Der verwirrte Spielleiter N°63 – Was tust du (jetzt)?

[Notiz des Herausgebers: an dieser Stelle könnte natürlich auch ein Rant darüber stehen, was für eine unfassbar narzisstische, faschistoide und grunddumme Gurkentruppe gerade das Régime Nouveaux der USA bildet, aber ganz ehrlich: ich schreibe hier lieber über Dinge, die mir momentan mehr Spaß machen! Viel mehr Spaß! Also gibt’s einen weiteren Rollenspiel-Post. Lebt damit oder lest was anderes…]

Pen’n’Paper wird als Dialog gespielt. Jeder Spieler teilt dazu der Spielleitung in einer gegebenen Situation mit, was sein/ihr Charakter eben jetzt zu tun gedenkt, die Spielleitung entscheidet darüber, ob dies überhaupt möglich ist und teilt umgekehrt dem Spieler mit, wie hoch die Schwierigkeit dafür ausfällt. Dann wird gewürfelt, um zu sehen, ob das klappt. Überdies können Spieler für ihre Chars auch abseits einer gerade laufenden Szene übergeordnete Ziele, Motivationen und Ideen entwickeln, die sie verfolgen wollen. Diese sind allerdings nur realisierbar, wenn der Spielleiter davon auch weiß. Im Gegensatz zu Viedeospielen ist es aber grundsätzlich den Spielern im Pen’n’Paper möglich, die Gesamtgeschichte durch ihre Handlungen so zu beeinflussen, dass auch für den Spielleiter unabsehrbar wird, wohin der Zug fährt – selbst in eher linear aufgebauten Kampagnen. Denn das Erzählrecht – also Art und Umfang der Lizenz, in die Geschichte einzugreifen – ist auf beiden Seiten in etwa gleich umfangreich. Das ist die Kurzform, aber ich denke, man sollte sich die Langversion noch mal anschauen, um zu verstehen, woraus sich bestimmte Diskussionen in und um Pen’n’Paper überhaupt ergeben.

Beginnen wir damit, dass es überhaupt ein Erzählrecht gibt. Man darf es als Allgemeinplatz verstehen, dass FTTRPGS (fantasy tabletop roleplaying games) aus dem klassischen Miniature Wargaming entstanden sind, weil irgendwann jemand auf die – zuerst als etwas absurd betrachtete – Idee kam, anstatt der Abenteuer einer ganzen Truppe die Abenteuer einer einzelnen Spielfigur spielen zu wollen. Am Anfang war das eine sehr Simulations-lastige Angelegenheit, bei der es vor allem um Regeln für movement, attack capability, stamina, etc. ging… oder? Weit gefehlt. Selbst den Referees des preußischens Kriegsspiels im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wurde bereits eine weitreichende Entscheidungsfreiheit abseits objektiv beschriebener Regeln eingeräumt. Manche gaben sogar offen zu, Regeln und Würfelwürfe zu missachten, um auf Basis eigener Erfahrungen zu einer realistischeren Darstellung oder besserem Drama kommen zu können (fudging dice rolls anybody…?). In den frühen Tagen des Rollenspielhobbies wurde noch hart darum gestritten, wer überhaupt was tun darf – darauf kommen wir gleich zurück – doch heute gehen wir davon aus, dass Spieler und Spielleitung die Geschichte GEMEINSAM erzählen. Und dazu braucht es neben dem Dialog noch einige andere Dinge. Daher sehen wir uns die oben beschriebene Sequenz nun etwas genauer an:

