Plan X – Rollenspiel für Dummies #5

Ich könnte mich wegschmeißen, wenn ich meinen Spielgruppen beim Pläne schmieden zugucken darf. Da wird Stunde um Stunde lamentiert, das Für und Wieder dieses oder jenes Vorgehens erwogen. Man versucht auf Teufel komm raus, Szenarien im Vorfeld zu simulieren – oder etwas zu tun, dass dem nahe kommen soll; nämlich sie im Geiste durchzuspielen. Da lach ich mich kaputt, denn genau darauf kommt es doch an: das Durchspielen. Oder etwa nicht, heißt ja immerhin Rollenspiel?

Tatsächlich theoretisieren da eigentlich ja nicht die Spieler, sondern deren Charaktere, die sich ausmalen, was passieren KÖNNTE, wenn sie Aktion A umsetzen, oder lieber doch Aktion B… oder vielleicht doch eher Aktion C? Also quasi ein Traum in einem Traum. Klingt zu sehr nach „Inception“? Kann sein, aber genau das passiert am Spieltisch andauernd. Die Gruppe baut sich ein Szenario zusammen, wie sie eine – erwartete! – kritische Situation zu meistern gedenkt, was selten ohne Gezänk, viele „ABERS“ und einen Zeitaufwand von statten geht, der so manchen Projektmanager blass um die Nase werden ließe. Schaffen sie es irgendwann wieder Erwarten auch wirklich, ans Werk zu gehen, passiert meist Folgendes: der minutiös durchgerechnete Plan erleidet Schiffbruch, bevor die Sache so richtig losgeht.

Warum, wird Mancher jetzt fragen? Es gibt drei Hauptgründe. Erstens, einer der Spieler verkackt eine wichtige Fertigkeitsprobe, was dazu führt, dass eine Kaskade von Ereignissen, die eigentlich essentiell wäre, nicht in Gang kommt. Z.B. schafft der Hacker es eventuell nicht, dem Striketeam die Hintertür zum Quartier des Feindes öffnen. Da stehen sie nun in aller Pracht und müssen improvisieren. Zweitens, haben sie vielleicht doch nicht alle Eventualitäten bedacht, oder stellen sich schon mit den Details in ihrem Plan so dämlich an, dass man es einfach nicht laufen lassen kann, weil ein Erfolg nach den inhärenten Regeln des Settings schlicht unglaubwürdig wäre. Drittens, und das hat etwas mit der Notwendigkeit von Dramaturgie zu tun, muss der Spielleiter vielleicht einen Erfolg an diesem Punkt um der Gesamthandlung Willen sabotieren. Das klingt jetzt sicher nach Unfairness, kann aber in seltenen Fällen notwendig werden. Ich habe das bislang vielleicht maximal drei Mal gemacht und hatte jedes mal ein ungutes Gefühl dabei, aber es kommt vor.

Es gibt mit Sicherheit noch weitere Gründe, die ich vergessen habe, bzw. Kombinationen aus den Vorgenannten, die jedoch in der Regel allesamt zum selben Ergebnis führen: dem Einsatz von Plan X! Es ist ja nicht so, dass man sich einen solchen allerletzten Reserveplan tatsächlich zurecht legt. Da passiert mehr ein Impro-Happening, das einem Tanz ähnelt; wirft die Gruppe ALLES in die Wagschale und wagt Stunts, die eigentlich undenkbar sind, mit anderen Worten, wird sie in ihren Aktionen unvorhersagbar, steigen die Chancen auf einen Erfolg rapide. Es heißt zwar immer „erwarte das Unerwartete“, aber meine Erfahrung lautet, dass man gar nicht alles erwarten kann, was den Spielern in solchen Momenten gerade einfällt. Nicht selten habe ich bei solchen Gelegenheiten meine Kinnlade auf dem Boden wieder gefunden. Zumindest bildlich gesprochen.
Weder der Spielleiter, noch die Spieler haben üblicherweise einen Supercomputer für Simulationen zur Verfügung, noch hat man die Zeit oder Lust, alle Parameter genau zu analysieren und zu operationalisieren. Das ist hier aber auch kein wissenschaftliches Projekt, sondern Rollenspiel – auch wenn man sich in manchen Foren so benimmt, als bräuchte man tatsächlich wissenschaftliche Methoden, um es „richtig“ spielen zu können. (Kleine Anmerkung: Ich hoffe man merkt, das ich Rollenspieltheoretiker nicht besonders gut leiden kann!)

Dies führt dazu, das Pläne schmieden, auch wenn es den meisten Spielrunden offensichtlich genau soviel Spaß macht, wie Einkaufsorgien beim örtlichen Waffenhändler, zumeist auch genau so nutzlos ist. Denn kaufen sich die Charaktere dickere Wummen, dürfen sie automatisch damit rechnen, dass ihre Gegner über ungefähr kongruente Bewaffnung und Panzerung verfügen. Das ist ebenso ein stets gültiges Rollenspielnaturgesetz, wie die Fehleranfälligkeit von Schlachtplänen. Da gibt es übrigens interessante Analogien zur echten Welt.

Ich als Spieler versuche mittlerweile, nicht mehr so viel vorplanen zu wollen wie früher, weil die Nutzlosigkeit für mich in verschwendeter Spielzeit gegen gerechnet wird. Da mach ich lieber Charakterspiel – also die sozialen Interaktionen innerhalb der Gruppe und mit den Schlüssel-NSCs. Allerdings ist es dann und wann schwer, sich den Diskussionen am Spieltisch zu entziehen, insbesondere, wenn man meint, festgestellt zu haben, dass sich die Anderen gerade in was verrannt haben. Aber wir machen alle Fehler; dann kommt der gute, alte Plan X zum Zuge! Und ich alte Rampensau darf mal wieder alles rauslassen, weil wir da nicht anders rauskommen werden. YEEHAA! In diesem Sinne – always game on.

