Kann Ahmed dichten?

Bevor jetzt gleich irgend so ein Triple-B daher kommt – so ein besorgter Bildungsbürger – sei gesagt, dass ich einen X-beliebigen Namen hätte verwenden können, der irgendwie nach Migrant klingt und irgendjemand fühlte sich in unserer vollkommen kollektiv dauerbetroffenen Republik schon mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf den Schlips getreten. „Kann Mosche Goldstein dichten?“. Ehrlich – keine Ahnung, denn ich kenne zugegebener maßen keinen Mosche Goldstein und wenn ich einen kennen lernen würde, stünde „Kannst du eigentlich dichten?“ auf meiner Liste von Konversationsbröckchen eher recht weit unten; außer vielleicht ich wüsste, das er ein renommierter Autor ist, oder so…

Ich laß vor einer Weile in einem Stern-Artikel, genauer gesagt einem Interview mit Jörg Asmussen, dem deutschen Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, dass die Integration der Migranten eine unserer wichtigsten Zukunftsaufgaben sei. Kluger Kerl der Herr Asmussen, mit ökonomischem Weitblick und sicherlich kein intellektuelles Fliegengewicht. Aber es stellt sich die Frage, was er unter Integration versteht, denn genau DAS wird durch diesen quasi im Nebensatz geäußerten Allgemeinblatz nicht wirklich erklärt. Kann ja auch kein Ökonom, denn dazu müsste er Soziologe oder Pädagoge sein und sicherlich interessiert ihn nur eine erfolgreichere Einbringung von mehr Migranten in die Ökonomischen Kreisläufe unseres Landes. „Ja ist das denn so falsch?“ fragt sich nun der Zuhörer.

JEIN, sage ich. Ja natürlich, weil bessere ökonomische Integration Migranten mit mehr pekuniären Ressourcen ausstatten kann, man sich so einen anständigen Lebensunterhalt leisten und auch gleich noch die Binnenwirtschaft anzukurbeln im Stande ist. Nein sicher nicht, weil der Weg zu einer erfolgreichen ökonomischen Integration nur über eine erfolgreiche soziale Integration ablaufen kann und eine rein ökonomische Betrachtungsweise darüber hinaus Machtfragen in gefährlicher Weise ausklammert.

Was hat denn das jetzt bislang bitte mit Ahmeds Dichtkünsten zu tun? Und nein, es geht dabei nicht um Sanitärsilikon. Sagen wir mal so: es gibt da einige Sarrazineske Thesen, welche Migranten – gemeint sind bei ihm aber vor allem Türken bzw. andere Muslime in Deutschland – einen geringeren IQ unterstellen. Ulkig an der Sache ist nur, dass selbst wenn einige von ihm zitierte Statistiken einen gewissen Gehalt haben mögen, er das Faktum übersieht, dass die systematische Stigmatisierung von Migranten, welche in unserer Gesellschaft jeden Tag beobachtet werden kann, wenn man sich nur mal eine Stunde in ein Straßencafe in der Fußgängerzone setzt der GRUND für eventuell tatsächlich messbare intellektuelle Fehlleistungen von Migrantenkindern ist und nicht etwa die genetische Minderaussatttung, welche dieser bebrillte Sozialtölpel ihnen unterstellt. Vereinfacht gesagt: wenn ich jemandem lange und laut genug unterstelle, dass er dümmer sei als ich, wird er irgendwann anfangen, selbst daran zu glauben. Für eine deutlich elaboriertere und wissenschaftlich fundiertere Erklärung hierzu empfehle ich, das Werk des renommierten Soziologen Norbert Elias zu studieren. Tatsächlich lässt sich der negative Einfluss von systematischer Stigmatisierung auf kognitive Fähigkeiten statistisch nachweisen. Hierzu verweise ich auf Studien über die Abkömmlinge der Burakumin – das war die unterste gesellschaftliche Kaste im feudalen Japan – die bis zum heutigen Tage an der Unterdrückung leiden.

Ich bescheide mich einstweilen mit einem historischen Exkurs zu den Gründen, warum in unserem Land die Realität der Gesellschaft in der Politischen Landschaft nicht abgebildet wird. Man geht ja in regelmäßigen Abständen Wählen. Zumindest einige von uns. Es gibt Parteien, die haben Programme und in denen findet man sich (hoffentlich) zumindest in Teilen abgebildet. Nun ließt aber so gut wie kein Mensch Parteiprogramme. Die meisten, welche zu kennen ich die Ehre und das Vergnügen habe, urteilen nach Zeitungs- und Fernsehnachrichtenlage. Ich werde jetzt nicht die Mechanismen aufzeigen, welche folgende Aussage bedingen, aber es sei soviel gesagt: für eine echte politische Willensbildung reichen die BILD und die RTL2-News bei weitem nicht aus.

Aber bleiben wir mal bei: man geht wählen. Dann, so ab 18:00 Abends kommen im Fernsehen die ersten Hochrechnungen. Die heißen so, weil da noch lange nicht alle Stimmen ausgezählt sind, sich aber bereits ein statistisch erfassbarer Trend abzeichnet. Und da stehen dann ganz links in der Grafik entweder die Normalroten oder die Schwarzen, nicht ganz so dicht gefolgt vom Rudel den Grünen, Dunkelroten und Gelben…und heutzutage bis vor kurzem auch noch den Orangefarbigen. Und ganz rechts stehen sonstige und ganz selten, aber leider immer noch beobachtbar – und im politischen Spektrum auch auf der richtigen Seite abgebildet – die Braunen, welche sich als Graue tarnen und bedauerlicherweise gelegentlich den Sprung über diese ominöse Schwarze Linie im Sockelbereich der farbigen Klötzchen schaffen. Die so genannte 5%-Hürde, die eine Partei schaffen muss, um in einem Parlament Sitze erlangen zu können. Einzige Ausnahme hierzu ist der Südschleswigsche Wählerverband, die Partei der allochthonen dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein.

Aber warum gibt es diese 5%-Hürde. Warum kann nicht jeder Hinz und Kunz einfach seinen Delegierten ins Parlament schicken. Hierzu schwenken wir den Blick auf die Weimarer Republik. Das war jenes ominöse erste demokratische Staatswesen auf deutschem Boden, welches im Zuge des verloren gegangenen ersten Weltkrieges und darob untergegangenen wilhelminischen Kaiserreiches entstanden war. Da gab es auch Wahlen. Aber keine 5%-Hürde. Was dazu führte, dass eine deutlich größere Anzahl an Parteien im Reichstag vertreten war, als man das heute kennt. Manche von ihnen nur mit drei oder vier Abgeordneten.

Das klingt doch auf den ersten Blick fair, führte allerdings zu großen Problemen, wenn es um die Meinungsfindung, also den von einer Mehrheit getragenen politischen Kompromiss als Ziel parlamentarischer Arbeit ging. So traten Sachfragen hinter Parteiinteressen durchaus häufiger in den Hintergrund und das lähmte das zentrale Verfassungsorgan des jungen Staatswesens erheblich. So sehr, dass in zentralen Momenten der Reichstag beinahe handlungsunfähig wirkte, was nicht gerade zu mehr Vertrauen in die ja noch sehr junge demokratische Politik in Deutschland führte. Wo diese tragische Konstellation hineinmündete, muss ich hoffentlich nicht noch mal ausführlich erklären. Da genügt ein einziger Satz: Schlussendlich haben sie die falsche Partei gewählt und ein sehr engstirniger, rassistischer und militaristischer kleiner Mann aus Österreich landete auf dem Stuhl des Reichskanzlers. 15 dunkle Jahre später wollte man es unter dem Eindruck des Erlebten besser machen.

Die Gründerväter und Mütter unserer Verfassung wollten um jeden Preis eine solche Zersplitterung der demokratischen Kräfte vermeiden, weil sie aus deren Sicht abermals zu einem Handlungsunfähigen Parlament hätte führen können und das vergangene Jahrzehnt von so gut wie Niemandem als wiederholenswert erachtet wurde. Aus dieser hehren Idee wurde im Laufe der Zeit allerdings ein Wahlrechtsungetüm, dass eigentlich nur noch Spezialisten durchschauen und welches manchmal Ergebnisse in der Sitzverteilung erzeugt, die den eigentlichen Proporz nicht korrekt abbilden.

Dieser Umstand ist eigentlich nur ein Symptom, doch es mag als bezeichnend gelten, denn tatsächlich ist das, was auf der politischen Bühne geschieht in seiner Komplexität kaum durchschaubar. Vielleicht ist es gerade dieses mediale Gewitter, welches die zunehmende Flut an Nachrichtenkanälen jeden Tag über uns ausgießt und das uns eigentlich helfen soll, die Lage besser zu beurteilen, welches dazu führt, dass wir sie nicht mehr durchschauen. Viele berichten, manche kommentieren, manche glossieren, kolumnieren, bloggen, podcasten, vodcasten… und einer hat einen neuen Blickwinkel – der kaum zusätzliche Erkenntnisse bringt, einer neue Nachrichten – die das Bild nicht komplettieren, sondern eher noch diffuser macht, wieder andere finden das alles viel zu Mainstream … laberrabarberschwallundgeschwätz!

Wir sind übersättigt, wir verstehen nicht, warum die Sitzverteilung so und nicht etwa anders aussieht, kein Mensch weiß wie Überhangmandate zu Stande kommen – jene, die es doch wissen, mögen mir diese Verallgemeinerung verzeihen – Wahlprogramme sind viel zu umfangreich und zu wenig auf den Punkt und ehemals trennscharfe Grenzen zwischen den so genannten Volksparteien verwischen immer mehr in einem Einheits-Beliebigkeits-IchrededemWahlvolknachdemMunde-Brei, der lediglich dazu dient, jeden davon zu überzeugen, das alles geht – aber am Besten nur mit …setzen hier ein beliebiges Kürzel ein.

Das führt soweit, dass der Stupor des sich immer verwirrter fühlenden so genannten Bürgers in Katatonie kulminiert. Lässt sich an den Wahlbeteiligungen ablesen, oder an dem Umstand, dass irgendwelche Orangefarbigen ohne Plan in Länderparlamente gewählt wurden, oder vielleicht auch daran, dass Probleme, welche uns alle betreffen schlicht so lange tot diskutiert werden, bis es keiner mehr hören kann und man die Lösung stillschweigend in die nächste Legislaturperiode verschieben kann, die stets mit einem Tänzchen um Macht, Zuwendungen und Zuständigkeiten beginnt und mit einer gewaltigen Schlammschlacht endet, ohne dass einer der beteiligten Kombatanten tatsächlich etwas vorzuweisen hätte, dass im wahren Leben auch nur der Erwähnung wert wäre.

