Der verwirrte Spielleiter #06 – diplomatische Äxte…

Spiel mit Stil. Damit ist nicht gemeint, dass man den Bohemian Rhapsody mit ebenso viel Schmelz wie Freddy singen kann, wenn man einen Entertainer darstellen möchte. Oder das es spezieller Kleidung am Spieltisch bedarf. Sondern eher, dass einige, oft sehr unterschiedliche Persönlichkeiten sich mehr oder weniger regelmäßig zusammenfinden, um ein soziales Event zu gestalten. Über die Voraussetzungen habe ich schon gesprochen. Aber natürlich gibt es noch andere Aspekte, die über den Erfolg einer Rollenspielrunde bestimmen können. Einer davon ist der individuelle Spielstil.

Einmal mehr muss ich darauf hinweisen, dass mir diese ganzen Sozialwissenschafts-überfrachteten Oberdogmatiker bitte vom Halse bleiben sollen. Denn sie reduzieren eine komplexe Persönlichkeit mit Macken, Ecken, Kanten, Fähigkeiten, etc. auf ein sehr vereinfachtes Substrat, dass irgendwie in ihre Taxonomie von Gamist, Simulationist, Narrativist (oder irgendeine andere) passen soll; und verkennen dabei vollkommen, dass a) Motivation eine veränderliche mentale Disposition ist und b) ich als SL dem Spieler nur gerecht werden kann, wenn ich ihn auf so vielen Ebenen wie möglich anspreche. Was bedeutet, dass ich stets wachen Auges durch meine Sitzungen schreiten und die aktuellen Motivationen meiner Spieler identifizieren muss. Damit ich ihnen passende Herausforderungen anbieten kann.

Was oft als Spielstil abgleitet wird, ist ein Mischung aus verschiedenen Anteilen der Persönlichkeitsstruktur des jeweiligen Spielers. Und so, wie wir alle wissen, dass es eine Tagesform gibt, so haben die Spieler (und damit auch ihre Charaktere) eine variierende Tagesform. Ich kann als SL übergeordnete Ziele setzen (ist ja irgendwie auch meine Aufgabe, wenngleich meine Spieler sich ihren Ärger meist auch selber suchen könnten); die Reaktion darauf ist aber auch deswegen so unvorhersehbar, weil Tagesform eine entscheidende Rolle spielt. Lasst mich dies illustrieren:

Nehmen wir an, ich führe einen NSC ein, der den Charakteren dienlich sein könnte, weil er Informationen oder Dienstleistungen in seinem Porfolio hat, welche das Leben sehr viel leichter machen können. Der Con-man der Gruppe hat aber gerade heute einen schlechten Tag, weil sein Spieler Stress mit irgendjemandem hatte. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, der Rest der Gruppe wird mit hineingezogen, am Ende liegen womöglich ein paar Tote und Verletzte umher und der Kofferraum voller Ausrüstung ist in Rauch aufgegangen… Und wir reden hier explizit nicht von einem verpatzten Wurf auf Gassenwissen, sondern wahrscheinlicher von kaputter Kommunikation; und zwar zwischen SL und Spieler. Denn vergesst bitte nicht, dass die Interaktionen von NSC und Spielercharakter in diese eingebettet sind.

Es könnte aber auch anders laufen, weil der Spieler des Con-mans sich gerade mit sehr positiven privaten Erfahrungen an den Spieltisch gesetzt hat. Man handelt einen tollen Deal aus und alle verlassen zufrieden die Szene. Jedes Ergebnis irgendwo zwischen den Extremen ist natürlich auch denkbar. Doch die Tagesform ist nur ein wichtiger Aspekt, der aus der Spieler-Persönlichkeit heraus auf die Runde wirkt. Wie sieht es denn mit dem Rest aus?

Unwissenschaftlich gesprochen gibt es halt Menschen, die einfacher, schneller und weiter aus sich herausgehen können und wollen als andere. Die den theatralischen Aspekt von Rollenspiel gerne ausleben, tatsächlich in die Rolle eintauchen wollen. Dann gibt es die eher analytischen Typen, die beobachten und dann beschreiben, was sie tun, ohne allzu oft tatsächlich zu ihrem Charakter zu werden. Und auch hier wieder jede Menge Spielarten dazwischen. Dem gerecht zu werden – jedem auf seine Weise – ist weder einfach, noch Kräfteschonend. Allerdings ist es absolut notwendig, denn kein Spielstil ist mehr oder weniger wert, als ein anderer. Und das Ideal, nur Mitglieder einer Ausprägung an seinem Tisch sitzen haben zu wollen, ist eine Illusion.

Denn Rollenspieler sind zuallererst Menschen und tragen schon jede Menge Rollen mit sich herum. Sie dazu nötigen zu wollen, andere Rollen für das Spiel erlernen zu müssen, dass ja hauptsächlich Spaß machen soll, tötet den Spaß. Es ist durchaus denkbar, dass jemand, der Anfangs eher schüchtern erscheint, dies entweder tatsächlich nur spielt, oder ins Spiel einsteigt, um sein persönliches Rollenrepertoire zu schulen und zu erweitern. Ich selbst habe das (meist) unbewusst getan und das hilft mir bis heute in anderen Bereichen meines Lebens ungemein weiter. Aber ich darf das weder erwarten, noch forcieren. Das geht eigentlich immer schief!

Und dann ist da noch die Frage nach der Action… Also eigentlich ist das keine Frage, denn die meisten Pen&Paper-Rollenspiele kommen mit einem Regelteil zur Konflikt-Lösung (vulgo: Kampfregeln) daher. Konflikt (wie auch immer der dann aussehen mag) ist eine wichtige Zutat für das Drama. Das ist hier nicht anders. Aber auch hier gibt es Spieler, die ihre Charaktere gerne kopfüber in jede sich bietende Konfrontation werfen und solche, die am liebsten allem aus dem Weg gehen würden, was auch nur im Ansatz nach drohendem Beef riecht. Und – abermals – das Graufeld dazwischen. Deshalb konstruiere ich als SL Situationen, die der Diplomatie bedürfen und solche in denen man eine Axt braucht (oder was auch immer). Und nicht selten machen die Spieler aus dem einen das andere und umgekehrt. Was dazu führt, dass das Mitführen einer diplomatischen Axt quasi zur Notwendigkeit wird. Auch, wenn man sie eigentlich nicht, oder auch doch benutzen will. Wird Zeit, mal etwas über Kampf im Rollenspiel zu erzählen. Aber das passiert in einem anderen Post. Always game on!

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