Neues vom Märchenonkel – Rollenspiel für Dummies #4

Wenn ich von Rollenspiel spreche, denken nicht wenige Leute zuerst an kostümierte Nerds, die sich im Wald mit fast ein bisschen echt aussehenden Waffen bekriegen – die übrigens vor allem aus Schaumstoff und Latex bestehen – komisches Zeltlager spielen und alle so ähnlich wie Yoda sprechen. Oder aber, sie haben schwüle Fantasien von dem, was in der Domina Dungeon passiert im Kopf; nun ja, manches davon passiert wohl auch in als eher bieder angesehenen teutonischen Schlafzimmern landauf, landab. Oder vielleicht erinnern sie sich, meist mit dezentem Grauen, an das letzte Kommunikations- oder Teamtraining im Betrieb.

Tatsächlich finden sich Elemente des Rollenspiels in vielen alltäglichen Situationen wieder; und vice versa. Denn natürlich entlehnt sich das Agieren der Charaktere, also unserer virtuellen Persönlichkeiten seine Handlungsfiguren aus dem, was wir aus unserem normalen Leben kennen. Zwar finden hier gewisse Transponierungen und Spekulationen statt, denn ich selbst stand noch nie einem wütenden Dämon gegenüber, aber hey, ICH hätte zumindest eine Idee, was zu tun wäre, wenn… Nun gut, das ist zwar ziemlich unwahrscheinlich, aber letzten Endes bedeutet es vor allem eines: nämlich dass ich, genau wie im Hier und Jetzt, regelmäßig Entscheidungen treffen muss. Und zwar kritische Entscheidungen, von denen Wohl und Wehe meines virtuellen Alter Egos abhängt. Man könnte jetzt sagen, es ist doch bloß ein Spiel, aber wenn man ein bisschen Zeit und Herzblut in sein Hobby investiert hat, hängt man irgendwann an dem, was daraus erwächst. Nehmt doch mal einem Modellbauer sein Lieblingsstück weg!

Nun ist es im echten Leben so, dass man viele Entscheidungen auf Basis solider Informationen trifft, die man sich vorher zusammen gesucht hat. Man kauft nur höchst selten ein Auto einfach aus dem Bauch heraus, man bucht nicht mal eben den erstbesten Urlaub, man plant bei Renovierungen bzw. Umzügen die Einrichtung des heimischen Wohnraumes vorher im Geiste peinlich genau durch. Man ist stets bemüht, den goldenen Mittelweg zwischen Budget, Qualität, Design, Funktionalität zu finden. Im Rollenspiel ist das nicht so. Man bekommt manchmal einfach nicht alle Informationen oder sonstigen Ressourcen, und zwar entweder, weil der SL sie absichtlich verknappt, weil man zu blöd ist, die richtigen Fragen zu stellen, die falschen Leute fragt, oder Beobachtungen und Antworten falsch interpretiert. Nein, ich spreche nicht von der CIA und den „weapons of mass destruction“, sondern von einer stinkgewöhnlichen Sitzung, bei der es zum Beispiel darum gehen könnte, das Quartier von ein paar Gangstern auszuheben, um einen Freund rauszuhauen. Und aus all dem zuvor Gesagten resultiert, dass man nicht selten mit seinen Einschätzungen und somit auch den getroffenen Maßnahmen ziemlich daneben liegt.
Nun gab und gibt es in allen Spielrunden, mit denen ich das Vergnügen hatte das Bonmot vom „Plan X“, dem „wenn-nix-mehr-geht-geht-das!“, was einen guten Hinweis darauf gibt, dass Spieler sehr wohl mit dem Umstand vertraut sind, ihre Traumschlösser auf einer mageren Datenbasis und einem fetten Sack voll heißer Luft aufzubauen. Und das ist im Prinzip auch für alle Beteiligten vollkommen OK, so lange man sich darüber einig ist, wie harsch die Konsequenzen ausfallen dürfen, wenn ein Plan schief geht. Grundsätzlich gibt es in jedem Szenario mehrere Schlüsselsequenzen, bei denen man sich als Spielleiter zurecht gelegt haben muss, was je nach Entscheidung bzw. Erfolg/Misserfolg des/der Charaktere passieren soll. Und hier wird es interessant.

Wenn ich davon ausgehe, dass eine Fehlentscheidung als direkte Folge zum Ableben von Charakteren oder wichtigen Nichtspielercharakteren führen kann, muss dies den Spielern klar sein. Wenn ich aber einfach hingehe und sagen wir einem Char ohne Vorwarnung und Chance auf Reaktion von einem Sniper das Licht ausknipsen lasse, weil dieser mit der Tochter des örtlichen Paten angebandelt hat, dann treibe ich als SL Unfug. Actio und daraus möglicherweise resultierende Reactio müssen irgendwie für die Spieler identifizierbar sein, die einem Setting inherenten Regeln müssen, sofern sie nicht aus Büchern oder sonstigem Vorwissen ableitbar sind, so expliziert werden, dass es auch jeder mitkriegt. Denn die Entscheidungen im Kontext des Spiels müssen, so verrückt das Setting auch sein mag auf irgendeiner Basis stehen, sonst können wir es gleich ganz sein lassen. Man braucht also nicht nur spielmechanische Regeln, sondern auch soziale Regeln sowohl innerhalb der virtuellen Welt, als auch in der Welt des Spieltisches. Über die sollte man sich vorher mal Gedanken gemacht bzw. geredet haben, denn wenn einer diese missachtet, gibt es Probleme.

