Ego-Trip

Hat Jan Vermeer seine Gemälde gemalt, damit diese in einem Museum hängen, und dort zur Aufgabe für Schüler*innen auf Exkursion gemacht werden, oder aber sogenannten Bildungsbürgern zur Selbstkulturation dienen? Keine Ahnung, aber das Rijksmuseum in Amsterdam hat dem Geheimnisvollen aus Delft eine Ausstellung gewidmet, wie es diese noch nicht gab. Und die Leute strömen dorthin. Angeblich sind die Karten dafür schon jetzt ausverkauft; ich werde also nicht in den Genuß kommen können. Andererseits kann man „Meisje met de parel“ auch so zu sehen bekommen. Nur halt nicht im Original. Aber eigentlich interessiert MICH auch viel mehr, WARUM er gemalt hat, und nicht was er gemalt hat! Und mich interessiert auch nicht unbedingt Vermeer als solcher – über den wird nur zufällig gerade jetzt überall geschrieben, auf Grund der oben erwähnten Werkschau. Mich interessiert, was Künstler dazu animiert, Kunst zu schaffen; oder besser was Kreative zur Kreativität anregt und bewegt?

Einfach nur geknipst, oder…

Denn unsere zeitgenössische Kultur ist seltsam. Einerseits streben nicht wenige (junge) Menschen danach, durch den Ausdruck ihrer Kreativität ihr Geld verdienen zu können; Youtuber, Instagrammer, Tiktoker, etc.; social media ist für viele zumindest gedanklich ein gangbarer Weg vorbei an einem Leben voll fremdbestimmter Lohnsklaverei. Dass es nicht allzuviele schaffen, liegt am bereits lange existenten Überangebot an solcherlei Typen und Tussen. Ich halte ja mit der Kritik an den Influenzeranzien keinesfalls hinter dem Berg. Nicht jedoch, weil ich ich ihre Motive für schlecht halte. Jeder Mensch braucht am Ende des Tages was zu beißen, was zum anziehen und ein halbwegs ordentlich temperiertes Dach über dem Kopf. Den Weg dahin muss jeder selbst finden, und Werbung zu machen (denn was anderes ist In-flunker-enzern ja nicht) ist so gut oder so schlecht wie alles andere. Es sieht nur so aus, als wenn die nicht arbeiten. Diese Arbeit ist nur anders. Ich mag die Idee des Influencens deswegen nicht, weil es unredlich ist, Werbung nicht einfach Werbung zu nennen und unbedarften Menschen (von denen es eine ganze Menge gibt) irgendwas vorzugaukeln. Und weil allzu viele Influenzeranzien dabei auch noch ein schlechtes Beispiel abliefern, obwohl ihnen bewusst sein könnte, dass sie für viele Follower*innen Idole sind – in einer Zeit, die einen beklagenswerten Mangel an echten Vorbildern aufweist. Das Traurige daran ist, dass dies oft nicht aus Absicht geschieht, sondern aus einem bemerkenswerten Mangel an Selbstreflexion…

Andererseits wird öffentlich dargebotener künstlerischer, oder kreativer Ausdruck, der nicht offenkundig dem Broterwerb dient, häufig als arrogant konnotiert wahrgenommen: „Du denkst wohl, du bist was besseres…?“ Wie Schizo ist DAS denn? Ich werde immer mal wieder gefragt, warum ich denn bloggen würde? Nun, zunächst weil es mir Spaß macht, mich mit Worten auszutoben, Anderen meine Fotografien zu zeigen und damit vielleicht eine Reaktion zu provozieren. Kreativer Ausdruck war nämlich schon immer dazu gedacht, Menschen zum Nachdenken anzuregen. Selbst in manchem Hollywood-Blockbuster steckt jener Stoff, der Reflexion auslöst. Und wenn’s nur ein bisschen davon ist. Überdies bin ich arrogant genug anzunehmen, dass es da draußen ein paar Menschen gibt, die meine Gedanken, Ideen, Einsichten interessant genug finden, sich damit auseinandersetzen zu wollen. Ich habe irgendwann schon mal öffentlich gesagt, dass, wenn ich auch nur einen einzigen Menschen durch mein Schreiben, meine Bilder, meine Arbeit dazu ermächtigt hätte, besser werden zu können als zuvor, sich die ganze Mühe hier gelohnt hätte. Und dazu stehe ich bis heute. Für nichts anderes ist Kunst da – uns einen Spiegel vorzuhalten, und zur (Selbst)Reflexíon einzuladen! Auch wenn es gewissen Menschen evtl. an der Empfindungsfähigkeit fehlen mag, in manchen Arbeiten Kunst zu sehen. Der Zugang zu Jackson Pollock ist beispielsweise nicht ganz einfach zu finden, das will ich zugeben.

Ob das, was ich tue, tatsächlich als Kunst qualifiziert, müssen andere entscheiden. Kreative Energie fließt in jedem Fall hinein. Der Unterschied zu Influenzeranzien liegt vermutlich in der Motivation. Ich will und muss hiermit kein Geld verdienen. Ich bin vermutlich auch nicht hübsch genug, um das über die Antisozialen Medien tun zu können. Darum ist es mir aber auch noch nie gegangen. Ich spreche hier über das, was mich bewegt, wenn ich denke, dass es andere auch bewegen könnte. Und selbst, wenn ich, wie neulich in einem anderen Post erwähnt, online nur selten eine Reaktion auslöse, habe ich tatsächlich offline schon welche bekommen, die ich als ermutigend empfand. Deshalb mache ich weiter! Was nun das Foto oben angeht – glaubt irgendjemand ernsthaft, das sei nicht nachbearbeitet? Wozu zum Teufel sollte man dann die Daten im RAW-Format auf die SD-Karte fließen lassen? Selbstverständlich kuratiere auch ich solche Dinge – allerdings gaukele ich niemandem vor, dass ich morgens um 06:30 top gestyled Pilates mache, um DANACH einen top gestyleten Latte Macchiato zu trinken. Ich brauche den verf*****n Kaffee, BEVOR ich irgendwas Sinnvolles tun kann, ihr Narren…

Ich weiß ja nicht, wie viele Menschen auf diesen top-gefaketen Antisocial-Media-Wahnsinn reinfallen; wenn ich allerdings meine Erfahrungen mit unserer Spezies aus über 25 Jahren rettungsdienstlicher Einsatztätigkeit Revue passieren lasse, stimmt mich das leider NICHT sonderlich optmistisch. Sei’s drum. Vielleicht hat ja irgendjemand gerade zumindest mal angefangen, über seinen Medien-Konsum und die Zahl der kleinen Beeinflussungen, denen er oder sie tagtäglich zum Opfer fällt mal etwas intensiver nachzudenken. Und vielleicht entdeckt er oder sie ja eigenes kreatives Potential, dass dem etwas entgegensetzen könnte. Würde mich echt freuen. Einstweilen wünsche ich euch allen ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Bedenkenträgerei

Wenn man sich Entscheidungsprozesse anschaut, muss man manchmal feststellen, dass wir Menschen ganz schön bescheuert sind. Wir versuchen um’s Verrecken, den besten Deal, die optimale Lösung, den effizientesten Weg zu finden und vergeuden dabei Stunde um Stunde, Kalorie um Kalorie, Nerv um Nerv – nur um hinterher festzustellen, dass man die Zukunft nicht vorhersehen kann. JEDES. EINZELNE. MAL. Die undurchschaubare Grenze der nächsten Sekunde, a.k.a. die unsichtbare Mauer hinter dem JETZT bietet immer und für Jeden genug Stoff zur Selbstabarbeitung. Und Generation für Generation werden wir weiterhin daran scheitern. Das an sich wäre bestenfalls eine Betrachtung von forensisch-philosophischem Interesse, wenn nicht zufällig verschiedenste Prozesse in meinem Arbeitsumfeld ebenfalls mit enervierender Regelmäßigkeit davon betroffen wären. Aber wir Deutschen haben offensichtlich ein verhängnisvolles Faible dafür, die Dinge unnötig zu verkomplizieren und stets nach 100% zu streben, wenn 70% vollkommen ausreichen würden.

