A snipet of Identity?

Begriffe sind toll – man hat ein Schlagwort, welches auf einen Streich so viel sagt, so viele Assoziationen freisetzt, so viel Bedeutung in sich trägt, dass man sich weitere Worte sparen und sofort zum Wesentlichen kommen kann. Und übersieht dabei, dass die wenigsten komplexen Begriffe frei von Widersprüchlichkeiten sind und je nach Betrachter und Blickwinkel auf äußerst unterschiedliche Art interpretiert werden können. Wie eben das schöne Wort „Identität“…

Die Identität ist ein Teil unserer Persönlichkeit, welcher deren unvermeidliche Verstrickung in soziale Netzwerke unterschiedlichster Größe repräsentiert. Eben durch dieses Eingebettetsein in das Soziale werden wir als Individuen erst real, bekommen wir erst einen Sinn und eine Bestimmung, die sich wiederum zu einem nicht unerheblichen Teil aus unserer Identität speist. Bedenken wir hier zum Beispiel das Identifikationspotential eines Fußballfans mit „seinem“ Verein. Jeder von uns ist Teil von Vielem, somit ein soziales Wesen und definiert sich als Individuum über dieses Teil-Haben als Teil-Sein. All diese Teile bilden unseren Anker im Hier und Jetzt, irgendwie den Boden, auf dem unsere Persönlichkeit wächst.

Doch der Begriff Identität lässt sich eben wegen dieses, für jeden von uns fühlbaren Anteils, den er an uns hat sehr gut missbrauchen. Es ist zumeist nicht Problembelastet, wenn wir uns ein Stück weit mit unserem Arbeitgeber, unserer Jugendkultur, unserem Verein identifizieren, doch in dem Moment, da Politik ins Spiel kommt, wird die Begrifflichkeit Identität problematisch. Die Instrumentalisierung einer so genannten „kulturellen Identität“ ist die Wurzel des Übels.

Denn indem ich durch den rhetorischen Kunstgriff, anstatt des Sozialen die Kultur zur Basis der Identität zu machen, aus etwas indivudellem ein Unterscheidungsmerkmal für Gruppen konstruiere, kann ich andere Menschen, die vielleicht auch noch von woanders kommen ganz erstklassig ausgrenzen, ihnen ein „Unmensch-Sein“ andichten, das berechtigen soll, sie zu stigmatisieren und zu verfolgen, wobei die Wahl der Mittel zunächst im Dunkel verborgen bleibt. Das macht derlei Tun aber nicht richtiger, denn Identität bleibt etwas individuelles, soziales und darf nicht, weil es jemandem – wie z.B. den „Identitären“, die ja immer so schön betonen, sie seien nicht rechts – in den Kram passt zu einem wohlfeilen Indikator für WIR gegen DIE gemacht werden.

Ich persönlich beziehe meine Identität nicht aus der Zugehörigkeit zu einer Kultur, denn Angehöriger eines stets im Gange befindlichen Prozesses zu sein, ergibt für mich irgendwie nicht so recht Sinn. Oh, ich bin durchaus verschiedensten sozialen Gruppierungen zugehörig und empfinde diese Beziehungen als mal mehr, mal weniger Sinn stiftend für meine Existenz; und sicherlich beeinflusst mich Kultur bzw. der Umstand, dass mein Sein einerseits in diesen Fluss eingebettet ist, ihn andererseits aber auch verändert, so dass man von Reziprozität sprechen könnte. Aber ich bin nicht so sehr von der Idee der Kultur als Heimat durchdrungen, dass ich mich von dem rassistischen Geschwafel jener mitreißen ließe, die Identität von etwas individuellem zu etwas kollektivem umgestalten wollen, um Menschen so beeinflussen zu können. Man hüte sich vor „Identität“ als Schlagwort, vor allem in Einheit mit „Heimat“ und „Kultur“; da ergießt sich braune Brühe in leere Köpfe… Selber denken und selbst seine Identität finden macht frei, unabhängig und stark. Aber über Stärke reden wir ein anderes Mal!

Auf dem Entschleunigungsstreifen…

Sonnendurchflutete Hügellandschaften, bewachsen mit allerlei südlichem Laubgehölz umfrieden ein Natursteinhaus, hinter welchem man einen kleinen Pool finden kann, der sich allerdings am Hügel knapp unterhalb eines auf charmante Art dezent verwilderten Renaissancegärtchens findet. Das klingt nach einem Ort, der durchaus zum Verweilen einlädt, insbesondere wenn man den Umstand in Betracht zieht, dass der Besitzer des Anwesens sich nicht nur die Freiheit nimmt, Teile des Hauses – natürlich gegen ein Entgelt – zum Bewohnen auf Zeit anzubieten, sondern überdies auch ein recht ordentlicher Winzer zu sein scheint.

Abzüglich der üblichen Urlaubsimmanenten Missgeschicke und Reibungsverluste doch ein ziemlich hübscher Entschleunigungsstreifen, auf den ich meinen müden Geist gebracht habe. Langsamer zu leben bedeutet allerdings nicht unbedingt, langsamer denken, oder gar unproduktiv sein zu müssen, obschon ein gutes Stück echter Müssiggang – und für Solchen bedarf es ebenso genuiner Tiefenentspannung – natürlicher obligater Bestandteil der Erholungszeit von der Drangsal der Lohnarbeit sein sollte. Sonst braucht man keine Arbeitsunterbrechung!

