Benvenuti nelle Marche N°10 – Mad New World…

Menschsein ist anscheinend eine komplizierte Angelegenheit. Immer wieder steht man subjektiv vor der Herausforderung, seine eigenen Wünsche, Ziele, Bedürfnisse mit denen der anderen Menschen – insbesondere denen, die einem nahe sind – austarieren zu müssen. Objektiv jedoch scheint ein nicht geringer Prozentsatz der Menschoiden da draußen auf diese Verpflichtung zu scheißen, die sich daraus ergäbe, wenn wir wirklich unserer Nächsten Grenzen und Rechte achten würden. Anders lässt es sich kaum erklären, dass so viele Ego-fixierte Bastarde mit ihrem Ego-Müll „die Zone fluten“ wie dieser Fascho-Flüsterer Steve Bannon das Zumüllen der antisozialen Medien mit Fascho-Müll mal nannte. Welche Art Ego-Müll dabei in die Zone flutet ist vollkommen gleichgültig, weil jede weitere Schmutz-Welle dazu geeignet ist, den eben benannten Austarierungs-Prozess zum Halten zu bringen. Es stellt sich spontan die Frage, zumindest sofern man die Menschheit noch nicht vollkommen aufgegeben hat, wie man dem Einhalt gebietet, wenn Erpressung, Totschlag, Brandstiftung, etc. leider kein gangbarer Weg sind, weil man dafür leider viel schneller in den Knast kommt, als dieses dreckige Antiscocial-Media-Verbrecher-Gesocks, welches das Internet verpestet; und damit unterdessen die einstmals hoffnungsvolle Idee einer weitreichenden Demokratisierung mittels des Internets durch die zunehmende Faschistoidisierung desselben ad absurdum geführt hat? What a Mad New World!

Ich habe gerade „Brave New World“ wieder gelesen – und für ein paar Augenblicke erscheint diese kranke Utopie einer weltumspannenden Zukunfts-Gesellschaft verlockend, in welcher die Menschen synthetisiert, für die spätere wirtschaftlich Funktion physiologisch und psychologisch konditioniert und als hedonistische, konsumorientierte Abziehbilder freier Menschen sozialisiert werden; alles im Namen sozialer Stabilität. Manches in dem Buch erscheint heute aus der Zeit gefallen, was beim Veröffentlichungsjahr 1932 auch nicht weiter verwundern mag. Und doch ist Huxleys Vision eines perfekten Totalitarismus, in dem alle glücklich sind, weil jeder bekommt, was er will, weil er nur will, was er bekommen darf, auch über 90 Jahre später immer noch erschreckend aktuell. Kein Wunder, dass die Nazis es direkt verboten hatten. In den Vereinigten Staaten ist das Buch übrigens schon lange vor dem dreckigen Fascho-Trumpel in diversen Staaten auf der Bann-Liste. Man könnte es als Ironie des Schicksals betrachten, dass ein Buch verboten wird (bzw. bleibt), in dem es u. A. auch um die Kuratierung des den Menschen verfügbaren Wissens durch die Nichtverfügbarkeit von Büchern geht; also harte Zensur, um die Konditionierung der Menschen als willfährige Drohnen des Weltstaates nicht zu gefährden.

Ich bin da eher bei John dem Wilden: „But I don’t want comfort. I want god, I want poetry, I want real danger, I want freedom, I want goodness, I want sin.“ In meinem Verständnis wünscht er sich eine Welt (zurück), in der die Menschen wieder Verantwortung für sich selbst übernehmen dürfen und damit die Chance bekommen, zu wachsen; selbst, wenn dies Herausforderungen, Anstrengungen, Kämpfe und Verluste bedeutet. Weil eine Existenz, die in allen Aspekten der Funktionalität untergeordnet ist, bestenfalls eine Subsistenz ist, die nichts mehr hervor bringt, als die reine Reproduktion dessen, was schon da war. Der Gedanke, darauf reduziert zu werden, erscheint auch mir schmerzhaft. Ich bin kein gläubiger Mensch im Sinne kirchlicher Doktrinen, wohl aber ein durchaus spirituelles Individuum und ich möchte mir – ebenso wie John der Wilde – meine mentalen Drogen gerne selbst auswählen; Irrungen und Wirrungen inklusive. Aber was weiß ich schon… außer, dass Lesen bildet. Daher empfehle ich Aldous Huxleys „Brave New World“ als Originaltext mit Kommentaren in der English Edition von Klett. Ansonsten lesen wir uns bald wieder mit anderen Themen. Bis dahin, gehabt euch wohl.

ISBN: 978-3-12-579850-2

Alt und trotzdem jung?

Ich habe irgendwann in letzter Zeit festgestellt, dass ich immer häufiger über dieses “Das Ziel ist, möglichst jung alt zu werden!”-Meme stolpere. Vermutlich weiß dieser verdammte “Algorithmus”, dass ich in ein paar Wochen 51 werde und versucht jetzt, auf KI-typisch unbeholfene Art zu socialisen. Oder, eine groß angelegte Verschwörung der Wellnes- und Gesundheits-Industrie möchte mich dazu verführen, deren Produkte zu kaufen. Leute! Ich interessiere mich weder für Ratgeber, noch für Nahrungsergänzungsmittel. Training zur Selbstoptimierung ist eine Kategorie von selbstverletzendem Verhalten (und damit auch irgendwie eine Psychopathologie), die anderen passiert. Aber wenn ihr mir einen Berater vorbeischicken würdet, mit dem man ein wirklich intelligentes Gespräch über Gott, die Welt, Politik und neue philosophische Ideen führen kann – dann her damit. Dafür nehme ich mir gerne Zeit. Zumal ich mich noch nicht wirklich alt fühle. Meine Arbeit gibt mir sehr oft die Gelegenheit, mich mit Menschen verschiedenster Altersgruppen auszutauschen. Die meisten sind deutlich jünger als ich (unsere Berufsfachschüler). Und wenn man dann eine Haltung zu den Dingen (und den Menschen) hat, die es einem erlaubt, neugierig auf die jungen Leute zuzugehen, wird man nicht so schnell alt im Kopf. Ich beachte dabei lediglich meine ganz persönliche, total subjektive “Three-Strikes-Rule”: jeder Mensch ist es wert, als Mensch angenommen, respektiert und behandelt zu werden. So lange, bis diese Person drei Mal meinen Respekt und mein Vertrauen missbraucht hat – dann ist Sense und sie wandert automatisch in den nicht eben kleinen Pool all jener Menschoiden, die mich häufiger zu folgendem Satz veranlassen: “ICH HASSE MENSCHEN!”

Ich weiß nicht, ob man es wirklich Hass nennen kann, denn das ist ja ein sehr starkes Gefühl, welches üblicherweise für jene Menschen reserviert ist, mit denen ich noch irgendeine Art von Beziehung führen muss. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass anderer Leute Blödheit, Respektlosigkeit, Faulheit und Unverschämtheit der Motor für meine immerwährende Wut sind. Und dass mir die allermeisten Menschoiden nach den eben genannten Three Strikes einfach am Arsch vorbeigehen. Nur für ganz wenige habe ich diesen besonderen Hass übrig, der mich noch nicht einmal in ihren Rachen pissen ließe, wenn ihre Zähne brennen würden (danke für diesen Spruch Lemmy! Rock Hell for me, ’til I’m ready to come down…). Vielleicht liegt es tatsächlich am Alterungsprozess, dass mir so vieles heute meilenweit am Arsch vorbeigeht. Wobei ich mir da nicht ganz sicher bin. Neulich bemerkte einer meiner Kollegen, dass er ja jetzt langsam altersmilde würde – nur um in der nächsten Szene mit einer Hingabe über einen Sachverhalt abzuledern, die so manchen Berliner Taxifahrer alt aussehen ließe. Und ich konnte ihn volles Programm fühlen. Man wird nicht unbedingt milder. Man steigert lediglich die Effizienz des Energieeinsatzes und bohrt nur noch jene kognitionsallergischen Subsistenzen ungespitzt in den Boden, die das auch WIRKLICH verdient haben. Alle anderen, die unbedingt negativer Emotionen bedürfen, bekommen eine reduzierte Version, die aus wesentlich mehr kühler Distanz als heißer Wut besteht. Man muss Idioten allerlei Geschlechts auch einfach mal schweigend links liegen lassen können. Denn die Meisten verdienen meine Wut nicht mal im Ansatz.