Auch das Streben nach Perfektion bedarf des Tuns…

In einer Leitungsposition ist man relativ oft damit beschäftigt, Ressourcen zu beschaffen, damit die geleiteten Mitarbeiter*innen den Workload friktionsfrei wegarbeiten können. Das können tangible Dinge wie Material und Geräte sein; ebenso oft aber geht es um Zeit und Raum. Pädagogische Arbeit braucht beides in nicht unerheblichem Maße, was beim Controller-Mensch immer wieder zu irritierten Nachfragen führt. Aber zu „Wenn’de mit Bananen wedelst, kommen halt nur Affen…!“ gehören halt nicht nur das ausgelobte Gehalt, sondern eben auch das Arbeitsumfeld, dessen Güte in wesentlichem Maße von der Verfügbarkeit der eben erwähnten Ressourcen abhängt. Und dann wird in irgendwelchen Gremien repititiv diskutiert, was in drei, fünf, sieben Jahren SEIN KÖNNTE. ICH. BIN. NICHT. NOSTRADAMUS, GOTTVERDAMMT! Ich weiß ja nicht mal sicher was in drei, fünf oder sieben Tagen, Wochen oder Monaten sein wird. Mir ist wohl bewusst, dass man für’s Geschäft eine Strategie braucht. Mir ist aber – und das ist witzigerweise eine Erkenntnis aus meinem liebsten Hobby, dem Pen’n’Paper-Storytelling – auch bewusst, dass jedwede Strategie, genau wie jedwede wissenschaftliche Erkenntnis immer nur ein Vorläufiges ist – nur ein Vorläufiges sein KANN! Weil – undurchschaubare Grenze der nächsten Sekunde.

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

(c) Reinhold Niebuhr

Nimmt man nun den Geist des Gelassenheitsgebetes von Niebuhr und die Erkenntnis um die Undurchschaubarkeit der Zukunft zusammen, bleibt einem eigentlich nichts anderes übrig, als dem Leben heiter und gelassen entgegen zu treten, und manchmal Dinge einfach zu tun, auch auf die Gefahr hin, hinterher sagen zu müssen, dass man sich geirrt hat! Nun wird mir der Controller-Mensch sofort antworten „Aber da hängen fiskalische Risiken dran, wir müssen doch einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften!“ Ja, kann sein… Jedoch NICHT zu investieren, seine ursprünglichen Ideen NICHT anzupassen, auf den oft unerwarteten Wandel NICHT angemessen nachjustierend zu reagieren, und manchmal auch einfach Dinge zu tun, von denen der ROI (Return of Investment) vorher NICHT klar ist, konstituiert ebenso fiskalische Risiken. Sie wirken sich buchhalterisch nur an anderer Stelle aus; z.B., indem ich wieder Geld für Personalakquise ausgeben muss. Oder für Marketing. Oder für den Insolvenzverwalter… [Für Zeit-Online-Abonnenten, hier ein Artikel zum Thema Heiterkeit.]

Ich glaube fest daran, dass dauernde Bedenkenträgerei ein Symptom dafür ist, sich zu sehr von der eigenen Amygdala regieren zu lassen – und darauf habe ich keine Lust mehr. Als Mensch, der aus eigener leidvoller Anschauung weiß, wie sich Depression anfühlt, ist es umso wertvoller, zu wissen, dass man sich dafür entscheiden kann, sich nicht Angst- und Bedenkenmotiviert durch das Leben und die Arbeit zu bewegen, sondern den Dingen aufgeschlossen und neugierig entgegen zu treten. Dass dabei zwangsläufig auch Fehler passieren, ist in der Tat unvermeidlicher Bestandteil der menschlichen Existenz. Und es wäre besser, wir erinnerten uns der Tatsache, dass wir ALLE Fehler machen. (Manchmal ist der erste, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen…) Wie man damit umgeht, also ob man eine Just Culture (ich übersetze das hier mal mit „Faire Fehlerkultur“) pflegt, oder aber gerne Leute punished, weil sie in gutem Glauben der Richtigkeit Ihres Handelns eine Entscheidung getroffen haben, die sich später als Mist herausstellt, ist eine Entscheidung, die ich niemandem abnehmen kann. Denkt man aber noch mal kurz über das bis hierher Gesagte nach, wird klar, dass alles andere als Just Culture das Wesen des Menschseins und das Wesen unserer Wahrnehmungsfähigkeit schlicht leugnet. Und das man manchmal mit 70% Effizienz loslegen sollte, weil auf nahe 100% zu kommen so viel Energie und Zeit verbrennen würde, dass man’s dann auch gleich ganz lassen kann. Ich habe jetzt nur noch ein Bedenken – nämlich das nach Sonntag Montag kommt und ich eigentlich noch nicht wieder bei 70% Akku bin. Versuchen wir trotzdem zusammen einen geschmeidigen Start in die kommende Woche.

Auch als Podcast…

10 years on the Blogroll…

Es mag nur eine subjektive Wahrnehmung von anekdotischer Evidenz meinerseits sein, aber für diese alten Augen dreht sich der öffentliche Diskursraum nur noch um die eigene Achse – und DIE ist auch noch ein Spiegel! Es gibt vereinzelte wissenschaftliche Befunde aus den letzten Jahren, die zumindest den Verdacht nahelegen, dass Social Media das Geltungsbedürfnis von Narzissten in besonderem Maße befriedigen hilft. Es wäre aber zu hoch gegriffen, zu behaupten, dass sich heute nur noch egomane Selbstdarsteller in den antisozialen Medien tummeln. Das sind nur jene die man wahrnimmt, weil sie posten bis die Maus glüht…! So weit so schlecht. Wenn man aber – wie ich – den Anspruch hat, NICHT so eine dogmatische Aufmerksamkeits-Nutte zu sein, wie manch andere Menschen, die kennenzulernen ich das zweifelhafte Vergnügen hatte, bedarf es vermutlich einiger argumentatorischer Stunts, um sich nicht selbst ins Abseits zu stellen. Immerhin bin ich schon seit rund 25 Jahren online präsent. Und ich habe mich nie gescheut, meine hier geposteten Gedanken auch in die semi-anonyme Halböffentlichkeit der antisozialen Medien zu zerren. Den Feind killt man am besten mit seinen eigenen Waffen, oder…?

runnin‘ up that hill…?

Ich durfte feststellen, dass die Seite in dieser Darreichungsform gestern ihren 10 Geburtstag hatte; und es wäre doch mal angemessen, sich zu fragen, was das hier eigentlich soll? Denn so ein Blogpost schreibt sich nicht von allein und auch ganz gewiss nicht in unter 10 Minuten. In aller Regel sind es eher so 1,5 – 2h, bis die Gedanken geordnet, der Text geschrieben, Beitragsbilder bearbeitet und der Podcast aufgezeichnet sind. Bei ein bis zwei Posts pro Woche wäre das ungefähr ein halber Arbeitstag. Und dafür braucht es schon eine gewisse Motivation. Manche verdienen so ihr Geld, haben aber andere Themen, einen anderen Workflow und nutzen alle Tricks, um Clicks zu generieren. Click-Baiting ist allerdings ebensowenig meins, wie Suchmaschinen-Optimierung. Nun könnte ich einfach sagen: „Ich bin halt eine Rampensau und will bewundert werden!“ Aber tatsächlich ist das nicht so, und dass ich nicht bewundert werde, kann ich sogar beweisen. Die Statistik lügt nicht. Ich habe fast 800 Beiträge geschrieben und hier in 10! Jahren weniger als 120 Kommentare bekommen. Selbst wenn ich früher auf Facebook (dem ich vor nunmehr über 10 Monaten den Rücken gekehrt habe) noch zweimal so viele Kommentare und Likes bekommen haben sollte, wäre das ein verdammt maues Echo für so viel Arbeit. An der Aufmerksamkeitsökonomie alleine kann es also nicht liegen. Vielleicht aber daran, dass mir einerseits die Inhalte, über die ich spreche am Herzen liegen und ich gerne Menschen zum darüber nachdenken anregen würde. Andererseits ist es für mich – und ich glaube, das schon mal irgendwo gesagt zu haben – so was wie Ergotherapie.