  • Beschreibung der Ausgangslage: wir nehmen an, dass Spieler und Spielleitung sich auf ein Setting, ein Regelwerk, etc. geeinigt haben, damit alle von einem common ground starten können. Bzw., dass neue Spieler zumindest eine Vorstellung davon haben, worum es nun gehen wird. Die Vorarbeit des Spielleiters besteht darin, nun Konflikt- oder Dramenhaltige Situationen zu entwerfen, in welchen die Spieler ihre Charaktere dieses oder jenes tun oder bleiben lassen, um die Geschichte vom Startpunkt aus voranzutreiben oder gar aufzulösen. Das Abenteuer beginnt und nach der Beschreibung der ersten Szene folgt die berühmte Frage: “Was tut ihr / Was tust du?” (na ja… eigentlich kommt diese Frage im Spiel ZIEMLICH häufig vor…)
  • Statement of Intent: Die Spieler haben nun die Chance, mehr oder weniger präzise zu beschreiben, was ihr Charakter in dieser Szene tun wird. Was das genau sein könnte, hängt davon ab, ob wir uns in einem sozialen Encounter, einer Exploration oder in einem Kampf befinden. Definiert durch das Setting gibt es jedoch stets eine ganze Auswahl an Dingen, die ein Charakter tun KÖNNTE. [Hier spielt die Ausgestaltung des Erzählrechtes nun eine Rolle – nämlich im Sinne der Frage, wie viel Zeit man den Spielern für die Formulierung ihres statement of intent lässt? In älteren Diskussionen liest man öfter, dass es eben davon abhängt, welche Art von Encounter es ist; und dass die Spieler etwa im Kampf genau die 6 Sekunden für diese Formulierung bekamen, die eine Kampfrunde in Playtime dauerte. Wer zu langsam war, hatte seine Runde verschwendet und tat nichts!] Ich selbst neige bei Kampfsequenzen auch eher dazu, diese Entscheidungszeiten begrenzen zu wollen, weil das Kampfgeschehen sonst seine Dynamik und damit auch sein Drama verliert. Gerade hier offenbaren sich oft Probleme, da es durchaus Spieler gibt, die für ihr statement of intent sehr lange brauchen, weil sie etwa die Fähigkeiten ihres Charakters nicht gut vom Papier in die Situation übertragen können, insgesamt wenig fantasiebegabt sind, oder die Entscheidungen zu Teilen auf ihre Mitspieler oder gar den Spielleiter auslagern wollen. Und damit den folgenden Punkt verkomplizieren (oder vereinfachen, je nachdem, auf welchem Standpunkt man als Spielleitung steht…)
  • Interpretation und Beurteilung: Je nachdem, wie präzise oder auch nicht ein statement of intent formuliert ist, muss ich als Spielleiter nun eine Entscheidung darüber treffen, OB die angesagte Aktion gemäß der üblichen Regeln in der Welt, in welcher wir derzeit spielen überhaupt möglich ist, ob sie DIESEM Charakter möglich ist – und falls in beiden Fällen die Antwort JA ist, wie SCHWIERIG die Durchführung für diesen Charakter sein wird. [Es gab eine lange Tradition, das statement of intent wohlwollend oder harsch auszulegen. Ein gutes Beispiel für die häufig harsche Variante ist der Umgang von Spielleitungen mit dem DnD-Magierspruch “Wunsch”; eine gute Analogie hierzu ist die, in der Literatur häufig beschriebene, wortwörtliche Interpretation mit Bezug auf die drei Wünsche, welche einem z.B. der Dschinn gewähren muss – in aller Regel war das Ergebnis solcher magischer Wünsche alles andere als schön für den Wünschenden. Solches Verhalten bezog sich aber nicht nur auf den “Wunsch” sondern auf alle möglichen Situationen, in denen das statement of intent zu ungunsten der Spieler interpretiert wurde; was zur Legende des klassischen, antagonistischen Spielleiters führte, der stets als Gegner seiner Spieler agierte!] Eine Anmerkung: dies ist der Moment, in dem oft die rules laywers aus ihren Löchern gekrochen kommen, wie die Kakerlaken, wenn’s dunkel wird. In dem Moment mach ich einfach das Licht wieder an. Mit mir diskutiert NIEMAND mehr über Regeln. Wer’s versucht, war das letzte Mal dabei. Genau, weil ich keinen Bock auf so was habe, spielen wir seit Jahrzehnten in meinem System – und gut is. Ist diese Phase des “rulings” nun abgeschlossen, kommen wir zum nächsten Schritt.
  • Das Würfeln: Es gibt verschiedenste Mechaniken, mit Würfeln Wahrscheinlichkeiten zu modellieren. Aus der Perspektive des Gamdesigners geht es dabei um action econmy, Glockenkurven und wie man Schwierigkeitsgrade in Min.- oder Max.-Würfe übersetzt. wie auch immer das jeweilige Regelwerk dies bewerkstelligt, ist am Ende wumpe, sofern es nicht zu kompliziert wird – denn heutzutage würfeln die Spieler selbst für ihre Chars […doch das war nicht immer so. In der frühen TTRPG-Szene wurde heftig darüber diskutiert, ob die Kenntnis der Mechaniken hinter dem Spiel nicht die immersion für die Spieler stören würde; und man deswegen als SL ALLE Würfe des Spiels durchführen und danach lediglich die Ergebnisse der beschriebenen Handlungen erzählen sollte. Long story short: Die andere Seite hat sich durchgesetzt – weil das selber Würfeln den Spielern Spaß macht. Punkt] Der einzige Punkt, der MICH daran immer wieder aufregt ist – wenn Spieler auch nach der vierunddrölfzigsten Sitzung immer noch fragen, was sie jetzt würfeln sollen. Das ist für mich genauso ein Killer der Dynamik und des Dramas, wie die oben erwähnte Entscheidungs-Paralyse…
  • Das Ergebnis erzählen: Ob der Spielleiter oder die Spieler nun erzählen, was in der Folge passiert, wenn klar ist, ob es geklappt hat oder nicht, hängt ein bisschen vom Tisch und den Personen in der Runde ab. Rule of thumb: wenn’s gut gelaufen ist, lasst die Spieler ein bisschen ihre Fantasie ausleben. Wenn’s schief gelaufen ist, sorgt dafür, dass das Drama weitergeht. Lasst sie vorwärts scheitern und dann schauen, ob sie es irgendwie anders hinkriegen. Was ihr nicht unbedingt tun solltet, ist Folgendes: einen hard-won victory kaputterzählen, indem ihr diesen Sieg durch einen Spin in eine drohende Niederlage verwandelt. Wenn die Chars gewonnen haben, haben sie gewonnen – und fertig! Was allerdings NICHT bedeutet, dass sich in einer dynamischen Situation unterwegs nicht trotzdem noch zusätzliche Herausforderungen ergeben können.