Und meine positive Energie? Zuvorderst sei gesagt, dass ich davon tatsächlich jede Menge habe. Sie wandert heutzutage allerdings beinahe ausschließlich in jene Dinge, die mir etwas bedeuten, die mich inspirieren, die mir Freude machen und tendenziell mindestens die gleiche Menge Energie zurückgeben, die sie auch verbrauchen: man muss dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik nämlich auch in psychischen Belangen uneingeschränkt Beachtung schenken! Und ja – nur bescheidene Teile davon haben mit meiner abhängigen Lohnarbeit zu tun. Nämlich jene Teile, die es mir erlauben, mit, an und für Menschen etwas positiv zu bewegen – so lange, bis sie ihre Three Strikes aufgebraucht haben. Danach gilt, womit dem ich den ersten Absatz beendet hatte… Und was hat das alles nun mit dem Altern zu tun? Sagen wir mal so: ich habe für mich beschlossen, dass Alter nur eine Zahl ist und dass es darauf ankommt, mit welchem Handeln, mit welchen Worten und Gedanken, mit welchem Unterlassen ich meine Tage anfülle und welche Haltung daraus resultiert; nur das gibt einen Hinweis darauf, wie alt ich wirklich bin. Ich handele nach dem Prinzip des kategorischen Imperativ, bin stets auf Ausgleich und Gerechtigkeit bedacht! Vollkommen unabhängig von Nachteilen für mich selbst oder dem Alter der betreffenden Personen. Ich zocke unfassbar gerne! Ich suche nach Schöneit und Wahrheit und Inspiration für meine Geschichten, mit denen ich Menschen davon überzeugen möchte, für sich selbst zu denken und dabei dennoch die Sichtweisen anderer zuzulassen; und ich erzähle diese Geschichten natürlich nicht nur zum Lehren, sondern auch zur Unterhaltung! Ich versuche, Egoismus, Arroganz, Boshaftigkeit, Hinterhältigkeit und Doppelzüngigkeit zu unterlassen, auch wenn ich als Mensch genauso anfällig dafür bin, wie jeder andere – insbesondere für Arroganz, denn es ist ein schmaler Grat zwischen dem simplen Wissen um das eigene Leistungsniveau – und der Aktion, dieses Merkmal demonstrativ jedem unter die Nase zu reiben! Daraus ergibt sich als Haltung ein humanistisches Menschenbild, welches das Gegenüber zu dessen Bedingungen zu erkennen sucht; nicht zu meinen. Und wer glaubt denn bitte schon, dass man seinem eigenen Ideal immer gerecht wird? Das macht mich alt und jung zugleich. Ich weiß nicht, wie ich zum Altern stehe – außer, dass ich mich immer wieder frage, wie viele Tage, Wochen, Monate, Jahre ich noch haben werde, um all die Dinge zu tun, die ich noch vorhätte. Nun ja, wir werden sehen. Einstweilen füllt sich mein Sonntag mit Schreiben. Ich wünsche euch einen gediegenen Start in die neue Woche.

Auch als Podcast…

Am Ende des Tages…

…ist eine Formulierung, die ich wohl allzu oft in meinen Vorträgen benutze. In meiner Diktion meinen diese Worte, dass man jetzt einen Flow of Events, einen Handlungsstrang, oder eine Abfolge von Erkenntnissen subsummiert und zu einem (vielleicht nur vorläufigen) Ergebnis kommt, an dem man sich dann orientieren kann; oder halt auch nicht. Ich habe eine ganze Menge solcher sprachlicher Maniriertheiten, die meine Kommunikation mehr oder weniger dekorativ garnieren. Sie sind in aller Regel hörbarer Ausdruck meines Bemühens, die Menge der “Ähms” und “Öhms” und “Hms” zu minimieren, welche etwa Edmund Stoibers öffentliche Verlautbarungen stets zu einem recht schmerzhaften Akt des Fremdschämens haben degenerieren lassen. Wenngleich er da definitiv nicht der einzige Politikoide war und ist, bei dessen Verbalabsonderungen man ein Bügeleisen für die Fußnägel brauchte! Solche sprachlichen Wendungen entstehen zumeist als eine Art Ersatzhandlung für die geistige Leere, welche man mit wenig Mühe durch das Gestammel blitzen sehen kann. Das passiert, wenn man sich mit den Inhalten, über die man gerade gerne sprechen möchte gar nicht mal so gut auskennt – ein altbekanntes Kennzeichen des Politikbetriebes, dessen öffentliches Frontend von der regelmäßigen Absonderung inhaltsleerer, nutzloser, überwärmter Sprechblasen gekennzeichnet ist. Hauptsache, man bleibt im Gespräch. Heutzutage ist etwa Jens Spahn eine besonders widerliche, nervtötende und mittlerweile auch deutlich rechtsauslegende Luftpumpe. Na ja, dumm gebabbelt is glei…. Kommen wir lieber zurück zum eigentlichen Thema: Je länger und häufiger man das Vortragen übt, desto leichter wird es, den Sprechrhythmus an die eigenen Denkmodalitäten anzupassen, sofern überhaupt welche vorhanden sind. Insbesondere bei Themen, die ich oft referiere gibt es ein ganzes Repertoire nach Inhalten indexierter, wiederkehrender Textschnipsel, die ich, gleich den Erzählenden des alten Griechenland, die sich ganze Epen merken konnten, memoriere, indem ich spezielle Muster narrativer (Über)Zeichnung benutzte, um für mich selbt den Inhalt besser strukturieren zu können. Und zu diesen Mnemo-Techniken gehört eben auch, dass man Sprechpausen, die schlicht durch bloßes Nichtwissen der nächsten passenden Formulierung entstehen würden, nicht durch die Übersprungshandlung “Ähm” zu überdecken versucht. Viel zu viele Menschen vergessen nämlich mittlerweile, das auch Stille ein Teil des Sprechens sein kann…

Was im Kleinen funktionieren würde, wenn man sich denn öfter dazu hinreißen ließe, nicht einfach unbedacht drauf los zu reden, sondern versuchte, seinem Vortrag eine Struktur zu geben und mit einem gewissen Vorlauf schon wüsste, was man als Nächstes sagen wollen würde – also ohne “ÖHM…” auf den Punkt zu kommen versuchte – würde auch in größeren Gebilden durchaus Sinn ergeben können. Der Begriff Ohm bezeichnet nicht umsonst die Einheit für den Widerstand; in diesem Fall für den Widerstand der eigenen Blödheit gegen einen stetigen und sinnhaften Sprachfluss. “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold” ist ein Sprichwort, dass im Zeitalter dauerhaften, ubiquitären, multimodalen Senden-Müssens offensichtlich LEIDER so gut wie keinen Stellenwert mehr besitzt. Anders lässt sich es nicht erklären, dass so viele Leute es nicht beherzigen, einfach mal die Fresse zu halten, wenn sie von irgendwas überhaupt keine Ahnung haben. Nun macht unsere heutige Antisocial-Media-Landschaft es einem auch nicht leicht, herauszufinden, ob jemand Ahnung von irgendwas hat, oder eben nicht. Und genau darin liegt die größte Gefahr von Antisocial-Media: einfach jeder Depp kann zu jeder Zeit jedwede noch so absurde Scheiße absondern und irgendwelche kognitionsallergischen Online-Subsistenzen feiern ihn dafür ab: ich präsentiere Andrew Tate…, oder die AfD…, oder einen großen Haufen sogenannter Coaches auf Insta… – Graumsankeitsgruseln inclusive. Case closed, da quod erat demonstrandum. Am Ende des Tages ist es also oft schlicht Glück oder Pech, auf welchen Blödsinn wir zuerst reinfallen, oder auch nicht. Es sei denn, wir beginnen uns selbst, gegen die ganze Bullenscheiße zu imprägnieren. Dafür gibt es aber nur einen einzigen Weg: sich von der Couch in der Komfortzone zu erheben, hinaus in die wahre Welt zu gehen, sich Wissen und Erfahrungen zu eigen zu machen und so die Fähigkeit zu erwerben, sich eine ECHTE EIGENE MEINUNG bilden zu können; und diese auch zu vertreten, wenn es darauf ankommt! Dabei lernt man übrigens auch flüssig zu sprechen, indem man seine Gedanken sortiert hat, bevor man den Mund aufmacht. UND ZU WISSEN, WANN MAN BESSER NICHTS SAGT! Beides zusammen ergibt übrigens einen – beredten – Hinweis auf das Vorhandensein von Tugenden wie Weisheit, Wahrheit und Gerechtigkeit. Aber über Tugenden, ihren heutigen Wert und wo man diese seltenen Tiere eventuell findet reden wir bei anderer Gelegenheit. Schönen Sonntag noch.