Also renne ich weiter, immer wieder und wieder mit meinen Gedanken und Gefühlen um die Wette diesen metaphorischen Hügel hinauf, in der vagen Hoffnung, etwas Ballast abwerfen und gleichsam anderen Menschen eine Gelegenheit zum Lernen und Wachsen bieten zu können, vielleicht auch selbst etwas lernen und wachsen zu dürfen – und damit meine ich ausdrücklich nicht meine Jahresringe! Ich sagte (oder schrieb) neulich, dass man zu echter Selbstreflexion dringend eines Spiegels bedürfe, der sich dann üblicherweise in anderen Menschen konstituiert. Deshalb ist ein anderer Teil meiner vagen Hoffnung auch, vielleicht irgendwann wieder zu konstruktiveren Diskussionen anregen zu können. Ich geißele hier ja nur zu gerne Dogmatiker, Egomanen, rechte Agitatoren, Influenzeranzien und anderes Online-Geschmeiss, dessen Geseiere und Gepose den öffentlichen Diskursraum leider zu weiten Teilen in oben erwähntes Narzissmus-verseuchtes Spiegelkabinett verwandelt hat, in dem die Meinung des Gegegnübers üblicherweise im televerbalen Klo runtergespült wird. Und es liegt anscheinend nicht in meiner Natur, das einfach so hinzunehmen. Ob das gut ist oder nicht, verrät mir vielleicht irgendwann das Licht; aber bis es soweit ist, bin ich hier und kämpfe meine Kämpfe: mit meinen inneren Dämonen, mit den dummen Menschen, die ich leider ohne Anstrengung sehen kann und den Auswirkungen einer Gesellschaft, die Solidarität und Verantwortungsbewusstsein zu Störfaktoren für’s Geschäft erklärt hat. Danke für nichts, ihr Anbeter von Mammon!

Gelegentlich sind ich und meine virtuelle Rosinante müde, denn oben auf dem Hügel warten ja doch nur die Windmühlen. Und dann…, dann erregt etwas meine Gedanken, meinen Ärger, meine Dämonen, und wieder bin ich dabei – Running up that hill! [Randbemerkung: es interessiert MICH einen Scheiß, ob ihr da draußen denkt, dass die Duffer-Brüder den Song in der 4. Staffel von „Stranger Things“ zu Recht oder unrecht, gut oder schlecht, oder als pösen Fanservice eingesetzt haben – denn der Song war vorher gut und ist es auch nachher! Und die Szenen mit „Max“ sind für mich der Hammer. Also kommt klar drauf – Ende Gelände!] Und mit diesen salbungsvollen Worten eines alternden Nerds seid herzlich begrüßt im nächsten Jahrzehnt von „My Madness Machine“. Schönen Samstag noch.

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°49 – Campaign prep…

Zuerst noch mal etwas Nomenklatur; aber keine Sorge, allzu theoretisch wird es nicht. Zoomen wir von groß nach klein. Jede Pen’n’Paper-Kampagne spielt an irgendeinem Ort, der sich in einem größeren Gefüge wiederfindet. Die meisten Regelwerke arbeiten mit einer eigenen Welt, oder mit einer eigenen Version der uns bekannten Welt. Im Bereich Fantasy sind es zumeist jedoch fiktive Kontinente und Länder, wie etwa Mittelerde. Die Welt, auf der meine gegenwärtige Fantasy-Kampagne spielt, heißt Ogaimos. Diese Welt hat eine eigene Geschichte, eigene Kulturen, eine Kosmologie (also Religionen, Mystizismus, Magie, etc.), sprich: alles (und etwas mehr), was wir hier und heute auch haben. Diese Gesamtheit übergeordneter erzählerischer Elemente nennt man Metaplot. Lasst euch davon nicht erschrecken, denn das Meiste davon braucht es am Anfang nicht. Aber mir als SL muss bewusst sein, dass eventuell irgendwann jemand danach fragt. Spätestens, wenn die Chars das Reisen anfangen, oder tiefer in den Metaplot einsteigen, passiert das automatisch. Ich muss davon aber nur soviel vorbereiten (oder lernen, wenn ich eine vorproduzierte Spielumgebung nutze), wie ich für die ersten Storybögen (also Einzelgeschichten innerhalb einer Kampagne) benötige. Storybögen oder Story Arcs sind dabei eingebettet in die Core Story, welche die Teile der Welt erzählt, die für die Chars direkt erlebbar sind.

(c) by Monika Merz

[Ein Beispiel: Die Chars treffen sich in der Stadt Villera, weil einer der Chars auf der Suche nach etwas wichtigem ist, das gestohlen wurde. (=> erster Story Arc der Kampagne!). Bei der Suche danach stolpern sie über eine alte Verschwörung, welche der Stadt vor einiger Zeit einen anderen Herrscher beschert hatte, sowie eine neue Verschwörung und Intrigen, bei denen nun um diese Macht gerungen wird; hieraus entsteht eine Abfolge von einzelnen Story Arcs oder Abenteuern (=> Core Story der Kampagne!). Die Stadt Villera liegt ja aber nicht isoliert im Nirgendwo, sondern auf Ogaimos und hat gemeinsam mit dem Rest der Welt eine Geschichte, beherbergt Völker, Kulturen und Religionen, die miteinander interagieren; und aus dieser Geschichte heraus droht ein dunkler Gott, sich erneut zu erheben, indem er die Fürsten der Stadt, mehr oder weniger subtil, in einen Bürgerkrieg manipuliert (=> Metaplot der Welt/Kampagne!) Womit auch klar wird, was das Movens, bzw. der Motor dieser Geschichte ist: nämlich die Ambitionen, Ziele, Wünsche, Träume der NSCs, die momentan über die Stadt herrschen. Und die alle, welche sich gerade zufällig in der Gegend befinden, mit in ihre Machenschaften hineinziehen. Ich bot den Chars also am Anfang einen McGuffin, um sie für die aufziehende Dunkelheit zu interessieren; aber ab einem bestimmten Punkt haben sie sich selbst dafür entschieden, es ausfechten und die Stadt schützen zu wollen; jede*r einzelne aus ganz individuellen Motiven.]

Faltkarte in meinem Campaign Diary

Ich beginne für die Campaign Prep also in aller Regel mit einer (wie auch immer gearteten) Übersichtskarte des Ortes, an welchem sich die ersten Story Arcs abspielen und notiere mir die (zunächst) nicht ganz so wichtigen NSCs wie Stadtwachen, Ladenbesitzer, Wirte, Schmiede, etc. die der Welt Flair & Fluff geben, wenn man sie namentlich ansprechen kann. Flair & Fluff klingt vielleicht auf den ersten Blick unwichtiger als es tatsächlich ist; denn eine Spielwelt wird im Pen’n’Paper erst dann zu einer second World, zu einem glaubhaften Ort, wenn solche Details die „willing suspension of disbelief“ unterstützen. Namen sind wichtig! Wesenszüge sind wichtig! Stimme ist nicht unbedingt wichtig, gibt der Sache aber, wenn man das dosiert einsetzt eine gewisse Würze (Hinweis: da wir NICHT allesamt Voice Actors sind, wie etwa das Cast von „Critical Role“, kann so etwas auch leicht ins Lächerliche abgleiten! Bevor man es hier übertreibt, lässt man’s lieber sein!) Aus zunächst unwichtigen NSCs können mit der Zeit durchaus auch wichtige NSCs werden; das schlägt sich dann im Campaign Diary, also den fortlaufenden Aufzeichnungen nieder. Mehr oder weniger gleichzeitig mit der Karte entstehen auch die ersten Key-NSCs, also Nichtspieler-Figuren, welche den Lauf der Geschichte beeinflussen helfen, indem sie entweder die Chars unterstützen, oder zu deren Anatagonisten werden. Bei manchen ist das schon am Anfang klar, bei manchen entsteht die tatsächliche Rolle, die sie zu spielen haben erst im Laufe der Geschichte. Key-NSCs haben immer einen eigenen Stat-Block und eine wenig Hintergrundgeschichte verdient.

