Me, Self and I #04 – allzu optimiert?

Der Homo Oeconomicus. Das Schreckgespenst meines Lebens. Eine künstliche Figur aus der Wirtschaftswissenschaft, die ihr gesamtes Leben der Nutzenmaximierung unterwirft. Das betrifft in der Theorie alle Bereiche des Lebens und ist, zu Ende gedacht, natürlich ein Albtraum für jedes halbwegs empathische Wesen. Ich will nicht in Abrede stellen, dass man idealisierte Denk-Figuren für analytische Zwecke braucht; insbesondere in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Dennoch feiert die daraus abgeleitete Denke immer wieder Urständ in den Medien.

Ich habe immer mal wieder Einlassungen zu den Themen Selbst-Optimierung und Work-Life-Balance veröffentlicht. Letztlich bin ich heute an dem Punkt angelangt, dass ich dieses ganze Geschwafel für Augenwischerei halte, die nur das Ziel hat, uns noch etwas mehr Arbeitsleistung abzupressen, damit andere noch mehr Geld für eine Pulle Schampus bezahlen können. Sorry, wenn ich jetzt klinge wie ein Sozialist mit Fackel in der Hand, aber gehen wir’s doch mal kurz durch, wer alles von Selbst-Optimierung spricht:

  • Krankenkassen mit Bonus- und Erziehungsprogrammen für einen gesünderen Lebensstil. Warum machen die das? Weil sie an ihren Kunden Geld sparen wollen, denn Krankenkassen sind nicht mehr einfach Sachwalter der fiskalischen Abwicklung von Gesundheitsdienstleistungen sondern profitorientierte Konzerne. Wie gut das der individuellen Gesundheit tut, darf sich jeder gerne selbst ausrechnen. So lange Krankenkassen-Vertreter Boni bekommen, wenn sie die Budgets z.B. für den Rettungsdienst besonders schmal verhandeln, habe ich kein Vertrauen in diese Läden.
  • Ratgeber-Autoren, die mit dem Trend Kasse machen wollen. Es ist schon irritierend, wie oft z.B. der „Stern“ in den letzten Jahren anstatt investigativem Journalismus riesige Leitartikel zur Verbesserung des Lebensstils gebracht hat und dabei auch ein ums andere Mal Autoren gepuscht wurden. Ein Schelm, wer was Böses dabei denkt.
  • Arbeitgeber, die mit cooperative Workspaces und flexiblen Arbeitszeitmodellen locken, die – sozialpsychologisch erwiesen – nicht selten in Selbstausbeutung bis hin zum Burnout münden.

Das ist natürlich nur eine Seite der Medaille. Es gibt mittlerweile auch genug Medien, in denen derlei ein differenzierteres, ja sogar kritisches Echo hervorruft; mündiges Googeln soll ja tatsächlich manchmal helfen. Denn bei all den Anforderungen, die an uns herangetragen werden, liegt es letzten Endes an jedem selbst, was er oder sie daraus macht. Und so ganz individuell optimiere ich am liebsten meine Denke…

Will heißen ich versuche informiert zu sein / zu bleiben, um mündige Entscheidungen für mich selbst treffen zu können. Ich bin dabei keinesfalls immer vernünftig (insbesondere beim Umgang mit meiner Physis) weil ich mir die Freiheit herausnehme, selbst entscheiden zu wollen, was schlecht für mich ist. Frei nach James Bond esse ich zu viel rotes Fleisch und zu viel Weißbrot; die trockenen Martinis habe ich allerdings durch Single Malt ersetzt. Klingt das clever? Nö! Aber bei allem, was ich tagein, tagaus auf unterschiedlichsten Ebenen für andere tue, gestatte ich mir sehenden Auges Torheiten, weil es meiner Psyche gut tut. Mindestens genauso gut, als mir hier dann und wann meine Rage vom Leib zu schreiben.

Aber mit Selbstoptimierung bleibt mir bitte vom Hals. dazu fällt mir nur dieses Lied von „Großstadtgeflüster“ ein! Schönen Tag noch…

Ach ja: die nächste Folge ist „…allzu Kreativ?“

Auch zum Hören…

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