Der Storyschreiner N°7 – „Es ist noch kein…

…Meister vom Himmel gefallen!“ Ein altes Sprichwort, dass versinnbildlicht, dass es, um in irgendeinem Gebiet zu Expertise und Fertigkeit zu kommen, der Übung, der Erfahrung und des Überdenkens bedarf. Kann man, so glaube ich, einfach mal stehen und wirken lassen. Weil’s halt verdammt wahr ist. Mit DER Wahrheit ist das ja so eine Sache. Denn es gibt nicht die eine, sondern jeder hat seine eigene. Ich schrieb gestern über die Manipulierbarkeit, der wir durch dauernden Antisocial-Media-Konsum Tür und Tor öffnen. Das ist natürlich nur die eine Seite; auf der Anderen lauert allerdings die Erkenntnis, dass es sehr wohl Content in diesem Moloch gibt – also Nadeln im Heuhaufen und Perlen vor den Säuen – der individuell je beruhigend, inspirierend, stärkend und auf manch andere Art positiv wirken kann. Meine ganz eigene Wahrheit ist, dass ich die GEFAHREN, welche vom heute üblichen Modus Operandi des Medienkonsums ausgehen als wesentlich prägnanter wahrnehme, denn die Benefits für meine Kreativität. In der Folge suche ich – dem typischen Confirmation Bias folgend, wie viele andere auch – immer wieder ähnliche Quellen nach ähnlichen Begriffen ab. Zumindest so lange, bis mir klar wird, dass ich wieder an irgendeiner Stelle, vom eigenen Blick getunnelt falsch abgebogen und zu tief in Alice‘ Kaninchenbau getaumelt bin, um schon am Tisch des Hutmachers Tee zu trinken, anstatt selbst zu denken. Ach, wie schwach an Geist sind wir Kinder des Menschengeschlechtes doch bei Zeiten…

Piano Grand 2007 – ich will wieder dahin, dieses Jahr…

Geschichten zu erzählen bedeutet zuvorderst, im Rahmen seiner eigenen Wahrheiten zu arbeiten. Ich kann nicht für – oder gar in – den Kopf einer anderen Person schreiben! Zumindest nicht über das Bestreben hinaus, mit Bildern, Metaphern, Skripten zu arbeiten, von denen ich mir halbwegs sicher sein kann, dass sie in so gut wie jedem Menschen wirksam werden können. Wichtig an dem eben gesagten Satz ist das Wort „können“; stellt es doch die natürlich Einschränkung durch einen wirksamen Konstruktivismus dar, an dem ich beim Erzählen weder im Lehrsaal, noch beim Pen’n’Paper vorbeikommen kann. Die tatsächliche Arbeit des Autors, gleich in welchem Kontext er/sie tätig werden mag, besteht darin, die übergeordneten Themen sowie die Charaktere und deren Motive jemand anders auf der Basis eines COMMOMN GROUND verständlich zu machen. Dafür muss man diesen COMMON GROUND jedoch erst finden und zu nutzen lernen. Und das ist schon alles andere als einfach, wenn ich G’schichten aus’m Paulaner-Garten erzählen will – also aus dem Hier und Jetzt, mit dem wir alle mehr oder weniger Erfahrung haben. Kompliziert wird es, wenn ich versuche, dies in fiktionalen Geschichten greifbar zu machen, bei denen die Lebens- und Erfahrungswelt der Protagonisten unter Umständen verdammt weit weg von meiner eigenen sind.

Das Schöne an fiktionalen Erzählungen ist, dass jemand, der sich auf diese einlässt, dem Autor in aller Regel einen Vertrauensvorschuss in Form der WILLING SUSPENSION OF DISBELIEF einräumt. Damit kann man arbeiten; und solange ich diesen Vorschuss nicht als Romacier auf den ersten Seiten eines Buches oder als SL im ersten Kapitel einer neuen Pen’n’Paper-Kampagne verspiele, wird zumeist alles irgendwie gut. Allerdings ist es so, dass hier wieder das oben stehende Sprichwort greift. Matt Colville, ein Rollenspiel-Youtuber, SL und Game-Designer, dem ich schon ein paar Jahre folge, hat mal folgenden schönen Satz gesagt: „We develop taste, long before we develop skill!“ Und dass man bereit sein muss, es anfangs zu verkacken, weil man schließlich immer ein bisschen weniger verkackt, um am Ende ganz gut – mit viel Übung und etwas Talent sogar sehr gut – werden zu können. Wie verdammt recht er doch hat. Das gilt im Übrigen fast deckungsgleich auch für das pädagogische Handeln. Ich sage zu meinen Kollegen immer wieder, dass sie keine Ahnung haben, wie viele Ideen, Entwürfe, Ausarbeitungen ich im Lauf der Jahre in die Tonne gekloppt habe, weil sie bei der allerersten Berührung mit dem Feind nicht nur ein bisschen versagt haben (was laut Sunzi die Norm ist), sondern ZERMALMT wurden (was bedeutet, dass die Arbeit für den Arsch war). Nicht nur im Lehrsaal, sondern auch am Spieltisch…

Wichtig beim Umfallen ist das Wiederaufstehen! [Kurzer Exkurs: Man konnte in letzter Zeit häufiger lesen, dass ich durch meine workplace struggles im Moment mehr als nur ein bisschen depressiv bin. Das bedeutet jedoch NICHT, dass ich ich meine Arbeit als solche nicht mehr mögen würde. Im Gegenteil LIEBE ich meine Arbeit. Nur die Bedingungen, zu denen diese gegenwärtig zu erbringen ist, zermürben mich, weil manche Menschen nicht verstehen wollen, dass es mir NICHT nur um Kennzahlen geht, sondern um die Sache – und dass das die EINZIG RICHTIGE ART ist, eine solche Berufsfachschule zu führen, die nicht nur von strategischer Bedeutung für die Gesamtorganisation ist, weil sie halt junge Menschen ausbildet, die unser Gesundheitswesen dringend braucht, sondern weil wir eben diesen Menschen auch ein Mindset mitzugeben versuchen, das auf Weiterentwicklung unseres Gewerkes ausgerichtet ist. Denn so wie es ist, kann es nicht bleiben! Exkurs Ende]

Weitermachen, um besser werden zu können ist also nicht optional, sondern obligat! Was mir momentan fehlt, ist immer noch der Ausgleich. Ich komme nicht dazu, die Geschichten zu erzählen, die mich tatsächlich interessieren. Wenn etwas zu einer Muss-Aufgabe wird, killt das bei mir, zumindest nach einiger Zeit die Lust und damit auch die Kreativität. Die Bilder im Museum haben die Künstler bestimmt auch nicht gemalt, damit sie halt im Museum hängen und Menschen glauben, sie sich anschauen zu MÜSSEN, weil’s halt die Mona Lisa ist und man ja kultiviert sein möchte. Sondern weil diese Künstler die Hoffnung hatten, dass anderen Menschen ihre Kunst gefallen könnte, dass diese sie zum Nachdenken anregen und die Welt mit anderen Augen sehen lassen könnte. Kunst anzusehen ist keine Aufgabe, die man erledigen MUSS, sondern die Möglichkeit, den Ausdruck einer anderen Wahrnehmung der Wahrheit zu erleben, auf den man sich einlassen KANN, um etwas davon mitzunehmen. Andernfalls kann man sich den Museumsbesuch auch schenken. Denn aus dieser Auseinandersetzung entsteht neue Kreativität, vielleicht auch neue Kunst. Aber diese Auseinandersetzung braucht Zeit, Raum, Muse. Denn es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen… See you…

Auch als Podcast…

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