NSCs aus dem Campaign Diary

Schließlich brauche ich ja auch noch den Plotbus! Der Plotbus ist für mich ein Synonym für Einstiegspunkte in eine vom SL vorbereitete Geschichte, also den eigentlichen Content, mit dem die Spieler sich später auseinandersetzen müssen/wollen. Hier ein kurzer Hinweis: die bloße Existenz eines Plotbusses ist KEIN Indikator für Railroading, sondern dafür, dass sich der SL vor Beginn des Abenteuers Gedanken darüber gemacht hat, was er seinen Spielern heute zu servieren gedenkt. Der Plotbus kann sich etwa in einem klassischen Questgeber konstituieren, in einer zunächst willkürlich erscheinenden Begegnung, die Fragen aufwirft, oder im Auffinden einer außergewöhnlichen Situation (Tatort o.Ä.). Das WIE ist dabei nur insofern interessant, als es zum WAS hinleiten sollte. Wenn ich möchte, dass die Chars einen Mord untersuchen, dann sollten sie in einer Weise über den Tatort stolpern, die Interesse oder persönliche Betroffenheit erregt. Wenn ein gestohlener Gegenstand wiederbeschaft werden soll, ist es vollkommen OK, einem der Chars direkt diesen Auftrag zu geben. Und wenn man möchte, dass sie eine geheime Schmugglerbasis im Innern einer Insel im Wolkenozean erforschen, dann plaziert man auch mal eine Vision über drohendes Unheil… [Eine persönliche Anmerkung: ob ihr, so wie hier bei mir zu sehen ein analoges Journal nutzt, oder irgendeine digitale Form, ist reine Geschmacksfrage; wichtig ist, dass das Journal regelmäßig gepflegt und mit den wichtigen Infos gefüttert wird. Insbesondere wenn NSCs sich entwickeln, muss dem ausreichend Platz eingeräumt werden, denn diese Art des Kampagnen- und Abenteuer-Designs ist zum allergrößten Teil Charakter-getrieben].

Apropos geheime Schmugglerbasis… 😉

Und damit sind wir mit der Kampagne auch schon soweit, dass man starten kann. Es ist natürlich durchaus clever, mehr Content vorzubereiten, als nur das erste Abenteuer. Aber manchmal muss man seine Spieler erst mal antesten, wie sie mit neuen Gegebenheiten, einer neuen Kampagnenidee, neuen Chars umgehen. Nicht jede Idee, die auf eurem SL-Papier toll aussieht, funktioniert auch für eure Spieler! Was aber einmal als Campaign-Prep niedergeschrieben wurde, bleibt verfügbar. Wenn’s jetzt nicht zündet, kann das in sechs Monaten schon ganz anders aussehen. Prep-Time ist also nie verschwendet. Und – sich selbst mal zu recyceln, ist definitiv nicht verboten! Insofern sind die Campaign Diaries das Herzstück der SL-Arbeit, weil sich dort alsbald alle relevanten Informationen zusammen finden. Eine gute Buchführung erleichtert überdies auch die „Session Prep“ erheblich. Doch damit wollen wir uns nächstes Mal in dieser Serie auseinandersetzen. Einstweilen gilt – always game on!

Auch als Podcast…

Gaming rules!

Leute, die schon in den 90ern Nerds waren, haben einen etwas anderen Blickwinkel auf die heutige Medienlandschaft. Viele Stoffe, viele Sujets, die heute z.B. durch die weitgehende Flixisierung des Produktionsbetriebes zum Mainstream-Gut geworden sind, gab es damals in deutlich geringerer Zahl; und sie fanden zumeist höchstens unter erheblich erschwerten Umständen den Weg auf die Mattscheibe. Ich werde jetzt nicht zu einer Elegie auf die Entweihung MEINES Nerdtums anheben, denn im Grund freut es mich, dass der nicht selten abseitige Humor und die Themen aus dem Reich der Fantasie, welche heute in großer Zahl die Datenbanken der Streamingdienste sowie Spieleentwickler und Regale der Buchläden bevölkern, meinem persönlichen Geschmack deutlich mehr entgegenkommen, als der Tatort oder Rosamunde Pilcher-Verfilmungen – und ich nenne beides mit Absicht in einem Atemzug! Aber, jedes Tierchen hat ja bekanntermaßen sein Pläsierchen, und über Geschmack soll man nicht streiten; es sei denn, man hat sonst keine Hobbies.

Chaotisch schön!

Es erscheint mir jedenfalls bemerkenswert, dass Science-Fiction, Fantasy, Mystery und Horror, oder jede Mischspielart dazwischen heutzutage nicht nur salonfähig, sondern streckenweise sogar ausgesprochen erfolgreich geworden sind. Es wirkt ein bisschen so, als wenn es schon immer mehr Nerds gab, als man anzunehmen gewagt hätte. Oder es ist einfach so ein Generationswechsel-Ding. Letztlich ist die Informations-Verfügbarkeit durch das Internet wesentlich größer geworden, was es mehr Menschen ermöglicht, mit Themen in Berührung zu kommen (und sich bei Interesse auch mit diesen auseinanderzusetzen), als dies VOR den Siegeszügen des Heimcomputers und des Smartphones der Fall gewesen war. Zeitgeist als Spiegel des Kuturschaffens hat sich einmal mehr gewandelt und ein Zeitalter ausgespien, in welchem es „chic“ ist, auch mit Ende 40, Anfang 50 noch Dinge „nice“ finden zu dürfen, die frühere Generationen einfach als Kinderkram abgetan hätten. Ich denke tatsächlich, dass es teilweise dem überall vorherrschenden Jugendwahn zu verdanken ist, dass heute so was wie „Stranger Things“ derart heftig trenden kann.

Aber Jugendwahn, dass sind doch übergut abgehangene, nur im Kopf noch knackige, durch Höhen- oder Mittelmeersonne zur Knusprigkeit veredelte Körper, die sich zwanghaft in Pellen zwängen müssen, die mit viel Wohlwollen an extrem sportlichen 20-Jährigen noch halbwegs tragbar aussehen könnten, ohne die derart aufgetakelte Person vollkommen zu entwürdigen, oder? Untote, an peinlicher Lächerlichkeit kaum zu überbietende Körperwelten-Vorschauen, die den öffentlichen Raum mit ihrer Anwesenheit zum Fremdschäm-Minenfeld degradieren? So was in der Art? Sagen wir mal so: das sind nur äußere Zeichen von Verleugnung; was ich meine, erkläre ich gleich. Und damit das hier klargestellt ist: das ist kein Alte-Leute-Bashing, oder Gerontophobie; das ist eine Feststellung über einen gewissen Prozentsatz der Menschheit, der auf das Älterwerden als unausweichlichen Bestandteil dieser „entsetzlichen Viertelstunde, durchsetzt mit Augenblicken voller Köstlichkeiten“, als die Oscar Wilde das Leben zu titulieren beliebte einfach nicht klarkommt! Aber wenn man die zu feste schüttelt, damit sie’s merken, fallen ja womöglich Toupets, Implantate und Prothesen ab, also will ich mal nicht so sein! Die wollen ja auch nur spielen, nich…