Erwachsen bilden N°54 – On Tour…

Überraschenderweise finde ich mich von Zeit zu Zeit in Settings wieder, in denen ich mich wohl fühle, obwohl diese gleichsam für mich von Ambivalenz erfüllt sind. Oder anders formuliert: eigentlich dürfte ich mich gar nicht so wohl fühlen, wie dies tatsächlich der Fall ist. Einmal mehr bin ich mit einer neuen Klasse on Tour und es ist anstrengend! Ein Zahl neuer Bekanntschaften will geküpft und gleichsam gefestigt werden, weil meine jetzige Aufgabe natürlich darin besteht, den Leutchen einen Weg in die Ausbildung hinein zu weisen und ihnen gleichzeitig zu helfen, sich selbst eine Idee davon bilden zu können, wie das alles denn funktionieren könnte. Spannend. Das fordert mich von früh bis spät, denn einerseits möchte ich einfach als Mensch natürlich nahbar genug sein, dass die neuen Schüler:innen Vertrauen zu mir fassen können – muss aber andererseits dafür sorgen, dass auch genug Respekt vor meiner Person, meinem Amt und, vor allem den ab nun anstehenden Aufgaben entsteht. Denn ohne das geht es nicht. Denn Nahbarkeit darf nicht bedeuten, die analytische Distanz zu verlieren, derer es Bedarf, um ihnen irgendwann später faire Noten geben zu können. Doch all diesen Herausforderungen zum Trotz (und obwohl ich nebenher auch noch andere Amtsgeschäfte aus der Ferne erledigen muss) fühle ich mich wohl, weil ich zu bestimmten Zeiten einfach die Tür zu machen, für mich sein, nachdenken und die Dinge analysieren kann. Ich bemerke, dass ich es oft noch schöner fände, NUR allein für mich und kreativ sein zu können. Aber gerade jetzt formen sich spannende Beziehungen, was der Geschichte ein hoch spannendes Element gibt.

Ich habe den neuen Schüler:innen gegenüber gestern von meiner ganz persönlichen, total subjektiven “Three-Strikes-Regel” erzählt: jeder Mensch bekommt von mir einen Grund-Vorschuss an Vertrauen und Respekt – aber wenn jemand dreimal verkackt, ist es rum mit Vertrauen und Respekt. Ab dann gilt wieder die Grundannahme, dass Menschen, so ganz grundsätzlich betrachtet schon ganz schön Scheiße sind. Man muss sich – insbesondere als Pädagoge, aber auch in anderen Funktionen – gestatten, die weitaus meisten Menschen zu hassen, wenn man die wenigen, die einem wirklich anvertraut werden mögen können soll. Denn wir haben zu jeder Zeit nur eine bestimmte Menge an Liebe (oder Vertrauen, Respekt, Zuneigung, etc.), die wir geben können; um diese Vorräte, und damit auch sich selbst, nicht zu erschöpfen, muss man mit derart kostbaren Gütern sparsam umgehen. Was für meine aktuelle Situation bedeutet, dass ich einmal mehr versuchen muss, herauszufinden, mit was für Menschen ich es gerade zu tun habe. Und ob diese – auf längere Sicht – meine Mühen und mein gegebenes Vertrauen wert sein werden. Man kann, nein MUSS, sicher trefflich darüber streiten, WIE NAHE man solche “Schutzbefohlenen” an sich heran lässt; Stichwort analytische Distanz. Doch am Ende des Tages sind wir alle nur Menschen. Und so versuche ich, die private Person von der Funktionsperson auch durch äußerliche Zeichen, wie etwa das Tragen (oder auch NICHT-TRAGEN) von Dienstkleidung zu trennen, damit es einfacher wird, zu verstehen, dass ich als Privatperson u. U. eine Meinung haben darf, die ich vielleicht im Lehrsaaal so nicht vertreten würde, weil es der falsche Platz dafür wäre (etwa in politischen Fragen). Und dass ich – überraschend, aber dennoch wahr – auch (nur) ein Mensch bin.

Wohin führt uns das alles nun? Erstens zu der eher wenig überraschenden Erkenntnis, dass ich immer häufiger feststellen muss, dass ich mit meinen ernergetischen Reserven besser haushalten sollte; wie auch immer das gehen kann. Denn all die sozialen Kontakte kosten mich Kraft, die sich oft nur langsam regeneriert. Zweitens mache ich jedoch die – wirklich – ungewöhnliche Feststellung, dass der Umgang mit der neuen Klasse mich nicht nur Kraft kostet, sondern mir auch welche zurück gibt! Die Impulse, welche ich in den letzten Tagen auf vielfältige Art mitgenommen habe – auch, wenn es natürlich immer Zielkonflikte gibt, zwischen Lehrkraft und Schüler:innen – machen mich zuversichtlich. Mit neuen (jungen) Menschen darf man ab und an auch interessante Einblicke, Ideen und Energien mitnehmen. Das ist es, was den Beruf für mich immer noch zu etwas Besonderem und damit zu meiner Berufung macht. Klingt euch das jetzt doch zu pathetisch? Fuck it – und wenn schon! Es ist meine Wahrnehmung und die darf ich behalten. In diesem Sinne auf zum Endspurt und euch da draußen so langsam schon mal (f)rohe Ostern.

Auch als Podcast…

Absurdistan ist zurück N°2 – Erfolgversprechend…

“Ich bin…” spricht jener “… zum Erfolge verpflichtet, daher gewährt mir die Bitte, gebt mir ein paar Berichte, bis ich endlich versteh, was ich eigentlich verrichte!” Der Schiller – so sollte man wohl hoffen – wird dem Autor irgendwann vergeben können, auch wenn diese (V)Ferse mehr Archill gebühren, als einem Dichterfürsten. Ort der Tragödie – nicht nur dieser einen, sondern auch manch anderer – war (oder ist immer noch) ein Raum, welcher, gemeinhin herkömmlich der Bildung gewidmet, so doch gelegentlich auch der Introspektion der Bildenden dienen mag und somit nicht nur gemeinhin, sondern auch gemeinerweise dem Arbeitsumfelde zuzurechnen sei. Jener Sphäre der angeblichen Selbstverwirklichung, die doch nur dem Zwecke dient, jene 30 (oder hoffentlich mehr) Silberlinge zu erwerben, welcher es bedarf, um zu den anderen Zeiten – jenen freien, ACH SO FREIEN Stunden der Nichtnotwendigkeit, der Muße, des Spiels, des Sanges und der leiblichen Freuden nicht bei Luft und Liebe allein darben zu müssen. Doch, oh weh, der Verrat an sich selbst geht noch weiter, denn damit das Leben unter dem Joch jenes diabolischen Handels – gebunden durch den Mephistopheles der Abhängigkeit, im Volksmunde auch “Arbeitsvertrag” geheißen – uns nicht allzusehr drücken möchte, schufen wir uns die Legende von diesem ominösen “Sinn des Lebens”, um diese sogleich mit der ganz und gar hinterhältigen Idee zu vergiften, abhängige Lohnarbeit sei eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung; ja nun, wenn Autofahren Naturschutz sein soll und Homöopathie Medizin, können wir uns gleich noch einer weiteren Selbstlüge bedienen, nicht wahr. Doch, ach es ging ja nicht um die mentale Rahmung des Seins – von Fachleuten auch “Framing” genannt, denn Anglizismen schaffen nicht nur Schismen; manchmal sind sie einfach griffiger; wobei Griffigkeit, abseits des Küchenmessers allzu oft überbewertet wird. Nein, vielmehr geht es um Erfolg… oder das , was wir, bei Lichte betrachtet oder auch mal unter dem Mantel der Selbst- und Fremdbenebelung verborgen, stolz wie eine Monstranz vor uns hertragend, manchmal aber eher im Fahrwasser unserer überbordenden Bescheidenheit mitschwimmen lassend als positives Ergebnis unseres Tuns und Lassens erleben. Und da kannst du aber mal was erleben…!