Zugegeben ein etwas polemischer Blick, aber wenigstens tue ich nicht so wirklichkeitsfremd, zu behaupten, dass wir ja mit der Integration gut voran gekommen wären. Wir integrieren weder unsere Mitbürger mit Migrationshintergrund – oh wie ich dieses politisch korrekte Gelaber liebe – noch unseren eigenen White Trash, wie man’s in Amiland so treffend nennt. JA, es gibt in Deutschland eine Unterschicht, es gibt Ghettos, es gibt ganze Bevölkerungsschichten, die soweit von Bildung und sozialer Teilhabe entfernt sind, dass man sich ernsthaft fragen muss, ob man etwas weiter oben wirklich blind ist, oder nur ziemlich gut im Ignorieren.

Die Frage, ob Ahmed dichten kann, gewinnt in diesem Moment allerdings ihren eigentlichen Sinngehalt. Wenn ich den Umstand, ein einigermaßen sinniges Verslein hervorbringen zu können mit einem Mindestmaß an Bildung assoziiere, was für eine fundierte Betrachtung wohl zu kurz greift, als Bild aber hinreichend wirkt, wird klar, dass es schön wäre, wenn Ahmed dichten könnte. Ich sprach vorhin davon, dass man in gewissen Kreisen Integration als ein rein ökonomisches Problem begreift. Doch für mich bedeutet Integration, den Menschen – egal von wo sie kommen – welche von unserem System allzu früh als untauglich aussortiert worden sind eine Chance zu geben, sich selbst einen würdigen Platz in unserer Gesellschaft erarbeiten zu können. Jeder Mensch hat das verdient und wir brauchen diese Menschen eben so sehr, wie sie die Bildung und Achtung brauchen, um wirklich zu einem Teil unserer Gesellschaft werden zu können. Wenn wir das denn wirklich wollen und da habe ich bei manchem so genannten Entscheider so meine Zweifel.

Denken sie wohl.

Sprache, du wunderbares Instrument…?

Seine Gedanken kohärent und präzise ausdrücken zu können, ihnen die Kraft zu verleihen, einem Anderen tatsächlich verständlich zu sein, oder ihn gar für den eigenen Standpunkt gewinnen zu können, ist eine Kunst, deren höchste Ausdrucksform nur sehr selten erreicht wird. Selbst zwischen Menschen, welche sich grundsätzlich der gleichen Muttersprache befleißigen – in unserem Falle sei diese im gegebenen Kontext das Deutsche – muss sie nicht unbedingt eine funktionierende Lingua Franca darstellen.

Die am einfachsten begreifliche Barriere sind Dialekte. Obschon meine Mitmenschen zumindest theoretisch alle des Schriftdeutschen mächtig sind, existieren regionale Sprachgebräuche („heya, was machschn du doo, longa?“ – für Nicht-Mannheimer würde man diese Äußerung in etwa mit „Hallo, was machst du denn da, mein Freund?“ übersetzen…wobei Freund nicht überall auf der Welt die gleiche Bedeutung hat…), die berechtigte Zweifel daran aufkommen lassen können, ob man sich denn noch im gleichen Staat befindet. Tatsächlich gibt es so was wie eine Hitliste der beliebtesten Dialekte. Ich persönlich denke, dass so etwas eine sehr dumme Erfindung darstellt, denn wenn es gemäß dieses Rankings beliebte Dialekte gibt, muss es ja auch weniger Beliebte geben, was wiederum die Frage aufwirft, wer sich denn nun hier, aus welchen Gründen unverschämter Weise das Recht herausnimmt, sich zum Richter über die Sprachgewohnheiten Anderer aufzuspielen. Dies trägt zwar nicht den gleichen Grad an Absurdität und Realitätsferne zur Schau, als wenn ausgerechnet Amerikanische Justizbeamte irgendjemanden wegen Folter zur Rechenschaft ziehen wollen, aber es bleibt, wie der Schwabe wohl sagen würde, ein Geschmäckle zurück. Darüber hinaus findet der Dialekt als Varietät unserer gemeinsamen Sprache nur in eher seltenen Fällen seinen Weg in Publikationen, die dann zudem als Mundart gekennzeichnet sind und nicht selten dazu dienen, die besonderen Eigenarten einer solchen aus humoresken Belangen auszuschlachten, assoziiert man mit dem sprachlichen Ausdruck doch oft auch bestimmte Eigenheiten einer Region und ihrer Bewohner.

Doch will ich mit meinen Gedanken Andere erreichen, stellt der Dialekt im publizistischen Bereich ein als eher gering einzuschätzendes Hindernis dar. Vielmehr muss man sich Gedanken um folgende Punkte machen: Welches Ziel verfolge ich mit meinen Worten und welche Motivation steht dahinter? Soll diese transparent sein und falls ja, wie kann ich das erreichen? Was für einen Weg der Veröffentlichung wähle ich? Falls ich Subtextinformationen (welche bei verbaler Kommunikation durch Gestik, Mimik, Tonlage, etc. automatisch mitgeliefert werden) mit einschließen möchte, wie kann ich dies mit den zur Verfügung stehenden Medien erreichen. Welchen Bildungshintergrund haben meine potentiellen Empfänger und in wie weit muss ich dies bei der Abfassung meiner Mitteilungen und Betrachtungen berücksichtigen? Das sind nur einige Fragestellungen, mit denen man sich zu befassen hat.

Nehmen wir als Beispiel dafür, wie leicht man Missverstanden werden kann, einen von mir in einem Internetforum einfach mal so hingeworfenen Satz:

„Ob die so genannte Entwicklungshilfe, also diese zynisch-bigotte Einrichtung zur Kaschierung der Imperialismusschäden nun verdammungswürdig ist, weil sie aus Schuldgefühlen heraus geleistet wird, oder aber toll, weil sie Menschen zu helfen versucht, muss jeder für sich entscheiden.“

Grundsätzlich schwingt hier natürlich eine Implikation mit, nämlich dass das Konstrukt Entwicklungshilfe in den Augen des Autors eine „zynisch-bigotte Einrichtung zur Kaschierung der Imperialismusschäden“ ist. Jedoch enthält der Satz auch eine Relativierung, welche dem LESER die Verantwortung der Entscheidung überträgt, ob er diese Auffassung nun teilen möchte, oder eben nicht. Man hat mich für diese Äußerung hart angegangen, so dass ich mich schließlich gezwungen sah, meine Meinung mit Fakten bzw. einer differenzierteren Darlegung meiner Sichtweise der Dinge zu untermauern. Unabhängig davon, dass man diese Meinung kontrovers diskutieren kann und muss, zeigt es jedoch auch, dass die Stoßrichtung – nämlich ein ironischer Kommentar zu der Frage, ob Leute, welche sich als Helfer in Krisenregionen begeben, sich auch der Gefahren bewusst sind, denen sie sich dort aussetzen, obwohl sie von der Politik aus der bloßen Notwendigkeit der Imagepflege heraus instrumentalisiert werden – vollkommen missverstanden wurde, weil ich mich meist bewusst dem Gebrauch eines IRONIE-Emotikons verweigere. Denn wer die Ironie eines Textes oder eines Sachverhaltes nicht vom Hinschauen zu erkennen vermag, dem muss ich es hinterher sowieso erklären, egal ob ich das dämliche Grinsemännchen nun benutzt habe, oder nicht!

Es vermittelt allerdings auch eine deutliche Lehre. Zum einen scheint der Sprachgebrauch, ganz speziell im Internet auf Grund der im Vergleich zum verbalen Austausch deutlich verkürzten Aufmerksamkeitsspannen durch das dauernde zu-sich-Nehmen kurzer und kürzester Informations- und Kommunikations-Schnipsel zu verarmen. Und ich möchte mich hier überhaupt nicht auf irgendwelche sozio-linguistischen Untersuchungen berufen, sondern ganz und gar auf meine höchst persönlichen diesbezüglichen Beobachtungen. Dies bezieht sich nicht nur auf Wortschatz, Orthographie, Interpunktion, Grammatik, etc., sondern auch – und vor allem – auf die Hemmschwelle, Beleidigungen schriftlich niederzulegen. Und ich musste in letzter Zeit auch bei mir diesbezüglich eine äußerst beunruhigende Tendenz ausmachen, Andere „einfach von der Platte zu putzen“. Etwas, das mir bei einem normalen Gespräch, selbst wenn es in einer hitzige Diskussion über ein strittiges Thema mündete niemals in den Sinn käme.

Zum andern vermeine ich einen Rückgang in der Fähigkeit zur Wissensvernetzung auszumachen. Normalerweise sollte es einem nicht vollkommen verblödeten Individuum recht einfach möglich sein, historisches, geografisches, wirtschaftliches, soziales und politisches Wissen in einem Kontext miteinander in Verbindung bringen zu können. Warum haben die NATO-Staaten 1990-91 am Persischen Golf doch gleich noch mal Krieg gegen Saddam Husseins Irak geführt. Um die Welt von einem schlimmen Diktator zu befreien, welchen sie die 10 Jahre davor allerdings munter mit Waffen beliefert hatten, damit dieser die islamische Theokratie im Iran bekämpft? Oder doch eher, um die Annexion Kuwaits rückgängig zu machen, weil das dort zu findende Öl einen sehr wichtigen Faktor für die US-Amerikanische Wirtschaft darstellte. Wie war es gleich noch mal zu der Bildung der Theokratie im Iran gekommen? Wo liegen die Wurzeln all dieser Konflikte? Wer profitierte von diesen Konflikten? Eigentlich ist all dies recht einfach verständlich und heutzutage sogar sehr gut im Internet recherchierbar. Man muss sich doch heutzutage noch nicht einmal mehr die Mühe machen, die ich selbst z.B. als Jugendlicher noch hatte, in der Bibliothek die richtigen Bücher suchen UND lesen, oder mich durch verschiedene Zeitungen wühlen zu müssen. Und dennoch, obwohl die Menge des leicht verfügbaren Wissens immer schneller wächst, scheint die Zahl derer, die es zu gebrauchen wissen stetig zu schrumpfen. Woran das wohl liegen mag?

Ich werde mich tunlichst hüten, hier Behauptungen aufzustellen, wie etwa, dass wir immer mehr verdummen, aber tatsächlich kann man in der Studien- und Ausbildungslandschaft eine Tendenz ausmachen, die Breite der vermittelten Wissensinhalte zu Gunsten einer höheren Fach-Spezialisierung zu beschneiden. Was in der Konsequenz dazu führt, dass jemand eine bestimmte, hoch differenzierte Profession womöglich um einiges schneller und vielleicht auch besser zu beherrschen erlernt, allerdings auf Kosten verringerter Schnittstellenkompetenzen; et voilá, der viel beschrieene Fachidiot ward geboren.