Das Leben solcher Art zu entschleunigen bedeutet auf der Verlustseite, keinen bzw. nur sehr eingeschränkten Internetzugang, kein Fernsehen, keine Tageszeitung und wenig tiefer gehende soziale Interaktion abseits der eigenen mitgereisten Verwandschaft und gelegentlicher Bekanntschaften zu haben. Auf der Gewinnseite steht Zeit; Zeit zum (lustvollen!) Lesen, Zeit zum Erkunden neuer Orte, Zeit zum Genießen und schlussendlich Zeit zum Nachdenken. Und die brauchte ich in letzter Zeit reichlich!

Man hört häufig davon, dass Leute, zumeist solche, die ein wenig bekannter sind als ich auf Reisen gehen, um sich selbst (wieder?) zu finden; was in mir die Frage aufwirft, ob man sich denn erst richtig verlieren muss, um sich wiederfinden zu können, oder ob man sich auch dafür qualifizieren kann, indem man nur ein bisschen vom Weg abkommt, welcher Weg das auch immer sein mag…? Und ist das, was man so zu finden hofft im Erfolgsfalle zwingend besser als dass, was man vorher an sich hatte? Ehrlich gesagt hab ich diesbezüglich für andere Menschen bestenfalls eine Ahnung, aber keinen Ratschlag. Was jedoch mich betrifft, so weiß ich sehr genau, was ich an mir habe und was nicht, wobei das Haben und das Nichthaben jeweils sowohl positive, als auch negative Seiten besitzen. Ich muss demnach zumindest nichts wiederfinden, sondern habe vielmehr Dank der Entschleunigung Rechenleistung für aktuelle Problemstellungen frei, die sich ergeben haben.

Immer wieder im Leben kommen wir an Scheidewege; entweder, wenn sich durch neue Kenntnisse und Erlebnisse unsere Prioritäten verändern, oder wenn sich die persönlichen „Umgebungsparameter“ durch äußere Einflüsse mehr oder weniger nachhaltig verändern. Derlei zwingt uns zumindest, das bisherige Vorgehen zu Überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Wenn wir uns dann allerdings geliebter Gewohnheiten entledigen müssen, schlicht weil deren Basis nicht mehr existiert, tut das trotz des Wissens um die Dynamik weh. Solcher Schmerz kann allerdings auch klärend auf den Geist wirken und in mir ist die Erkenntnis gereift, dass es an der Zeit ist für Veränderungen. Wenn man nach Jahren des Stillhaltens, Duldens und Hoffens auf besseres Wetter endlich bemerkt hat, dass man bestimmte „Umgebungsparameter“ trotz aller Bemühungen nicht zum Positiven wenden kann, ist es wahrscheinlich an der Zeit, die Umgebung zu wechseln und auf bessere „Parameter“ zu hoffen…

„Should I stay, or should I go…?“

Heimkehr nach Politistan…

Ich war drei Wochen weg. Drei Wochen in Italien. Drei Wochen fern von meinem üblichen Maß des Internetgebrauchs. Drei Wochen fern der Nachrichten und vor allem des Wahlkrampfes. Nun komme ich heim; und obschon ich darüber nachgedacht habe, weiß ich keinen Deut besser als zuvor, welcher dieser selbstverliebten, vom Subsystem „Politik“ bis zur Unkenntlichkeit des Menschseins dressierten leeren Hüllen voller unnötiger, verlogener und Daseinsentfremdeter Propaganda ich meine Stimme geben soll. Oder besser, welcher Agenda ich zustimmen mag, die zu repräsentieren diese Repräsentatoren die Stirne besitzen?

Eigentlich keiner und damit beginnt ein Dilemma, dass unsere Demokratie, so sie diesen Namen denn überhaupt noch verdient, nicht besser machen wird. Denn unabhängig davon, ob es am Schluss dieser Farce Rot-Grün (Oh je!), Rot-Rot-Grün (Gott behüte!), Schwarz-Gelb (Bitte nicht nochmal!) oder Schwarz-Rot (Ach du liebes Lieschen!) heißen muss, wird es vermutlich mehr Nichtwähler, sicher aber mehr Protestwähler geben. Und solche so genannten Alternativen wie die Anti-Euro-Partei (das Rad der Geschichte kann man nicht zurück drehen!), die Piraten (das Rad der Geschichte kann auch nicht mit Gewalt schneller gedreht werden und wir sind für liquid democracy einfach noch nicht reif!) oder irgendwelche Kräfte vom äußersten Linken oder rechten Rand sind als Stimmenfänger bestenfalls ein Symptom für das wohl endgültig erreichte Verfallsdatum unseres politischen Systems.

Eigentlich ist es Zeit, mal wirklich über Alternativen nachzudenken, die sich nicht in den Ritualen des Status Quo zerreiben lassen. Viel Spaß beim Wählen!

Sicherheitsbedenken N°3

Ich höre immer was von „Belangen der nationalen Sicherheit“ und dann denke ich mir manchmal, warum wir wegen etwas belangt werden müssen, dass doch eigentlich als Dienst an uns als Bürger dieser Nation verstanden sein sollte? Wie kann es denn sein, das man mich wegen eben dieser nebulösen – später noch etwas genauer zu durchleuchtenden – Belange bespitzelt, unter den generellen Verdacht der potentiellen Staatsuntreue oder gar -feindlichkeit stellt, mein geistiges Eigentum und meine persönliche Integrität beschädigt und mir verweigert, darüber bescheid zu wissen? Haben denn alle Staatsdiener vergessen, dass der Staat nur deshalb existiert, weil ich existiere und mich im Grunde aus freien Stücken entschlossen habe, bestimmte Regeln des Zusammenlebens, die hierorts gelten anzuerkennen? Und falls ich genau das nicht mehr täte, wäre ich dann ein Verbrecher, ein Terrorist oder einfach nur ein Freigeist, der die unrechtmäßige Einmischung des Staates in meine Privatsphäre ablehnt?