Ich bin ein großer Freund zweiter und gelegentlich auch mal dritter Chancen, anstatt Charaktere einfach zu killen, gebe ich ihnen – u.U. allerdings recht schmerzhafte – Denkzettel und ich versuche tunlichst, krasse Do-or-Die-Situationen mit festgelegten Lösungen zu vermeiden. Ich mag’s flexibel und undogmatisch und bin stets gewillt, meinen Spielern größtmögliche Freiheiten zu lassen, sofern sie es nicht vollkommen überziehen. Aber natürlich passieren auch mir regelmäßig Fehler und es gibt Knatsch wegen vermeidlichen Missverständnissen. Überdies gibt es, wie überall sonst im Leben, die unterschiedlichsten Naturen, die sich da am Spieltisch versammeln, was das Ganze auch nicht einfacher macht. Jedem auf seiner Ebene gerecht werden zu wollen, ist fast unmöglich, aber letztlich ist es ein Spiel und wenn man die Leute daran erinnert, dass sie nicht alleine am Zocken sind, gibt sich das meist von selbst wieder.
Nur eines macht mich immer wieder ein bisschen grantig; nämlich dass mancher Spielleiter nicht solche Flexibilität an den Tag legt, Regeln dogmatisch auslegt und sein Ding durchzieht, egal, ob das den Spielern passt oder nicht, dabei ihre Charaktere in Situationen nötigt, in denen es einfach keine Win-Situation geben kann und dann auch noch erwartet, dass es Allen gefällt, weil seine Geschichte doch so toll ist… Also ich erwarte vor allem Eines: das ich zusammen mit den anderen Spielern am Tisch u.U. vollkommen abgedrehte Ideen ausleben kann, die’s im wahren Leben so nicht gibt und damit jeder Geschichte eine vielleicht nicht eingeplante Wendung geben kann. Geht das nicht, kommt bei mir der große Frust; denn dann sollte ich mich in der Zeit besser mit den vielen Entscheidungen befassen, die mir das echte Leben abverlangt. Aber ich gebe nicht so leicht auf – always game on!

Märchenonkel reloaded – Rollenspiel für Dummies #3

Ich erzähle gerne Geschichten. Ich meine jetzt damit nicht das Seemansgarn, welches manche meiner Kollegen im Beruf gerne zu Besten – manchmal leider allerdings auch zu Schlechtesten – geben; also buntest ausgeschmückte Blaulichtgeschichten, die mit jedem Jahr, das vergeht noch ein bisschen bunter, ausgeflippter, irrer und/oder heldenhafter werden. Sondern vielmehr jene Sorte, die man eher dem Großgebiet der Fantastik zuordnen würde. Nennt es Science-Fiction, Fantasy, Cyberpunk, Splatter, Crossover, Superheros & Supervillains, oder was auch immer, Hauptsache bleibt dabei, dass es nicht zu nahe an meiner persönlichen Lebensrealität dran ist und mir, sowie auch meinen Zuhörern Spaß macht. Ich hatte es schon gelegentlich erwähnt, ich bin Pen&Paper-Rollenspieler und bei diesem Hobby geht es eben genau darum, nämlich gemeinsam Geschichten zu erzählen.

Über die technische Handhabung des Spiels hatte ich schon referiert, also den Umstand, dass man Regeln braucht, damit alle auf der gleichen Basis agieren können, dass man kritische Situationen – man erinnere sich, NICHT der allmorgendliche Weg zur Arbeit, wohl aber die Verfolgungsjagd – auf verschiedene Art handhaben kann, sehr oft aber Würfel hierbei eine Rolle spielen und das der Spielleiter zwar die Eckpunkte der Geschichte erzählt, allerdings die Spieler mit ihren Aktionen die Story verändern, voran- oder aber auch quer-treiben können und somit aktiven Einfluss auf die Umwelt ihrer Charaktere, also der virtuellen Spielfiguren haben. Allerdings ist der mögliche Grad der Einflussnahme ein durchaus nicht wenig konfliktträchtiger Part der Spielgestaltung, da hier Prämissen, Wünsche und Ideologien aufeinander treffen, die gelegentlich nur schwer kompatibel zu bekommen sind.

Leute, die sich schwerpunktmäßig mit Spieltheorie und weniger mit dem Spielen an sich befassen – nach meiner Erfahrung bekommen jene, welche X Spielstile und Y Regelwerke beurteilen zu können glauben nur selten das bessere Rollenspiel hin, was auch immer das in deren Agenda sein mag – benutzen hier gerne das Wort „Erzählrecht“. Dogmatisch verstanden könnte man sagen, dass eben die Aufteilung dieses Erzählrechts zu Beginn des Spiels ausgehandelt und dann stringent eingehalten werden muss, damit sich niemand ungerecht behandelt fühlt. Und da kommen auch schon die ersten Nazgul angaloppiert und versauen einem echt den Tag! Was ist eine gerechte Aufteilung? Der Referee erzählt und nur innerhalb der jeweiligen Spielsituation dürfen die Spieler bzw. ihre Charaktere tun, was sie wollen, sofern es mit dem Verlauf der Geschichte halbwegs konform geht? Oder der Spielleiter gibt nur ein paar Handlungspunkte vor und die Spieler suchen sich dann ihren Weg und handeln ihre „Stimmrechte“ jedes Mal neu aus? Muss man solche Stimmrechte überhaupt von Anfang an vergeben, oder bleiben sie einfach beim SL und er teilt diese Situationsabhängig zu? Will überhaupt jeder ein solches Erzählrecht, oder lassen sich nicht manche einfach lieber vom Referee und/oder ihren Mitspielern „berieseln“ und stellen stets meine Lieblingsfrage: „Kann ich nicht einfach würfeln?“? Klar könnt ihr einfach würfeln, dann muss ich mir aber viel mehr aufschreiben und wieder anfangen, meine Abenteuer/Kampagnen durchzuplanen, worauf ich keinen Bock habe, weil andere Teile der Spielergruppe dann nämlich alsbald das große Murren anfangen, weil IHNEN das aber alles viel zu eng gefasst ist. So ist das mit Prämissen und Wünschen. Von Ideologien will ich noch gar nicht sofort zu reden anfangen.