Wie schon gesagt, das ist lediglich die Essenz selbst angestellter Beobachtungen, die in einem wissenschaftlichen Kontext wahrscheinlich kaum als generalisiert aussagekräftig bestehen könnte. Aber es stellt für mich eine gute Basis für Diskussionen dar, denn eine in meinen Augen zu spezialisierte Form der Ausbildung raubt dem solcherart Unterrichteten die früher einmal genossene Breite an „Allgemeinwissen“ die schlicht notwendig ist, um Fachwissen interdisziplinär in einen Kontext setzen zu können.

Unter diesen Vorzeichen ist ein weiteres Problem, welches die Kommunikation nicht nur im Weltinformationsgewebe, sondern auch in vielen anderen Lebensbereichen enorm belastet, die mit der Spezialisierung einhergehende Ausdifferenzierung von Subsprachen innerhalb des eigenen linguistischen Systems. Der hierzu passende Terminus ist das so genannte „Fachchinesisch“, allerdings umfassen Subsprachen auch verschiedenen Subkulturen eigene Sprachfarben wie z.B. den Hip-Hop-Slang. Sprache wird somit schnell zu einem wirksamen Mittel der Desintegration des gegenseitigen Verständnisses.

Und somit sind manche Bemühungen, etwa Menschen am entgegen gesetzten Ende einer Internetleitung durch den Schriftsprachgebrauch andere Standpunkte oder auch nur die Chance zur Wahrnehmung anderer Aspekte eines Sachverhaltes näher zu bringen von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn auch wenn die alle irgendwie Deutsch sprechen, verstehen sie weder mich noch einander.

Sich dann in vollkommener Ignoranz der eigenen linguistischen Unzulänglichkeit aus dem virtuellen Fenster zu hängen und andere für ihre Worte dumm von der Seite anzumachen zeugt nicht nur vom Rückgang der Kommunikationsfähigkeit und dem Niedergang der Bildung, sondern auch dem Abgang jeglicher Höflichkeit. Und dafür kann man auch bei gutem Willen weder die Subkulturen, noch die Bildungssituation oder gar das Internet verantwortlich machen. Aber auch wenn es doch sehr bequem wäre, die – zweifellos gravierenden – Mängel unserer Gesellschaft einmal mehr als nutzlose Entschuldigung für jeden Dreck heranzuziehen, mit dem man sich eigentlich gar nicht befassen müssen wollte – hier muss sich jeder an die eigene Nase fassen und mal darüber nachdenken, ob er auch verstanden hat, was der Andere überhaupt sagen wollte und ob es manchmal nicht einfach besser wäre, seine Finger bei sich zu behalten, anstatt über seine Tastatur noch mehr überflüssigen Stumpfsinn in der Welt zu verbreiten.

In diesem Sinne wünsche ich mir und allen Hörern Sinne, die stets offen sind, auch das Ungeliebte, Unangenehme, Schmerzhafte, Widersinnig erscheinende, Erschreckende oder schlicht Andere aufzunehmen, ein Hirn, es zu begreifen und ein Herz diesen Dingen den Platz einzuräumen, der ihnen genauso zusteht, wie der eigenen Denkart. Lebt, denkt, fühlt und sprecht wohl, bis zum nächsten Mal.

Beim Neologismus man mit muss…

Es ist schon seltsam, das Phänomen der Neologismen. Oh, sie wissen nicht, was ein Neologismus ist? Nun dabei handelt es sich, vereinfacht gesagt um neue Wörter. Sie haben sich schon immer gefragt, wie man das Gegenteil von Durstig nennt, weil es verdammt wichtig ist, jemandem mitteilen zu können, dass man NICHTS zu trinken haben möchte? Nun die Antwort ist so unerheblich wie das Getue, mit dem so genannte Gurus der neuen Medien in unregelmäßigen Abständen alte Sachverhalte mit wolkigen Umschreibungen zu etwas vollkommen Neuem erklären. Der einzige Sinn, welcher sich bei einer etwas kritischeren Betrachtung erschließt, ist der Wunsch, mit irgendwas Geld zu machen. Das ist in der Wirtschaftskrise ja aber auch dabei, immer knapper zu werden.

Es ist zwar schön, etwas zu kreieren, sozusagen aus dem Nichts zu erschaffen, insbesondere, wenn man es als viel versprechende Geschäftsidee betrachten mag. Nichts motiviert den Homos Sapiens Vulgaris schließlich mehr als die Aussicht, ordentlich Kohle scheffeln zu können. Es wirft allerdings auch die Frage auf, warum diese wunderbaren neuen Dinge dann so oft nicht mehr als alter Wein in neuen Schläuchen sind.

Nehmen wir zum Beispiel mal das wunderbare Wort „Crowdsourcing“. Es wurde zusammengesetzt aus den Worten „Crowd“ – also dem englischen Wort für eine Menschenmenge – und Outsourcing, einem ebenso englischen Begriff aus der Wirtschaft, der das Auslagern bestimmter Tätigkeiten aus dem eigenen Betrieb hin in zu externen Dienstleistern bezeichnet. Das bedeutet dann wohl, dass Crowdsourcing das Auslagern von bestimmten Tätigkeiten hin zu einer Menschenmenge bezeichnen soll. Man hat sich da im Netz dann hingesetzt, und lang und breit erklärt, unter welchen Bedingungen eine solche Aktion funktionieren kann. Und im Großen und Ganzen ergibt dies einen Wettbewerb darum, wer eine – meistens kreative – Aufgabe am besten erledigen kann. Natürlich gibt’s Preise, eine Veröffentlichung usw. Aber eigentlich ist es einfach nur ein Wettbewerb für eine Kreativaufgabe. Und die gibt es schon sehr lange!

Man könnte jetzt anführen, dass diese neue Art von Wettbewerb durch das wunderbare Web 2.00 einen noch viel öffentlicheren Charakter bekommt und somit auch noch den angenehmen Nebeneffekt Zielgruppenorientierter elektronischer Mundpropaganda hat. Ist nett, wenn es funktioniert, aber warum brauche ich dafür ein neues Wort und jemandem, der diese neue sinnentleerte Worthülse (als wenn wir davon nicht Weissgott schon genug hätten) mit Möchtegerninhalt befüllt. Vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem 85% der auf der gesamten Welt gültigen Steuergesetzgebung in deutschen Gesetzbüchern zu finden sind. Irgendwie muss man die Notwendigkeit seiner eigenen Existenz ja begründen können. Aber auch netter Bullshit bleibt einfach nur Bullshit.

Daneben bleiben bei nicht wenigen Begriffen auch einfach nur viele Fragezeichen stehen. Beim Begriff Podcasten zum Beispiel. Natürlich entstand es mit dem I-Pod im Auge als Bezeichnung für Onlineradio-Schnipsel zum Mitnehmen – oder onlineradio-snipets-to-go, wenn es ihnen so lieber ist. Aber der Begriff Podcast sagt eigentlich nichts über diese Art, das Medium zu nutzen aus und ist somit nicht valide …aber wenn ihn halt jeder gebraucht, ist es sehr schwer, sich dem zu verschließen, auch wenn der Nonkonformismus mich eigentlich dazu aufstachelt es als z.B. verdicast – also [ver]satile [di]gital broad[cast] – zu bezeichnen.

Solche Kunstworte zu erschaffen wird offensichtlich mittlerweile als zeitgenössische Kunstform abgesehen. Obwohl das nichts mit Kunst oder Kreativität im herkömmlichen Sinne zu tun hat, sondern einfach damit, Buchstaben auf besonders ökonomische oder aber Effektheischend-verquere Form miteinander zu verquicken. Habe ich gerade eben übrigens auch gemacht und es war nicht besonders schwer, auch wenn’s wohl kein Schwein interessiert – und erst Recht keinen Menschen. Wenn sich aber irgendjemand mal irgendwie als Trendsetter profilieren konnte, darf er mit Buchstaben umgehen wie der Elefant mit dem Porzellan und wird dafür ab und an auch noch als Urheber einer wahren Innovation gefeiert.

Derlei Energieverschwendung macht mich ein bisschen melancholisch, denn faktisch wird dabei auch nicht mehr getan als Beispielsweise auf der Politbühne. Bei der Betrachtung derselben wird offenbar, dass der durchschnittliche Bunte Republikbewohner reflexartig jedwede Verkündung aus dieser Propagandarole voll mittelmäßiger Möchtegernblender mittlerweile nur noch als nervtötende Bewegung heißer Luft wahrnimmt. Ist ja bei den meisten Neuwörtern des potentiell vermarktungswirksamen Technobabbels auch nicht anders.

Selbstverständlich ist nicht JEDE neue Wortkreation sinnfrei und ich habe auch nix gegen die Verwendung englischer Begriffe in der deutschen Sprachlandschaft, denn wenn man so Technikaffin ist wie ich, kann man sich derlei Neuerungen schlechterdings verschließen. Aber mit diesen neuen Worten ist es wie mit dem AKÜFI – kurz für Abkürzungsfimmel, welcher übrigens mithin keine rein deutsche Krankheit ist – ein bisschen ist ganz nett, zuviel nervt ganz schnell ganz kolossal.

Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt, auf den ich Anfangs nur recht kurz eingegangen bin, ist die Intention, welcher eine solche Wortneuschöpfung entspringt. Hierzu ein passender Vergleich ist dieses Nordic walking, dass nur deshalb entstanden ist, weil der zugegeben äußerst clevere Marketingmann eines Skistock-Herstellers nach einer Möglichkeit geforscht hat, auch in den Sommermonaten mehr Einheiten seines Produktes abzusetzen. Seien wir mal ehrlich: niemand braucht diese dämlichen Stecken, um in der Gegend umherlaufen zu können, insbesondere wenn man bedenkt, dass diese unnötige Fuchtelei in den Alpen zu einer vermehrten Bodenerosion entlang der Wanderwege führt, weil unsere Bergbewundernden Trendsportler mit ihrem Tun das randseitige Gestein losstochern. Führt alle ökologischen Gesichtspunkte der Tourismusbranche ad absurdum, aber wenn die meinen…

Interessant ist dabei, wie die Motivation zu Tage tritt: es geht, wie könnte dies auch anders sein einfach nur ums liebe Geld. Der Wunsch nach pekuniärem Erfolg verleitet dabei dazu, eine Einheit aus trendigem Produkt und noch trendigerem Schlagwort zu erschaffen. Und da gesunder Menschenverstand offenbar ein Gut ist, welches auf dem Erdenrund nur noch in homöopathischen Dosen vorkommt, wirkt dieser Mist auch noch Geldgenerierend. Dort, wo nicht sofort was verdient werden kann, ist es aber wenigstens möglich das Geltungsbedürfnis des jeweiligen Schöpfers zu befriedigen. Ich glaub, ich geh zum krampfen mal kurz nach nebenan.