Bevor ich mich nun sofort ereifere, mich selbst als ablehnenden Freigeist zu outen, wäre es angezeigt, zu erklären, was die Grundlage meiner kritischen Haltung gegenüber verschiedenen Intitutionen unseres Staates ist und auf welchem gedanklichen Fundament sie steht. Ich empfinde nämlich Menschen, die „DAGEGEN!“ rufen, ohne eine Begründung für ihre Haltung nennen zu können als lächerlich dumme Schaumschläger, von denen auf Grund ihrer schieren Lautstärke Notiz nehmen zu müssen für mich eine Beleidigung meiner Intelligenz konstituiert. So let’s get on with it!

Warum haben Staaten irgendwann angefangen, Institutionen abseits einer, wie auch immer gearteten herrschenden Kaste auszuprägen, deren Legitimation lediglich darin bestanden hatte, irgendwie irgendwann mehr Macht angesammelt haben zu können, als alle Anderen? Zum einen, weil wirtschaftlicher Erfolg in autokratischen Regimen stets nur in begrenztem Umfang möglich ist, aber jeder gerne wirtschaftlich erfolgreich wäre, andererseits aber wegen der schlichten Menge der am Konstrukt Beteiligten. Irgendwann muss man damit beginnen, sich halbwegs zuverlässiger Instrumente zur Verwaltung der wachsenden Zahl an einem bestimmten Platz zusammenlebender Individuen zu bedienen. Tatsächlich war eine der ersten Erkenntnisse, dass es nur möglich ist, Steuern einzutreiben, wenn man auch weiß, wer wem wie viel Steuern schuldet, so man denn über die Möglichkeit verfügt, diesen Anspruch auch durchzusetzen. Man merke auf: durchzusetzen! Einen Anspruch zu haben und über die Mittel zu verfügen, ihn durchsetzen zu können bedeutet noch lange nicht, dass eben dieser Anspruch auch legitim ist.

Über Legitimität musste bzw. muss man sich ja aber auch heute nicht wirklich den Kopf zerbrechen, wenn man ein autokratischer Herrscher ist. Worauf man Lust hat, das wird gemacht… oder? Das stimmt zumindest solange, wie sich jene, welche von der Autokratie ausgebeutet werden nicht in der Lage sind, ihr Gefühl der Ohnmacht zu überwinden und sich gegen die Opression zu wehren. In dem Moment, da aber jener perfide Mechanismus, der uns Angst vor jenen mit gefühlt größerer Macht haben lässt zu versagen beginnt, ab dem Zeitpunkt da sich der Wille zum Widerstand regt und seine Tragkraft in der Breite entfacht, versagen die autokratischen Institutionen. Die lassen sich nämlich nur durch ein Geflecht von Abhängigkeiten und eine willkürlich erschaffene, von Immobilität geprägte, soziale Rangordnung aufrecht erhalten. Wird die Macht der Ranghöheren aber in Zweifel gezogen und schließlich angefochten, bliebt als letztes Mittel des Machterhaltes nur noch die Gewalt. Doch unsere Zeiten haben sich geändert, man kann nicht mehr einfach ein paar Tausend Menschen verschwinden lassen, ohne dass der Rest der Welt davon Notiz nimmt und die autokratischen Institutionen in ihrer Legitimität von Außen angezweifelt oder sogar angegriffen werden. Der so genannte arabische Frühling hat das sehr deutlich demonstriert.

Auch in einem als demokratisch etikettierten Staatswesen beruht die Legitimation seiner Institutionen auf der Anerkennung von Macht. Dem Wesen der Demokratie nach wird diese Macht aber als von den Bürgern ausgehend auf Mandatsträger delegiert, welche diese im Sinne der Bürger ausüben sollten… Tja, das mit diesem „sollten“ im vorangegangenen Satz, das ist so eine Sache, denn ist das Mandat erst erteilt, hat die delegierte Macht, welche sich ja nun auf wenige Individuen konzentriert die dumme Angewohnheit, sich zu verselbständigen. Könnte daran liegen, dass wir ja alle nur Menschen sind, es aber eigentlich besonderer charakterlicher Merkmale bedarf, um sich zum Mandatsträger überhaupt zu eignen und Politik offensichtlich nicht selten Individuen anzieht, welche eben diese Merkmale nicht mitbringen. Verdammt…

Es gibt eine Menge Theorien über systemische Autopoiese, also die Selbsterhaltungstendenzen komplexer sozialer (Sub)Systeme und welche Blüten diese so treiben kann, aber alle Theorie bringt uns nicht weiter, wenn eben die daraus erwachsende Entfremdung der Bürger eines Staates von den Institutionen des Selben uns in eben jene aktuelle Paradoxie zwingt, dass die Institutionen, bzw. deren Vertreter anfangen, die Bürger des Staates, der sie ja erst hervor gebracht hat unter den Generalverdacht der Staatsfeindlichkeit zu stellen. Nicht der Staat muss vor seinen Bürgern geschützt werden, sondern die Bürger vor einem solchen Staat.

