Ich recycle mal eben Gedanken und Worte aus einem Post, der mittlerweile fast fünf Jahre auf dem Buckel hat (August 2020) und somit während der ersten Hochphase der Corona-Pandemie entstanden ist. Immerhin konnte man damals unter Auflagen im Inland Urlaub machen. Einiges ist nach wie vor – oder vielleicht eher WIEDER – hochaktuell, manches hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Diskussion ist heute allerdings eine andere, weil sich die Apologeten eines radikalen Wandels und die Die-Hard-Vertreter altmodischen Wirtschafts- und Führungs-Handelns mittlerweile unversöhnlicher gegenüber stehen, denn je. Und jetzt haben wir auch noch diese selbstverliebte, populistische Flitzpiepe Black-Rock-Fritze als Bundeskanzler. Kotzen könnt ich… Egal, los geht’s:

Tja, also, wie soll ich das denn jetzt sagen, aber… New Work ist nicht neu. Ganz im Gegenteil. Der geistige Vater der Angelegenheit Frithjof Bergmann hat die Grundlagen schon in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts beschrieben. Und auch, wenn bei weitem nicht alle seiner Ideen schon umgesetzt wurden (oder wir dies bald erleben werden), wächst die Zahl derer, die zu der Überzeugung gelangen, dass wir Arbeit im 21. Jahrhundert anders denken müssen. Langsam aber stetig... [Diese Überlegung muss ich - Stand Heute - differenzierter betrachten, da es zwar tatsächlich Leute mit großer Publicity gibt, die sich des Themas unter verschiedenen Vorzeichen annehmen. Doch die eigentlichen Ideen Bergmans spielen dabei kaum eine Rolle...]
Aber, was bedeutet das nun? Vordergründig geht es darum geht, dass abhängige Produktionsarbeit mehr und mehr von Maschinen erledigt wird und daraus natürlich die Frage entsteht, wie diese Menschen zukünftig ihren Broterwerb bestreiten sollen. Solche Entwicklungen zeichnen sich nun schon seit Jahrzehnten ab. Bergmanns Antwort darauf ist eine Mischung aus bedingungslosem Grundeinkommen durch Umschichtung der Einkünfte aus Güterproduktion und einer zunehmenden Selbstversorgung mit den essentiellen Dingen des Lebens. Diese Darstellung ist allerdings verkürzend und gewiss gibt es in seiner Denke einige wenige Überschneidungen mit der Philosophie des Kommunitarismus; es lässt sich jedoch sagen, dass er versucht hat, ein mögliches Ende der klassischen, abhängigen Lohnarbeit zu denken. Es geht ihm dabei explizit nicht nur um die Arbeit als solches, sondern um Fragen der Teilhabe und Freiheit. [Diese Betrachtungen sind zwar immer noch weitgehend wahr - nur dass deren Umsetzung heute zwar gelegentlich andiskutiert, aber niemals durchdekliniert wird, weil die Lobbyisten der Konzerne ALLES tun, um eine positive, ergebnisoffene Diskussion im Sinne der eigenen Gier von vornherein zu verhindern! Es darf in deren Weltsicht NICHTS existieren, dass die systemische Lohn-Abhängigkeit untergräbt, welche es erlaubt, weiter munter von unten nach oben zu verteilen!]
Heute wird unter New Work von den Meisten aber einfach nur alles verstanden, was beim Schuften nicht nach dem klassischen Muster abläuft: Home-Office, Mobile Work-Spaces, ungewöhnliche Arbeitszeitmodelle wie der 5h-Tag, digitaliserte Workflows, etc.; also zunächst mal Dinge, die nur mit Arbeitsorganisation zu tun haben. Tatsächlich greift, wenn man Bergmann aufmerksam liest, dieses Verständnis jedoch viel zu kurz. Arbeit, wie wir sie heute kennen, wird in vielen Bereichen in den nächsten Jahren fast ganz verschwinden, um in anderen neu zu entstehen. Die daraus entstehenden gesellschaftlichen Umwälzungen zeichnen sich schon lange ab. [Und obwohl diese Entwicklungen sich mit den Ereignissen der letzten Jahre noch verschärft haben, sieht man an vielen Orten mehr oder weniger ungelenke Versuche, das Rad der Zeit zurückzudrehen; die Ewiggestrigen sterben leider nur sehr langsam!]