Zurück zum Nerdstuff. Menschen meiner Generation sind anders sozialisiert worden, als die Alterskohorten davor. Und auch, wenn viele meiner Altersgenossen mit Fantasy, Sci-Fi, dem Tech-Kram und anderem Nerd-Stuff nicht so viel anfangen konnten, wie etwa ich, hatte ihr Geist dennoch ZUMINDEST DIE CHANCE, sich freier zu entwickeln, mehr von der Welt und den vielen Möglichkeiten in ihr wahrzunehmen, als jede Generation davor. Die Ernsthaftigkeit der Welt war für die Bewohner der entwickelten Industrienationen des Westens und für die wenigen Jahrzehnte nach ’45 zurückgefahren. Und jetzt, da wir langsam älter werden, ernten wir mit einem gewissen Glücksgefühl diese Früchte einer Lebensleichtigkeit, die gerade wieder hinter dem Horizont verschwindet. Ich weiß nicht, wie lange diese Phase der Verfügbarkeit von Nerd-Stuff noch anhält und ob es tatsächlich gerecht gegenüber dem Rest der Welt ist, diese so zu genießen. Und wer bin ich, dass ich hierzu Festlegungen treffen könnte? Muss jeder für sich selbst wissen, wie damit umzugehen sei. Doch die Regeln des Spiels, die Gaming Rules ändern sich einmal mehr, so wie sie das immer wieder tun. Wenigstens für den Moment gilt allerdings noch: gaming rules, Spielen ist mächtig, Spielen ist wichtig, und Spielen ist Teil des Sinns von Leben! Zumindst für einen Teil von uns Menschen, zu dem ich – vollkommen unzufälig – auch gehöre! Zocken und der Konsum (ja ihr hört richtig, ich konsumiere) von anderem, nicht selbst hergestelltem Nerd-Stuff sind für mich Teil meines Lebenstiles und essentiell notwendige Zutat, um auf den ganzen Scheiß, der ringsum passiert nicht vollends durchzuknallen! In diesem Sinne wünsche ich euch ein unterhalt- und erholsames Restwochenende. Vielleicht verratet ihr mir ja mal, was euch so erdet…?

Auch als Podcast…

META, Baby…!

Ich lebe im Moment in einer Welt, in der die Perspektive ständig wechselt. Das liegt nicht etwa am Einsatz bewußtseinserweiternder Mittel, hoher Reisegeschwindigkeit, oder etwa übergebühr hohem Medienkonsum, sondern daran, dass ich als Ausbilder für Ausbilder gefordert bin! Jede Person, die dazu aufgerufen ist, anderen etwas vermitteln zu wollen (oder zu müssen?), steht häufiger vor dem Problem, die eigenen Befindlichkeiten, Ideen, Überzeugungen und Wissensbestände hinterfragen zu müssen. Man kann das natürlich auch sein lassen, und einfach seine unhinterfragten Dogmen raushauen – dann wird’s halt oft Kacke. Denn so, wie sich die Welt ändert – was wir als gültigen Allgemeinplatz einfach mal stehen lassen dürfen – ändern sich auch die Bedingungen, zu denen das Leben so ganz allgemein stattfindet. Insbesondere im hochsensiblen Feld der Pädagogik. Wir arbeiten, wie die meisten anderen Wissenschaften auch, stets mit dem Vorläufigen; also Theorien, die auf Erkenntnissen basieren, die immer so lange als nicht widerlegt gelten, bis jemand bessere Erkenntnisse findet. (wer sich für eine Betractung hierzu interessiert: Thomas S. Kuhn, „The structure of scientific revolutions.“).

Es ist diese zwangsläufige Vorläufigkeit, die viele Menschen irritiert und dazu führt, dass man verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen immer wieder unterstellt, dass sie ja gar kein praktisch verwertbares Wissen produzieren würden. Das ist jedoch nicht wahr. Unsere ganze Existenz basiert auf Vorläufigkeiten – oder weiß irgendjemand da draußen zufällig genau, was morgen um 12:47:33 Ortszeit in Tokio passieren wird? Die Zukunft bleibt, allem Bemühen zum Trotze, eine ständige Unbekannte, die sich erst in dem Moment da sie passiert ist, in ein Gegebenes verwandelt hat. Manchmal mit, sehr viel öfter jedoch ohne unser Zutun. Unsere kleinen Affengehirne kommen anscheinend mit dieser Ambivalenz, Ambiguität, Unsicherheit, überhaupt mit dem DAZWISCHEN aber gar nicht gut klar! Weshalb wir immerzu nach sofort verfügbaren, möglichst einfachen, möglichst sicheren Lösungen und Plänen verlangen. Aber für das UNSICHERE gibt es keine Blaupause, für die Zukunft keinen alle Eventualitäten berücksichtigenden Plan, der uns sanft und sicher ans Ziel führt. Mal davon abgesehen, dass individuelle Ziele sich erheblich unterscheiden…

Es bedurfte in meinem Fall einiger Jahrzehnte, um dieses Maß an Einsicht und gelegentlich mittlerweile sogar Gelassenheit im Angesicht der undurchschaubaren Grenze der nächsten Sekunde zu erlangen. Was nichts über die Fähigkeit Anderer hierzu aussagt, denn diese Aussage ist ja nur anekdotische Evidenz. Wenn ich mich jedoch umsehe in den Debatten unserer Zeit, gleich auf welchem gesellschaftlichen Feld, dann komme ich nicht umhin, einen eklatanten Mangel an Einsicht in die eben ausgeführten Sachverhalte erkennen zu können. Und in einigen Fällen würde ich sogar ein bewusstes Ignorieren zum Vorantreiben der eigenen Agenda unterstellen wollen. Denn jede Menge Menschen da draußen, die den Wunsch nach der einfachen Antwort offenkundig instrumentalisieren, haben sowohl den Intellekt als auch die Fähigkeiten, zu den gleichen Schlüssen zu kommen, wie ich! Neurechte Vordenker und Agitatoren zum Beispiel. Aber das trifft eigentlich auf Vertreter jeder Himmelsrichtung im politischen Spektrum zu…

Wenn man aus der isometrischen Draufsicht wie beim guten alten Diablo auf die Sache blickt – also die Meta-Perspektive einnimmt, wie man heute so schön sagt – stellt man fest, dass man selbst seinen Ansprüchen auch nicht annähernd so oft gerecht wird, wie man sich das gerne erzählt. Das unbewusste Streben nach einer positiven Erzählung des eigenen Selbst steht uns beim Erreichen des hehren Zieles SELBSTREFLEXION also ziemlich oft im Weg. Man könnte sich jetzt also dazu hinreißen lassen, aus diesem Grunde die virtuelle Flinte ins Korn zu werfen, und mit einem metaphorischen Schulterzucken in die couchige Komfortzone der selbstgebauten Illusion von Sicherheit und Beständigkeit zurückkehren, um Wandel, der sich als automatisches Ergebnis des komplexen Systems „Menschheit“ ergibt immer und immer wieder als Bedrohung zu interpretieren – mit dem Ergebnis, dass man entweder zum Nazi wird, in Schockstarre verharrt oder der Depression anheimfällt. Das ist mir als Lösung aber zu billig: Depression kenne ich schon aus eigener Anschauung und habe keinen Bock mehr darauf. Schockstarre widerspricht 100% meinem Selbstbild als Macher und Problemlöser! Und Nazis sind und bleiben für immerdar Scheiße!

Also krieche ich einmal mehr mit Mühe auf die Meta-Ebene und schaue mir in einem selbstgefälligen Anfall von Masochismus jene Dinge an, die ich in den letzten Wochen so verzapft habe. Zum Kritisieren findet man natürlich immer was; hier hätte man schneller, dort ein wenig präziser und obenrum ein bisschen feinfühliger sein können. Aber ich bin jetzt an dem Punkt zu sagen, dass 70% für die nächste Zeit reichen müssen. Und gönne mir, weil das auch mal sein muss, einen arroganten Spruch dazu: MEINE 70% müssen andere erst Mal erreichen! In diesem Sinne wünsche ich allen ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°44 – Wege durch unser Gehirn

Kreativtechniken. Der Begriff suggeriert, dass jedes Wesen nur bestimmte Methoden braucht, um Wunderbares vollbringen zu können. Das ist natürlich eine Illusion, denn genausowenig, wie einen Yoga ohne das richtige Mindset gelassener, oder geringerer Alkoholkonsum automatisch zu einem besseren Menschen macht, genügt es natürlich NICHT, einer Anleitung aus dem Netz der Netze zu folgen, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Zumal derlei Heilsversprechen meist von der unheiligen Idee beseelt sind, dass wir alle unbedingt effektiver, produktiver, gesünder, gelassener, gewasmanwillter werden MÜSSTEN. Nur um uns dann – getreu Bukowski – noch etwas mehr abstrampeln zu können, um für jemand anderes einen Haufen Geld zu verdienen. Denn das ist es doch, worum es im Kern solcher Ratgeber immer geht – wirtschaftliche Leistung. Alles ist dem Primat des Gottes Mamon unterworfen. Erst haben wir uns säkularisiert, um das Joch der Ausnutzung durch die organisierte Kirche abwerfen zu können, die jahrhundertelang Macht absorbviert hat. Und dann haben wir diese Macht Menschen übertragen, die lediglich an etwas andere Formen von Ausnutzung glauben – Geld.