Die Sicherheit des Staates – und damit ist in der Politik immer zuerst die Integrität seiner Institutionen und derer Interessen gemeint – als oberste Prämisse könnte als hehres Ziel gelten, wenn die Umsetzung nicht die Interessen der Bürger unterwandern und schädigen würde, anstatt diese zu schützen, wie es erwartbar wäre. Ich, als Bürger der BRD legitimiere die Institutionen dieses Staates durch mein Agieren als Bürger, durch die Wahrnehmung meiner Bürgerrechte und -pflichten und die Achtung der Gesetze, welche sich ein paar durchaus kluge Köpfe ausgedacht hatten, um ein einigermaßen friedvolles und produktives Zusammenleben von so vielen Leutchen auf einem Haufen irgendwie möglich machen zu können. Ich achte die Gesetze, doch wie sieht es mit dem Staat aus, in dem ich lebe?

Meine Sicherheit, also die Sicherheit meiner persönlichen Integrität, meiner Privatsphäre, sofern ich sie gewahrt sehe möchte und der Geschäfte, welche ich durch Erwerbstätigkeit und Konsum dauernd tätige, wird von diesem Staat anscheinend weniger geachtet als das Wohl seiner eigenen Institutionen und derer Vertreter. Dieser Umstand lässt mich am Sinn dieses Staatswesens ehrlich gesagt zweifeln. Und doch habe ich Hoffnung, nämlich dass es mehr Menschen geben wird, die auch hierorts anfangen, die Einhaltung ihrer Rechte anzumahnen. Noch sind wir Deutschen diesbezüglich träge, messen dem Gehorsam mehr Wert zu als der Kritik, außer wenn wir sie anonym und somit „gefahrlos“ absondern können. Aber vielleicht … vielleicht weht da inmitten der Hitzewelle doch ein laues Lüftchen der Veränderung. Kohl war bleierne Zeit, Merkel ist bleierne Zeit und ihr ministerialbürokratisches Gefolge ist machtvoll, aber Blei kann dankenswerter Weise auch versinken – hoffentlich bald dort, wo sie hingehören: im Strudel der geschichtlichen Belanglosigkeit.

 

Sicherheitsbedenken N°2

Irgendwie kann ich nicht umhin, meine Gedanken gelegentlich wandern zu lassen. Sie wandern dann an Orte, die weder kartographisch erfasst, noch – zumindest manchmal – einfach zu fassen sind. Ich bin mir des Umstandes bewusst, dass ich manchmal drei Mal um die Ecke denke, bevor für den Leser/Zuhörer das Ziel auch nur annähernd klar wird und ich verzettele mich bei meinen Denkspielen auch mal ordentlich öffentlich. Aber ehrlich gesagt finde ich das authentisch, denn all das bin ich und wenn ich dann, wie im letzten Artikel, das böse Fäkalwort nutze, dann geschieht dies sicher unter anderem auch aus dramaturgischem Kalkül, aber vor allem, weil es Dinge gibt, die man einfach nicht anders titulieren kann; ganz gleich wie gebildet man sich auch gerne gerieren würde.

Unabhängig vom Furor, der mich dann und wann packt, wenn ich meine Mitmenschoiden, insbesondere die Angehörigen der Subspezies Homo Sapiens Politicus zu beobachten gezwungen werde, ergehe ich mich eigentlich immer in Betrachtungen meiner Umwelt. Es ist mir quasi ein natürliches Bedürfnis, die Vorgänge um mich herum verstehen und miteinander in Beziehung setzen zu können. Übrigens ist genau das eine Grundvoraussetzung für politisches Agieren, gleich auf welcher Ebene. Die Folgerungen, welche ich aus meinen Beobachtungen ziehe und auszusprechen die Stirne habe, sind nicht selten wenig Mainstreamkompatibel, aber das ist mir egal, sofern ich wenigstens manchmal jemanden zum selber Denken anrege.

Ich räsoniere hier ein bisschen über meine Beweggründe und Ziele, weil ich mich in meinem letzten Blogpost zu der Bemerkung verstiegen habe, das Terrorismus, ganz gleich wie grausam, dumm und wenig Zielführend er auch sein mag, auf soziale Ungleichheiten aufmerksam macht. Und weil ich mir sicher bin, dass man das sowohl absichtlich als auch unabsichtlich missverstehen kann, ist hier ein kleiner erklärender Exkurs angezeigt:

Ein terroristischer Ausflug…

Wenn wir heutzutage von Terrorismus sprechen, so meinen die Allermeisten den so genannten islamistischen Terror, weil zumindest gegenwärtig der weitaus größte Teil aller terroristischen Taten auf das Konto von Menschen geht, welche die Lehre Allahs nicht recht verstanden haben oder sie im falschen Sinne erklärt bekommen haben. Der Boden auf welchem die Saat dieses gewalttätigen Gedankengutes aufgeht, ist in vielen Fällen durch eine soziale und wirtschaftliche Dürre sehr empfänglich für den wohlklingend verführerischen rhetorischen Regen, der im Kern einfach nur die Schuld für all die erduldete Not einem System zuschreibt, welches sich selbst gegenüber seinen eigenen Kindern als dankbarer Sündenbock zeigt – unsere durch und durch säkularisierte westliche Konsumgesellschaft.