…oder auch nicht! Denn eben in dieser lichtdurchfluteten Kemenate des Lehrens und Lernens sitzend und von Gleichgesinnten – oder zumindest gleichartig Malochenden – umgeben musste der Autor hinter, ob der supranasalen Anstrengung gerunzelter Stirne erkennen, dass es ihm an einem Sentiment des “Erfolges” nur allzu häufig mangelt. Dies soll, und das ist nicht leichthin gesagt, zum Anlasse dienen, sich mit Verve der Belebung der eigenen Affekte zu widmen. Denn wenngleich subjektiv offenkundig nicht durchlebt so werden objektiv doch sehr wohl Erfolge realisiert, die durchaus der eigenen Erbauung dienlich sein dürfen, Potzblitz! “Doch…” ertönt, Hörnerschall gleich ein erster, gar nicht so träger Gedankenfetzen aus den bislang somnambulen Tiefen des limbischen Hirnkellers “…wie geht derlei vonstatten? Reicht es” so fuhr die helle Stimme aus der Tiefe fort “… es einfach zu wollen, um ‘gut drauf zu kommen’…?” Hey, Amygdala, du kannst vielleicht selten dämliche Fragen stellen! Da kommt dem Schreiber unvermittelt ein Zitat von berühmten Ökonomen John Maynard Keynes in den Sinn “Die größte Schwierigkeit der Welt besteht nicht darin, Leute zu bewegen, neue Ideen anzunehmen, sondern alte zu vergessen!” Ja wunderbar, die Runzeln auf der Stirn können sich nach unten verkrümeln und sich in die freudigeren Fältchen um die Augen verwandeln – denn mit der Mimik wandelt sich auch das Gemüt – Lächeln macht einen glücklicher. Hinfort mit der Laudatio auf die Abgründe des Lebens; weg mit dem ständigen Kontemplieren über den eigenen Wert und Zweck, wenn doch schon lange erkannt ist, dass sich der eigene Wert im Lehren und Lernen unterdessen verwirklicht – und somit gleichsam der eigene Zweck geworden ist. In den Orkus mit den ständigen Zweifeln – und endlich herbei mit aufrechtem Rücken, erhobenem Haupt und der Erkenntnis, dass man sich auch mal selbst feiern darf – nein sogar muss!! Wie aber derlei angemessen begehen? Wie ERFOLG für sich selbst begreifbar machen?

Für den Schreiber dieser Zeilen beginnt die Reise, damit “NEIN” zu sagen. NEIN zu jenen, die alles, was man tut oder auch lässt angreifen, kleinreden, sich selbst ans Revers heften, oder zu einem ausschließlichen Teamerfolg erklären wollen. Ja, Teams sind immer stärker als Einzelkämpfer. Aber in der Mitte jedes erfolgreichen Teams, gibt es einen Nukleus, ohne den alles auseinanderbricht, weil es das Handeln dieser einen Person ist, welches ALLES zusammenhält. Nimmst du diese Figur weg, bricht der Rest in relativ kurzer Zeit sang- und klanglos in sich zusammen. Dessen muss man sich gelegentlich erinnern. Dann wird es auch wieder möglich, eigene Erfolge zu fühlen; und angemessen zu feiern. “Aber, aber, mein Freund…” höre ich nun eine andere, dunklere Stimme aus dem amygdaloiden Vorratskeller für die harten Dämpfer “… nicht gleich arrogant werden!” Da erreichst du den Autor zu spät, lieber Geist der kommenden Weihnacht. Denn der Volksmund lässt schon lange vernehmen, dass Bescheidenheit die höchste Form der Arroganz sei. Das stimmt natürlich nur, wenn man diese allen Leuten auch überdeutlich unter die Nase reibt: “Sehr her ICH bin bescheiden…” . Aber es ist schon wahr – dieses anstrengende Austarieren zwischen Höhenflug und Absturz führt wohl gelegentlich dazu, dass man nivelliert und lieber weder das Eine noch das Andere fühlen möchte, weil Hochmut bekanntlich vor dem Fall kommt; und emotionale Bruchlandungen stets das Zeug haben, einen nachhaltig zu beschädigen! Aber keine Sorge – hier wird nicht so hoch geflogen, dass die Federn sich von den Flügeln lösen könnten. Ikarus bleibt auf niedriger Flughöhe. Nur ein BISSCHEN höher als letzthin. Weil er sich das wert ist. Weil er sich das wert ein MUSS. Und… was seid ihr euch wert? Schönes Wochenende.

Erwachsen bilden N°53 – …im Spiegel

Schüler*in: "Och nö, DAS habe ich doch schon in der Schule zwei Jahre lang gehabt!" 
Ich: "Was meinst du denn?"
Schüler*in: "Na Philosophie. Und jetzt kommst du auch wieder mit 'kategorischem Imperativ' und 'Utilitarismus' um die Ecke!"
Ich. "Ja gut... wenn du das zwei Jahre in der Schule gehabt hast, dann erzähl mir doch mal, was du noch darüber weißt..."
Schüler*in: "...ähm..."
Ich: "Hat es dich denn damals interessiert...?"
Schüler*in: "...*mpfstammelmurmel*..."
Ich: "Okay... darf ich dann mit meinem Vortrag fortfahren? Und dich darum ersuchen, mir wenigstens die CHANCE zu geben, dich für das Thema zu interessieren...?

Das da oben ist mir vor ein paar Wochen so (oder zumindest so ähnlich) passiert, als ich mal wieder selbst vor einer Klasse stand. Ethik im Rettungsdienst ist nicht sexy. Zumindest nicht mal im Ansatz so sexy, wie etwa das stumpfe Ende der Nadel, der Cuffdruckmesser, oder das EKG-Papier. Schon klar. Ihr wollt richtige MEDIZIN machen! Euer Handwerk auch ausüben dürfen! Action! Um das an dieser Stelle für alle, die es interessiert – vor allem aber auch für jene, die es NICHT interessiert – noch mal in aller Deutlichkeit klarzustellen, habe ich fünf schwer verdauliche Thesen über die Arbeit (und das Lernen) im Rettungsdienst zusammengestellt. Keine Sorge, das wird keiner von diesen beknackten Listicles und die Reihenfolge ist vollkommen willkürlich gewählt, stellt also in keiner Weise ein Ranking dar. Alle ab hier getroffenen Aussagen sind mir gleich wichtig! And here comes…

  • 1. Es gibt KEINE Bullshit-Einsätze! Es gibt Low-Code-Einsätze, die vor allem unsere sozialen Fähigkeiten und unser organisatorisch-strukturelles Know-How abfragen, uns aber wenig Raum für Action-orientiertes Handeln lassen. Schlicht, weil die Notwendigkeit dazu nicht besteht. Dennoch erfordern auch diese Situationen unsere Aufmerksankeint, denn…
  • 2. Bei unserem Job geht es um die uns anvertrauten Menschen! Nicht um UNSER EGO, UNSERE Bedürfnisse (außer, abends wieder heil und gesund nach Hause kommen zu dürfen), oder UNSER Ansehen – es geht ausschließlich um die Menschen, die uns der Zufall für eine kurze Zeit anvertraut! Sie haben unsere professionelle Aufmerksamkeit verdient – bis zu dem Punkt, da sie dieses Verdienst durch eigenes Zutun verspielen. Denn wer uns absichtlich schlecht behandelt, hat unsere 100% auch nicht verdient. Dennoch sollte jeder Mensch von uns diesen Vertrauensvorschuss bekommen, der aus einem humanistischen Menschenbild erwächst.
  • 3. Wer stehen bleibt, den überholt die Welt! Wir sind stets dazu aufgerufen, uns weiter zu entwickeln. Nicht als Selbstzweck, sondern weil die medizinische Wissenschaft, in welche unser Job eingebettet ist sich – Gott sei Dank – weiter entwickelt. Und damit alles, was wir zu wissen und zu können glauben, stets nur vorläufig gelten kann. So lange, bis wir es wieder etwas besser wissen. Lernen hört damit niemals auf.
  • 4. Nachhaltiges Lernen findet NIEMALS in der Komfortzone statt! Bequem auf einer Chaiselonge hingeflezt, mit einem Tütchen Mononatriumglutamat-ertränktem, dünn frittiertem Kartoffelmatsch in der einen und einem mehr oder weniger Zucker- und/oder Hopfenhaltigen Erfrischungsgetränk in der anderen Hand, erfahren wir bestenfalls Mattigkeit, aber keine Entwicklung. Denn Entwicklung erfordert ernsthafte Aktivität, gepaart mit Reflexion derselben!
  • 5. Wir sind IMMER nur im Team stark! Keiner von uns kann die Welt (oder auch nur einen einzigen Patienten) alleine retten! Keiner von uns ist stark genug, ALLES, was der Zufall uns zusammen mit unseren Patienten serviert (a.k.a. Elend, Einsamkeit, Gewalt, Misshandlung, Tod und noch vieles Andere) immer und überall nur mit sich selbst abzumachen. Wer das wirklich glaubt, tut sich selbst Gewalt an…