Im Grunde ist es vollkommen egal, welche der vielen Techniken zur Ausnutzung meines kreativen Problemlösungspotentials ich nutze; sofern ich die Früchte dieser Arbeit mir selbst zukommen lassen kann. Denn viel zu oft stehen das erzielte individuelle Salär, und was ein beliebiger Arbeitgeber mit der Leistung seiner Mitarbeiter erwirtschaften kann, in keinem Verhältnis zueinander. Oder aber, es wird schlicht kein Nutzen für die Menschen, oder sogar für die Gesellschaft als Ganzes hergestellt, sondern lediglich totes Fiatgeld Anderer gemehrt, die damit sehr lebendig um sich werfen. Aber das ist nur die (meine) halbe Wahrheit. Denn es gibt sehr wohl Aufgaben, die Kreativität fordern (und folglich auch Techniken benötigen, um diese Kreativität zu fördern), für die sich aus meiner Sicht die Anstrengung lohnt, und bei denen ich bereit bin, meine Energie zu teilen. Anderfalls wäre ich im Bereich (berufliche) Bildung im Gesundheitswesen vermutlich vollkommen falsch unterwegs.

Ich bilde im Moment wieder Praxisanleiter aus. Diese Woche habe ich sie in Prozesse eingeführt, die einem helfen, Lernaufgaben und Lerner zu analysieren, um halbwegs zielgenau zu den richtigen Unterrichtsabläufen und Methoden zu kommen; ich habe sie diese Methoden auch clustern lassen, um sich einen Überblick über die Möglichkeiten zu verschaffen. Und ganz Meta ihren Blick für das eigene Tun geschärft. Denn wenn Ausbilder, neben Kreativität, eines wirklich jeden Tag brauchen, ist das ein reflektierter Umgang mit den eigenen Vorstellungen, Ideen, Bedürnissen und Schwächen. Vor jedem Lehr-/Lern-Prozess steht die Selbstreflexion des Pädagogen! Ausbilder ausbilden zu müssen, ist die Königsklasse, die Formel 1 der Erwachsenenbildung; denn hier geht es zuvorderst um die (teilweise unbewussten) Vorstellungen, Einstellungen und auch Dogmen, die wir alle mit uns herumtragen. Und die den hochsensiblen Prozess des Ermöglichens, den Verfechter der konstruktivistischen Pädagogik zu inszenieren versuchen manchmal nicht nur negativ beeinflussen, sondern glatt verhindern.

Das Problem dabei ist, dass wir immer unsere Biographie mit in den Lehrsaal bringen. Und damit eine Menge Ballast, den abzuwerfen alles andere als leicht ist. Denn eine weitere Binse der konstruktivistischen Pädagogik ist, dass ICH andere Menschen nicht ändern kann! Ich kann ihnen nur den Spiegel vorhalten und hoffen, dass sie im Prozess ihre eigenen Problemstellen finden lernen. Prinzipiell können allerdings wesentlich mehr Menschen mit der richtigen Anleitung und Einstellung pädagogisch tätig werden, als man das auf den ersten Blick meinen wollen würde. Dazu bedarf es allerdings einerseits eines humanistisch-positiven Menschenbildes (und das sage ausgerechnet ich… 😉 ) und andererseits der richtigen mentalen Karten, um sich in seinem eigenen Kopf zurecht finden zu können. Beides kann man erwerben – nur nicht jeder Mensch gleich schnell und/oder gleich gut. Und Manche können das gar nicht… So oder so genügt es nicht, mal eben eine Mindmap hinzuschmieren und zu glauben, dann wüsste man Bescheid. Solche Prozesse brauchen Tiefe und Zeit. Womit wir wieder beim Gott Mamon wären. Denn Zeit ist, einem nach wie vor populären Slogan zufolge, Geld! Doch wann immer ich für Ressourcen kämpfe, sei es Zeit, Raum, Ausstattung, so renne ich an die Wand der „Wirtschaftlichkeitsberechnung“. Und jedes Mal, wenn ich meine pädagogischen Ansprüche auf diese Wand schreibe und mich selbst in der seltsamen Spiegelung betrachte, merke ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieser Selbstbetrug auffliegt. Denn es gibt KEINEN goldenen Mittelweg zwischen pädagogischer Qualität und wirtschaftlichem Sachzwang. Dieser Kompromiss bleibt immer ein fauler!

Auch als Podcast…

The weather outside is frightful…

Ich wähne mich fast immer einen wenig sentimentalen Menschen. Das ist natürlich falsch, denn es gibt sehr wohl Reize, die mich in besonderem Maße emotional triggern, so wie das bei fast jedem Anderen auch der Fall ist; man merkt es mir nur vielleicht nicht ganz so oft an, wenn ich das nicht möchte. Und natürlich hängt es vom jeweiligen sozialen Setting ab, was ich rauslasse und was nicht. Ich habe die Tage – einmal mehr – über Rollenübernahme nach George Herbert Mead gesprochen und dabei einen Vortragsstil gewählt, den ich schon öfter benutzt hatte, bin dieses Mal jedoch an einigen Stellen auf Grund des Zuhöhererkreises ein wenig tiefer eingestiegen. Dabei ist mir aufgefallen, dass es von den Dingen, die ich nicht explizit im Giftschrank meiner Seele eingeschlossen habe, nur Weniges gibt, womit ich hinsichtlich des Teilens mit Anderen ein Problem habe. Natürlich ist der Prozess dennoch selektiv, und ich erzähle gewiss nicht jedem Newbie im Arbeitsumfeld sogleich meine ganze Lebensgeschichte. Aber es wirft für mich eine Frage auf, die mich ein wenig unruhig macht: wenn ich manchmal schon Musik nutzen muss, um meine aufgestauten Emotionen rauslassen zu können, was ist dann da unten noch alles weggeschlossen?

Und dann ging ich gestern Abend nach einem Essen beim Italiener mit meiner besten Ehefrau von allen durch das Schneetreiben zurück nach Hause! Für unsere Gegend ein, in den letzten Jahren langsam seltener werdendes Ereignis, dass für mich jedoch immer ein Throwback in glücklichere Tage meiner Kindheit bedeutet. Eine Zeit, als ich die Last von Verantwortung und Verpflichtungen noch nicht kennengelernt hatte. Während meine Frau vor allem darüber besorgt war, wer am nächsten Morgen den Gehsteig würde räumen müssen, empfand ich einfach nur Freude. Denn für mich war es ein perfekter Abschluss eines schönen Abends, der quasi als Entschädigung für eine lange und anstrengende Arbeitswoche herhalten musste, in welcher die Zahl der aktuellen Probleme einmal mehr tendenziell eher zu- anstatt abgenommen hatte. Dieser Umstand macht manchmal zwangsweise aus meinem Herzen eine Mördergrube, weil ich eben nicht ALLES, was mich umtreibt zwanglos mit jemand anders diskutieren kann bzw. darf. Und da sind solche Momente, in denen die Sorgen kurz davontreiben dürfen, wie die Schneeflocken im Wind höchst kostbar und daher willkommen. Die Tatsache, dass ich dann heute Morgen den Gehssteig geräumt habe, tat dem keinen wirklichen Abbruch. Ich betrachte diese Wahrnehmung übrigens als Beweis, dass es im zuvor erwähnten Seelen-Giftschrank doch nicht ganz so schlimm aussehen kann, wenn etwas so einfaches und doch rätselhaftes wie Schnee mich glücklich machen kann. Was mich am meisten fasziniert, ist der akkustische Dämpfungseffekt. Die ganze Welt ringsum klingt irgendwie „eingepackt“ und damit weit weg, wenn Schnee in nennenswerter Menge irgendwo liegen bleibt. Ich interpretiere es so, dass dieses reduzierte Hören ein „Weit-weg“-Gefühl aufkommen lässt. Und seien wir doch mal ehrlich: wir alle wollen ab und zu einfach nur weit weg von alledem, was uns hier auf Trab, im Stress, zu beschäftigt zum leben hält – oder…?

