Damn! Wenn man erst mal angefangen hat, über etwas so gewichtiges wie sein Lieblingshobby zu referieren ist sehr schwer, sich zu bezähmen und das Maul wieder zuzumachen. Ich habe dieses Maß an Selbstdisziplin nur manchmal zur Verfügung und im Moment ist es gerade aus!
Spielleiter! Ja, da war ich stehen geblieben, oder besser gesagt bei der Frage was ein System ist. Es meint in der Welt des Pen & Paper – Rollenspiels ein Regelwerk, also eine Sammlung von Mechanismen, die beschreiben, wie ein Charakter in der virtuellen Welt zu funktionieren hat. Man braucht ein solches Kompendium, damit alle involvierten Personen auf der gleichen Basis mit- und manchmal auch gegeneinander antreten können. Es schafft ein gewisses Maß an Chancengleichheit und beschreibt, wie bestimmte Fragen, welche im Kontext des Spiels zwangsläufig gelegentlich aufkommen gelöst werden können. Z. B. wie Hayden McNeal, ein begabter Informatiker und Mitglied der Londoner Underground-Szene es schaffen kann, den Polizeicomputer von New Scotland Yard zu hacken, um an eine für ihn sehr wichtige Information zu kommen.
Es wäre wohl ein bisschen viel verlangt, wenn man von jedem Spieler erwarten würde, dass er die Fertigkeiten über welche sein Charakter verfügt auch im wahren Leben beherrschen müsste. Es würde dem Spaß zudem recht schnell Grenzen setzen, denn z.B. meine Kenntnisse mit dem Schwert oder beim Safeknacken sind doch eher begrenzt…na sagen wir eher nonexistent. Daher braucht man einen zusammenhängenden, am besten in sich konsistenten Satz von Regeln, mit dessen Hilfe man virtuelle Safes knacken oder nonexistente Schwerter schwingen kann. Aber ein Regelwerk beginnt zumeist damit, zu beschreiben, wie man einen Charakter baut, d.h. wie man der Idee für eine virtuelle Person auf Basis des benutzten Regelsatzes ein anwendbares Gewand, also quasi eine Bedienoberfläche für die mechanischen Dinge verschafft. Zuallererst stehen dabei meist die so genannten Attribute, also die Grundeigenschaften einer Person wie Intelligenz, Geschicklichkeit, Aussehen, Charisma usw. gefolgt von den Talenten oder Fertigkeiten, welche definieren, was der Charakter gelernt hat, bzw. was er so für spezielle Fähigkeiten beherrscht. Dazu kommen vielleicht Vor- und Nachteile, die der Vorgeschichte und somit auch der Persönlichkeit des Charakters eine gewisse Tiefe verleihen. Vorgeschichte deshalb, weil nur höchst selten 20-Jährige Informatikstudenten mal eben so ohne Mutter, Vater und das ganze andere Gedöns auf die Welt kommen.
Repräsentiert werden die ganzen unterschiedlichen Eigenschaften des Charakters üblicherweise durch Zahlenwerte, welche eine Art Vergleichbarkeit herstellen sollen. Auf dieser Basis ist es einfacher, gegen definierte Schwierigkeiten anzutreten wie etwa die verschiedenen Firewalls von New Scotland Yard. Es haben sich dabei im Laufe der Zeit viele verschiedene Regelwerke entwickelt, weil viele verschiedene Leute, die das Spiel spielten viele verschiedene Ideen davon hatten, wie das mit den Regeln am besten ginge; in manchen erwürfelt man seine Attribute und verteilt dann Punkte auf seine Fertigkeiten, es gibt aber auch andere, in denen auch die Attribute durch zu Beginn wahlfrei verteilbare Punkte gekauft werden. Es gibt Systeme in denen man dann würfelt, wenn es darum geht, bestimmte kritische Aufgaben zu lösen, und zwar indem man besonders hohe oder besonders niedrige Würfelergebnisse erzielen muss, welche in der Regel durch die Attribute und Fertigkeiten vorgegeben bzw. modifiziert werden. Und in manchen anderen wiederum zählt man einfach nur zusammen, wobei dann anhand des Ergebnisses entweder der Spielleiter alleine oder zusammen mit der Gruppe entscheidet, ob die Aktion erfolgreich war. Das Wörtchen kritisch im vorletzten Satz ist vielleicht aufgefallen und es stand da mit Absicht im Skript, denn für den morgendlichen Weg zur Arbeit, welcher mit dem Auto abgewickelt wird muss man in aller Regel für seinen Charakter nix würfeln, denn das ist keine kritische, mithin also eventuell Spielentscheidende Angelegenheit; eine zünftige Verfolgungsjagd im Berufsverkehr quer durch Manhattan aber unter Umständen schon…!
