Bienvenue au pays cathare N°11

Wie bereits einige Male hier erwähnt bin ich ein Kind der 80er. Als klassischer Gen-Xer (Jahrgang ’74, danke, ich weiß, dass die große Fünf winkt…) habe ich einen bedeutenden Teil meiner Kindheit und Jugend in jener Zeit durchlebt und bin nicht unglücklich darüber, dass die Pop-Kultur dieser speziellen Periode letzthin eine gewisse Renaissance erfahren hatte. Es mag auch an der persönlichen Bindung zu jener Zeit liegen, dass ich immer mal wieder beim Storytelling Bezüge wähle, die es mir erlauben, die damit verbundenen Gefühle noch mal erleben zu dürfen. Derzeit bastele ich an einer kohärenten Geschichte für Urban Fantasy in den 80ern und da dümpelt eine Storyline, an der sich die beste Ehefrau von allen mit ihrem derzeitigen Char versucht, gerade an der Jahreswende ’85 – ’86. Es ist aber gar nicht so einfach, den Zeitgeist wirklich einzufangen. Ich meine, die Bezüge zu den wirklichen Ereignissen, zur damaligen Technik, zur Politik herzustellen fällt mir eher leicht, doch das Lebensgefühl der 80er richtig einzufangen, ist gelegentlich ein harter Struggle. Das beginnt schon damit, dass unsere Sprache sich seit damals verändert hat. Was manchmal dazu führt, dass es nicht so der Hammer ist, was ich da verzapfe; und es ist beileibe nicht so, dass ich dauernd zeitgenössischen Jugendsprech nutzen würde. Ha! Ausgerechnet ich, der immer so auf sprachlicher Präzision herumreitet… das wäre ja noch schöner.

Unser neuer Gott Mammon – gefunden in Narbonne…

Und doch sind es eben die Erinnerungen an bestimmte Filme, an Musik, an die Klamotten von damals, die dazu führen, dass man eintauchen kann in eine Zeit, die so absolut anders, so absolut bekloppt, so absolut wiedersprüchlich und dennoch so absolut unschuldig war. Diese Aussagen muss man vielleicht für Jene, die nicht dort gewesen sind ein bisschen erklären: unschuldig war die Zeit, weil Informationen nicht dauernd und überall verfügbar waren, was zu einer eklatanten Desinformation der allermeisten Menschen führte. Und die machte es wiederum einfach, sich nur mit seinem eigenen Scheiß zu befassen, weil man unfassbar vieles einfach zur Seite schieben konnte. Es fühlte sich also zumindest für mich als Kind/Jugendlicher unschuldig an. Andererseits war da aber auch der, wirklich überall spürbare Power-Struggle der beiden großen Machtblöcke USA vs. UdSSR, der die Welt so bekloppt gemacht hat. Wiedersprüchlich kam durch die Unterschiedlichkeit der beiden Systeme dazu, die auf der einen Seite die halbe Welt abgewirtschaftet haben, um beim Wettrüsten die Nase vorn zu haben (TEAM UdSSR), während die andere Hälfte im Namen des Konsumkapitalismus ausgebeutet wurde (TEAM USA). Und überall, wo sich Stellvertreterkonflikte entwickelten, wurde es noch wilder. Etwa in Vietnam, oder später in Afghanistan. Vielleicht war es dieses Gefühl, dass das große Tänzchen schon morgen vorbei sein könnte (man denke an Filme wie „Wargames“ oder „The Day After“), dass diese Zeit so absolut anders aber eben auch absurd kreativ und wild gemacht hat…? In jedem Fall waren die 80er ebenso wie die 70er davor eine kulturell extrem produktive Zeitspanne.

Psychologisch ist es natürlich schon so, dass man besonders gerne das mag, was man während seiner Jugendjahre, so bis ungefähr 16 erlebt hat. Ich würde sagen: Schuldig in allen Punkten der Anklage, wobei ich erwähnen möchte, dass sich etwa mein Musik-Geschmack immer weiter entwickelt hat. In gewissem Sinne ist mein Hang zur Nutzung von Themen, Stilen, Kulturartefakten jener Zeit Nostalgie, über die ich die Tage hier mal geschrieben habe: „Sich an diese alten Momente eines vermutlich verflogenen Sinns zu erinnern, nennt man Nostalgie – das Zurückerinnern an eine Zeit, in der es angeblich besser war.  Ich konkludierte vor ein paar Tagen, dass man sich besser nicht sein Leben davon diktieren lassen sollte; und dazu stehe ich auch immer noch. Ich würde allerdings gerne eine Relativierung anfügen wollen: wenn Nostalgie auf diese Art bewusst als Mittel zur Unterhaltung genutzt wird (insbesondere beim Storytelling zu Pen’n’Paper-Zwecken), nämlich um ein bestimmtes Setting vor dem geistigen Auge auferstehen zu lassen, kann dieser Einsatz legitim sein – zumindest, wenn’s funktioniert, wie geplant. Daran arbeite ich derzeit allerdings noch. Aber mal ganz ehrlich – Pen’n’Paper ist eine Freizeitbeschäftigung, die vor allem eines machen soll: Spaß. Und wenn ich mir dabei so viele Gedanken über irgendwelche obsuren Details zu machen beginne, dass das Ganze in Arbeit ausartet, bin ich evtl. über das Ziel hinaus geschossen. Was nicht bedeutet, dass Campaign- und Session-Prep nicht fast genausoviel Spaß machen können, wie das eigentliche Spiel. Denn während man über die virtuelle Welt nachdenkt, spielt man bereits. Und SL sind ja auch Spieler am Tisch, nicht wahr…?

Ich las neulich irgendwo, dass bereits ein einfacher Spaziergang im Wald sich positiv auf die Gesundheit auswirken würde: Blutdruck, Cortisol- und Colesterin-Spiegel runter und so. Also war ich heute nochmal spazieren, durch den Wald und eine extrem fotogene Schlucht hinauf; DAS in Verbindung mit meinem geliebten Knipsen und den wunderbar sinnvoll-sinnlosen Gedanken über virtuelle Welten und vergangene Zeiten lässt diesen Urlaub für mich zu einer extrem erholsamen Angelegenheit werden. Selbst, wenn ich schon zu spüren beginne, dass die Familie in zweieinhalb Tagen den Heimweg antreten muss. Also gilt: weiter Geschichten spinnen und genießen und versuchen, den Drive zu konservieren. In diesem Sinne – schönen Abend.

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