Ich persönlich schätze es als Spieler, wie auch als Spielleiter, wenn für die Charaktere die Chance besteht, aktiv etwas an ihrer Spielumgebung zu ändern; unter Umständen auch Parameter des Metaplots, ansonsten verlieren nämlich insbesondere diese als episch angelegte Spielszenarien – also die vom Typus „Welche Welt müssen wir denn heute retten?“ – irgendwann ihren Witz, oder sogar gleich ihre Daseinsberechtigung. Niemand will das leckere Essen nur gezeigt bekommen, um dann zusehen zu müssen, wie ein anderer ihm/ihr was vorkaut! Das gilt übrigens nicht nur für die Möglichkeit zur echten Einflussnahme, sondern auch für solche Dinge, wie etwa vom SL ewig lange über wichtige Details des einen selbst betreffenden Teils des Metaplots im Unklaren gelassen zu werden. Eine gewisse Bedrohlichkeit ist in bestimmten Settings einfach ein Muss, man kann es aber auch übertreiben! Ebenso, wie ich es HASSE, wenn die Charaktere bezüglich ihrer verfügbaren Ressourcen die ganze Zeit an der ultrakurzen Leine gehalten werden, aber einen harten Brocken nach dem Anderen zu knacken bekommen; oder aber man ihnen mit den Klunkern vor der Nase rumwedelt, nur um sie dann von einem Anderen abkarren zu lassen. Ein oder zwei Mal ist das ganz OK, danach wird es einfach nur albern, weil sich irgendwann Motivation ins Gegenteil verkehrt, getreu dem Motto: „Kriegen wir ja eh wieder nix von…“

Doch zurück zum Erzählrecht. Wenn ein Spieler etwas in den Plot/das Setting einflechtet, das irgendwie passt, dass stimmig erzählt wird und das die Sache voran bringt, warum sollte ich dann auf mein Recht als SL pochen und es unterbinden? Wichtig ist, das sich dabei niemand benachteiligt fühlt, alle ihren Spaß haben und die Geschichte auch weiterhin funktioniert bzw. sich entwickeln kann. Sind diese Faktoren erfüllt, hat bei mir jeder das Recht zu erzählen. Allerdings würde ich mir das gleiche Recht auch als Spieler wünschen. Aus zwei Gründen: Keine Geschichte ist in Stein gemeisselt! Keine Regel ist in Stein gemeisselt! Was im gedanklichen Kontext des jeweiligen Spielszenarios eine berechtigte Chance auf Erfolg haben könnte, muss auch probiert werden können dürfen! Basta!

Mancher Spielleiter – und vermutlich auch mancher Mitspieler – hasst mich, weil ich a) immer eine Spotlighthure war und bin und b) Sachen versuche, die in keinem Regelbuch VERBOTEN sind. Das mit der Rampensau ist so ’ne Charaktersache, da kann ich einfach nicht anders. Und was das flexible Dehnen von Regeln angeht, bzw. die so nirgends beschriebene Kombination verschiedener Fertigkeiten – ja mein Gott, wenn der Spieldesigner nicht dran gedacht hat, ist er selber schuld! Ob ich damit die Spielbalance schädige, oder nur meinen Charakter, liegt im Ermessen des Spielleiters, aber ehrlich gesagt stehe ich drauf, wenn ich auch mal echt verrückte Sachen probieren darf. Darum zocke ich schon seit fast 25 Jahren: Hier darf ich verrückt sein und Verrücktes tun, ohne dass es irgendjemandem weh tut! Darum – always game on!

Rollenspiel für Dummies #2

Damn! Wenn man erst mal angefangen hat, über etwas so gewichtiges wie sein Lieblingshobby zu referieren ist sehr schwer, sich zu bezähmen und das Maul wieder zuzumachen. Ich habe dieses Maß an Selbstdisziplin nur manchmal zur Verfügung und im Moment ist es gerade aus!

Spielleiter! Ja, da war ich stehen geblieben, oder besser gesagt bei der Frage was ein System ist. Es meint in der Welt des Pen & Paper – Rollenspiels ein Regelwerk, also eine Sammlung von Mechanismen, die beschreiben, wie ein Charakter in der virtuellen Welt zu funktionieren hat. Man braucht ein solches Kompendium, damit alle involvierten Personen auf der gleichen Basis mit- und manchmal auch gegeneinander antreten können. Es schafft ein gewisses Maß an Chancengleichheit und beschreibt, wie bestimmte Fragen, welche im Kontext des Spiels zwangsläufig gelegentlich aufkommen gelöst werden können. Z. B. wie Hayden McNeal, ein begabter Informatiker und Mitglied der Londoner Underground-Szene es schaffen kann, den Polizeicomputer von New Scotland Yard zu hacken, um an eine für ihn sehr wichtige Information zu kommen.

Es wäre wohl ein bisschen viel verlangt, wenn man von jedem Spieler erwarten würde, dass er die Fertigkeiten über welche sein Charakter verfügt auch im wahren Leben beherrschen müsste. Es würde dem Spaß zudem recht schnell Grenzen setzen, denn z.B. meine Kenntnisse mit dem Schwert oder beim Safeknacken sind doch eher begrenzt…na sagen wir eher nonexistent. Daher braucht man einen zusammenhängenden, am besten in sich konsistenten Satz von Regeln, mit dessen Hilfe man virtuelle Safes knacken oder nonexistente Schwerter schwingen kann. Aber ein Regelwerk beginnt zumeist damit, zu beschreiben, wie man einen Charakter baut, d.h. wie man der Idee für eine virtuelle Person auf Basis des benutzten Regelsatzes ein anwendbares Gewand, also quasi eine Bedienoberfläche für die mechanischen Dinge verschafft. Zuallererst stehen dabei meist die so genannten Attribute, also die Grundeigenschaften einer Person wie Intelligenz, Geschicklichkeit, Aussehen, Charisma usw. gefolgt von den Talenten oder Fertigkeiten, welche definieren, was der Charakter gelernt hat, bzw. was er so für spezielle Fähigkeiten beherrscht. Dazu kommen vielleicht Vor- und Nachteile, die der Vorgeschichte und somit auch der Persönlichkeit des Charakters eine gewisse Tiefe verleihen. Vorgeschichte deshalb, weil nur höchst selten 20-Jährige Informatikstudenten mal eben so ohne Mutter, Vater und das ganze andere Gedöns auf die Welt kommen.