Nun habe ich wahrscheinlich erstmal all jene, welche die Materie noch nicht kennen noch mehr verwirrt. In Kürze wollte ich folgendes sagen: es gibt einfach eine Menge unterschiedlicher Methoden, einen Charakter mit seinen Eigenschaften und Fähigkeiten mechanisch so abzubilden, dass die im Verlauf des Spiels unweigerlich aufkommenden „kritischen“ Situationen befriedigend aufgelöst werden können, egal ob es sich dabei um eine Verfolgung, einen Hack oder auch einen Kampf mit einem Schurken handelt. Und jedes spezielle, zusammengehörige Set of Rules nennt man ein System. Wobei ein System sehr oft nicht nur die rein mechanischen Aspekte abdeckt sondern gleich auch noch eine Spielumgebung liefert, für welche diese besondere Mechanik funktioniert.
Spielumgebungen gibt es nun wirklich sehr viele verschiedene. Man kennt Fantasy-Szenarien wie im Herrn der Ringe, Space-Opera-Geschichten wie Star Wars, Viktorianische Horrorstories wie in „From Hell“, Cyberpunk wie etwa in „Jonny Mnemonic“, Endzeit-Utopien à la „Matrix“, Spionage-Thriller wie die Bourne-Fime, oder…, oder…, oder…! Denkbare Settings gibt’s in etwa so viele, wie die eigene Phantasie hergibt und wenn man eine Geschichte im Kopf hat und dann auch noch ein paar Mitspieler findet, die sich auf diesen oder jenen Spielhintergrund einlassen wollen, steht einer netten Runde nichts mehr im Weg. Man muss sich nur vorher auf ein paar Dinge wie etwa das Setting, also die Spielumgebung und die verwendete Mechnik, also das Regelwerk oder System einigen. Uuuund – ganz wichtig und bitte nicht zu vergessen auf den Stil, welcher am Spieltisch herrschen soll. Man sollte vorher schon mal zumindest wissen, wie die Spieler respektive der Spielleiter auf bestimmte Dinge reagieren, sonst kann alles sehr ungemütlich werden.
Sich auf eine Spielumgebung zu einigen ist in aller Regel kein Ding, wobei etwas Abwechslung nie schadet, denn auch an der guten alten Fantasy hat man sich ab und an mal satt gespielt. Beim Regelwerk haben manche so ihre Präferenzen, andere sagen, dass sie einfach mit dem arbeiten, was der Spielleiter auf den Tisch legt, aber auch da gibt’s meist schnell Konsens. Was jedoch den Stil des Spielleitens angeht – mancher Zuhörer erinnert sich vielleicht; autoritativ-hierarchisch, kooperativ-demokratisch, laissez-faire oder irgendwo dazwischen – so habe ich schon erlebt, dass man einfach losgespielt hat und sich dann irgendwann mittendrin begann furchtbar in die Haare zu kriegen weil weder die Zielvorstellungen der Spieler untereinander noch mit der ihres Spielleiters auch nur annähernd kongruent waren. So was ist eine sehr dumme Situation, denn es bedeutet, dass wenigstens einer oder zwei entweder ganz schnell auch mal Prämissen zu Gunsten der Allgemeinheit revidieren können müssen, oder aber die Runde im Eimer ist, bevor sie richtig angefangen hat.