Nur um das an diesem Punkt mal klarzustellen: was mich daran fuchst, ist nicht die geringe Menge an Streicheleinheiten für mein persönliches kreatives Ego, weil ich eben kein berühmter New-Media-Guru bin. Sondern vielmehr die Blödheit meiner lieben Mitmenschoiden, die jeden Scheiß dankbar konsumieren und sich damit der Pflicht enthoben fühlen, selber denken zu müssen.

Sprache ist was wunderbares, denn sie verbindet die Menschen in unvergleichlicher art und Weise miteinander. Sie kann aber auch genauso trennen, ausgrenzen, diskriminieren und mobben wie physische Gewalt. Somit ist der nächste und letzte Punkt, der mir in den Sinn kommt die Tatsache, dass sich bestimmte Personengruppen ihre eigene linguale Subkultur innerhalb unserer Sprache erschaffen, um sich abzugrenzen, hervorzuheben und schlussendlich wichtiger zu machen als sie eigentlich sind. In den wenigsten professionellen oder privaten Lebensbereichen tritt dies so offensichtlich auf, wie bei den Medienschaffenden, egal ob sie nun analog oder digital publizieren. Allerdings sind die „Macher“ des Web 2.00 innerhalb dieser Domäne besonders anfällig für systemimmanente Sprachvergewaltigungen – und den anachronistischen Stolz darauf.

Ganz ehrlich, ich brauche keine weiteren Ideen für social und creative networking, die ich auf noch hipperen ultraportablen Internet-devices laufen lassen kann, um von überall auf meinen workflow oder meine buddies interaktiv zugreifen zu können. Ich muss nicht jedes potentielle news-snipet sofort twittern, oder meine kreative Energie beim crowdsourcing verballern, um mich in der Welt des social commerce mit der common intelligence zu messen. Etwas mehr common sense, also Gemeinsinn könnte hier helfen, denn wenn man sich mal die Minute nimmt, das Ganze mal etwas kritischer zu betrachten, provozieren solche Systeme nicht mehr als eine Egoismusrallye auf dem Datenhighway, die nicht mehr zu Tage bringt als ein paar glückliche Gewinner, deren Ruhm in der Schnelllebigkeit des Netzes rascher verglüht, als er aufflackern konnte auf der einen Seite und jede Menge enttäuschter und wahrscheinlich oft auch entmutigter Verlierer auf der anderen.

Oh sicher, da werden jede Menge kreative Potentiale geweckt – und mit ihnen die Begehrlichkeit, diese auch in klingende Münze umsetzen zu können. Doch sehen wir der Wahrheit ins Auge: wenn tatsächlich jeder, der an diesen Wettbewerben teilnimmt auch das Zeug dazu hätte, wäre unsere Welt viel hübscher, als dies der Fall ist. Darüber hinaus wollen und müssen diejenigen, die solcherart Preise ausloben damit ja auch einen Gewinn machen bzw. Geld sparen, womit das Ganze für den einfachen Teilnehmer schon kein wirklich fairer Deal mehr sein kann, denn wäre er dort fest angestellt, müsste man ihm weit mehr für seine Mühen geben. Und auch wenn die Öffentlichkeit quasi transparente Verhältnisse vorfindet und den Entscheidungsprozess direkt beeinflussen kann, bleibt immer noch die Frage, ob hier nun Sachkenntnis und Fairness das Ergebnis bestimmen, oder doch eher subjektive Faktoren und dumpfer Dünkel. So macht man die Welt des Web wohl kaum lebenswerter.

Es wäre sicherlich ungerecht, die vorherigen Ausführungen als allgemeingültig hinzustellen und mir ist sehr wohl bewusst, dass Pauschalisierungen gefährlich sind, doch ohne einen kleinen Knall ist es schwer möglich, Menschen heute noch zum selber Denken zu bewegen, weswegen ich bewusst auf Polemik setze. Diese Strategie erlaubt mir zudem, reinen Gewissens das Medium zu nutzen, dessen Auswüchse ich so gerne schmähe. Zumindest ich sehe die wunderbare Ironie, die hierin liegt. Wenn sie sich gestatten, diese ebenso zu erfahren, tut der Stachel meines Zynismus gleich nur noch halb so weh.

Was bleibt ist die Hoffnung, dass es wieder mehr Menschen geben möge, die sich NICHT mit Worten blenden lassen – gleich wie neu, hipp, schön, schräg oder intellektuell sie auch klingen mögen. Kommen wir also mit zartbitteren Grüssen aus dem Denkkäfig zum Schluss. Und immer schön sauber und achtsam bleiben.

Rollenspiel für Dummies #2

Damn! Wenn man erst mal angefangen hat, über etwas so gewichtiges wie sein Lieblingshobby zu referieren ist sehr schwer, sich zu bezähmen und das Maul wieder zuzumachen. Ich habe dieses Maß an Selbstdisziplin nur manchmal zur Verfügung und im Moment ist es gerade aus!

Spielleiter! Ja, da war ich stehen geblieben, oder besser gesagt bei der Frage was ein System ist. Es meint in der Welt des Pen & Paper – Rollenspiels ein Regelwerk, also eine Sammlung von Mechanismen, die beschreiben, wie ein Charakter in der virtuellen Welt zu funktionieren hat. Man braucht ein solches Kompendium, damit alle involvierten Personen auf der gleichen Basis mit- und manchmal auch gegeneinander antreten können. Es schafft ein gewisses Maß an Chancengleichheit und beschreibt, wie bestimmte Fragen, welche im Kontext des Spiels zwangsläufig gelegentlich aufkommen gelöst werden können. Z. B. wie Hayden McNeal, ein begabter Informatiker und Mitglied der Londoner Underground-Szene es schaffen kann, den Polizeicomputer von New Scotland Yard zu hacken, um an eine für ihn sehr wichtige Information zu kommen.

Es wäre wohl ein bisschen viel verlangt, wenn man von jedem Spieler erwarten würde, dass er die Fertigkeiten über welche sein Charakter verfügt auch im wahren Leben beherrschen müsste. Es würde dem Spaß zudem recht schnell Grenzen setzen, denn z.B. meine Kenntnisse mit dem Schwert oder beim Safeknacken sind doch eher begrenzt…na sagen wir eher nonexistent. Daher braucht man einen zusammenhängenden, am besten in sich konsistenten Satz von Regeln, mit dessen Hilfe man virtuelle Safes knacken oder nonexistente Schwerter schwingen kann. Aber ein Regelwerk beginnt zumeist damit, zu beschreiben, wie man einen Charakter baut, d.h. wie man der Idee für eine virtuelle Person auf Basis des benutzten Regelsatzes ein anwendbares Gewand, also quasi eine Bedienoberfläche für die mechanischen Dinge verschafft. Zuallererst stehen dabei meist die so genannten Attribute, also die Grundeigenschaften einer Person wie Intelligenz, Geschicklichkeit, Aussehen, Charisma usw. gefolgt von den Talenten oder Fertigkeiten, welche definieren, was der Charakter gelernt hat, bzw. was er so für spezielle Fähigkeiten beherrscht. Dazu kommen vielleicht Vor- und Nachteile, die der Vorgeschichte und somit auch der Persönlichkeit des Charakters eine gewisse Tiefe verleihen. Vorgeschichte deshalb, weil nur höchst selten 20-Jährige Informatikstudenten mal eben so ohne Mutter, Vater und das ganze andere Gedöns auf die Welt kommen.

Repräsentiert werden die ganzen unterschiedlichen Eigenschaften des Charakters üblicherweise durch Zahlenwerte, welche eine Art Vergleichbarkeit herstellen sollen. Auf dieser Basis ist es einfacher, gegen definierte Schwierigkeiten anzutreten wie etwa die verschiedenen Firewalls von New Scotland Yard. Es haben sich dabei im Laufe der Zeit viele verschiedene Regelwerke entwickelt, weil viele verschiedene Leute, die das Spiel spielten viele verschiedene Ideen davon hatten, wie das mit den Regeln am besten ginge; in manchen erwürfelt man seine Attribute und verteilt dann Punkte auf seine Fertigkeiten, es gibt aber auch andere, in denen auch die Attribute durch zu Beginn wahlfrei verteilbare Punkte gekauft werden. Es gibt Systeme in denen man dann würfelt, wenn es darum geht, bestimmte kritische Aufgaben zu lösen, und zwar indem man besonders hohe oder besonders niedrige Würfelergebnisse erzielen muss, welche in der Regel durch die Attribute und Fertigkeiten vorgegeben bzw. modifiziert werden. Und in manchen anderen wiederum zählt man einfach nur zusammen, wobei dann anhand des Ergebnisses entweder der Spielleiter alleine oder zusammen mit der Gruppe entscheidet, ob die Aktion erfolgreich war. Das Wörtchen kritisch im vorletzten Satz ist vielleicht aufgefallen und es stand da mit Absicht im Skript, denn für den morgendlichen Weg zur Arbeit, welcher mit dem Auto abgewickelt wird muss man in aller Regel für seinen Charakter nix würfeln, denn das ist keine kritische, mithin also eventuell Spielentscheidende Angelegenheit; eine zünftige Verfolgungsjagd im Berufsverkehr quer durch Manhattan aber unter Umständen schon…!

Nun habe ich wahrscheinlich erstmal all jene, welche die Materie noch nicht kennen noch mehr verwirrt. In Kürze wollte ich folgendes sagen: es gibt einfach eine Menge unterschiedlicher Methoden, einen Charakter mit seinen Eigenschaften und Fähigkeiten mechanisch so abzubilden, dass die im Verlauf des Spiels unweigerlich aufkommenden „kritischen“ Situationen befriedigend aufgelöst werden können, egal ob es sich dabei um eine Verfolgung, einen Hack oder auch einen Kampf mit einem Schurken handelt. Und jedes spezielle, zusammengehörige Set of Rules nennt man ein System. Wobei ein System sehr oft nicht nur die rein mechanischen Aspekte abdeckt sondern gleich auch noch eine Spielumgebung liefert, für welche diese besondere Mechanik funktioniert.

Spielumgebungen gibt es nun wirklich sehr viele verschiedene. Man kennt Fantasy-Szenarien wie im Herrn der Ringe, Space-Opera-Geschichten wie Star Wars, Viktorianische Horrorstories wie in „From Hell“, Cyberpunk wie etwa in „Jonny Mnemonic“, Endzeit-Utopien à la „Matrix“, Spionage-Thriller wie die Bourne-Fime, oder…, oder…, oder…! Denkbare Settings gibt’s in etwa so viele, wie die eigene Phantasie hergibt und wenn man eine Geschichte im Kopf hat und dann auch noch ein paar Mitspieler findet, die sich auf diesen oder jenen Spielhintergrund einlassen wollen, steht einer netten Runde nichts mehr im Weg. Man muss sich nur vorher auf ein paar Dinge wie etwa das Setting, also die Spielumgebung und die verwendete Mechnik, also das Regelwerk oder System einigen. Uuuund – ganz wichtig und bitte nicht zu vergessen auf den Stil, welcher am Spieltisch herrschen soll. Man sollte vorher schon mal zumindest wissen, wie die Spieler respektive der Spielleiter auf bestimmte Dinge reagieren, sonst kann alles sehr ungemütlich werden.

