Im einsamen Tal vor dem Ferienhäuschen zu sitzen, sich die Sonne auf den Buckel scheinen und die Gedanken treiben lassen zu können ist ein hochgeschätzter Luxus; zumindest für mich. Ich stelle mit jedem Jahr das vergeht fest, dass ich für Karriere im klassischen Sinne insofern nicht gemacht bin, als ich kein Interesse daran habe „jemand zu sein“. Ich erfülle jene Funktionen, die mir Kraft Amt zugedacht snd (und manchmal deutlich darüber hinaus), aber es reizt mich nicht sonderlich, weiter die Leiter hinaufzuklettern. Ich habe durchaus noch sogenannte „Life Goals“, also Dinge, die ich gerne noch tun, Orte die ich gerne noch besuchen und Meilensteine, die ich gerne noch erreichen würde; diese muss man aber in private und berufliche unterteilen. Und die beruflichen werde ich sicher nicht um den Preis meiner Freizeit verfolgen, oder besser jener Zeit, die ich nutzen will, um meinen ganz persönlichen Interessen nachzugehen. Und meine persönlichen Ziele waren, abseits der Zeit mit meiner Familie schon von jeher – und sind noch immer – eher kreativer Natur. Ich will erschaffen, ich will Menschen erreichen und zum Erleben, zum Denken anregen! Mich interessieren Geschichten. Alle Arten von Geschichten und alle Arten, Geschichten zu erzählen. Meine eigenen Fähigkeiten diesbezüglich sind begrenzter, als es mir recht ist, aber das zwingt mich, verschiedene Wege zu gehen, um meine Ideen dennoch umsetzen zu können – und vor allem immer wieder neue Wege auszuprobieren.
Das Problem dabei ist, dass ich vermutlich wesentlich seltener Menschen erreiche, als ich mir das wünschen würde. Oder aber diese Menschen mittlerweile so sehr an den Modus Operandi der asozialen Medien gewöhnt sind, dass es ihnen an der Geduld mangelt, sich mit Texten auseinanderzusetzen, die länger sind als „Du bimst eins Lauch, und ich voll korrekta digga!“ Und ja, mir ist klar, dass das KEIN Jugendsprech und auch KEIN Ghetto-Sprech ist, sondern Käse; tatsächlich klingt jedoch ein nicht unerheblicher Teil des Internets mittlerweile für meine inneren Ohren genau so: NÄMLICH. ABSOLUT. SINNFREI. Weil es ein gewisses Sprachniveau braucht, um manche Dinge ausdrücken und transportieren zu können – auch wenn manche Leute glauben, dass Sprache in beliebig kurzer Zeit beliebig wandelbar ist. Genau DAS ist sie NICHT! Ich verstehe, dass Rap und Hiphop möglicherweise zum Teil eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen, die das bloße Testosteron-gesteuert möchtegern-territoriale Bramabarsieren über Drogen, Kohle, Frauen und Autos, oder aber das hemmungslose Plagiieren von schlechten Vorlagen übersteigt. MIR fehlt es jedoch an der Sprache, dies zu identifizieren und ich finde, das jede Kunst wenigstens gelegentlich intersubjektiv genug sein sollte, auch Menschen anzusprechen, die weder aus dem gleichen Ghetto, noch aus der gleichen Alterskohorte kommen. Und DAS kann ich hier beim besten Willen nicht erkennen. Das ist Musik für Leute, die immer die gleiche Musik von immer neuen Leuten hören wollen, die aber immer die gleich Musik über immer die gleichen Themen mit den immer gleichen, vollkommen austauschbaren austauschbaren Texten machen. Es geht vielen nur um die Oberfläche, um das Gefühl, cool sein und von einer anderen Welt kosten zu wollen. Aus dem gleichen Grund sind im viktorianischen England Mitglieder der feinen Gesellschaft ins Varieté in Whitechappel oder Limehouse gegangen – um den Kitzel einer verborgenen, verbotenen Welt kosten zu können.
Was man diesen Eumeln nicht absprechen kann, ist das Ego, dass es braucht, sich mit seiner Kunst in die Öffentlichkeit zu trauen. Wobei ich das Gefühl habe, dass es bei DENEN in der Hauptsache um Bling-Bling und Kohle geht. Mich interessiert jedoch der Gedanke, seine Kunst einfach herzustellen, weil man davon überzeugt ist, damit vielleicht etwas zu bewegen, vor allem aber, weil man die Idee hat, dass andere gut finden könnten, was man da gerade in die Welt hinaus lässt! Kunst ist für mich zuallererst etwas, dass unser Denken anregen und ggfs. verändern können sollte. Aber betrachte ich meine Geschichten, gleich welcher Natur überhaupt als Kunst. Lebe ich ein kreatives Leben? Ich will darauf mit einem klaren JA antworten, denn es geht nicht um Klickzahlen, um Geld, um (meine 15 Minuten) Ruhm, oder gar darum irgendjemanden abschleppen zu wollen. Ich habe meine beste Ehefrau von allen, dankeschön! Ne, ne, es geht darum, sich selbst und seinen eigenen Ansprüchen zu genügen, etwas zu machen, dass einem selbst Freude bereitet, einem hilft, an etwas anderes denken zu können, als die wiedrigen Zeiten, in denen wir uns gerade bewegen; und das IRGENDJEMANDEN erreicht. Ich habe irgendwann in den vielen Zeilen, die ich bislang in über 11 Jahren hier (und den über 10 Jahren davor an anderer Stelle) geschrieben habe mal gesagt, dass, wenn ich durch mein Tun auch nur das Leben einer Person zum Besseren hätte wenden können, sich die ganze Mühe gelohnt hätte. DAS IST KEINE HOHLE PHRASE LEUTE, DAS IST MEINE ENERGIE!
Viele Menschen neigen dazu, sich über ihren Job, ihren Besitz, ihre Gelehrsamkeit zu definieren. Ich brauche keine Titel, ich brauche auch keine unfassbaren Mengen an Geld, oder gar noch mehr Arbeit – im Gegenteil, auf das Letztere könnte ich derzeit, meiner mentalen Gesundheit zur Liebe dankend für eine sehr lange Zeit verzichten. Arbeitsfasten, das wäre mal was gewesen für die letzten 6 Wochen. Oder die nächsten 6. Ich definiere mich über all die kleinen Dinge die ich tue, wie etwa dieses Blog zu schreiben. Oder für die Menschen in meinem Umfeld ein offenes Auge und Ohr zu haben. Oder Menschen beim Wachsen zu helfen. Worüber ich mich nicht definieren möchte, ist der ganze andere oberflächliche, langweilige, allzu materielle Quatsch, an dem sich so viele Menschen orientieren. Ich hingegen sitze immer noch vor der Hütte in dem einsamen Tal. Die Sonne scheint, während ein milder, immer noch Märzkühler Wind weht. Mittlerweile hat der Grill uns das Essen gegart. Ich denke darüber nach, heute Abend eine Geschichte (weiter) zu erzählen. Das Leben ist jetzt gerade schön. Lasst mich den Moment festhalten, während ihr was anderes macht, okay…