Repräsentiert werden die ganzen unterschiedlichen Eigenschaften des Charakters üblicherweise durch Zahlenwerte, welche eine Art Vergleichbarkeit herstellen sollen. Auf dieser Basis ist es einfacher, gegen definierte Schwierigkeiten anzutreten wie etwa die verschiedenen Firewalls von New Scotland Yard. Es haben sich dabei im Laufe der Zeit viele verschiedene Regelwerke entwickelt, weil viele verschiedene Leute, die das Spiel spielten viele verschiedene Ideen davon hatten, wie das mit den Regeln am besten ginge; in manchen erwürfelt man seine Attribute und verteilt dann Punkte auf seine Fertigkeiten, es gibt aber auch andere, in denen auch die Attribute durch zu Beginn wahlfrei verteilbare Punkte gekauft werden. Es gibt Systeme in denen man dann würfelt, wenn es darum geht, bestimmte kritische Aufgaben zu lösen, und zwar indem man besonders hohe oder besonders niedrige Würfelergebnisse erzielen muss, welche in der Regel durch die Attribute und Fertigkeiten vorgegeben bzw. modifiziert werden. Und in manchen anderen wiederum zählt man einfach nur zusammen, wobei dann anhand des Ergebnisses entweder der Spielleiter alleine oder zusammen mit der Gruppe entscheidet, ob die Aktion erfolgreich war. Das Wörtchen kritisch im vorletzten Satz ist vielleicht aufgefallen und es stand da mit Absicht im Skript, denn für den morgendlichen Weg zur Arbeit, welcher mit dem Auto abgewickelt wird muss man in aller Regel für seinen Charakter nix würfeln, denn das ist keine kritische, mithin also eventuell Spielentscheidende Angelegenheit; eine zünftige Verfolgungsjagd im Berufsverkehr quer durch Manhattan aber unter Umständen schon…!

Nun habe ich wahrscheinlich erstmal all jene, welche die Materie noch nicht kennen noch mehr verwirrt. In Kürze wollte ich folgendes sagen: es gibt einfach eine Menge unterschiedlicher Methoden, einen Charakter mit seinen Eigenschaften und Fähigkeiten mechanisch so abzubilden, dass die im Verlauf des Spiels unweigerlich aufkommenden „kritischen“ Situationen befriedigend aufgelöst werden können, egal ob es sich dabei um eine Verfolgung, einen Hack oder auch einen Kampf mit einem Schurken handelt. Und jedes spezielle, zusammengehörige Set of Rules nennt man ein System. Wobei ein System sehr oft nicht nur die rein mechanischen Aspekte abdeckt sondern gleich auch noch eine Spielumgebung liefert, für welche diese besondere Mechanik funktioniert.

Spielumgebungen gibt es nun wirklich sehr viele verschiedene. Man kennt Fantasy-Szenarien wie im Herrn der Ringe, Space-Opera-Geschichten wie Star Wars, Viktorianische Horrorstories wie in „From Hell“, Cyberpunk wie etwa in „Jonny Mnemonic“, Endzeit-Utopien à la „Matrix“, Spionage-Thriller wie die Bourne-Fime, oder…, oder…, oder…! Denkbare Settings gibt’s in etwa so viele, wie die eigene Phantasie hergibt und wenn man eine Geschichte im Kopf hat und dann auch noch ein paar Mitspieler findet, die sich auf diesen oder jenen Spielhintergrund einlassen wollen, steht einer netten Runde nichts mehr im Weg. Man muss sich nur vorher auf ein paar Dinge wie etwa das Setting, also die Spielumgebung und die verwendete Mechnik, also das Regelwerk oder System einigen. Uuuund – ganz wichtig und bitte nicht zu vergessen auf den Stil, welcher am Spieltisch herrschen soll. Man sollte vorher schon mal zumindest wissen, wie die Spieler respektive der Spielleiter auf bestimmte Dinge reagieren, sonst kann alles sehr ungemütlich werden.

Sich auf eine Spielumgebung zu einigen ist in aller Regel kein Ding, wobei etwas Abwechslung nie schadet, denn auch an der guten alten Fantasy hat man sich ab und an mal satt gespielt. Beim Regelwerk haben manche so ihre Präferenzen, andere sagen, dass sie einfach mit dem arbeiten, was der Spielleiter auf den Tisch legt, aber auch da gibt’s meist schnell Konsens. Was jedoch den Stil des Spielleitens angeht – mancher Zuhörer erinnert sich vielleicht; autoritativ-hierarchisch, kooperativ-demokratisch, laissez-faire oder irgendwo dazwischen – so habe ich schon erlebt, dass man einfach losgespielt hat und sich dann irgendwann mittendrin begann furchtbar in die Haare zu kriegen weil weder die Zielvorstellungen der Spieler untereinander noch mit der ihres Spielleiters auch nur annähernd kongruent waren. So was ist eine sehr dumme Situation, denn es bedeutet, dass wenigstens einer oder zwei entweder ganz schnell auch mal Prämissen zu Gunsten der Allgemeinheit revidieren können müssen, oder aber die Runde im Eimer ist, bevor sie richtig angefangen hat.