Und was hat das nun mit Ethik zu tun? Warum behandelt man das Thema Ethik überhaupt im Unterricht aller Gesundheitsfachberufe? Die Antwort ist einfach – weil unser ganzes berufliches Handeln überhaupt nur im MITEINANDER denkbar ist. Und weil Ethik das MITEINANDER aus verschiedenen Perspektiven denkt und uns so Hilfestellungen gibt, unsere eigene Haltung zu den Menschen, zum MITEINANDER und zu allem anderen Anderen zu entwickeln und zu festigen. Denn ohne eine differenzierte HALTUNG gibt es keine Professionalität! Diese entsteht aber nur, indem man sich mit dem eigenen Handeln, dem, was man so alles zu wissen glaubt und dem, wovon man bislang überzeugt ist AKTIV auseinandersetzt – gerne auch im Diskurs mit Anderen, die vor den gleichen Aufgaben stehen. Andernfalls bleibt man stehen, wird zum Einzelkämper (oder Einzelliegenbleiber), versteht niemals, warum man in bestimmten Situationen gegen die eigenen Interessen (und evetuell auch die der Patient*innen handelt) – und verzweifelt irgendwann in der Folge an seinem Job. Was dann zu Folge hat, dass man sich etwas Anderes sucht, oder aber durch sein zynisches, misanthropes Handeln irgendwann im den Untiefen des Ausgebranntseins auf Grund läuft. Oder was glaubt ihr alle, warum die durchschnittliche Verweildauer von Notfallsanitäter*innen in Deutschland bei lausigen 8 – 11 Jahren ab Start der Ausbildung liegt? Das liegt NICHT daran, dass Hunderte von NotSans im Knast sitzen würden, weil der Job so große Rechtsunsicherheit mit sich bringt – DAS ist Bullshit. Es liegt auch nicht daran, dass die Arbeitsbedingungen so furchtbar wären – ich kenne kaum einen anderen Job, in dem ich SO selbstbestimmt meine Arbeit erledigen kann, wie im Rettungsdienst. Geht mal eine Woche mit Gerüstbauern mit.

Es liegt daran, dass nicht genug Sorgfalt auf die Auswahl der Auszubildenden gelegt wird! Daran, dass immer noch zu viele Berufsfachschulen ein vollkommen falsches Bild der späteren Tätigkeit vermitteln und ihren erzieherischen Auftrag nicht wahrnehmen! Und schließlich daran, das eine erhebliche Zahl von Kollegoiden da draußen, die sich in ihrem Ausgebranntsein regelrecht suhlen den jungen Leuten – vollkommen unreflektiert – als schlechtes Vorbild dienen! Übrigens auch solche, die eigentlich als Rolemodel eine herausgehobene Stellung innehaben – nämlich Praxisanleiter*innen. Da könnt ich schreiend davon laufen! Kommt doch mal allesamt aus der Komfortzone und entwickelt euch weiter. Ihr werdet euch wundern, was dann plötzlich alles möglich wird; aber eben nur, wenn man nicht unreflektierte Faulheit mit Effizienz verwechselt. Schönes Wochenende…

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°52 meets New Work N°22 – Dienst nach Vorschrift?

Ich hatte neulich ein interessantes Meeting, bei dem einige Menschen anderen Menschen mal offenbart haben, wie viel Vorbereitung wirklich dahinter steckt, ordentlichen Fach- Unterricht machen zu können. ICH merke ja auch immer wieder, dass Leute tatsächlich glauben, ICH könnte alles Mögliche on a moments notice aus dem Ärmel schütteln – was vollkommener Quatsch ist. Ich muss mich genauso hinsetzen, eine Unterrichtsverlaufs-Planung schreiben, die passenden Einzelmethoden auswählen und – sofern es sich um theoretischen Unterricht handelt – den Content erstellen, wie jede:r andere auch. Okay, bei Unterrichten, die ich schon öfter gehalten habe, fällt vielleicht nicht mehr die GANZE Vorbereitungsarbeit an. Dennoch muss ich mich jedesmal neu reindenken, evtl. beim letzten Durchlauf aufgelaufenes Feedback integrieren und meine Materialien prüfen. Überdies entwickle ich für das Verständnis der Schüler:innen gerne Übersichten an der Metaplanwand, was bedeutet, dass ich auch jedes Mal meine Kärtchen neu schreiben muss. In aller Regel morgens, direkt bevor der Unterricht losgeht. Lehrkräfte mit noch nicht so fest eingeübten Abläufen brauchen aber länger für so was. Und nicht selten muss man sich selbst noch mal seines eigenen Wissens versichern, bevor man überhaupt daran denken kann, sich zu überlegen, wie man dieses eigene Wissen und die Skills für andere begreifbar machen könnte. Ich muss hier noch mal an die konstruktivistische Sichtweise auf Pädagogik erinnern: wir bringen niemandem etwas bei; wir bereiten lediglich den Boden, auf dem die Schüler:innen ihre jeweils eigene Wissensernte einfahren können! Wozu es im übrigen der Mitarbeit bedarf. Aber darüber habe ich an anderer Stelle schon sattsam gesprochen…

Arbeitgeber gehen oft naiv davon aus, dass ein Fachlehrer sich 35h die Woche in den Lehrssal stellt und in der verbleibenden Zeit nebenbei alles erledigt, was halt so anfällt: Unterrichtsvor- und nachbereitung, Korrespondenz mit den betrieblichen Ausbilder:innen und den amtlichen Regulierungsbehörden, Führen der Zeitnachweise und Klassenbücher, anlassbezogene Gespräche, bewertende Arbeitsbesuche, Korrektur von Klassenarbeiten, Staatsexamina und so weiter und so fort. Und da ist einspringen wegen Krankheit o. Ä. noch nicht inkludiert. Jede:r, die/der schon mal eine Klasse gemanaged haben, liegt jetzt vor Lachen gekrümmt unterm Schreibtisch, weil allen, die schon mal in diesen Stiefeln marschiert sind sofort und intuitiv klar ist, dass DIESE ANNAHME RIESENGROSSE, DAMPFENDE BULLENSCHEISSE IST! Die Fachlehrkräfte, mit denen ich bekannt bin, reden nicht über ihre Stundensaldi, sondern machen ihren Job. Aber der Krug kann nur so lange zum Brunnen gehen, bis er bricht. Was bedeutet, dass in dem oben erwähnten Gespräch ein Wort mit besonderer Häufigkeit vorkam: Überlastung! Und wir reden hier nicht über Heulsusen, sondern über ein Team, dass in der jüngeren Vergangenheit außergewöhnliche Belastungen einfach weggeatmet hat! Womit wir bei dieser Dienst-nach-Vorschrift-Diskussion wären, die derzeit Dank der häufig replizierten Gallup-Umfrage durch die Medien schwappt. Die Mitarbeiter deutscher Unternehmen hätten demnach im Mittel keine emotionale Bindung zum Unternehmen mehr und machen daher halt – ja genau: Dienst nach Vorschrift. Und natürlich schwingt in verschiedensten Einlassungen zum Thema stets dieser implizite Vorwurf der FAULHEIT mit. Nicht umsonst hat die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen dieser Tage nach dem Verzicht auf einen Feiertag gerufen, weil wir die Kosten des von der dräuenden SchleNeKo (Schlechte Neue Koalition) ausgehandelten “An-der-Schuldenbremse-vorbei-Sondervermögens” durch mehr Leistung ausgleichen müssten. Das einzige, was Frau Schnitzer dabei versteht ist Trickle-Down. Was allerdings bis heute nachweislich nicht funktioniert hat; sie redet also mit anderen Worten einer noch schnelleren Umverteilung von Unten nach Oben das Wort. Die Fresse halten soll dieses dämliche, überbewertete Fossil! Wir arbeiten angeblich zu wenig, sind nicht produktiv genug und überhaupt fordern wir Arbeitnehmer immerzu viel zu viel. Und dann kommt man auch noch mit der angeblich mangelhaften Arbeitsmoral um die Ecke!