Eine echte Entwicklung weg von abhängiger Lohnarbeit hin zu solidarisierter Arbeit ist leider bislang noch nicht zu konstatieren. Immer noch dreht sich, wenn irgendjemand den Begriff vollmundig ins Feld führt, so gut wie alles um Fragen der Arbeitsorganisation. Und ja, wir haben diesbezüglich auch immer noch ein erhebliches Kulturproblem, da nicht wenige Chefoide nach wie vor der irrigen Meinung sind, dass sie bei physisch anwesenden Hutständern besser beurteilen könnten, ob diese etwas arbeiten, oder nicht; also, ob diese Menschen effektiv etwas erwirtschaften. Nichts könnte – zumindest in meinem Geschäftsbereich – allerdings der Realität ferner sein. In der Tat wird Bildung als solche uno acto realisiert. Damit dieser komplexe soziale Prozess im Lehrsaal allerdings auch regelmäßig zu zufriedenstellendem Ergebnissen führen kann, sind umfangreiche Vorbereitungen und Nacharbeiten notwendig. Und ein erheblicher Teil dieser Arbeit bedarf eines Quantums Kreativität, die man allerdings oft nicht in einem Großraumbüro sitzend erreichen kann. Also ist Arbeitsorganisation – oder besser gesagt eine flexible Arbeitsorganisation – eine Voraussetzung für ein hohes Qualitätsniveau. Weshalb ich meinen Mitarbeiter*innen Freiheiten lasse, die es anderswo eher nicht gibt. Da kommt jetzt bestimmt gleich wieder so ein schlauer Dippelschisser um die Ecke und sagt: “Ja, wie willst DU denn beurteilen, ob die tatsächlich was für ihr Geld tun?” Und dem antworte ich dann Folgendes: indem ich, wie jeder halbwegs vernünftige Führungseumel mit Kennzahlen arbeite. Nun sind die bei Berufsfachschulen nicht so einfach zu definieren. Aber zwei harte Währungen gibt es: die Zahl der Menschen, welche die Ausbildung ohne Abschluss abbrechen (die ist bei uns unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt) und die Zahl der Examenskandidaten, die am Ende bestehen (die ist bei uns bislang sehr gut). Woraus folgt dass wir im Lehrsaal und bei der Schülerbetreuung sehr gute bis exzellente Arbeit leisten. Was sich auch darin widerspiegelt, dass unsere Schüler*innen sich, allen gelegentlichen Spannungen zum Trotz mit ihren Problemen oft genug vertrauensvoll an uns wenden. Da gestatte ich mir getrost mal zu sagen: meine Mitarbeiter*innen sind ihr Geld verdammt noch mal wert!
Immer mal wieder muss ich diese Diskussionen führen, weil man an bestimmten Stellen Angst hat, dass sich andere Menschen im Unternehmen – wohlgemerkt in vollkommen anderen Geschäftszweigen – durch die Freiheiten, welche in meinem Geschäftsbereich gelebt werden benachteiligt fühlen würden. Aber wir sind nicht alle gleich und wir machen nicht alle die gleiche Arbeit. Als ich noch “einfacher” Mitarbeiter im Rettungsdienst war, wäre ich nie auf die Idee gekommen, jemandem im Büro die Möglichkeit zur Remote-Work zu neiden. Mein Job bot andere Herausforderungen, aber auch andere Freiheiten. Wenn wir solche Neid-Debatten wirklich aufmachen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn Menschen sehr schnell anfangen, Neid zu entwickeln. Aber worauf? Darauf, dass ich halt gelegentlich um 08:00 nicht im Büro in der Dienststelle sitze, sondern in meinem Heimarbeitszimmer, welches zugegebenermaßen in manchen Punkten deutlich besser ausgestattet ist als das, was mir mein Arbeitgeber zur Verfügung stellt? Und mich genauso den lieben langen Tag mit teilweise sehr nervtötenden Aufgaben herumschlagen muss? Dass meine Kolleg*innen mich trotzdem stets erreichen, wenn was ist? Einzig das Pendeln fällt dann weg, weshalb ich an solchen Tagen etwas später aufstehe und dafür vom Start weg wesentlich wacher und produktiver bin; ich bin, zirkadian betrachtet halt eine Eule… Wenn mir jemand das wirklich neidet, lade ich herzlich dazu ein, mich mal zu begleiten. Glaubt mir: meinen Job wollt ihr auch im Home-Office nicht machen müssen! Ich fände es schön, wenn man davon weg käme, immerzu Gleichmacherei betreiben zu wollen, wo diese keinen Sinn ergibt. Z. B., wenn es um Remote-Work und flexiblere Arbeitszeiten geht. Denn die Lehrsäle sind trotzdem morgens pünktlich besetzt und laufen! Dieser Text entstand übrigens an dem gleichen Schreibtisch, an dem ich an solchen Tagen auch sitze/stehe – ihr seht, für die Arbeitsergonomie ist auch gesorgt. Und jetzt diskutieren wir aus, für wen sich Remote-Work eignet und für wen nicht. Und bei Gelegenheit sage ich auch noch was zu diesen frechen Cretins da draußen, die jeden Menschen, der seine Arbeitszeit zumindest teilweise im Büro verbringt als “Sesselpfurzer” bezeichnen, ohne irgendwas über Funktion und Leistung der Person zu wissen. In diesem Sinne – frohes Schaffen.