Nehmen wir mal an, fünf Spieler und der Spielleiter sitzen am Tisch und wollen ein fantastisches Abenteuer spielen, bei dem es um eine gefahrvolle Reise geht, auf der eine für die weitere Geschichte wichtige Person vor verschiedenen Fährnissen beschützt werden muss. Nun sitzen zwei Spieler am Tisch, die gerne jegliche soziale Interaktion voll auskosten möchten, die auch das abendliche Zusammensitzen am Lagerfeuer gerne ausspielen würden, weil sie sich a) tiefer in ihre Charaktere hinein versetzen können möchten und b) möglichst viel über ihre Gefährten in Erfahrung bringen wollen. Des weiteren ist da ein anderer Spieler, der sich vor allem für die taktischen Fragen, für`s Planen und den möglichen Einfluss auf den Metaplot – also die dem einzelnen Abenteuer übergeordnete Rahmenhandlung – interessiert. Und schließlich zwei Kameraden, die endlich ihre Action wollen, am besten den ganzen Abend lang. Jeder von denen will nun am besten gleichzeitig die Aufmerksamkeit des Spielleiters, der sich die Reise jedoch eigentlich nur als Lückenfüller ausgedacht hatte, als Möglichkeit, die Spielercharaktere zusammenzuführen und miteinander bekannt zu machen um sie dann auf das eigentliche, vollkommen anderes gelagerte Abenteuer stoßen zu lassen…Klingt kompliziert? Lasst euch folgendes versichern: das ist es auch!

Wenn jedoch alle Beteiligten bereit sind, von ihrer Position den einen oder anderen Futzel preiszugeben, ist es sehr wohl möglich, auch die unterschiedlichsten Ideen von richtigem Spiel unter einen Hut zu bringen. An dieser Stelle sei zum Thema „richtiges Spiel“ nur so viel gesagt: es wird zuviel davon geredet und zu selten erreicht. Doch dazu ein andern mal mehr. Ich will da jetzt gar nicht allzu weit in die Tiefe gehen, aber man kann durchaus sagen, dass Rollenspiel als das soziale Event, welches es ist gewisse Anforderungen an seine Teilnehmer stellt. Neben einem guten Vorstellungsvermögen und Spaß an manchmal eventuell etwas absurden Geschichten braucht es auch das Vermögen, zwischen dem Sozialgefüge der Spieler untereinander und dem der Charaktere untereinander zu trennen, wobei beide Ebenen in soweit funktionieren müssen, dass ein guter Ton am Spieltisch herrschen kann, auch wenn die Charaktere sich vielleicht über irgendwas gar nicht grün sind. Das allerwichtigste darf man bei der anscheinenden überwältigenden Komplexität nie vergessen: es ist ein Spiel, dass allen Beteiligten Spaß machen soll. Ist dies nicht bzw. nicht mehr der Fall, wurde das Klassenziel schlicht verfehlt.

Dabei ist das alles wirklich ganz, ganz einfach: ein paar Leute, die sich gut leiden können – zumindest wäre dies hilfreich – und Spaß an wilden Stories haben, verabreden sich, um miteinander eine gute Zeit zu verbringen, während der sie sich solche Geschichten erzählen können. It’s as simple as that. Natürlich hat jedes soziale Event eine gewisse Dynamik, welche sich manchmal auch in unvorhergesehener Weise entwickeln kann, aber das ist im Leben oft genug so und sollte einen nicht davon abhalten, es doch mal zu versuchen. Vielleicht ist der eine oder andere Zuhörer ja nun doch ein bisschen interessiert.

So oder so werde ich noch das eine oder andere Mal drüber plauschen und jetzt, wo die Basics mal erläutert sind kann ich ja auch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen Plaudern, ohne das gleich bei den meisten Lauschern ein TILT in den Pupillen erscheint. In diesem Sinne wünsche ich das Allerangenehmste und sage einmal mehr: always game on!

Rollenspiel für Dummies #1

Ich weiß nicht, ob ich dieses furchtbare Geständnis im Kontext meiner Podcast-Reihe schon mal gemacht habe, aber um allen Zweifeln entgegenzutreten und es hiermit offiziell zu bekräftigen: Ich bin Fantasy-Rollenspieler; Unterkategorie Pen & Paper, das heißt ich bin einer von diesen komischen Typen, die zusammen mit anderen Nerds umgeben von Colaflaschen, Chipstüten, seltsamen Bücher, Schreibzeug und Würfeln am Couchtisch sitzen und wirre Geschichten erzählen, bei denen anscheinend irgendwie alle Anwesenden auf seltsame Art teilnehmen können. Yeehaa!

Da schon Tausendundein Spacko versucht haben, zu erklären, wie so was vonstatten geht – und ganz im Vertrauen, die Allermeisten sind dabei kläglich gescheitert, weil sie es entweder zu simpel oder zu kompliziert aufgezogen haben – werde ich mich nicht mit der Unnötigkeit aufhalten, hier jetzt von improvisiertem Laientheater ohne Kostüme anzufangen, sondern euch einfach mit dem Faktum konfrontieren, das ich meistens als SL, also Spielleiter fungiere.

Bei Spiel-LEITER könnte das Missverständnis entstehen, dass ich die Spieler tatsächlich dazu anleite, wie sie ihre Charaktere zu spielen haben. Ja sicher; und Atze Schröder ist ein Frauenversteher! Ne, ne, das mit dem Leiten hat eher was mit Wegweisern zu tun, doch dazu komme ich gleich. Das Konzept einer virtuellen Persönlichkeit ist übrigens, wie ich denke jedem klar, der schon mal einen Film gesehen hat. Russel Crowe IST nicht Robin Hood, er tut nur so; er spielt eine Rolle. Wir haben zwar beim Pen & Paper am Spieltisch in der Regel keine Kostüme an, aber sich in eine andere Person hineinzuversetzen, wie es ein Schauspieler tut und dann so zu handeln wie man denkt, dass es diese Person tun würde ist beim Schau- wie beim Rollenspieler ähnlich. Stärkster Unterschied ist wahrscheinlich, dass der Spieler von niemandem vorgeschrieben bekommt, wen oder was er zu spielen hat, sondern dass er sich diese Figur selbst ausdenkt und mit der dazugehörigen, ihm genehmen Persönlichkeit ausstattet. Et voilá – ein neuer Charakter ist geboren! Insofern gestaltet jeder Spieler also von Anfang an das Drehbuch der Geschichte mit.

