Der verwirrte Spielleiter #1 – quo vadis?

Die meisten Leute fangen, wenn sie etwas zum Rollenspiel oder zum Spielleiten schreiben wollen, mit weitschweifigen Erklärungsversuchen an, wie das mit dem Darstellen der Figuren und dem ganzen mechanischen Schrott (vulgo Regeln) so funktioniert; und lassen dabei das Wichtigste von allem außer acht: Rollenspiel ist zuvorderst ein soziales Event. Menschen kommen zusammen, um miteinander etwas zu tun. Das unterscheidet sich kaum von anderen Dingen, die man miteinander unternehmen kann, wie Zoobesuche, Wanderungen, Bungeespringen, Volleyball und Essen gehen – oh ja, besonders Essen gehen.

Die Ähnlichkeit ist frappierend, denn man sitzt beisammen, rings um einen Tisch, in freudiger Erwartung genussvollen Konsums – na ja, also zumindest die meisten. Eine Person am Tisch hat eine andere Rolle: unser verwirrter Spielleiter. Ihm fällt die ehren- und zugleich schmerzvolle Aufgabe zu, sich ’ne Geschichte aus den Rippen schneiden zu müssen. Doch bevor das überhaupt passieren kann, müssen einige Fragen geklärt sein, die nachhaltigen Einfluss auf Wohl und Wehe der kommenden Ereignisse haben werden.

Die Gruppenzusammensetzung: Oft ist es so, dass man die anderen Personen am Tisch schon eine Weile kennt, aber dann und wann kommen auch mal neue Player ins Feld und dann tut man als SL gut daran, zu klären, wie diese Person tickt; und ob sie überhaupt reinpasst. Üblicherweise gibt es nämlich in jeder Runde, die sich schon länger trifft ein paar (zumeist ungeschriebene) Regeln, die alle beachten. Z.B., wie Verköstigungen beschafft werden, ob am Spieltisch auch Alkohol getrunken werden darf, ob Unpünktlichkeit toleriert wird, wie neue Termine ausgehandelt werden (falls man sich nicht, wie früher jeden Freitag um 17:00 und jeden Samstag um 14:00 trifft…), ob Charakterbögen beim Spielleiter gelagert werden, ob man sich überhaupt immer am gleichen Ort trifft, etc., etc. Eben alles, was nicht mit dem Spiel selbst, sondern mit dem Sozialleben der Spieler am Tisch zu tun hat. Und hier gilt es eben zu klären, ob der, oder die Neue „reinpasst“? Oder ob es sich der Meister sogar verbittet, das Spieler potentielle neue Mitspieler anschleifen. Manche sind da sehr reserviert…

[KURZER EXKURS] Das Wort „Gruppenvertrag“ kotzt mich an. Denn es impliziert, dass solche Regeln in Stein gemeißelt sind und NICHT, genauso wie die Persönlichkeit der Teilnehmer im Zeitlauf Veränderungen unterliegen können. Die Dogmatik, mit der mancher Apologet der Rollenspieltheorie zu Werke geht, stößt mich ab, weshalb ich mir die Terminologie nicht zu eigen machen werde. [EXKURS ENDE]

Gemeinsame Prämissen: Miteinander zu spielen, gleich welche Position man nun innehat bedeutet, neben den sozialen Regeln auch, sich über Thema und Fokus des Spiels verständigen zu müssen. Einfaches Beispiel: ich habe jetzt Lust auf Vampire, ein bekanntes, sehr gut ausgearbeitetes und weit verbreitetes Regelwerk zum Thema gefällt mir aber nicht, weswegen ich etwas eigenes konstruiere; am ersten Spielabend laufen meine Spieler, die nur das Wort Vampire verstanden haben, allesamt mit fertigen Charakteren nämlichen Regelwerks an und machen alle lange Gesichter, als ich Ihnen sage, dass sie diesen Dreck in die Tonne treten können…

Das Thema einer Rollenspielrunde könnte auch mit dem Wort „Genre“ beschrieben werden: Steampunk, Dieselpunk, High Fantasy, Horror, Space Opera, Dark Fantasy, Cyberpunk, Hard Science-Fiction, etc. Da nicht jeder immer auf das gleiche Lust hat, sollte man sich beim Neustart etwas Zeit nehmen, diesen Punkt zu klären. Mit dem Genre wird dann auch oft über das Regelwerk abgestimmt. Jeder SL, aber auch jeder Spieler hat da so seine Präferenzen. Ich will an dieser Stelle nicht zu weit ausholen, daher vorab nur soviel: es wird gerne behauptet, dass sich manche Themen oder Genres nur mit bestimmten Regelwerken gut spielen lassen. Ich halte das für Käse, denn ein Regelwerk ist, was der SL und seine Spieler draus machen. Es ist aber oft so, dass Setting und Regelwerk miteinander verwoben sind. Dann hat man wenig Chancen, das ohne großen Aufwand zu ändern. So oder so muss man zu einem Kompromiss kommen, den alle tragen wollen.

Der Fokus hingegen bestimmt, in welche Richtung innerhalb eines Genres wir gehen wollen. Nehmen wir der Einfachheit halber mal High Fantasy: wollen die Spieler, dass sich ihre Charaktere im Verlauf des Spiels zu epischen Helden entwickeln? Oder genügt es ihnen, als vagabundierende Abenteurer ein Verließ nach dem anderen zu plündern? Stürzen sie sich gerne in Diplomatie und Intrigen? Oder stehen sie doch lieber selbst auf dem Schlachtfeld? Oder beides? Unterschiedliche Möglichkeiten hat man innerhalb jedes Themas. Auch diese Frage kann man vorher klären. Wobei man bitte nicht zuviel erwarten darf: wenn ich sowas frage, heißt es meist nur: „…ach, mach doch einfach mal, wir sehen dann schon ob’s passt…“. Dieser genügsame Ansatz macht es für mich einfacher, denn tatsächlich hat es bislang meistens gepasst. Aber, wenn man vorher darüber angestimmt hat, gibt es hinterher keine Legitimation für Genöhle…

OK! Wir wissen nun also, wer mit wem was spielen möchte und wohin die Reise gehen soll! Super! Dann klären wir in der nächsten Episode doch mal, was der Spielleiter alles vorbereiten sollte, BEVOR die Gruppe sich am Tisch versammelt. Always game on!

Auch zum Hören…

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