Sich auf eine Spielumgebung zu einigen ist in aller Regel kein Ding, wobei etwas Abwechslung nie schadet, denn auch an der guten alten Fantasy hat man sich ab und an mal satt gespielt. Beim Regelwerk haben manche so ihre Präferenzen, andere sagen, dass sie einfach mit dem arbeiten, was der Spielleiter auf den Tisch legt, aber auch da gibt’s meist schnell Konsens. Was jedoch den Stil des Spielleitens angeht – mancher Zuhörer erinnert sich vielleicht; autoritativ-hierarchisch, kooperativ-demokratisch, laissez-faire oder irgendwo dazwischen – so habe ich schon erlebt, dass man einfach losgespielt hat und sich dann irgendwann mittendrin begann furchtbar in die Haare zu kriegen weil weder die Zielvorstellungen der Spieler untereinander noch mit der ihres Spielleiters auch nur annähernd kongruent waren. So was ist eine sehr dumme Situation, denn es bedeutet, dass wenigstens einer oder zwei entweder ganz schnell auch mal Prämissen zu Gunsten der Allgemeinheit revidieren können müssen, oder aber die Runde im Eimer ist, bevor sie richtig angefangen hat.

Nehmen wir mal an, fünf Spieler und der Spielleiter sitzen am Tisch und wollen ein fantastisches Abenteuer spielen, bei dem es um eine gefahrvolle Reise geht, auf der eine für die weitere Geschichte wichtige Person vor verschiedenen Fährnissen beschützt werden muss. Nun sitzen zwei Spieler am Tisch, die gerne jegliche soziale Interaktion voll auskosten möchten, die auch das abendliche Zusammensitzen am Lagerfeuer gerne ausspielen würden, weil sie sich a) tiefer in ihre Charaktere hinein versetzen können möchten und b) möglichst viel über ihre Gefährten in Erfahrung bringen wollen. Des weiteren ist da ein anderer Spieler, der sich vor allem für die taktischen Fragen, für`s Planen und den möglichen Einfluss auf den Metaplot – also die dem einzelnen Abenteuer übergeordnete Rahmenhandlung – interessiert. Und schließlich zwei Kameraden, die endlich ihre Action wollen, am besten den ganzen Abend lang. Jeder von denen will nun am besten gleichzeitig die Aufmerksamkeit des Spielleiters, der sich die Reise jedoch eigentlich nur als Lückenfüller ausgedacht hatte, als Möglichkeit, die Spielercharaktere zusammenzuführen und miteinander bekannt zu machen um sie dann auf das eigentliche, vollkommen anderes gelagerte Abenteuer stoßen zu lassen…Klingt kompliziert? Lasst euch folgendes versichern: das ist es auch!

Wenn jedoch alle Beteiligten bereit sind, von ihrer Position den einen oder anderen Futzel preiszugeben, ist es sehr wohl möglich, auch die unterschiedlichsten Ideen von richtigem Spiel unter einen Hut zu bringen. An dieser Stelle sei zum Thema „richtiges Spiel“ nur so viel gesagt: es wird zuviel davon geredet und zu selten erreicht. Doch dazu ein andern mal mehr. Ich will da jetzt gar nicht allzu weit in die Tiefe gehen, aber man kann durchaus sagen, dass Rollenspiel als das soziale Event, welches es ist gewisse Anforderungen an seine Teilnehmer stellt. Neben einem guten Vorstellungsvermögen und Spaß an manchmal eventuell etwas absurden Geschichten braucht es auch das Vermögen, zwischen dem Sozialgefüge der Spieler untereinander und dem der Charaktere untereinander zu trennen, wobei beide Ebenen in soweit funktionieren müssen, dass ein guter Ton am Spieltisch herrschen kann, auch wenn die Charaktere sich vielleicht über irgendwas gar nicht grün sind. Das allerwichtigste darf man bei der anscheinenden überwältigenden Komplexität nie vergessen: es ist ein Spiel, dass allen Beteiligten Spaß machen soll. Ist dies nicht bzw. nicht mehr der Fall, wurde das Klassenziel schlicht verfehlt.

Dabei ist das alles wirklich ganz, ganz einfach: ein paar Leute, die sich gut leiden können – zumindest wäre dies hilfreich – und Spaß an wilden Stories haben, verabreden sich, um miteinander eine gute Zeit zu verbringen, während der sie sich solche Geschichten erzählen können. It’s as simple as that. Natürlich hat jedes soziale Event eine gewisse Dynamik, welche sich manchmal auch in unvorhergesehener Weise entwickeln kann, aber das ist im Leben oft genug so und sollte einen nicht davon abhalten, es doch mal zu versuchen. Vielleicht ist der eine oder andere Zuhörer ja nun doch ein bisschen interessiert.

So oder so werde ich noch das eine oder andere Mal drüber plauschen und jetzt, wo die Basics mal erläutert sind kann ich ja auch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen Plaudern, ohne das gleich bei den meisten Lauschern ein TILT in den Pupillen erscheint. In diesem Sinne wünsche ich das Allerangenehmste und sage einmal mehr: always game on!

Rollenspiel für Dummies #1

Ich weiß nicht, ob ich dieses furchtbare Geständnis im Kontext meiner Podcast-Reihe schon mal gemacht habe, aber um allen Zweifeln entgegenzutreten und es hiermit offiziell zu bekräftigen: Ich bin Fantasy-Rollenspieler; Unterkategorie Pen & Paper, das heißt ich bin einer von diesen komischen Typen, die zusammen mit anderen Nerds umgeben von Colaflaschen, Chipstüten, seltsamen Bücher, Schreibzeug und Würfeln am Couchtisch sitzen und wirre Geschichten erzählen, bei denen anscheinend irgendwie alle Anwesenden auf seltsame Art teilnehmen können. Yeehaa!

Da schon Tausendundein Spacko versucht haben, zu erklären, wie so was vonstatten geht – und ganz im Vertrauen, die Allermeisten sind dabei kläglich gescheitert, weil sie es entweder zu simpel oder zu kompliziert aufgezogen haben – werde ich mich nicht mit der Unnötigkeit aufhalten, hier jetzt von improvisiertem Laientheater ohne Kostüme anzufangen, sondern euch einfach mit dem Faktum konfrontieren, das ich meistens als SL, also Spielleiter fungiere.

Bei Spiel-LEITER könnte das Missverständnis entstehen, dass ich die Spieler tatsächlich dazu anleite, wie sie ihre Charaktere zu spielen haben. Ja sicher; und Atze Schröder ist ein Frauenversteher! Ne, ne, das mit dem Leiten hat eher was mit Wegweisern zu tun, doch dazu komme ich gleich. Das Konzept einer virtuellen Persönlichkeit ist übrigens, wie ich denke jedem klar, der schon mal einen Film gesehen hat. Russel Crowe IST nicht Robin Hood, er tut nur so; er spielt eine Rolle. Wir haben zwar beim Pen & Paper am Spieltisch in der Regel keine Kostüme an, aber sich in eine andere Person hineinzuversetzen, wie es ein Schauspieler tut und dann so zu handeln wie man denkt, dass es diese Person tun würde ist beim Schau- wie beim Rollenspieler ähnlich. Stärkster Unterschied ist wahrscheinlich, dass der Spieler von niemandem vorgeschrieben bekommt, wen oder was er zu spielen hat, sondern dass er sich diese Figur selbst ausdenkt und mit der dazugehörigen, ihm genehmen Persönlichkeit ausstattet. Et voilá – ein neuer Charakter ist geboren! Insofern gestaltet jeder Spieler also von Anfang an das Drehbuch der Geschichte mit.

Der Spielleiter hingegen ist eine Mischung aus Regisseur, Drehbuchautor, Märchenonkel und Improvisations-Happening-Künstler. Ich denke mir eine Story aus, in der sich die Charaktere – also die Spielfiguren der anderen Mitspieler – zurechtfinden müssen, indem sie mit dieser Welt und den anderen Figuren darin interagieren. Diese anderen Figuren sind zum einen die Charaktere ihrer Mitspieler und die so genannten Nichtspielercharaktere oder auch NSCs; Figuren, die ich in meine Story eingebaut habe, um den Spielern Interaktionspunkte bieten zu können. Ist, als wenn man bei einem beliebigen Computerspiel zu dem Männchen mit dem Ausrufezeichen hingeht. Es sei zu diesem Zeitpunkt allerdings darauf hingewiesen, dass soziale Interaktion am Spieltisch genauso abläuft, als wenn sie in einer realen Situation stattfände; will heißen, man unterhält sich eben miteinander, auch wenn man dabei eine andere Figur spielt. Also spielen alle ihre Rollen und daher kommt der Name…

Ist ja doch ganz einfach zu erklären. Was den Reiz daran ausmacht, sich in der vorhin beschriebenen Umgebung hinzusetzen und sich einfach nur miteinander zu unterhalten lässt sich vielleicht am ehesten durch die Frage erklären, was der werte Zuhörer selbst denn am liebsten als eskapistische Tätigkeit ausübt: vielleicht Fernsehen, Musik hören, ein Buch lesen, ohne Not nur mit einem Nylonstoffbündel auf dem Rücken aus einem intakten Flugzeug springen, oder was weiß ich, was den Menschen fürderhin noch alles einfallen wird, um sich die Zeit zu vertreiben? Man könnte sagen, es ist ein willentliches Eintauchen in eine mehr oder weniger unbekannte Welt, in der man einfach mal jemand anderes sein kann als hier im wahren Leben. Mehr muss man dazu nicht sagen, denn wie schon erwähnt hat jeder seine eigene Methode, um mal dem Alltag zu entfliehen. Beim Fantasy-Rollenspiel setzen sich halt ein paar Leute um einen Tisch und erzählen zusammen und füreinander hoffentlich recht spannende Geschichten. Oha, und eben wird’s, falls sie aufgepasst haben doch plötzlich ein wenig komplizierter:

Der Spielleiter hat doch seine Geschichte zum Erzählen vorbereitet, wie kann es dann sein, dass sie von allen zusammen erzählt wird? Ganz einfach; jedes Mal wenn ein Spielercharakter mit seiner Umgebung interagiert, Informationen beschafft, dann Entscheidungen trifft und Dinge tut, kann er den Lauf der Geschichte beeinflussen. Bestimmte Einflussnahmen hat man als Spielleiter natürlich von Anfang an auf seiner Agenda, denn schließlich soll der örtliche Crimelord ja NICHT mit seinen Drogengeschäften und sonstigen üblen Machenschaften davonkommen, also versucht man, die Spieler dazu zu animieren, dass ihre Charakter alles tun, um ein übles Verbrechen zu verhindern. Doch auf welche Art sie das tun, was dabei sonst noch so an Dingen geschieht und wen bzw. was sie dabei alles für sich nutzbar zu machen wissen, das ist unmöglich vorherzusagen, wenn man seine Spieler nicht am Gängelband halten möchte. Und dieser Satz führt mich gleich noch ein bisschen weiter, denn es gibt natürlich verschiedene Stile, wie ein Spielleiter seine Gruppe durch ein Szenario führen kann.