Der Spielleiter hingegen ist eine Mischung aus Regisseur, Drehbuchautor, Märchenonkel und Improvisations-Happening-Künstler. Ich denke mir eine Story aus, in der sich die Charaktere – also die Spielfiguren der anderen Mitspieler – zurechtfinden müssen, indem sie mit dieser Welt und den anderen Figuren darin interagieren. Diese anderen Figuren sind zum einen die Charaktere ihrer Mitspieler und die so genannten Nichtspielercharaktere oder auch NSCs; Figuren, die ich in meine Story eingebaut habe, um den Spielern Interaktionspunkte bieten zu können. Ist, als wenn man bei einem beliebigen Computerspiel zu dem Männchen mit dem Ausrufezeichen hingeht. Es sei zu diesem Zeitpunkt allerdings darauf hingewiesen, dass soziale Interaktion am Spieltisch genauso abläuft, als wenn sie in einer realen Situation stattfände; will heißen, man unterhält sich eben miteinander, auch wenn man dabei eine andere Figur spielt. Also spielen alle ihre Rollen und daher kommt der Name…

Ist ja doch ganz einfach zu erklären. Was den Reiz daran ausmacht, sich in der vorhin beschriebenen Umgebung hinzusetzen und sich einfach nur miteinander zu unterhalten lässt sich vielleicht am ehesten durch die Frage erklären, was der werte Zuhörer selbst denn am liebsten als eskapistische Tätigkeit ausübt: vielleicht Fernsehen, Musik hören, ein Buch lesen, ohne Not nur mit einem Nylonstoffbündel auf dem Rücken aus einem intakten Flugzeug springen, oder was weiß ich, was den Menschen fürderhin noch alles einfallen wird, um sich die Zeit zu vertreiben? Man könnte sagen, es ist ein willentliches Eintauchen in eine mehr oder weniger unbekannte Welt, in der man einfach mal jemand anderes sein kann als hier im wahren Leben. Mehr muss man dazu nicht sagen, denn wie schon erwähnt hat jeder seine eigene Methode, um mal dem Alltag zu entfliehen. Beim Fantasy-Rollenspiel setzen sich halt ein paar Leute um einen Tisch und erzählen zusammen und füreinander hoffentlich recht spannende Geschichten. Oha, und eben wird’s, falls sie aufgepasst haben doch plötzlich ein wenig komplizierter:

Der Spielleiter hat doch seine Geschichte zum Erzählen vorbereitet, wie kann es dann sein, dass sie von allen zusammen erzählt wird? Ganz einfach; jedes Mal wenn ein Spielercharakter mit seiner Umgebung interagiert, Informationen beschafft, dann Entscheidungen trifft und Dinge tut, kann er den Lauf der Geschichte beeinflussen. Bestimmte Einflussnahmen hat man als Spielleiter natürlich von Anfang an auf seiner Agenda, denn schließlich soll der örtliche Crimelord ja NICHT mit seinen Drogengeschäften und sonstigen üblen Machenschaften davonkommen, also versucht man, die Spieler dazu zu animieren, dass ihre Charakter alles tun, um ein übles Verbrechen zu verhindern. Doch auf welche Art sie das tun, was dabei sonst noch so an Dingen geschieht und wen bzw. was sie dabei alles für sich nutzbar zu machen wissen, das ist unmöglich vorherzusagen, wenn man seine Spieler nicht am Gängelband halten möchte. Und dieser Satz führt mich gleich noch ein bisschen weiter, denn es gibt natürlich verschiedene Stile, wie ein Spielleiter seine Gruppe durch ein Szenario führen kann.

Zu diesem Zeitpunkt sei angemerkt, dass ich über mich und meine ganz persönlichen Erfahrungen mit der zur Diskussion stehenden Materie berichte. Nix von dem Quark, welchen ich mal wieder zu verzapfen die Frechheit besitze hat eine in Stein gemeißelte Gültigkeit für irgendjemand anders außer mir… na ja, obwohl … vielleicht für meine Spieler. Aber das müsst ihr die schon selber fragen.

Im Grunde genommen lassen sich die Stile, welche Spielleiter benutzen auf die klassischen Modelle von Führungsstilen zurückführen und von denen gibt es drei: den autoritativ-hierarchischen, den demokratisch-kooperativen und den laissez-faire-Stil. Wer genau wissen will, was das bedeutet, kann’s gerne googeln, es gibt auch eine prima Wiki-Seite dazu. Ich persönlich habe es gerne, wenn meine Spieler explorieren, was ich mir für sie ausgedacht habe und weil ich es selten bei kleinen Geschichten belassen kann, benutze ich eine Mischung aus demokratisch-kooperativ und laissez-faire. Das bedeutet, dass ich eine sehr große Spielfläche entworfen habe, in der sich die Gruppe mehr oder weniger frei bewegen kann. Selbstverständlich gebe ich Zeichen, locke und manipuliere in der Hoffnung, dass sie bestimmte Wege benutzen, aber ich kann es nicht vorhersehen oder erzwingen, auf welche Plothooks sich meine Spieler als erstes stürzen. Plothooks sind Hinweise bzw. Aktionspunkte, an denen sich die Spieler Informationen, Verbündete oder materielle Ressourcen verdienen können, wenn sie’s richtig anstellen, wobei es für richtig immer mehr als einen Weg gibt. Das alles klingt bestimmt sehr theoretisch, also gebe ich ein Beispiel, wofür ich eine kleine Geschichte erzählen muss:

