da hin? Mir ist schlecht! Ich habe Hunger! Und so weiter und so fort. Wir Erwachsenen sagen dann, ja das muss, denn alle Tage in der Sonne liegen bis man gar ist, oder im Pool dümpeln, bis die Haut schrumpelig wird verliert irgendwann, zumindest für meine Frau und mich, seinen Reiz. Ich will nicht sagen, dass eine kleine Portion Müßiggang nicht sehr erholsam wäre. Ab und zu auch gerne eine Große. Aber ich kann nicht 14 Tage am Stück, oder gar länger einfach nur auf der faulen Haut liegen und gar nichts tun; mein Gehirn fängt nämlich, wenn’s nix zu schaffen hat irgendwann ganz von alleine an, zu joggen, weil es Bewegung braucht.

Auch mein Körper kann Bewegung gut gebrauchen, aber wenn mein Geist nix zu tun kriegt, werde ich recht schnell mufflig. Die Welt unserer Kinder jedoch dreht sich um vollkommen andere Bedürfnisse. Die interessieren sich nicht für Kulturschätze und alte Steine. Die Faszination jener Profan- oder Sakralbauten, bei denen es mich im Auslösefinger meiner Kamera juckt, kann meine Kinder bislang nur selten erfassen; und Museen gehen gar nicht. Was also tun, sprach Papa?

Wir versuchen es mittlerweile – allerdings mit sehr stark variierendem Erfolg – mit einem halbwegs guten Mix, der den Kindern genug Zeit für den Pool und anderes lässt, planen Essenspausen ein und beziehen sie in manche Entscheidungen mit ein. Wer selbst gesagt hat, er möchte da noch hoch marschieren, tut sich hinterher mit dem Nölen (etwas) schwerer. Immerhin, während die Kinder ihren Spielen und sonstigem nachgehen, komme ich dazu, zur Abwechslung mal wieder etwas zu lesen, dass mit meinem Studium nichts zu tun hat. Dieses neigt sich ja Gott sei’s gedankt, auch dem Ende zu.

Der Geist ist gefüttert, der Körper bewegt – läuft also. Wenn jedoch jemand noch ein paar gute Tipps für mich hätte, wie man die lieben Kleinen (Blagen) noch etwas besser compliant bekommt, wäöre ich durchaus dankbar. Aber bitte nur ernst gemeinte Zuschriften. Denn Haldol als Raumspray wird nie eine Zulassung bekommen… 😉

TEAM – Toll, ein Anderer macht‘s…?

Es ist schon ein Kreuz in unserer modernen Welt. Permanent wird von einem verlangt, dass man mit anderen zusammenarbeitet. Dauernd werden Aufgaben gesplittet und/oder neu zugeschnitten, Zuständigkeiten hin- und hergeschoben und Ziele neu definiert. Ich arbeite in einer Branche, in der solche Dinge eigentlich kaum vorkommen, denn als Healthcare Professional ist man zumeist, zumindest in dem Segment, in dem ich seit langer Zeit tätig bin, unter Tage (manchmal auch über die Nacht) sein eigener Chef. Zumindest so lange man nicht in die Verlegenheit kommt, irgendetwas organisieren zu müssen. Ab dem Moment allerdings, da einem Koordinationsaufgaben zukommen, ist es mit der Ruhe und Gemütlichkeit vorbei.

Koordinieren bedeutet in aller Regel, dass man dafür sorgt, dass unterschiedliche Komponenten bzw. Menschen in komplexen Organisationen gut miteinander funktionieren. Oder aber die Schnittstellen zu anderen Organisationen dasselbe tun. Klingt einfach, oder? Wenn man heutzutage irgendwelche Periodika liest, die sich auch mit der Arbeitswelt befassen, dann wirkt es so, als wenn mittlerweile jeder Mensch nur noch mit Kreativsein oder Koordinieren beschäftigt wäre. Was für ein Bullshit! Denn die allermeisten Menschen überschätzen Ihre individuelle Wichtigkeit – und vor allem die Relevanz ihrer geleisteten Arbeit. Sachbearbeitung ist eine todlangweilige Angelegenheit und Bürokommunikation ist oft unnötig weitschweifig und wenig zielorientiert. Manchmal muss man über Sachverhalte reden, die eigentlich die ventilierte Luft nicht wert sind – schlicht weil Menschen halt Menschen sind und es manchmal nicht auf die Reihe bekommen, privates und geschäftliches sauber zu trennen. Zumindest in sozialen Berufen ist dies scheinbar dauernd der Fall.

Mein Job ist kaum anders. Ich habe drei unterschiedliche Einsatzbereiche und zwei davon haben viel mit Kommunikation und Koordination zu tun. Über den einen rede ich nicht mehr sehr gerne, weil ich damit – zumindest mental – abgeschlossen habe. An einem Ort, an dem Engagement und Mitdenken sogar bestraft werden, investiere ich nur noch so viel Aufwand, wie unbedingt notwendig, um mit einem halbwegs guten Gewissen nach Hause gehen zu können. Gott sei Dank ist dies ein Ort, an dem ich nur noch selten eingesetzt werde. An meinem Hauptarbeitsplatz jedoch, den ich sehr gerne aufsuche entstehen in letzter Zeit auch Probleme, die mir zu denken geben.

Natürlich haben diese Probleme mit einigen der Menschen zu tun, auf die ich dort regelmäßig treffe. Die Büroeinrichtung hat mir jedenfalls noch nie etwas getan. Arbeitgeber im Gesundheitswesen neigen dazu Menschen anzuziehen, die ein gewisses Maß an Individualismus und, nun sagen wir mal „Schrägheit“ an den Tag legen. Die tatsächlich eher flachen Hierarchien und üblichen Sozialformen scheinen einem bestimmten Menschenschlag eine gute Heimat zu bieten. Jedenfalls liegt das Problem in der – wie oben bereits erwähnt – überall geforderten Teamarbeit. Auf dem Rettungswagen ist das zumeist kein Thema, denn es gibt eng umrissene Ziele und Wege dahin. Wenn es allerdings um betriebliche Bildungs-Koordination geht…

Sagen wir mal so. Jeder kann größere Teamorientierung fordern. Tun sie alle, dauernd, vehement. Diese Teamorientierung auch zu leben, vulgo größtmögliche Informationstransparenz herzustellen, damit immer alle die notwendigen Infos und Ressourcen zur Verfügung haben, klappt allerdings nicht so gut. Ob das nun daran liegt, dass ein Team mit drei Alphas einfach nicht funktionieren kann, weil jeder meint, die größte Regelungskompetenz innezuhaben, oder doch eher an unterschiedlichen Mindsets der Protagonisten, weiß ich nicht. Ich kenne meine eigenen Fehler gut genug, um zu wissen, dass ich diesbezüglich definitiv keinen Heiligenschein aufhabe. Aber was mich ankäst, sind Menschen, die mehr Teamorientierung einfordern, im Gegenzug ihre eigene Bringschuld jedoch in keinster Weise erfüllen. Da hört der Spaß auf!

Was ich jetzt deswegen mache? Noch keine Ahnung, aber so geht das nicht weiter…