Es gab und gibt auch jede Menge Menschen innerhalb unserer keineswegs perfekten Gesellschaftsform, die auf dem Wege der Gewalt etwas zu ändern suchen, etwa Theodore Kaczynski, besser bekannt als der UNA-Bomber, der den Neo-Luddismus, also die Ablehnung der immer weiter fortschreitenden Technisierung unserer Lebenswelt als Antrieb für seine Taten angab. Oder aber Timothy McVeigh, der das Murrah-Building in Oklahoma sprengte und über dessen Motive bis heute keine vollständige Klarheit herrscht, auch wenn ein ultranationalistischer Hintergrund zumindest vermutet werden kann. Auch ultralinks motivierte Gewalttaten verschiedener Gruppen in den 70er und 80er Jahren in Europa, wie etwa der deutschen „Rote Armee Fraktion“ oder der französischen „Action Directe“ können sicherlich als Terrorismus bezeichnet werden. Heutzutage jedoch dominiert global der islamistische Terror, der seine Wurzeln in einem weit verbreiteten Ohnmachts- und Ausbeutungsgefühl der Bewohner vieler Zweite- und Dritte-Welt-Länder gegenüber den Staaten der ersten Welt hat. Ich scheue mich bekanntermaßen davor, Menschen auf ökonomische Motive reduzieren zu wollen, aber die dort vorherrschende blanke Not mag zumindest die Vorbedingungen schaffen – ein radikales Umfeld lässt radikales Denken entstehen, aus dem irgendwann mit der „richtigen“ Motivation dann schlussendlich radikales Handeln wird.

Freilich gibt es Terror in vielen Darreichungsformen, schließlich sind Bomben, Schusswaffen und Messer, so grausam und zugleich Publizitätserzeugend sie auch sein mögen, nur die allerletzte Steigerung von Terror. Er beginnt immer mit dem Entzug einfachster Menschenrechte, wie ihn zum Beispiel die Taliban gegenüber Andersdenkenden und vor allem Frauen ausüben. Diesem Denkansatz folgend müsste es unser erstes – eigentlich einziges – Ziel sein, die Einhaltung der Menschenrechte durchzusetzen und, wie jenes pakistanische Mädchen Malala Yousafzai auf beeindruckende Art vor der Jugendversammlung der Vereinten Nationen eingefordert hat jedem Kind Bildung bringen. „Ein hehres Ziel, aber weder durchsetzbar noch finanzierbar!“ höre ich es in meinem Hinterkopf. Wie teuer waren doch gleich noch mal diese Spionageprogramme.

…endet nicht vor meiner Haustür!

Anstatt immer mehr Menschen zu kriminalisieren, zu bespitzeln, für dumm zu verkaufen und von Entscheidungsprozessen auszugrenzen, die unser aller Zukunft beeinflussen, sollten unsere so genannten Führer sich darauf besinnen, wer sie in ihre Ämter getragen hat und wem sie Rechenschaft schuldig sind – weder einzig der Wirtschaftslobby noch nur ihrer eigenen kranken Umwelt mit Namen Politik, sondern mir und jedem anderen mündigen Bürger, gleich wie viel oder wenig er/sie hat oder ist! Und darüber hinaus endlich verstehen, dass man Terror nicht mit Waffen und Bespitzelung sondern mit Bildung und wohl gemeinter Hilfe zur Selbsthilfe bekämpft. Der Weg ist gewiss lang und steinig aber ich finde ihn wesentlich wertvoller als die asphaltierte Schnellstraße in den Totalitarismus, auf der wir uns gerade befinden.

Ich habe noch nicht zu Ende gedacht, aber manchmal muss man zwischendurch nicht nur die Schrift sondern auch die eigenen Ideen interpunktieren und reifen lassen. Die folgen in Kürze auf diesem Kanal. Bis dahin, denkt wohl!

Sicherheitsbedenken N°1

Abhörskandal – ich kann diese Scheiße nicht mehr hören! Auf der einen Seite tummeln sich die selbst ernannten Bürgerrechtsaktivisten jedweder Couleur, übrigens auch solche, die unsere Bürgerrechte üblicherweise bestenfalls als Allerletztes auf ihrer Agenda haben, jedoch auf Sympathiestimmen im kommenden Wahlkampf hoffen und darum jetzt medienwirksam alle Formen von Datensammlung für Teufelswerk erklären. Auf der „Gegenfront“ stehen die Befürworter des Gläsernen Bürgers, für die jedes noch so kleine Geheimnis die potentielle Verschleierung einer möglichen Straftat bedeutet. Ein Albtraum für jeden Sicherheitsmenschen; hinterher könnten die Bürger noch Dinge denken, die man selbst zu bedenken Bedenken erdacht haben könnte.

Sicherheit sei ein genauso wichtiges Bürgerrecht wie die Privatsphäre, denn ohne sie würden die einfachsten Dinge des Alltäglichen plötzlich zum Pogohüpfen im Minenfeld. Garantierte der Staat zum Beispiel nicht für die Verbindlichkeit von Verträgen, könnte man nichts mehr einkaufen. Der Arbeitgeber könnte einen einfach ausnehmen; was er ja trotzdem auf jede erdenkliche Art tut. Also setzt man die Sicherheit des Staatswesens mit der Sicherheit seiner Bürger gleich, schließlich würde in einer Demokratie ein generelles Misstrauen gegenüber den Institutionen des Staates keine Berechtigung haben, denn zum Schutz der Freiheit sei der Schutz der Sicherheit unabdingbar und man wäre ja naiv, wenn man von staatlicher Überwachung überrascht wäre Ja, ist schon schön, wenn man öffentlich naiv sein darf und auch noch als Journalist dafür bezahlt wird.

Hier sind zwei grundlegende Denkfehler zu konstatieren: zum einen sind die Institutionen des Staates mittlerweile durch ihre inhärenten Selbsterhaltungstendenzen soweit vom Willen des Volkes entfernt, sofern dieser überhaupt auszumachen wäre, dass man getrost von systemischer Entfremdung durch Selbstzweck sprechen darf. Ich empfehle hierzu Habermas und Luhmann als Lektüre. Und überdies ist es ausgesprochen kurzsichtig, Volksvertretern und vor allem den Mitgliedern der ihnen beigeordneten Ministerialbürokratie zu unterstellen, dass sie für Versuchungen, welche sich im Spannungsbereich der Dichotomiepole Gemeinwohl und Eigenwohl abspielen in keinster Weise anfällig wären. Das sind alles Menschen – und hier dürfte der gleiche Prozentsatz an Individuen zu finden sein, welche schwach an Charakter sind, wie beim Rest auch.