Mittlerweile nutzen auch die Kinder den Wetterumschwung, und ich hänge wieder meinen Gedanken nach. Wie immer wollen einige Dinge erledigt, andere für die nächste Woche geplant werden, weil Bildungsarbeit oft kein Wochenende kennt. Aber just jetzt, wo ich die Bilder von gestern Abend noch einmal gesehen habe, ist der Entschluss gereift, dass ich das alles auch noch morgen tun kann. [Eine Anmerkung am Rande: ich bin wirklich positiv beeindruckt von der Qualität meiner Handycam! Die kommt natürlich in vielerlei Hinsicht nicht an die Abbildungsleistung meiner OMD heran, aber im Vergleich zu vor einigen Jahren kann man jetzt selbst im Dunkeln ganz achtbare Bilder machen.] Der Blick aus meinem Fenster offenbart immer noch ein Winterwonderland, dass mich lächeln lässt. Ich weiß gar nicht, warum dass so ist – und es ist auch vollkommen gleichgültig. Hauptsache, das gute Gefühl darf noch ein bisschen bleiben. Denn selbst mein eben erst abgelaufener Urlaub über Weihnachten und Sylvester konnte keine solche Stimmung zaubern, und ich will sie behalten! Natürlich wird die weiße Pracht angesichts der Örtlichkeit dank steigender Temperaturen bald verschwunden sein. Doch vielleicht konnten meine Lieben und ich bis dahin ein bisschen Winter tanken. So seltsam das auch klingen mag, gerade jetzt, brauchen wir das. Ich wünsche jedenfalls allen, die Schnee nicht mögen viel Langmut – und allen anderen ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°48 – Lizensiert…?

Es gibt so eine ungeschriebene Konvention, dass sich bestimmte Genres, bzw. bestimmte Settings nur mit den dafür vorgesehenen Regelwerken realisieren ließen. Wir wollen zur Abwechslung mal Vampire? Kein Thema, White Wolf hat da was im Angebot! Wir suchen nach der detailliertest möglichen Fantasy-Spielumgebung? Hey, gab’s da nicht DSA? Cyberpunk ist uns ohne Magie und Metamenschen zu öde? Auf auf, zum Schattenlauf! Das ließe sich jetzt sicher noch eine Weile fortführen, wenn ich Menschen langweilen wollte. Worauf’s hinausläuft ist Folgendes: allzu leicht mache ich im Hobbyumfeld das Ausleben MEINER Phantasie, MEINER Kreativität, MEINER schrägen Träume abhängig von der Verfügbarkeit eines Konsumproduktes. Denn hey, sorry falls ich da Illusionen zerstöre, jene Verlage, die Rollenspiel-Regelwerke herstellen und vertreiben, wollen damit Geld verdienen! Das ist eine Industrie. Und spätestens seit DnD 5E dank der verstärkten Präsenz von Pen’n’Paper in den Mainstream-Medien boomt (siehe etwa ab 2016 „Stranger Things“), läuft das Geschäft wohl ganz gut.

Das führte in den vergangenen 20+ Jahren durch die sogenannte Open-Gaming-License 1.0 (gibt’s seit Edition 3) von Wizzards of the Coast (dem Hersteller von DnD) dazu, dass im Windschatten von DnD andere, artverwandte Regelwerke entstanden sind, welche sich der grundlegenden Spielmechaniken von DnD bedienen, aber eigenständig funktionieren – und für ihre jeweiligen Autoren Geld verdienen dürfen. Gleiches gilt für verschiedene Komplementär-Produkte wie Bücher, Magazine, You-Tube-Kanäle, Patreons und Anderes, bei denen das Geschäftsmodell auf der eben erwähnten OGL 1.0 basiert – die WOTC jetzt vermutlich durch eine neue Version ersetzen wird, die – wenn man den geleakten Dokumenten glauben möchte – faktisch die Arbeit all dieser Fans zu deren Eigentum machen würde. Zumindest wird das gerade befürchtet. Es gibt den einen oder anderen You-Tube-Kanal, dem ich folge, weil ich mich für Rollenspiel nun mal interessiere, und vieles, was in DnD wahr ist auch in anderen Regelwerken gilt; und zwar vollkommen unabhängig von den regelmechnischen Aspekten. Und die könnten nun alle verschwinden…

Wenn ich sage, dass ich das traurig finde, geht es mir natürlich auch um den Umstand, dass man da ein paar Menschen ohne größere Not einfach mal die Lebensgrundlage killt. Vor allem aber führt es einem drastisch vor Augen, dass selbst ein – immer noch – relatives Nischenhobby nicht davor gefeit ist, auf Teufel komm raus monetarisiert werden zu müssen. Dass ist, was ich meinte, als ich eingangs vom sich-abhängig-machen von Konsum-Produkten sprach. Es ergeben sich immer Auswirkungen auf das Tun und Lassen der jeweiligen Fanbase, wenn es zu wirtschaftlich motivierten Verwerfungen im Kosmos eines bestimmten Franchises kommt; und da ist es vollkommen egal, ob sich’s dabei um diese neue, geile Serie auf Flix, Prime oder Plus handelt, oder eben um das favorisierte Pen’n’Paper-Regelwerk.

Vor diesem Hintergrund bin ich dann doch ganz froh, dass ich in den letzten 25 Jahren ein eigenes Regelwerk entwickelt und gepflegt habe, dass mit Costum-Anpassungen an verschiedene Settings und mehreren zeitgleich gespielten Kampagnen zwar nur einem sehr kleinen Personenkreis bekannt ist – dafür aber nix extra kostet, außer Zeit und Ideen. Und das natürlich an den in meinen Runden vorherrschenden Style of Play angepasst ist. Wir probieren immer mal wieder etwas kommerzielles aus und natürlich stehen in meinem Regal auch verschiedene Systeme aus den letzten 30 Jahren, die selbstverständlich hier und da als Inspiration herhalten mussten. Und ich lasse mich auch gerne mal vom Zauber eines anderen Regelwerkes einfagen. Aber zumeist bleibt der Schuster bei seinen Leisten. Und ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass – sollte jemals jemand diese Regeln nutzen wollen – ich diese ohne große Probleme zur Verfügung stellen könnte. Ich vermarkte das nur nicht, da im Homebrew-PDF nicht nur gemeinfreie Artwork drin ist. Da es aber nur zum nicht-gewerblichen Hausgebrauch genutzt wird, entsteht da kein Urheberrechtsbruch.

Wie dem auch sei; ich fände es nice, wenn sich mehr Leute ihrer eigenen Kreativität und Fantasie bemächtigen, anstatt irgendeinem offenkundig hungriger gewordenen Konzern ihre Kohle in den Rachen zu werfen. Man sollte dazu vielleicht noch wissen, dass WOTC Hasbro gehört (ja, genau die, denen z. B auch „Transformers“, „Power Rangers“ und „My little Pony“ gehören – passt ja ganz gut zusammen, oder?). Ich weiß, dass Spielleiten nicht einfach ist. Darum schreibe ich hier ja ein Ratgeberbuch, dass nix kostet. Das eigene Spielleiten wird nämlich besser, wenn man nicht nur vorgefertigte Produkte nutzt, sondern eigene Module, Abenteuer und schließlich Kampagnen entwickelt. Denn was MEIN Tisch braucht, kann irgendein Designer bei WOTC oder irgendeinem anderen Hersteller gar nicht wissen! Vielleicht schreibe ich bis zum Jubiläumspost mal ein kleines How-To-Design. Nachdem ich jetzt mal wieder zwei Runden als SL fortführen konnte, und einige spontane Einfälle hatte, ist die Energie auch wieder da. In jedem Fall wünsche ich euch eine gute Woche. Wir hören uns und bis dahin – always game on!