Zu diesem Zeitpunkt sei angemerkt, dass ich über mich und meine ganz persönlichen Erfahrungen mit der zur Diskussion stehenden Materie berichte. Nix von dem Quark, welchen ich mal wieder zu verzapfen die Frechheit besitze hat eine in Stein gemeißelte Gültigkeit für irgendjemand anders außer mir… na ja, obwohl … vielleicht für meine Spieler. Aber das müsst ihr die schon selber fragen.

Im Grunde genommen lassen sich die Stile, welche Spielleiter benutzen auf die klassischen Modelle von Führungsstilen zurückführen und von denen gibt es drei: den autoritativ-hierarchischen, den demokratisch-kooperativen und den laissez-faire-Stil. Wer genau wissen will, was das bedeutet, kann’s gerne googeln, es gibt auch eine prima Wiki-Seite dazu. Ich persönlich habe es gerne, wenn meine Spieler explorieren, was ich mir für sie ausgedacht habe und weil ich es selten bei kleinen Geschichten belassen kann, benutze ich eine Mischung aus demokratisch-kooperativ und laissez-faire. Das bedeutet, dass ich eine sehr große Spielfläche entworfen habe, in der sich die Gruppe mehr oder weniger frei bewegen kann. Selbstverständlich gebe ich Zeichen, locke und manipuliere in der Hoffnung, dass sie bestimmte Wege benutzen, aber ich kann es nicht vorhersehen oder erzwingen, auf welche Plothooks sich meine Spieler als erstes stürzen. Plothooks sind Hinweise bzw. Aktionspunkte, an denen sich die Spieler Informationen, Verbündete oder materielle Ressourcen verdienen können, wenn sie’s richtig anstellen, wobei es für richtig immer mehr als einen Weg gibt. Das alles klingt bestimmt sehr theoretisch, also gebe ich ein Beispiel, wofür ich eine kleine Geschichte erzählen muss:

Ein recht großer Stadtstaat auf einer Insel war der Ort, an dem eine meiner Storylines begann. Es gab einen Barden – dies ist ein Hinweis, dass es sich dabei um ein High-Fantasy-Szenario handelt – im Übrigen ein Spielercharakter, dessen Lehrmeister unter undurchsichtigen Umständen verschwunden war. Er traf einen weiteren Spielercharakter, nämlich eine Magierin, die ihre Profession geheim halten musste, weil derlei Tun an diesem Ort nicht wohlgelitten war. Sie verbündeten sich und auf der Suche nach dem Meister deckten sie scheinbar durch Zufall nach und nach auf, dass der Stadt Gefahr durch ein Invasionsheer drohte, welches aus jenem Mutterland ausgesandt worden war, von welchem sich der Stadtstaat vor einiger Zeit als Kolonie losgesagt und für unabhängig erklärt hatte. Motive aus der Geschichte unserer Welt, die einem bei diesen Worten bekannt vorkommen waren durchaus beabsichtigt. Um der Angelegenheit noch ein wenig Würze zu verleihen gab es anscheinend einige Bürger der Stadt, denen man im Falle eines schnellen Erfolges des Feldzuges profitable Posten und noch weitere Belohnungen versprochen hatte, wenn sie durch Schmuggel, Sabotage und verschiedene weitere Vorbereitungen den Invasoren sozusagen die Hintertür aufschließen würden. Zwischenzeitlich trafen meine zwei ersten Protagonisten noch weitere Mitstreiter, nämlich eine Heilerin sowie einen jungen Mann von edlem Blut aber leerem Geldbeutel, der sich Ruhm, Ehre und seinen Ritterschlag zu erarbeiten suchte.

Zusammen hatten sie sich einige Puzzleteile erarbeitet, die auf bestimmte Personen hinwiesen, wussten bescheid über verschiedene politische Verstrickungen und hatten eine Vorstellung was passieren würde, wenn die Feinde der Stadt mit ihren Plänen Erfolg hätten. Und was nun? Jemanden finden, dem man das alles mitteilen kann? Und wie diese Person, die ja von gewissem Rang hätte sein müssen um etwas bewirken zu können davon überzeugen, dass einer der angesehensten Patrizier der Stadt ein Verräter war und das gefährliche Kräfte am Werke wären, welche alle Bemühungen, die Stadt zu verteidigen mühelos hätten zunichte machen können. Oder einfach zu fliehen versuchen? Aber wohin, so groß war die Insel nun auch wieder nicht und eine Seeblockade griff schon. Sich vielleicht womöglich auf die Seite des Feindes schlagen und versuchen, so ein veritables Stück vom Kuchen einzuheimsen?

All diese und noch mehr Möglichkeiten hätten meinen Spielern zu Gebote gestanden doch sie entschlossen sich, die Verteidiger mit mehr als einer Hasardeursaktion zu unterstützen und konnten schließlich – wenn auch unter Verlusten und für eine Menge Lehrgeld – den Feinden einen Sieg zu ihren Bedingungen abtrotzen. Und ich kann sagen, würde ich mit einer anderen Spielergruppe das gleiche Szenario noch mal spielen würde es für mich nicht langweilig werden, weil andere Leute andere Ideen haben und verschiedene Probleme auf ganz andere Weise lösen würden. Und wer weiß; vielleicht schlügen sich ja diese zur Abwechslung auf die Seite der Invasoren. Ein Spielleiter bewertet nämlich nicht, ob die Handlungen der Charaktere seiner Spieler moralisch vertretbar sind oder nicht. Wenn jemand mit seiner Spielfigur etwas beschreibt, das sein Charakter, so wie er mir anfangs geschildert wurde wahrscheinlich nie tun würde – etwa ein junger, rechtschaffener Ritter, der plötzlich anfängt, hinterrücks zu meucheln – würde ich mal nachfragen, ob er den denkt, das sein Charakter das für sinnvoll hält, aber wenn darauf insistiert wird, lasse ich das so stehen, denn ich erzähle hier nur eine Geschichte. Wichtig dabei ist mir, dass die vom Spieler vordefinierte Rolle durch die Handlungen der Figur auch so ausgefüllt wird, wie man sie mir beschrieben hatte, denn für mich als Meister sind die Persönlichkeiten der einzelnen virtuellen Wesen wichtig, weil ich aus den Beschreibungen entnehme, womit ich bestimmte Charaktere motivieren kann, meiner Geschichte auch länger zu folgen. Denn nur wenn sie das freiwillig tun, haben auch alle Spaß dabei!

Im vorliegenden Beispiel hatten wir eine Menge Spaß und zwischenzeitlich sind noch mal zwei weitere Spieler mit anderen Charakteren dazu gestoßen, die sich mittlerweile durch ein noch viel größeres und komplexeres Szenario wühlen. Man muss für so was übrigens viel Zeit mitbringen. Wir spielen im Schnitt ein bis zweimal im Monat 8 bis 10 Stunden am Stück, manchmal auch länger oder öfter und das seit Beginn des eben beschriebenen Szenarios seit mehr als drei Jahren! Ich denke, dass ich mittlerweile so um die 65 – 70 Spielsitzungen nur in diese eine Geschichte investiert habe. Und ab und an auch noch mal 15 – 20 in eine andere Story mit einem vollkommen anderen Hintergrund, einer vollkommen anderen Welt und übrigens auch einem vollkommen anderen Spielsystem. Und dabei blieb es nicht. Was ich damit sagen will ist Folgendes: es ist ein Hobby, das mich auch nach mittlerweile weit über 20 Jahren noch fasziniert wie Bolle, das mich immer wieder inspiriert und hervorragend unterhält. Und wenn mich jemand wegen dem Zeitbedarf schräg anglotzt kann ich nur fragen: UND, was machst du so in deiner Freizeit.

Und das Beste an diesem Podcast ist für mich DAS: wer sich nicht damit auskennt, fragt sich jetzt, was ich mit anderen Spielsystemen meine. Und wisst ihr was: das erkläre ich euch vielleicht beim nächsten Mal. Oder vielleicht auch erst einen anderen Aspekt. Bis dahin alles Gute und viel Spaß bei was auch immer IHR gern tut. Mein Gruß lautet: Always game on!

 

Ein paar Gedanken über Integration…

Im Rahmen meines neben der Arbeit betriebenen Fernstudiums der Bildungswissenschaft musste ich mich verschiedener Sachverhalte bzw. des Verständnisses darum nochmal vergewissern und schrieb also einfach einen Essay zum Thema „Integration“. Zu finden ist er hier:

Essay Integration

Was ändern. Aber wie?

Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern, wie oft ich schon von so vielen verschiedenen Menschen gehört habe, dass man ja was ändern müsste, aber das man keine Ahnung hätte, wie sowas von Statten gehen soll. „Was ändern“; das klingt ein bisschen wie der universelle Schlachtruf des stereotypen Wutbürgers, der im Angesicht gefühlter institutioneller Ungerechtigkeit zur Tat schreiten wird, egal was da kommen möge.

Tatsächlich ist es aber in der Realität selten mehr als eine sinnentleerte Worthülse, denn zum einen ist das Stereotyp des Wutbürgers selbst nicht mehr als ein Substanzloses Idol, weil mitnichten alle am gleichen Strang ziehen. Wer die medial bestens dokumentierte Schlacht um Stuttgart 21 einigermaßen aufmerksam verfolgt hat, erkennt genau, wovon ich gerade spreche. Woraus sich das zum anderen ergibt, nämlich der sich in immer drolligerer Art entladende Culture clash der im wutbürgerlichen Lager anzutreffenden Partikularinteressen, welche das initiale „DAGEGEN“-Gefühl lediglich auf Zeit zu einen vermag. Grün mag das neue Schwarz sein, aber Kehrwoche bleibt Kehrwoche und damit kommt der Autonome nicht unbedingt klar.

Sicherlich entwerten diese Beobachtungen den Trend zur Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Rechte im Sinne zivilen Ungehorsams nicht vollkommen – die diesbezügliche Staats- bzw. Verfassungsrechtliche Debatte kenne ich und votiere hiermit ausdrücklich für die Anerkennung des Rechtes zum zivilen Ungehorsam – Aber sie lassen zumindest in mir die Frage aufkeimen, ob’s denn wohl möglich ist, sich erst einmal Gedanken darüber zu machen, WAS man denn nun tatsächlich aus WELCHEN Motiven heraus geändert sehen wollen würde, welche Alternativen es zum Status Quo überhaupt geben könnte, welche Folgen eine Änderung nicht nur für einen selbst sondern auch für Andere hätte und schlussendlich, wie weit man selbst zu gehen bereit wäre, um eine solche Änderung voran bringen zu können.