Natürlich ist es ein wichtiges Vorhaben, die Sicherheit des Staates und seiner Bürger zu schützen, doch bevor man sich nun hinstellt und Sicherheitsbehörden mit diesem äußerst kurz greifenden Argument einen Persilschein dafür hinschmiert, sich einfach so meine intimsten Gedanken zu eigen machen zu dürfen, um dann irriger Weise zu glauben, beurteilen zu können, wie ich ticke und somit meinen individuellen Gefährdergrad benennen zu können, MUSS man sich fragen wer was dadurch gewinnen kann? Wieso braucht ein Staat überhaupt Kontrolle über seine Bürger? Sollte das Verhältnis nicht genau umgekehrt sein? Dieser Argumentationsstruktur liegt die vollkommen irrige Annahme zu Grunde, ein Staat müsse Macht über alle Lebensbereiche seiner Bürger ausüben können. Das ist autokratische Scheiße, gegen die man sich bis zur letzten Konsequenz wehren muss, denn der Bespitzelung folgt die Bevormundung und die mündete bisher immer in der Diktatur.

Anstatt immer mehr Geld in die Überwachung und Befriedung zu investieren wären wir – nein nicht wir, sondern unsere politischen Führer – besser beraten, mehr für sozialen Ausgleich zu tun. Denn das, was die selbst ernannten Eliten fürchten, ist nicht der Terrorismus als solches, sondern der Umstand, dass dieser – wenngleich auch auf die denkbar dümmste Art – auf soziale Ungleichheiten hinweist. Räumte man diese aus, beendete man auch den Terrorismus und könnte seine Drohnen und Funkanlagen und Computer und den ganzen anderen Rotz einmotten. Aber soweit sind wir noch lange nicht, darum will ich die Tage weiter über das Thema nachdenken…

Gegangen durch die Ä-gyp-ter…?

Präsident Mursi nach tagelangen Protesten durch weite Teile der Bevölkerung weggeputscht – STOP – Lage im Moment ruhig – STOP – Große Teile der Bevölkerung feiern – STOP – Muslimbrüder rufen zu Gegenprotesten auf – STOP – Weiterer Weg Ägyptens im Moment unklar – STOP – Intervention notwendig? – STOP…

Zu den Fakten: der erste demokratisch gewählte Präsident Ägyptens wurde durch das Militär aus dem Amt entfernt. So was nennt man einen Putsch. Sein Regierungsstil könnte als wenig Konsensorientiert betrachtet werden und sicherlich sind die politischen Ansichten der Muslimbrüderschaft vielen säkular orientierten Menschen viel zu sehr an der Sharia ausgerichtet, um als Grundlage für die Ausrichtung eines in vielerlei Hinsicht schon sehr lange weltlich orientierten Staates empfunden werden zu können. Das ist allerdings unsere westliche, Leitkulturideeverseuchte Lesart der Dinge.

Wir Europäer, oder vielleicht besser wir Mitteleuropäer, neigen sehr gerne dazu, unsere Idee davon, wie eine Gesellschaft günstiger Weise beschaffen zu sein hätte als allein sinnvolles, ja sogar selig machendes Prinzip zu betrachten und dies auch jedem zu erzählen, gleich ob er es hören mag, oder nicht. Die Amerikaner gehen noch einen Schritt weiter und exportieren ihre Ideologie gleich aktiv in jene Regionen der Welt, in denen man Bodenschätze… ähm, pardon, ich meinte natürlich Menschen findet, die nach dieser Ideologie dringend der Demokratie bedürftig sind. Mit der Demokratie erleiden sie dabei eigentlich immer Schiffbruch, aber wenigstens der Zugriff auf die Bodenschätze … ach lassen wir das.

Wenn ein Bundesaußenminister sich hinstellt und vor der Kamera alle Beteiligten am Konflikt zu Besonnenheit aufruft, dann folgt er lediglich einem formalisierten Ritual institutioneller Bigotterie, dem alle Angehörigen des politischen Standes der so genannten ersten Welt verpflichtet sind. Im Grunde positionieren alle zunächst ihre Figuren für die nächsten Züge im geopolitischen Kampfschach. Wie das mit Ritualen so ist – sie werden mit der Zeit berechenbar, da staatliche Interessenportfolios gewissen politischen Sphären zuordenbar sind. Letzten Endes geht es immer um die eine Frage: Was springt für uns dabei heraus? Und wer glaubt, in der BRD würden die Uhren diesbezüglich anders ticken, dem rate ich dringend mal darüber nachzudenken, welchen Partnern wir verpflichtet sind, wo unsere Rohstoffe herkommen und unsere Exporte hingehen. Money talks – und sonst hat hier niemand was zu melden!