Ich habe da einen etwas anderen Blick drauf, der sich übrigens in einigen Punkten mit dem der Fachjournalistin Diana Dittmer deckt: Mein Arbeitsplatz ist nicht meine Familie und am Ende des Tages ist meine Anstellung ein Handel auf Gegenseitigkeit: Lebenszeit gegen Kohle! In KEINEM Arbeitsvertrag steht was davon, dass ich meinem Arbeitgeber mehr schulde, als die vertraglich vereinbarten Stunden und die üblichen Loyalitätspflichten: nicht klauen, keine wirtschaftlich relevanten Interna ausplaudern, den Arbeitgeber nicht öffentlich diskreditieren, die Arbeitszeit auch wirklich mit Arbeit und nicht irgendwelchen Kinkerlitzchen füllen, mit den Kollegen professionell umgehen – egal, ob ich diese nun leiden kann, oder eher nicht. So weit – so normal. Doch es scheint heute üblich zu sein, implizit mehr als das zu erwarten und Menschen nur dann als performant wahrzunehmen, wenn sie “die Extrameile gehen”. SCHEISS AUF DIE EXTRAMEILE – WELCHE EXTRAMEILEN GEHT MEIN ARBEITGEBER FÜR MICH? Ich meine abseits dessen, was er um’s Verrecken nicht verhindern kann, weil wir evtl. heute in meiner Branche von einem Arbeitnehmer-Markt sprechen müssen? Mein Arbeitsplatz nimmt mich nicht in den Arm, wenn es mir schlecht geht! Mein Arbeitgeber stellt es mir nicht frei, zur Burnoutprophylaxe am Fluss spazieren zu gehen, auch wenn ich letzthin häufig das dringende das Bedürfnis dazu habe! Meine Arbeit gibt mit nur einen begrenzten Teil des Sinnes, den ich in meinem Leben sehen möchte! Manche Vertreter meines Arbeitgebers benutzen das Wort “Danke” gerne und ausgiebig (auch, weil es nichts kostet) – andere widerum würden sich eher die Zunge abbeißen, bevor sie zu MIR wirklich freundlich sind; oder die erbrachten Leistungen wirklich anerkennen.

Ich schulde meinem Arbeitgeber folglich genau das, was im Vertrag steht: 40h die Woche präsent, performant, perzeptiv und professionell zu sein. Nicht weniger – aber auch keinesfalls mehr. Und was für mich gilt, gilt für ALLE ANDEREN ebenso. Denn tatsächlich leisten nämlich sehr viele Menschen schon sehr viel mehr, als sie müssten; und manchmal auch, als sie eigentlich könnten. Und diese Menschen fühlen sich von dem realitätsfernen, arroganten, unverschämten Geschwafel möchtegernwichtiger, nutzloser “Elitenvertreter” regelmäßig beleidigt. Wo stehen wir also? Ganz einfach an dem Punkt, an dem die ganzen abgehobenen Wirtschaftslobbyisten, ultraneoliberalen Gierschlünde und ihre willfährigen Helferlein aus dem “Polit-Establishment” verstehen müssen, DASS ES KEIN ZUERÜCK BEI DEN ARBEITNEHMERRECHTEN GIBT! ENDE! DER! DISKUSSION! Wenn ihr meint, wir fleißigen kleinen Ameisen hier unten kriegen es nicht hin, dann kommt doch mal von euren hohen Thronen herunter, krempelt die Ärmel hoch und zeigt uns, wie viel ihr selbst zu geben bereit seid! Denn wirklich geführt wird einzig allein von vorne; und zwar durch Leader, die nicht ein Jota mehr verlangen, als sie selbst zu geben bereit sind! Derweil mache ich Dienst nach Vorschrift – ich leiste, wofür ich bezahlt werde, erledige derweilen, was zu tun ist, um den Laden am Laufen zu halten – und wenn ich nach Hause komme, dann lebe ich mein Leben. Und das weitestgehend unberührt von der Arbeitswelt. Denn das bin ICH mir wert! In diesem Sinne, auf zu einer neuen Woche im Hamsterrad… wir sehen uns!

Auch als Podcast…

New Work N°21 – wofür eigentlich…?

Um es auf den Punkt zu bringen – ich habe von einigen Dingen atomar die Schnauze voll! Zum Beispiel von Menschen, die unter hohem Zeitdruck erbrachte Arbeit nicht zu schätzen wissen. Nichts im Leben ist perfekt, insbesondere dann nicht, wenn man dabei mit knappen Ressourcen hantieren muss. Sich hinterher hinzustellen und alles zu zerpflücken, ist jedoch pille-palle-einfach – und wird in den seltensten Fällen der Mühe gerecht, die sich jemand gegeben hat. Das Corpus Delicti ist hier eine Online-Fortbildung, die nach Aussagen Dritter zu einfach, zu kurz, zu wasweißichnichtnochalles ist. Okay, ist kein Glanzstück, dass war schon vorher zu erkennen. Zudem beklagt sich eine gewisse Personengruppe, nicht genug eingebunden gewesen zu sein – obwohl diese Personengruppe von didaktischer Arbeit schlicht keine Ahnung hat. Und auch nicht von den technischen Grenzen bestimmter Methoden, Tools oder eines Lernmanagement-Systems. Egal. Was mich jedoch am meisten fuchst, ist, dass man es MIR vorwirft, dass ANDERE es sich zu leicht machen und dabei ARBEITSZEITBETRUG begehen. Würde man sich mit den Inhalten wirklich auseinandersetzen, so wie es vorgesehen ist, könnte man gewiss auf die angegebene Zeit kommen. Tut man aber nicht, aus Faulheit, Indolenz und Trägkeit, womit wir wieder bei der wahren Bedeutung von FIT wären. Ich kann gar nicht so viel fressen wie ich kotzen möchte! Aber ich ziehe meine Lehren daraus. In Zukunft werde ich einfach NEIN sagen und die Herrschaften sollen doch bitte jemand anders suchen, wenn sie der Meinung sind, ich wäre zu blöd, zu faul oder zu wenig devot gegenüber gewissen Protagonisten. Ich bin weder blöd, noch faul, noch zu wenig kommunikativ – ICH BIN ÜBERARBEITET GODDAMMIT! Ich bekomme keine Ressourcen (zu teuer), keine vernünftige Unterstützung (da müsste man ja jemanden aus seinem Personalportfolio abgeben, geht ja gar nicht) und bin seit Jahren andauernd damit beschäftigt, mit heißer Luft zu zaubern. In regelmäßigen Abständen nähe ich die komplette Orga immer wieder frisch auf Kante, darf mir aber im Gegenzug das Gejammer Dritter anhören, die mit diesem oder jenem nicht zufrieden sind. Da fällt mir ein Zitat ein…

“We, the unwilling, led by the unknowing, are doing the impossible for the ungrateful. We have done so much, for so long, with so little, we are now qualified to do (almost) anything with nothing.”