Und da wird’s dann oft ganz schnell finster…

Ich bringe der kritischen Hinterfragung der Legitimation dieser oder jener politischen Entscheidung durchaus Sympathie entgegen und auch ich sehe in einigen gesellschaftlichen Bereichen dringenden Handlungsbedarf. Mein Problem ist nur, das es mir zumeist um Dinge geht, die man nicht auf den ersten Blick sehen kann – wie etwa gefällte Bäume oder eine Abrissbirne an einem Bahnhofsgebäude – sondern eher um Fragen der sozialen Integration, oder besser des Mangels daran und um die systemische Reformbedürftigkeit unseres Gesundheitswesens. Dinge, für die Menschen auf die Straße zu bringen immer nur dann klappt, wenn deren eigene pekuniären Interessen irgendwie tangiert werden.

An dieser Stelle sei gesagt, dass ich nicht allen Teilnehmern an den Protesten rings um Stuttgart 21 jetzt unterstelle, dass sie nur wegen der Wertentwicklung ihrer Stadt da waren, aber ich habe – vor allem beruflich – schon zuviele Menschen kennen gelernt, um noch uneingeschränkt glauben zu können, dass Altruismus in höheren Konzentrationen als den homöopathischen vorkommt. Dessenungeachtet finde ich selbst das Projekt hinsichtlich der Blauäugigkeit von Politik und Wirtschaft hanebüchen, aber das soll nicht Gegenstand dieses Textes sein.

Was aber im Fokus meiner Betrachtungen liegt – es sei nochmal erwähnt für jene, welche diese Zeilen bislang vielleicht nicht allzu aufmerksam überfogen haben – ist mein Ärger darüber, dass obschon halbgarer „Wir müssen was ändern!“-Populismus niemanden an irgendein Ziel bringen wird, egal wie nah oder fern es auch sein mag, die Leute – wenn überhaupt – aus dem falsch verstandenem Bedürfniss heraus „mal irgendwas Gutes tun“ zu müssen dem erstbesten Hurrarufenden Idioten mit einer Agenda hinterher rennen, dessen ihre Äuglein und Öhrchen habhaft werden. Erinnert ein bisschen an die Weimarer Republik der 30er des 20. Jahrhunderts, n`est-ce pas?

In solchen Szenarien ist die Energie, welche der eine oder die Andere aufzubringen vermag, um DER SACHE dienlich sein zu können oftmals überraschend, vor allem wenn man es mit der sonstigen Vitalität der Wortäußerungen und Taten vorgenannter Individuen vergleichen möchte. Es wirkt fast so, als wenn der Aktionismus in uns allen nur ein Stichwort braucht, um mal so richtig abzugehen. Was mich daran fasziniert ist allerdings eher der Umstand, dass dieser Aktionismus, diese unbändige Energie in alles mögliche fließt, nur nicht unbedingt in das Vertreten politischer oder gesellschaftlicher Anliegen, die auch tatsächlich vertretenswert wären.

Man könnte nun einwenden, dass in einer Demokratie ja schon jeder selber entscheiden darf, was für ihn oder sie wichtig und richtig ist und ich bin wahrlich der Letzte, der die Rechte auf Meinungsäußerung und Selbstentfaltung einschränken möchte, es wäre mir allerdings daran gelegen, mal wieder an Kant zu erinnern; um genau zu sein an den kategorischen Imperativ. Für diejenigen, die’s mit Philosophie nicht so haben (und das dürften wohl die Meisten sein) subsummiere ich das mal mit zwei Sprichworten: „Was du nicht willst, das man dir tut, da füg auch keinem Andren zu.“, oder „Die Freiheit des Einen endet da, wo die des Anderen beginnt.“.

Aus vielen Einzelfreiheiten einen Weg zu destillieren, der für alle gemeinsam gangbar ist, stellt zugleich das Recht aber auch die Pflicht der Demokratie dar und in einem Zeitalter der Beliebigkeit, wie unsere Zeit gerne gelegentlich genannt wird, fällt das um so schwerer. Aber genau deswegen muss man, wenn man mal wieder dabei ist, dem Credo „was ändern zu müssen“ anheim zu fallen sehr genau darauf achten, das Veränderung zuerst immer bei einem selbst beginnt. Mit Mahatma Ghandis Worten, die heute kein Jota weniger aktuell sind als damals heißt das: „Sei du selbst der Wandel, den du in der Welt sehen willst.“ Recht verstanden bedeutet dies, zunächst sich selbst zu reflektieren und gegebenenfalls – nein besser höchstwahrscheinlich – zu ändern, bevor man beginnt, Wandel von Anderen zu fordern. Ein gutes Beispiel wird man nämlich nur, wenn einem „gut gedacht“ auch ein „gut gemacht“ folgt…

Occupy – my mind?

Ich las vor einiger Zeit in einer namhaften Wochenzeitschrift, dass der Autor eines Artikels, welcher sich mit der so genannten Occupy-Bewegung befasste zu dem Schluss kommt, dass diese wohl nicht allzu viel zur Veränderung der Geschichte bzw. des aus der Sicht von unten wenig zufrieden stellenden gegenwärtigen Zustandes unserer Welt beitragen können wird; aber dass er hofft, dass man sich in einiger Zeit noch dieser Menschen erinnern möge, die sich über die Umstände empört haben. Wer nicht weiß, worum es dabei geht, sollte einfach mal das Stichwort „occupy Wallstreet“ googeln… Doch zurück zum Thema, nämlich des Mangels an echten Möglichkeiten zur Einflussnahme, welchen der Schreiber anscheinend unterstellen möchte.

Bullshit! Empörung 1.x ist möglicherweise (noch) nicht reif genug, um Problemkomplexe mit echten Lösungen anzugehen, wohl kaum nachhaltig genug, um dennoch in diesem Milieu entstehende, gute Ideen auch in die Tat umsetzen zu können und gewiss nicht stark genug um jene ernsthaft herausfordern zu können, welche Macht in Händen halten; gleichgültig ob es sich dabei um politische oder pekuniäre Macht handelt, wobei das eine Zugang zum andern schafft und umgekehrt.

Nichtsdestotrotz machen diese wenngleich unbeholfenen so doch auf eine fröhlich anarchistische Weise charmanten Aktionen einerseits darauf aufmerksam, dass nicht nur im Staate Dänemark so einiges faul ist; andererseits vermitteln sie zumindest mir auch jenes Gefühl, dass das Gerechtigkeitsempfinden und die Sensibilität gegenüber der den verschiedenen Prozessen von Ausbeutung innewohnenden Verantwortungslosigkeit und Gier gewachsen sind; der Wunsch, selbst etwas gegen die plötzlich wahrgenommenen Probleme unternehmen zu wollen wächst nun, wenn auch in geringerem Maße mit. Und das unabhängig davon, ob die jeweils zu bekämpfenden Ausbeutungsprozesse die Natur oder den Menschen betreffen; beide Formen von Missbrauch gefährden unsere Zukunft gleichermaßen.

Natürlich ist das mit solchen Bewegungen so eine Sache – Anfangs ist es leicht Menschen zu begeistern, dafür zu gewinnen auf Kundgebungen und Demos zu gehen, Transparente mit markigen Parolen zu bemalen und auf der Straße ihren Unmut hinauszuschreien. Es ist der Wunsch nach Aktion, welcher in solchen Tagen Jung und Alt gleichermaßen auf die Straße treibt. Welche Motive die einzelnen Elemente einer solchen Bewegung in dem Moment in die gleiche Richtung treiben, bleibt allerdings oft unklar; denn eines ist sicher – so viele Menschen z.B. Stuttgart 21 anfangs auch auf die Straße getrieben haben mag, der gleichen Meinung waren die vielen involvierten Gruppierungen nur aus der reinen Gegnerschaft zu dem Mammutprojekt heraus noch lange nicht.

Aber lassen wir die Motive doch noch für einen Moment außen vor. Mit dem beinahe anarchistischen Aktionismus, wie man ihn im genannten Beispiel beobachten konnte, ist es nämlich wie mit einem Saufgelage – irgendwann graut der Morgen und mit dem Kater dämmert den Akteuren, dass sie vielleicht doch ein oder zwei Dinge falsch angegangen sind. Die Bloße Lust an der Revolte, der Wunsch, es „den Oberen“ – wer auch immer diese geheimnisvolle Gruppe von Individuen konstituieren mag – mal so richtig zu zeigen ist ein starker Treibstoff, doch wie bei einem Dragster-Rennen ist nach einem starken, berauschenden, aber auch sehr kurzen Ritt der Sprit alle, bzw. die Begeisterung lässt nach. Insbesondere dann, wenn alles Lauthals Rufen, Plakate schwingen und Sitzblockieren nichts zu helfen scheint, weil „die Oberen“ irgendwie immer mehr Ressourcen und den längeren Atem zu haben scheinen. Das frustriert, und wer sich entmutigen lässt, schmeißt den Bettel ebenso schnell hin, wie er oder sie ihn aufgenommen hat. Und schon ist der schöne Traum ausgeträumt.

Mit Träumen ist das überhaupt so eine Sache. Man sagt ja manchmal, Träume hätten Flügel, bzw. könnten einem Flügel verleihen. Wenn dem so ist, verstauben jede Menge Flügel ungenutzt am Boden, denn nur ein geringer Prozentsatz von uns traut sich je, auch nur ein bisschen abzuheben. Ganz zu schweigen von den wenigen Auserwählten, die so hoch fliegen, dass sie den Himmel berühren – oder nicht ganz so wolkig ausgedrückt für jedermann mehr oder weniger sichtbar ihre Spuren in der Geschichte hinterlassen. Die Meisten Menschen haben zu solchen Wesen ein zwiegespaltenes Verhältnis, denn einerseits bewundert man solche „Überflieger“ für ihren Wagemut, ihr Können, die Inspiration, die sie anderen zu geben vermögen. Andererseits neidet man ihnen jedoch ihren Erfolg, sucht nach dem sprichwörtlichen Haar in der Suppe, delektiert sich an der Auswalzung ihrer, zweifellos in jedem Menschen oft genug im Überfluss vorhandenen Fehler und versucht schließlich, ihre Erfolge zu relativieren.