Würde man sich als denkendes Individuum gerne auf seine ökonomischen Interessen reduzieren lassen – auch wenn, ganz nüchtern betrachtet, die pekuniären Zwänge tatsächlich für fast jeden von uns einen nicht unerheblichen Teil des Handlungsspielraumes beeinflussen – könnte man sagen, der Westerwelle hat Recht, wenn er sie zur Ordnung ruft. Geopolitische Instabilitäten sind schlecht für’s Geschäft und damit schlecht für unsere Binneneinkünfte. Wenn da nicht der Umstand wäre, dass ich mir vieler Dinge sicher bin; jedoch NICHT der Repräsentation MEINER Interessen durch UNSERE Politiker. Denn ich persönlich bin durchaus der Ansicht, dass zum Beispiel die Ägypter sehr wohl in der Lage sind, selbst heraus zu finden, was das Beste für sie ist. Und das muss nicht unbedingt eine Verfassung wie die unsere sein, denn solange sich die säkularen und die religiösen Kräfte nicht miteinander aussöhnen und einen Konsens finden, wird ein Land wie dieses nie zur Ruhe kommen. Solange Nationen jedoch aus der politischen Perspektive immer nur als Bankkontenbündel betrachtet werden, ist es sehr schwer, auf die Bedürfnisse abseits der Ökonomie einzugehen. Und die sind mannigfaltig.

Womit wir bei der grundlegenden Frage wären, was uns westliche Menschen zu der Arroganz veranlasst, zu glauben, wir wüssten, was für die Menschen anderswo auf dem Erdenrund das Richtige und Wichtige ist? Würden wir uns von diesem Stuss verabschieden, könnten wir die Dinge vielleicht mal etwas unvoreingenommener betrachten. Vielleicht würden wir dabei ja feststellen, dass nicht nur deren, sondern auch unsere Interessen auf andere Art und/oder durch andere Menschen besser vertreten werden könnten. Dieser Gedanke lässt mich hoffen.

A snipet of dreams

Haben meine Träume ausreichend starke Flügel, mich auch in meinem jetzigen Zustand noch bis zum Himmel zu tragen? Nein, ich meine damit nicht unbedingt den Umstand, dass ich physisch gesehen als Vogel ziemliche Probleme hätte und bestenfalls als Albatross durchgehen könnte; erinnert sich übrigens irgend jemand an Orville?

Nun jedenfalls geht es heute auch nicht um Deprimiertheit, oder die psychopathologische Steigerung davon. Vielmehr fühle ich die Abgebrühtheit und Desillusioniertheit wachsenden Alters, die mir mittlerweile manchmal zur Last wird. Mit 20 war ich (gefühlt) unsterblich, unbesiegbar – und unglaublich naiv. Heute bin ich zumindest ein wenig erfahrener, ruhiger, überlegter – und langweiliger? Keine Ahnung, genau das versuche ich nämlich zu verhindern, aber diese Beurteilung müssen Dritte übernehmen, schönen Dank. Alles in allem habe ich heraus gefunden, dass es ein schmaler Grat ist, auf dem man zu wandern hat, wenn man auf der einen Seite seiner hoffentlich wachsenden Lebensklugheit ihren gebührenden Einfluss auf Tun und Lassen einräumen möchte, auf der anderen Seite aber dieses, durchaus auch medial geschürte, Verlangen danach brennt, jung und rege bleiben zu wollen; oder zu müssen?

Das ist eine Frage, die man für sich selbst klären muss, nämlich wie sehr man sich auf äußeren Zwänge einlassen will, bzw. muss und wo man lieber selbst einen dritten oder auch vierten Weg sucht? Rege bleiben bedeutet mir, dass man nicht immer nur die Augen nach vorne richtet, sondern gemäß dem Motto „Der Weg ist das Ziel!“ sich seine Zeit zur Beobachtung, zur Muße und zur Kontemplation nimmt, mal rechts oder links abbiegt und mitnimmt, was der vermeintliche Umweg zu bieten hat. Um dann nach einer Weile gestärkt abheben, die Dinge psychoperspektivisch betrachten – also beinahe wie ein Außenstehender – und den Weg, der ja das Ziel ist, neu festlegen zu können. Man darf natürlich auch im wahrsten Wortsinn abheben…

Meine Träume können mich tatsächlich in diesem Sinne noch tragen, dass sie mir helfen, im unüberschaubaren Gewirr der Möglichkeiten und Beliebigkeiten meine Orientierung zu behalten, mich auf das Wesentliche zu besinnen. Und trotzdem manchmal eine Chance zur Flucht aus der allzu gewohnten, erdrückend monotonen Rhythmik des Alltags bieten. Zu lernen, die eigenen Träume nicht aufzugeben, sie nicht zu vergessen oder vollkommen unter großen Haufen aus Pflicht, Gehorsam und Selbstverleugnung zu begraben ist eine Kunst. Man kann diese nicht so leicht erlernen, aber wenn man sich die Mühe macht, sich seiner selbst regelmäßig zu erinnern, kommt das fast von ganz alleine. Und ich träume immer noch verdammt gerne!

Verdammt lang her…?

Die Erde, so ganz im Allgemeinen dreht sich weitestgehend ohne unser Zutun. Das ist auch gut so, denn sonst hätten wir ja dauernd Tag, oder aber Nacht, was es verdammt schwierig machen könnte, sich Abends für irgendwas zu verabreden; z.B. ein Abiturjahrgangstreffen. Aber weil die Dinge sind wie sie sind, konnten wir uns mit 20-Jähriger Latenz mal wieder neu begutachten. Der Satz stimmt nicht ganz, denn vor sieben Jahren, hatten wir ja schon mal ein Revival, aber das sei für diesen Text erstmal nicht weiter von Belang.