Konstantin Josef Jireček

Mittlerweile bin ich nämlich vollkommen unwilling! Unwillig, für Undankbare unmögliche Aufgaben in unfassbar kurzer Zeit mit unglaublich wenig Mateial erledigen zu müssen. Unwillig, mich dafür beschuldigen zu lassen, wenn Dritte ihren normalen Aufgaben nicht nachkommen und es sich einfach machen, wenn man ein wenig Mühe aus verschiedenen Gründen erwarten dürfte. Unwillig, es weiter zu erdulden, dass man mich wahlweise zum Rezipienten für jedwede, noch so lächerliche Beschwerde macht, mir aber im Gegenzug untersagt, dem Beschwerdeführer eine deutliche Antwort zu geben; dafür jedoch in anderen Situationen einfach mal behauptet, wir seien auf einem guten Weg, wenn ich an dem gegenwärtigen Weg nur noch sehr wenig Gutes zu erkennen vermag. Unwillig, mich im politischen Kleinklein zuerreiben zu lassen, wenn mir dadurch viel zu wenig Zeit für die eigentlichen Aufgaben meines Amtes bleibt. Unwillig, zu akzeptieren, dass man stets versucht, meine Gestaltungsspielräume einzuengen. Unwillig, weiterzumachen… Es ist, paradoxerweise, momentan der Lehrsaal, der mich am wenigsten Energie kostet. Ja, die Auszubildenden sind teilweise anstrengende Sparringspartner, weil sie den Anspruch artikulieren, von mir ein Komplettpaket geliefert zu bkommen, dabei noch verkennend, dass sie eine Menge Eigenleistung dazugeben müssen, um am Ende das Ziel erreichen zu können. Aber es ist eine lohnende Arbeit, weil ich manchmal diesen Heureka-Ausdruck in den Gesichtern sehen kann. Und weil ich die Chance habe, den jungen Leuten zu einer Haltung zu verhelfen, die ich in so manch Anderen, mit dem ich beruflich zu tun habe deutlich vermissen muss. Respekt! Konfliktfähigkeit! Teamspirit! Leistungsbereitschaft! Dieses zwanghafte zu Tode verwalten, und vor allem zu Tode verwaltet werden jedoch, DAS kann ich nicht viel länger ertragen!

Ich habe mir schon ein paar Mal Ultimaten gestellt und – naiv, wie ich manchmal auch mit 50 Lenzen noch bin – verstreichen lassen, weil ich gelegentlich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen glaubte. JEDES EINZELNE MAL WAR ES EIN ENTGEGENKOMMENDER ZUG! Bislang bin ich nicht überrollt worden, aber es kommt mir gelegentlich so vor, als wenn gewisse Dritte es genau darauf anlegen würden. Ganz so, als wenn sie sich nicht bewusst wären, wie sehr ein Gesamtkonstrukt manchmal an einer Person aufgehängt ist. Nimmst du den zentralen Nexus in der Mitte weg, bricht das ganze Netzwerk zusammen. Und ehrlich gesagt sehe ich gegenwärtig wenig Benefit für mich selbst darin, so weiter zu machen wie bisher. Ja, ich habe in der Tat ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und schaue dabei auf die mir anvertrauten Kolleg:innen und Auszubildenden. Aber Selbstausbeutung MUSS eine Grenze haben. Meine ist, so weit ich das übersehen kann, mittlerweile wirklich und engültig erreicht. Ich mag Teile meines Jobs immer noch auf gewisse Art. Das, worauf ich nächste Woche am meisten gespannt bin ist, ob mein Unterrichtsansatz, jungen Menschen Ethik im Gesundheitswesen näher zu bringen fruchten wird, oder ob ich mal wieder zu verkopft an ein kopflastiges Thema rangegangen bin…? Wir werden sehen. Aber dieser ganze politische Quatsch, der mich von meiner eigentlichen Arbeit abhält, dieses Egogeficke verschiedener Protagonisten, diese Unfähigkeit zum systemischen Denken, dieser Egoismus, das ständige übereinander- anstatt miteinander Reden und die ständige Angst mancher Leute davor, was Dritte denken oder tun könnten, oder auch nicht, die brauch und will ich nicht mehr. Würde die beste Ehefrau von allen nicht gerade auch in einer großen beruflichen Transformation stecken, wäre ich wahrscheinlich zum 30.06 weg – und nach mir die Sintflut. Tja Scheiße gelaufen, Vielleicht spiele ich mal wieder Lotto. In diesem Sinne – versaut Kolleg:innen, die sich für ihren Job wirklich Mühe geben, nicht so den Tag, wie ich es oben beschrieben habe, sondern hegt und pflegt sie. Denn sind sie weg, werdet ihr feststellen, was ihr an ihnen hattet! Schönen Samstag…

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N° 51 – Voll Frontal!

Ich bin immer wieder erstaunt. Man hört ja allenthalben, dass viele Menschen geradezu geschädigt aus der allgemeinbildenden Schule kämen, dass sie dort allzu oft mit bösem, bösem Frontalunterricht geschädigt würden… Man verortet diese Art des Unterrichtens wahlweise in der Hölle der schwarzen Pädagogik oder auf den eisigen, grauen Ebenen der Schüler-Demotivation. Ich mache – allerdings als Erwachsenenbildner – ehrlich gesagt häufig völlig andere Erfahrungen. Einerseits vernehme ich regelmäßig (unabhängig vom Ausbildungsstand) den Wunsch nach mehr Frontalunterricht. Insbesondere ausgerechnet in den Lernsituationen, bei denen es um die Vermittlung von theoretischem Wissen geht. Der Konstruktivist in mir weiß jedoch, dass genau dort eigentlich eine erhebliche kognitive Eigenleistung der Schüler:innen verlangt wird. Denn jedes Theoriewissen von der trägen Ruheposition in eine aktive Nutzbarmachung zur Entwicklung von Handlungskompetenzen zu überführen, bedarf im wahrsten Wortsinne oft des “Begreifens”. Andererseits nehme ich eine nicht unerhebliche Abneigung gegen Gruppenarbeiten wahr. Ich vermute, das könnte daran liegen, dass selbstorganisierte Lernphasen oft vom Pädagogen nicht mit dem notwendigen Kontext oder verbindlichen strukturellen Rahmenbedingungen versehen werden. Wenn dann eine gewisse Beliebigkeit im Lehrsaal Einzug hält, führt das dazu, dass manche Schüler:innen das alles sehr ernst nehmen und sich von den sozialen Trittbrettfahrern (und die gibt es immer) verarscht vorkommen…

Nun sollten wir vielleicht zunächst feststellen, was Frontalunterricht NICHT ist; oder besser nicht sein SOLLTE: Wir wollen nicht davon reden, dass die Schüler:innen Stunde um Stunde passiv dem Wissenskonsum frönen sollen; sondern wir wünschen uns etwas, dass man “aktive Beteiligung” nennt. Nun ist diese allerdings nicht immer so leicht festzustellen, Denn wer glaubt, dass jene Person immer mehr aus dem Unterricht mitnimmt, die sich dauernd zu Wort meldet, als die stille Person, die man nur ausnahmsweise wahrnimmt, der liegt ziemlich oft ziemlich falsch; und ist dabei auch noch ziemlich ungerecht. Lerntypen und Lernstile sind halt so unterschiedlich wie die Persönlichkeiten, die da vor mir sitzen. Frontalunterricht ist kein Plenum für die Selbstdarstellung der Lehrperson! Ja, Humor ist erlaubt (gerne auch hintergründig), ja, Nachfragen ist auch erlaubt. Was jedoch nicht erlaubt sein kann, ist das Bloßstellen von Schwächen der Schüler:innen, oder Scherze auf Kosten Dritter und sowieso Unfreundlichkeiten aller Art. WIE man nun Augenhöhe herstellt, ist am Ende eine Stilfrage, DASS man sie herstellt, ist jedoch essentiell. Denn Frontalunterricht ist ebenfalls kein Raum für sozialen Freestyle! Regeln des Umgangs miteinander sind überall dort notwendig, wo Menschen für einen längeren Zeitraum zusammkommen, so auch in der (Berufsfach)Schule. Was bedeutet, dass die Lehrperson einerseits dazu verpflichtet ist, diese aufzustellen (oder vielleicht besser auszuhandeln) und dann bitte auch für deren Einhaltung zu sorgen. Und die wiederholte Missachtung mit geeigneten Mitteln zu sanktionieren! Denn NICHTS ist nervtötender als Laissez-Faire mit Clowns! Damit jedoch kann Frontalunterricht also bitte auch NIEMALS ein Monolog sein ! Denn nur in der GEMEINSAMEN Reflexion der Themen entsteht Wachstum! Und Frontalunterricht ist übrigens auch keine Methode, sondern vielmehr die Rahmung für verschiedene Methodenausprägungen, die gleichberechtigt nebeneinander existieren. Denn mittels welcher Technik ich vorne präsentiere, spielt nicht nur hinsichtlich der Replizierbarkeit, sondern auch bei der bewussten Steuerung von Aufmerksamkeit und Partizipation eine wichtige Rolle. Insbesondere das Herausfordern oder Spielen mit medialen Gewohnheiten kann interessante Effekte erzeugen.