Nehmen wir mal an, fünf Spieler und der Spielleiter sitzen am Tisch und wollen ein fantastisches Abenteuer spielen, bei dem es um eine gefahrvolle Reise geht, auf der eine für die weitere Geschichte wichtige Person vor verschiedenen Fährnissen beschützt werden muss. Nun sitzen zwei Spieler am Tisch, die gerne jegliche soziale Interaktion voll auskosten möchten, die auch das abendliche Zusammensitzen am Lagerfeuer gerne ausspielen würden, weil sie sich a) tiefer in ihre Charaktere hinein versetzen können möchten und b) möglichst viel über ihre Gefährten in Erfahrung bringen wollen. Des weiteren ist da ein anderer Spieler, der sich vor allem für die taktischen Fragen, für`s Planen und den möglichen Einfluss auf den Metaplot – also die dem einzelnen Abenteuer übergeordnete Rahmenhandlung – interessiert. Und schließlich zwei Kameraden, die endlich ihre Action wollen, am besten den ganzen Abend lang. Jeder von denen will nun am besten gleichzeitig die Aufmerksamkeit des Spielleiters, der sich die Reise jedoch eigentlich nur als Lückenfüller ausgedacht hatte, als Möglichkeit, die Spielercharaktere zusammenzuführen und miteinander bekannt zu machen um sie dann auf das eigentliche, vollkommen anderes gelagerte Abenteuer stoßen zu lassen…Klingt kompliziert? Lasst euch folgendes versichern: das ist es auch!
Wenn jedoch alle Beteiligten bereit sind, von ihrer Position den einen oder anderen Futzel preiszugeben, ist es sehr wohl möglich, auch die unterschiedlichsten Ideen von richtigem Spiel unter einen Hut zu bringen. An dieser Stelle sei zum Thema „richtiges Spiel“ nur so viel gesagt: es wird zuviel davon geredet und zu selten erreicht. Doch dazu ein andern mal mehr. Ich will da jetzt gar nicht allzu weit in die Tiefe gehen, aber man kann durchaus sagen, dass Rollenspiel als das soziale Event, welches es ist gewisse Anforderungen an seine Teilnehmer stellt. Neben einem guten Vorstellungsvermögen und Spaß an manchmal eventuell etwas absurden Geschichten braucht es auch das Vermögen, zwischen dem Sozialgefüge der Spieler untereinander und dem der Charaktere untereinander zu trennen, wobei beide Ebenen in soweit funktionieren müssen, dass ein guter Ton am Spieltisch herrschen kann, auch wenn die Charaktere sich vielleicht über irgendwas gar nicht grün sind. Das allerwichtigste darf man bei der anscheinenden überwältigenden Komplexität nie vergessen: es ist ein Spiel, dass allen Beteiligten Spaß machen soll. Ist dies nicht bzw. nicht mehr der Fall, wurde das Klassenziel schlicht verfehlt.
Dabei ist das alles wirklich ganz, ganz einfach: ein paar Leute, die sich gut leiden können – zumindest wäre dies hilfreich – und Spaß an wilden Stories haben, verabreden sich, um miteinander eine gute Zeit zu verbringen, während der sie sich solche Geschichten erzählen können. It’s as simple as that. Natürlich hat jedes soziale Event eine gewisse Dynamik, welche sich manchmal auch in unvorhergesehener Weise entwickeln kann, aber das ist im Leben oft genug so und sollte einen nicht davon abhalten, es doch mal zu versuchen. Vielleicht ist der eine oder andere Zuhörer ja nun doch ein bisschen interessiert.
So oder so werde ich noch das eine oder andere Mal drüber plauschen und jetzt, wo die Basics mal erläutert sind kann ich ja auch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen Plaudern, ohne das gleich bei den meisten Lauschern ein TILT in den Pupillen erscheint. In diesem Sinne wünsche ich das Allerangenehmste und sage einmal mehr: always game on!