Ein recht großer Stadtstaat auf einer Insel war der Ort, an dem eine meiner Storylines begann. Es gab einen Barden – dies ist ein Hinweis, dass es sich dabei um ein High-Fantasy-Szenario handelt – im Übrigen ein Spielercharakter, dessen Lehrmeister unter undurchsichtigen Umständen verschwunden war. Er traf einen weiteren Spielercharakter, nämlich eine Magierin, die ihre Profession geheim halten musste, weil derlei Tun an diesem Ort nicht wohlgelitten war. Sie verbündeten sich und auf der Suche nach dem Meister deckten sie scheinbar durch Zufall nach und nach auf, dass der Stadt Gefahr durch ein Invasionsheer drohte, welches aus jenem Mutterland ausgesandt worden war, von welchem sich der Stadtstaat vor einiger Zeit als Kolonie losgesagt und für unabhängig erklärt hatte. Motive aus der Geschichte unserer Welt, die einem bei diesen Worten bekannt vorkommen waren durchaus beabsichtigt. Um der Angelegenheit noch ein wenig Würze zu verleihen gab es anscheinend einige Bürger der Stadt, denen man im Falle eines schnellen Erfolges des Feldzuges profitable Posten und noch weitere Belohnungen versprochen hatte, wenn sie durch Schmuggel, Sabotage und verschiedene weitere Vorbereitungen den Invasoren sozusagen die Hintertür aufschließen würden. Zwischenzeitlich trafen meine zwei ersten Protagonisten noch weitere Mitstreiter, nämlich eine Heilerin sowie einen jungen Mann von edlem Blut aber leerem Geldbeutel, der sich Ruhm, Ehre und seinen Ritterschlag zu erarbeiten suchte.

Zusammen hatten sie sich einige Puzzleteile erarbeitet, die auf bestimmte Personen hinwiesen, wussten bescheid über verschiedene politische Verstrickungen und hatten eine Vorstellung was passieren würde, wenn die Feinde der Stadt mit ihren Plänen Erfolg hätten. Und was nun? Jemanden finden, dem man das alles mitteilen kann? Und wie diese Person, die ja von gewissem Rang hätte sein müssen um etwas bewirken zu können davon überzeugen, dass einer der angesehensten Patrizier der Stadt ein Verräter war und das gefährliche Kräfte am Werke wären, welche alle Bemühungen, die Stadt zu verteidigen mühelos hätten zunichte machen können. Oder einfach zu fliehen versuchen? Aber wohin, so groß war die Insel nun auch wieder nicht und eine Seeblockade griff schon. Sich vielleicht womöglich auf die Seite des Feindes schlagen und versuchen, so ein veritables Stück vom Kuchen einzuheimsen?

All diese und noch mehr Möglichkeiten hätten meinen Spielern zu Gebote gestanden doch sie entschlossen sich, die Verteidiger mit mehr als einer Hasardeursaktion zu unterstützen und konnten schließlich – wenn auch unter Verlusten und für eine Menge Lehrgeld – den Feinden einen Sieg zu ihren Bedingungen abtrotzen. Und ich kann sagen, würde ich mit einer anderen Spielergruppe das gleiche Szenario noch mal spielen würde es für mich nicht langweilig werden, weil andere Leute andere Ideen haben und verschiedene Probleme auf ganz andere Weise lösen würden. Und wer weiß; vielleicht schlügen sich ja diese zur Abwechslung auf die Seite der Invasoren. Ein Spielleiter bewertet nämlich nicht, ob die Handlungen der Charaktere seiner Spieler moralisch vertretbar sind oder nicht. Wenn jemand mit seiner Spielfigur etwas beschreibt, das sein Charakter, so wie er mir anfangs geschildert wurde wahrscheinlich nie tun würde – etwa ein junger, rechtschaffener Ritter, der plötzlich anfängt, hinterrücks zu meucheln – würde ich mal nachfragen, ob er den denkt, das sein Charakter das für sinnvoll hält, aber wenn darauf insistiert wird, lasse ich das so stehen, denn ich erzähle hier nur eine Geschichte. Wichtig dabei ist mir, dass die vom Spieler vordefinierte Rolle durch die Handlungen der Figur auch so ausgefüllt wird, wie man sie mir beschrieben hatte, denn für mich als Meister sind die Persönlichkeiten der einzelnen virtuellen Wesen wichtig, weil ich aus den Beschreibungen entnehme, womit ich bestimmte Charaktere motivieren kann, meiner Geschichte auch länger zu folgen. Denn nur wenn sie das freiwillig tun, haben auch alle Spaß dabei!

Im vorliegenden Beispiel hatten wir eine Menge Spaß und zwischenzeitlich sind noch mal zwei weitere Spieler mit anderen Charakteren dazu gestoßen, die sich mittlerweile durch ein noch viel größeres und komplexeres Szenario wühlen. Man muss für so was übrigens viel Zeit mitbringen. Wir spielen im Schnitt ein bis zweimal im Monat 8 bis 10 Stunden am Stück, manchmal auch länger oder öfter und das seit Beginn des eben beschriebenen Szenarios seit mehr als drei Jahren! Ich denke, dass ich mittlerweile so um die 65 – 70 Spielsitzungen nur in diese eine Geschichte investiert habe. Und ab und an auch noch mal 15 – 20 in eine andere Story mit einem vollkommen anderen Hintergrund, einer vollkommen anderen Welt und übrigens auch einem vollkommen anderen Spielsystem. Und dabei blieb es nicht. Was ich damit sagen will ist Folgendes: es ist ein Hobby, das mich auch nach mittlerweile weit über 20 Jahren noch fasziniert wie Bolle, das mich immer wieder inspiriert und hervorragend unterhält. Und wenn mich jemand wegen dem Zeitbedarf schräg anglotzt kann ich nur fragen: UND, was machst du so in deiner Freizeit.

Und das Beste an diesem Podcast ist für mich DAS: wer sich nicht damit auskennt, fragt sich jetzt, was ich mit anderen Spielsystemen meine. Und wisst ihr was: das erkläre ich euch vielleicht beim nächsten Mal. Oder vielleicht auch erst einen anderen Aspekt. Bis dahin alles Gute und viel Spaß bei was auch immer IHR gern tut. Mein Gruß lautet: Always game on!