Es ist diese Sünde der Relativierung, welche mit zu den Kardinalsünden zählen sollte, denn anstatt sich an den guten Seiten solcher Mitmenschen, den Erfolgen, den notwendigen Wagnissen, die sie dafür eingehen mussten wenigstens ein Stück weit ein Beispiel zu nehmen, zerrt man in den Dreck, was gerade greifbar ist, um die eigene Feigheit, die Unzulänglichkeiten oder die Ideenlosigkeit zu kaschieren. Würde man das gleiche Maß an Energie, dass man dafür verschwendet, anderer Leute Licht in den Schatten zu zerren dafür aufwenden, dass eigene heller scheinen zu lassen, könnte unsere Welt ein viel schönerer Ort sein.

Zugegeben blumige Worte, aber ich möchte nun den Bezug zum Eingangs vorgestellten Thema herstellen: Es mag sein, dass eine Graswurzelbewegung wie „Occupy Wasweißichauchimmer“ in der Gesamtheit gesehen kurzfristig wenig bis gar nichts bewegt; was auch daran liegt, das politische Prozesse und die dazugehörenden Entscheidungsfindungen selten an einem Nachmittag stattfinden, geschweige denn in einer Woche, sondern eben Monate oder auch Jahre in Anspruch nehmen können. Zum andern wird Politik von Menschen gemacht, deren Vorstellung davon, was zum Funktionieren Beispielweise eine parlamentarischen Demokratie bundesrepublikanischen Zuschnitts notwendig ist mit ihrem Wachsen durch Institutionen entstanden ist. Institutionen wohnt die Notwendigkeit zumindest einer rudimentären Selbstverwaltung, – vulgo Bürokratie – inne und ein Ausflug in diese „inner Workings“, also das Binnenland des Parlamentarismus mit all seinen menschlichen Nickligkeiten, notwendigen Bündnissen und Abgrenzungen zwischen all jenen, die mit der Idee aufgebrochen waren, sich die Macht zu verschaffen, um ETWAS ändern zu können und schließlich mit Erlangen dieser Macht so Amtskompatibel geworden sind, dass ein Teil ihres Idealismus durch Ideologie ersetzt werden musste trägt ein nur schwer erträgliches Maß an Ernüchterung in sich.

Politik an sich, bzw. die Klasse der in ihr Tätigen ist wohl ein soziales Mikrosystem, in welchem sich die immanente Reproduktion von Sozialisationsmerkmalen recht gut beobachten lässt. Wenngleich Habitualisierung als Konzept hier wohl zu kurz greift, zeigt es doch, dass das Gros der politisch tätigen von bestimmten Verhaltensmustern und Ideologien geprägt wird und sich einer Art Kodex konform zu verhalten scheint. Das die ständige Beobachtung durch die Gesellschaft bzw. die Medien hieran keinesfalls völlig unschuldig ist, sollte hier allerdings nicht unerwähnt bleiben.

Gleichwohl ist ein solches System, wenn es auch in der Lage zu sein scheint, sich selbst einigermaßen gut zu erhalten dem Anschein nach wenig geeignet, herausragende Persönlichkeiten zu erzeugen, welche den herausragenden Problemen unserer Zeit gewachsen wären. Vielmehr produziert es in der Mehrzahl Stereotypen, deren größte Fähigkeit darin besteht, sich selbst an eine gewünschte Position zu lavieren, ohne jedoch das Werkzeug zu besitzen, diese auch Sinnhaft auszufüllen.

Um so bedauerlicher ist es nun, wenn ein Reporter, ein Mitglied des vierten Standes denkt, die Occupy Bewegung – oder auch andere Basisdemokratische Bewegungen unserer Zeit an sich – als unnötig oder irrelevant abstrafen zu müssen, wenn doch vielleicht gerade hier der Boden bereitet wird, die unkreative Uniformität zu überwinden, welche nach Jahrzehntelangem Verharren in mittlerweile durch die immer schneller fortschreitende Entwicklung der Welt überkommenen Strukturen die politische Klasse übermannt zu haben scheint.

Noch sind keine Lichtgestalten hervorgetreten, welche eine solche Hoffnung einzulösen in der Lage sein könnten, aber ihre Existenz von vornherein negieren zu wollen bedeutet, einem nicht unerheblichen Teil der Menschen, welche nicht bereit sind, eine die Kreativität und Individualität vernichtende Ochsentour durch die politischen Instanzen und Institutionen auf sich zu nehmen um ETWAS verändern zu können die Daseinsberechtigung abzusprechen. Niemand sollte sich dazu aufschwingen, die Legitimität derjenigen in Frage zu stellen, die auf demokratischer Basis bereit sind, gegen jene Strukturen anzutreten, die uns die heutige Krise eingebrockt haben und weder Willens noch in der Lage zu sein scheinen, sie effektiv zu bekämpfen. Die Meinung vieler einfach als Irrelevant zu relativieren könnte sich dann tatsächlich als Kardinalsünde erweisen, wenn Begeisterung in Wut umschlägt.

Wieder mal Vieles zu drüber Nachdenken, darum wünsche ich allen die Muse, dies auch Vorurteilsfrei zu tun. Bis zum nächsten Mal!

Mobilität – was ist das denn überhaupt?

Dieses Wort, dieser Begriff trägt so viel unterschiedliche Aspekte in sich, dass es allein schon schwierig ist, abseits der Etymologie zu klären, ob er überhaupt eine allgemeingültige Bedeutung haben kann. Die Herkunft ist einfach zu klären, daher bescheide ich mich mit einem Hinweis auf’s Lateinische und auf Google, denn mittels Suchmaschinen Gelehrsamkeit zu Heucheln, ist mir viel zu sehr zum Volkssport verkommen, als ich mich daran noch wesentlich beteiligen möchte.

Doch zurück zum Begriff. Vielleicht ist es einfacher, wenn man quasi einen Spiegel benutzt und sich dem Gegenteil von Mobilität zuwendet? Klingt nach einer schlauen Idee, doch wie das Leben so spielt, kommt schon die nächste wenig unkomplexe Frage daher, nämlich wie ich dieses Gegenteil definiere? Ist es einfach die Abwesenheit von Bewegung, oder doch das Fehlen der Möglichkeit von Bewegung, ist dieser Mangel auf einen Lebensaspekt beschränkt, oder ubiquitär – und ist ein subjektives Mobilitätsdefizit überhaupt ein objektives Defizit im wahrhaft negativen Sinne?

Ein kleiner semiotischer Exkurs. Beide Seiten einer geprägten Münze lassen bei verschiedenen Lichtverhältnissen und Betrachtungswinkeln je neue Muster erkennen, die optischer Verzerrung entspringen, den Werkzeugspuren des Schöpfers, dem Abstand zum Betrachtungsobjekt, oder sonst was, sind also abstrakt viel zu sehr in mannigfaltige Kontexte eingebunden, um eine schnelle, gültige Aussage über die Beschaffenheit geben zu können und in gewissem Sinne ist das ein passendes Bild, denn so wie Mobilität als angebliches Grundbedürfnis menschlichen Daseins, wie es in vielen Artikeln immer wieder postuliert wird bei näherem Hinsehen mindestens so viel Probleme wie Lösungen beinhaltet, welche zudem nur selten dychotomisch zueinander stehen, bilden auch die beiden Seiten der Münze einen Gegensatz, der nicht einfach aufgelöst werden kann. Auf der einen Seite steht das Bild, auf der anderen die Zahl und auch das ist ein schönes Analogon zum Leben, wo sich das Symbol und eine ihm beigegebene Ordnungszahl, die nur allzu oft einen pekuniären Wert bezeichnet sich in einem sinnentleerten Raum begegnen. Was macht zum Beispiel den Geldwert eines Kunstwerkes aus, wer legt ihn fest und warum wird er bezahlt. Auch das ist ein Aspekt von Mobilität, sowohl von sozialer – denn für den Künstler ist es vielleicht ein Aufstieg – als auch von Monetärer, denn hier wird Geld bewegt.

Dieser Symbolik folgend stellt sich Mobilität zuallererst als ein messbarer Wert dar, nämlich hinsichtlich ihrer ökonomischen Kosten/Nutzen-Relation. Und das vollkommen unabhängig davon, ob es sich nun um räumliche, soziale oder intellektuelle Mobilität handelt. Soziale Mobilität kostet – vor allem Investitionen in Bildung – wirft aber Profit ab: gesteigerten Sozialprestige, höheres Einkommen etc. Räumliche Mobilität erfordert ebenso finanziellen Einsatz – z.B. für ein Auto oder für die Zugfahrkarte – kann aber unter günstigen Umständen einen Benefit einbringen, z.B. durch eine besser dotierte Arbeitsstelle. Intellektuelle und soziale Mobilität sind durch den Begriff Bildung eng miteinander verknüpft, wenngleich objektive Kennzahlen hier deutlich schwieriger abzuleiten sind.

Wenn ich nun aber feststelle, dass Mobilität vielleicht doch weniger mit der angeblich dem menschlichen Genom imprägnierten Wanderlust korreliert, sondern eher mit der rein ökonomischen Verwertbarkeit meiner gemäß den obigen Betrachtungen sonst wie gelagerten Beweglichkeit – Stichworte Flexibilität, Pendeln, Entgrenzung der Arbeit – reduziere ich den Begriff dann nicht unrechtmäßigerweise auf mein gesellschaftlich erzwungenes Dasein als Homo Oeconomicus? Kann Mobilität nicht auch ein Wert an sich sein?

Selbstverständlich ist meine bisher in diesem Kontext dargelegte Betrachtungsweise äußerst lückenhaft, allein schon hinsichtlich des Umstandes, dass ich noch nicht einmal über die Mobilität von Wissen, oder die Globalisierung von Wertschöpfungsprozessen zu sprechen angefangen habe. Aber genau dann verstrickte ich mich in die Argumentationsketten, welche Mobilität auf ökonomische Faktoren zu reduzieren suchen.

Wenn man heute von Wissens- bzw. Informationsgesellschaft spricht, meint dies vermutlich, dass wir uns ökonomisch gesprochen von der Wertschöpfung durch tatsächliches Herstellen hin zur Wertschöpfung durch das Anbieten von Diensten und Informationen entwickeln. Das an sich ist noch kein großes Problem; es wird erst zu einem, wenn die Angelegenheit anfängt, Menschen den Job zu Kosten. Nämlich jene, denen es an Mobilität mangelt, an sozialer, intellektueller und auch an geographischer. Der Umstand, dass man sich in populären Diskussionen aber immer nur mit der einen Form von Mobilität befasst – ja genau, jene Form, für welche dieser gelbe Vierbuchstabenklub aus München sich zuständig fühlt – begrenzt das Denken über den Begriff.

Mobilität ist ein Wert an sich, aber er hat mehr Facetten, als man an der Tankstelle diskutieren muss. Vielleicht fängt der eine oder andere ja mal an, sich Gedanken dazu zu machen, meine waren jetzt lediglich ein Kratzen an der Oberfläche der Materie. In diesem Sinne viel Spaß beim selber denken.