Eigentlich waren es ja auch nicht 20 Jahre, sondern vielmehr 20 Jahre, 1 Monat und 11 Tage Abstand, wenn man den Tag, an dem das mündliche Abitur nebst Hopp-oder-Top-Verkündung und genialem gemeinsamem Tagesendabsturz in einem einsam gelegenen Garten stattgefunden hatten als Endpunkt der schulischen Karriere wertet. Ich mache das so, denn genau danach war Nichts mehr so, wie man es gekannt hatte. Die erste große, vollkommen bewusst wahrgenommene Zäsur im noch jungen Leben. Die Zeit davor bot eine gewisse Sicherheit. Natürlich ist Pubertieren kein Zuckerschlecken und wenn man die Erinnerungen aufsummiert, bleibt eine gewisse Ambivalenz nicht aus; es war nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen, aber das wäre auch nicht gut gewesen. Leben ist bei weitem nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen und auch daran muss man sich, die Eierschalen hinter den Ohren wegwerfend, erstmal gewöhnen…

Die Adoleszenz ist genau so ein Arschloch wie die Pubertät, denn sich einen Platz im Leben und in der Welt zu suchen, ihn zu verteidigen oder auch mal aufzugeben, wenn die Wanderlust kommt, sich mal eben neu zu denken und sich dennoch treu zu bleiben, sofern man sich als so wertvoll erachtet, ist in etwa so einfach, wie Frieden im Nahen Osten zu stiften. Es gibt keine Patentlösung und es funktioniert immer nur auf Zeit.

Gerade deswegen war ich neugierig, wie freundlich oder unfreundlich die Zeit mit den Anderen umgegangen sein mochte, ob sich immer noch die gleichen Grüppchen bilden würden, ob sie immer noch so wären wie früher oder doch vollkommen anders? Wenn jetzt jemand kommt und sagt, also wenigstens reifer sollten sie doch geworden sein, fallen mir als männlichem Vertreter der Gattung Homo Sapiens Sapiens dazu zwei Dinge ein: Reife bedeutet für mich zuallererst, dass ich die Chance hatte, durch Erfahrung zu lernen, mit den Fährnissen des Alltags gelassener umzugehen. Das lässt mich vielleicht zumindest äußerlich ruhiger erscheinen, aber es macht mich nicht unbedingt zu einem anderen Menschen. Und als der, der ich immer noch bin, werfe ich weiterhin Folgendes ein: Ihr dürft zu mir sagen „Man, bist du grau geworden!“, oder auch „Man, bist du dick geworden!“ – aber wenn einer sagt „Man, bist du erwachsen geworden!“ lass ich mich einbalsamieren. Wenigstens die Illusion mentaler Jugendlichkeit möchte ich mir nämlich noch eine Weile gönnen! Und irgendwie hatte ich bei dem Treffen dann schon den Eindruck, dass ich mit diesem Wunsch nicht vollkommen alleine da stehe.

Tatsächlich waren manche Dinge immer noch genau so wie damals, aber auf eine beruhigend … ja tatsächlich gelassene Art und Weise. Natürlich gab es die üblichen Fragen wie „Und was machst du so?“, „Hast du Kinder?“, „Wie geht’s dir so?“, aber für bestimmte Dinge braucht man keine Worte, sondern nur ausreichend feine Antennen für zwischenmenschliche Resonanz. Die habe ich mir durch meinen Job und einen daraus abgeleiteten persönlichen „Reifeprozess“ erarbeitet und mich darum einige Male auf die Position eines Beobachters zurückgezogen, um einfach nur zuzusehen, nachzudenken und mich zu freuen. Ich hatte leider nicht die Gelegenheit, mit jedem Einzelnen zu sprechen, aber wie gesagt, Manches sieht man einfach. Und es war mir durchaus eine Freude, mich mit meiner eigenen Vergangenheit zu beschäftigen.

Manchmal macht man den Fehler und sagt diesen Satz „Ach, wenn ich DAS doch mit 20 gewusst hätte…“. Einer meiner ehemaligen Mitschüler antwortete mir im Gespräch, dass er sich ziemlich sicher sei, dass ihm der nie über die Lippen käme, weil er mit seinen getroffenen Entscheidungen, seiner Position im Leben – und damit auch mit sich selbst, wenngleich diese Aussage nur implizit in seinen Worten mitschwang – ziemlich im Reinen sei. Besser kann’s eigentlich doch kaum kommen. Würde man aber diesen Satz tatsächlich sagen, kann ich aus eigener Erfahrung antworten, dass ich der, der ich heute bin nur deshalb werden konnte, weil ich seit damals den Weg gegangen bin, den ich gegangen bin. Vielleicht würde ich manche Entscheidung mit meinem heutigen Wissen anders getroffen haben, aber dann wäre ich heute auch ein Anderer und vielleicht auf andere Art unzufrieden. Also warum sollte ich hadern? Das Leben ist sowieso nie ein gerader, ruhiger Fluss.

Man sagt, dass der Mensch nur in der Interaktion mit Anderen wirklich lebt, dass er als soziales Wesen den Spiegel braucht, den ihm Andere vorhalten, dass er für sich selbst nur in diesem Spiel aus Aktion und Reaktion „echt“ wird. Ich habe mich sehr gefreut, zu sehen, dass die Menschen, welche meine Jugend entscheidend mit geprägt haben im Großen und Ganzen authentisch geblieben, es teilweise sogar noch mehr geworden sind und dass „es“ auf eine verquere Art immer noch ganz gut passt. Ich habe mich wohl gefühlt und hoffe, dass es den Anderen genauso erging.

Darum danke ich Julia für ihr Engagement, so viele wie möglich vom alten Haufen noch mal zusammen zu bringen und freue mich auf die nächste Gelegenheit, sich in angenehmer Atmosphäre auszutauschen. Bis dahin sei allen das Beste gewünscht.

PS: Es hat natürlich nicht jeder den gleichen Musikgeschmack, das wäre ja auch wirklich öde, aber irgendwie sind es doch immer wieder die selben Lieder…