Frontalunterricht ist deshalb so schlecht beleumundet, weil er so furchtbar oft so furchtbar schlecht gemacht wird. Weil sich Lehrkräfte nicht für ihre Schüler.innen interessieren, und sich einen lauen Lenz machen, anstatt einfach ihren verdammten Job zu erledigen. Wenn ich hingegen Frontal-Unterricht in ein frontal (also von vorne) moderiertes Unterrichtsgespräch verwandeln will, dann muss ich mir als Lehrkraft zuvor die Mühe gemacht haben, den Unterrichtsgegenstand a) selbst durchdrungen und b) zur Präsentation in handhabbare Häppchen zerlegt zu haben, was c) idealerweise den Einsatz verschiedener Unterrichtstechniken beinhaltet und mögliche Interaktionspunkte für die Schüler:innen aktiviert. Ob dann irgendjemand das Symbol mit der Queste auch ernst nimmt, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber eigentlich findet sich immer jemand, der den Köder schluckt… Und so werde ich meinen Frontal-Unterricht für nächste Woche wieder auf eine Art aufzubereiten versuchen, die Komplexes verständlich machen soll. Die Schüler:innen haben es nämlich verdient. Wir hören uns.

Stuck in the middle N°7 – about teaching…

In der Erwachsenenbildung machen wir dann und wann Feedbackrunden. Zumeist am Ende eines Kurses oder einer Kurswoche. Oft ist das eine Angelegenheit, auf welche die Leute wenig Lust haben, weil es Freitag ist, oder schon spät am Tag, oder einfach, weil eh immer alle das Gleiche sagen: wenn sich dann doch mal eine:r gefunden hat, um ein paar Dinge anzusprechen, hört man vom Rest der Gruppe oft nur noch ein “Ich schließe mich dem Vorredner an!”, weil es einfacher, zeitsparender und weniger schmerzhaft ist, als eigene Gedanken öffentlich zu äußern. Ich finde das schade, denn man vergibt damit allzu oft die Chance, das Erlebte noch gemeinsam zu reflektieren. Es ist mitnichten so, dass es dabei immer tiefgründige Denkgebäude zu ergründen gilt. Aber an einer Feedbackrunde aktiv teilzunehmen, zeigt mir als Lehrer zumindest, dass die Menschen im Raum die letzte Zeit über nicht vollkommen braindead umher gesessen haben. Und das ist ja auch schon mal ein Wert an sich. Allerdings muss man dann auch akzeptieren, kritisiert zu werden. Was allerdings nur recht selten passiert, weil man ja a) keine Diskussion provozieren möchte, welche die Veranstaltung in die Länge ziehen (siehe oben) und b) einander unter zivilisierten Menschen angeblich üblicherweise nicht allzusehr weh tun soll. Nett… aber auch nutzlos.

Nun hatte ich da jemanden sitzen, der mir sagte, er hätte den Eindruck gewonnen, dass sich einige Teile ohne großen Nutzen für die Teilnehmer:innen gezogen hätten; so ein bisschen, als wenn ich Zeitlücken hätte füllen wollen. Interessante Wahrnehmung, die evtl. damit korrelieren könnte, dass ich nicht so viel Zeit zur Unterrichtsvorbereitung hatte, wie ich mir das wünschen würde. Und dass auch mein Zeitmanagement im Lehrsaal NICHT immer über jeden Zweifel erhaben ist. Ich fand’s gut, dass die Person das angesprochen hat, denn natürlich stößt das für mich Denkprozesse an, wie es zukünftig besser werden und sich flüssiger und nützlicher anfühlen könnte. Ich verwies darauf, dass so ein Curriculum auch oft ein “work in progress” ist, weil man als Fachlehrer auf bestimmte Entwicklungen im Fach, in der Technik und in der Gesellschaft angemessen reagieren können möchte. Leider werden mir solche Dinge zu selten mitgeteilt; und wenn dir niemand sagt, dass es ein bisschen Scheiße war, gehst du im Sinne des Erhalts deiner Selbstwirksamkeit natürlich davon aus, dass alles crèmig gelaufen ist, wie Sahne auf die Torte… doch wir machen alle Fehler. Vielleicht sind es aber auch noch nicht einmal Fehler im klassischen Sinne, sondern einfach nur konfligierende Zielvorstellungen der verschiedenen Beteiligten. Lehrpersonen haben eine andere Vorstellung von der Beschaffenheit eines Unterrichtsgegegnstandes, als die Teilnehmenden. Das ist ein Naturgesetz, insbesondere dann, wenn die Lehrperson, dem Goethe’schen Diktum folgend – hoffentlich viel – mehr Ahnung vom Lerngegenstand hat, als die Teilnehmenden. Welche Teile dieses Wissensvorsprunges zum spezifischen Thema einer Stunde werden, hängt von vielen Kontextfaktoren ab. Und oft müssen wir uns als Lehrende dabei an den Notwendigkeiten des Curriculums orientieren und nicht so sehr an den Wünschen, Ideen, Vorstellungen der Teilnehmenden. Auch das ist ein Naturgesetz…

Ich nehme meine pädagogische Arbeit im Lehrsaal sehr ernst. Sie macht zwar nur einen Teil meines gesamten Arbeitsportfolios aus, weil ich den Laden leiten muss. Trotzdem habe ich einen Qualitätsanspruch, der jedoch – öfter als es mir lieb ist – unter den Anforderungen mancher anderer Aufgaben leiden muss. Es ist ein ständiges Ausbalancieren, wenn man mehreren Herren dienen muss. Es gibt allerdings ein paar Dinge, für die ich immer die Zeit finde: ich versuche einerseits stets, MEINE Gedanken zum Thema griffig zu visualisieren (ist eine Frage der Übung und der Ressourcen), andererseits aber auch den Gedanken der Teilnehmenden ausreichenden Raum zu verschaffen. Letztlich bin ich in der Erwachsenen-Bildung der Spiegel, an welchem die anderen Menschen im Lehrsaal ihre Selbstreflexion initiieren können, der Sparringspartner für deren Ideen, die Leitplanke am Abgrund der Verwirrung und der Animateur, der sie von der Couch in der Komfortzone zu locken versucht – alles in Personalunion. Und ich tue es gerne. Aber all das kostet Kraft. Wenn ich nach einem Tag im Lehrsaal, selbst mit einem überschaubar großen Kurs nach Hause komme, brauche ich zunächst etwas Zeit für mich allein, weil das alles – die Konzentration auf mein Gegenüber, die Schlagfertigkeit im Diskurs, die notwendige Aktivierung tiefen Fachwissens, das Aushalten von Ambivalenz und die ständige parallele Beschäftigung mit meinen sonstigen Aufgaben – meine Batterien dermaßen lehren, dass ich Abends erstmal eine Weile brauche, bis ich wieder normal funktioniere.

Dennoch mag ich jene Aspekte meines Berufes, in denen ich gestalterisch tätig werden, Menschen im positiven Sinne formen und von meinen Fähigkeiten wie auch Erfahrungen profitieren lassen kann. Die Erbsenzählerei und die ständige Sorge um Ressourcen gehen mir kontinental auf den Sack, aber der Lehrsaal – bei allem, was mir heilig ist, ich bin für diesen Scheiß anscheinend einfach gemacht! Über die Kritik des Teilnehmers muss ich noch ein bisschen nachdenken, denn mit methodischem Aktionismus um der Buntheit Willen ist es natürlich nicht getan, wenn es sich das nächste Mal noch runder anfühlen soll. Allerdings – und dass hat etwas mit Erfahrung zu tun – habe ich im Lauf der Zeit schon einige Unterrichtsentwürfe in die Tonne getreten, weil sie einfach nicht richtig funktioniert haben. Im Lehrsaal ist es manchmal wie in der Küche: man muss für das gleiche Gericht mal ein anderes Rezept versuchen. Und manchmal ist es wie in der Disco – du musst den Sound neu abmischen, damit alle in den Flow kommen können. Allerdings fröne ich jetzt erst Mal der wochenendlichen Batterieaufladung, bevor ich mich mit derlei Fragen befasse. Bis zum nächsten Mal…

Auch als Podcast…