Auch als Podcast…

Verdient…?

Es ist so eine typische alte deutsche Unart, dass man über Geld nicht spräche. Ich meine, seien wir doch mal ehrlich: spätestens mit den explodierenden Verbraucherpreisen für fast ALLES seit Beginn des völkerrechtswidrigen Überfalls Russlands auf die Ukraine IST Geld, oder besser der Mangel daran, in der öffentlichen Wahrnehmung überall. Was wird nicht über die teilweise existenziellen Probleme vieler Menschen geschrieben, gewettert, geweint, gewünscht, gewasweißichnochallest; aber mal über das eigene Gehalt bzw. dessen Höhe zu reden – da herrscht oft Fehlanzeige. Mir ist das ehrlich gesagt Wumpe, wenn jemand mein Gehalt kennt. Ich habe kein Non-Disclosure-Agreement darüber unterschrieben. Und ich finde es problematisch, wenn man Gehaltsintransparenz als Machtinstrument zu missbrauchen versucht. Und genau das passiert. Spätestens, wenn man sein Gehalt selbst verhandeln muss, weil es keinen Tarifvertrag gibt. Aber selbst mit Tarifvertrag gibt es Spielräume, die ausgeschöpft werden können. Auf meinem eigenen Gehaltszettel stehen im Moment übrigens rund 6000,00€ Brutto/Monat + Jahressonderzahlung, die einem 13. Monatsgehalt entspricht. Das Netto bei Lohnsteuer-Klasse 3 könnt ihr euch selbst ausrechnen. Und meine Frau hat ein eigenes Einkommen. Das ist, was ich meine, wenn ich sage, unsere Familie ist existenziell abgesichert. Aber ob ich VERDIENE, was ich BEKOMME, das steht auf einem ganz anderen Blatt Papier…

Das Leben treibt manchmal seltsame Blüten…

Ich sage ja immer, dass die Kommentarspalten oft viel interessanter sind, als die eigentlichen Artikel. ZON Arbeit hat einen Aufruf veröffentlicht, dass man sich doch anonym melden könne, um mitzuteilen, ob man seinen Arbeitgeber hinsichtlich der effektiven Arbeitszeit im Home-Office belüge. Wurde heute morgen veröffentlich (es ist ja nur in wenigen Bundesländern heute gesetzl. Feiertag, so etwa in Ba-Wü, wo ich wohne). Es gibt natürlich noch keine Ergebnisse, aber in den Kommentaren tauchte dann eben auch mehrfach die Aussage auf, dass man halt tue, worauf man lustig sei, sobald die eigentliche Arbeit (also vermutlich der zugewiesene Workload) erledigt sei. Das wirft ein paar Fragen auf, die ich hier nicht abschließend beantworten kann, weil die Antworten, welche andere geben könnten sehr individuell ausfallen dürften. Also ran an die Fragen:

  • Ist diesen Leuten klar, dass es sich bei solchem Verhalten, wenn man die aktuelle Gesetzeslage in Betracht zieht in einem Festanstellungsverhältnis ggfs. um Arbeitszeit-Betrug handelt, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt? (Ich frage für einen Freund…)
  • Wie misst man individuelle Workloads? Individuelle Performance differiert nämlich teilweise erheblich. Und manche Tätigkeit ist überhaupt nur schwer zu bemessen; nämlich eigentlich nur über abgeschlossene Projektschritte, nicht über die aufgewendete Zeit.
  • Wie misst man den betrieblichen Gegenwert individueller Workloads? (Ich verweise noch mal auf das eben Gesagte).
  • Wie bewerte ich bei der Entgeltung von Home-Office den Umstand, dass ca. 30% der täglichen Büroarbeitszeit (also knapp 2,5h bezogen auf einen 8h-Tag!) NICHT für Arbeit aufgewendet werden, sondern für informelle Gespräche, Kaffeeholen, etc.?
  • Ich formuliere schärfer – ist Präsentismus tatsächlich effektiver und produktiver?
  • Wie finde ich die sogenannten Low-Performer, egal ob in Präsenz oder im Home-Office?
  • Ist eine bestimmte Bandbreite der Performanz nicht eine logische Folge natürlicher Bandbreite des Mensch-Seins; also eine Folge von Genetik, Erziehung und Sozialisation? Also mithin von Vorbedingungen, auf die man am Arbeitsplatz nur sehr bedingt Einfluss nehmen kann?
  • Und wie geht man mit solchen qua-natürlichen Divergenzen um?

Letztenendes geht es darum, immer neu einen Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finden zu müssen, was sich immer häufiger als Problem darstellt. Ich habe selbst Personalverantwortung und ich würde von mir behaupten wollen, dass ich geneigt bin, Menschen mehr als eine Chance geben zu wollen. Aber auch ich habe äußere Begrenzungen, bin Einflüssen und Vorgaben unterworfen, die ich NICHT ignorieren kann. Und muss liefern. Oft genug entstehen daraus Konflikte, die ich nicht, oder aber nur unter Schmerzen und erheblichem persönlichem Einsatz lösen kann. Und ich stelle immer häufiger fest, dass ich nicht mehr bereit bin, einfach für andere mitzuperformen, weil auch ich physische und psychische Limits habe; ich habe das vergangenes Jahr bereits mehrfach schmerzhaft aufgezeigt bekommen. Und bin jetzt an dem Punkt, dass ich mich selbst schützen werde, auch wenn das bedeutet, Menschen vor den Kopf stoßen zu müssen.

Zurück zur Eingangsfrage: Verdient, oder nicht verdient, dass ist hier die Frage des Chefs? Wenn diese so einfach zu beantworten wäre (und ich habe in meiner Fragesammlung einige Komplexe des Organisations-Managements noch überhaupt nicht berührt), gäbe es nicht jene Menschen, die sich damit wissenschaftlich und beruflich beschäftigen. Wir sind also wieder mal beim leidigen Thema „Leistungsträger“ angekommen. Und was ich dazu an anekdotischer Evidenz aus meinem Tätigkeitsbereich (HiOrgs so ganz im allgemeinen) beitragen kann, wirft die dringende Frage auf, warum so vieles noch immer so verdammt unprofessionell, wurschtig, nach Nase und Lust anstatt Sachlage gehandhabt wird; und gefühlt viel zu oft Jene mit der größten Fresse und den lautesten Eigenwerbungs-Beiträgen weiterkommen, anstatt Jene, die einerseits erstmal nur ihren Job machen, andererseits aber stets bereit sind, reflektiert auf die Zukunft zuzugehen?

Sagte ich nun, ich hätte keine Ahnung, wäre das gelogen. Denn Fakt ist, dass erfolgreiches Verhalten imitiert wird (hier als erfolgreich im Sinne von, „bringt persönliches Vorankommen!“ zu verstehen, nicht jedoch im Sinne von „bringt die Organisation und alle Beteiligten voran!“). Und so reproduziert sich an entscheidenden Stellen oft Verhalten, das mit den prominent aufgehängten Lippenbekenntnissen aus irgendwelchen Leitbildern ungefähr so viel zu tun hat, wie Hackbraten mit Atomphysik. Geht man so reflektiert auf die Zukunft zu. Nö, wieso denn – Tradition ist doch Fortschritt genug, oder? Ob ich auf einen Lottogewinn hoffe, um mal ein paar Jahre was anderes machen zu können? Ja, irgendwie schon. Mal schauen. Ab Montag ist wieder Tretmühle angesagt. Euch ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…