Auf diese Art und Weise wird jede einzelne Spielsequenz “aufgelöst”. Denn am Ende steht ja immer die Frage, ob die Spielercharaktere die Herausforderungen meistern können, oder nicht? Und, was aus dem einen – oder dem anderen – eventuell erwächst? Denn aus der Verkettung vieler einzelner Spielsequenzen werden am Ende Abenteuer – und aus Abenteuern Kampagnen. Und nur sehr selten nehmen diese den Weg, den ich vielleicht bei der Vorbereitung mal im Kopf hatte. Warum auch? Sind ja viele verschiedene Köpfe dran beteiligt. Man könnte auch sagen: TTRPGS sind komplexe, chaotische Systeme; und das muss man halt wollen! Sollte ich oben, beim Thema rulings etwas hart geklungen haben, sei an dieser Stelle übrigens noch erwähnt, dass ich durchaus bereit bin, auf Basis gesunden Menschenverstandes über ein ruling zu reden – aber niemals mit jemandem, der glaubt, dass die WILLKÜRLICH von einem Dritten aufgestellten Regeln eines Spielsystems, die nur einen mangelhaften Interpreter für die vielen Fragestellungen innerhalb des Spiels darstellen, mich als SL überstimmen können. Da hast du dir den Falschen ausgesucht, Nachbar! Ich mache übrigens irgendwann demnächst noch den Follow-Up-Post “Was tust du (dann/damit/deswegen/etc.)”, der sich mit den oben schon aufgeworfenen Fragen rings um eigene Charakter-Motivation dreht. Einstweilen hab ich genug gesprochen, daher – always game on!

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°62 – Encounter Design

Wenn ich mich hinsetze und antagonistische Begegnungen für die nächste Sitzung mit meinen Spielern entwerfe, dann blättere ich üblicherweise nicht durch ein “Monster Manual” oder irgendeine andere Sammlung von vordefinierten Kreaturen. Oh, ich kenne und besitze solche Bücher durchaus, sogar zu verschiedenen Regelwerken – ich benutze sie nur allerbestenfalls als Inspiration für meine eignen kranken Ideen. Könnte natürlich daran liegen, dass ich schon seit Jahrzehnten beinahe ausschließlich auf Basis meines eigenen Homebrew-Systems leite. Das ist allerdings nicht der Hauptgrund, denn die Leitfrage, die ich mir immer stelle, ist nicht, wie die Chars meiner Spieler mit dem fertig werden, was ich ihnen vor den Latz knalle – sondern, ob es MIR Spaß machen wird, diese Kreaturen zu spielen! Pen’n’Paper ist vieles: zuvorderst eine Möglichkeit, narrativ in andere Welten einzusteigen, jemand anders sein zu können als man selbst ist, Dinge tun zu können, die man selbst nie tun könnte (oder wollte… jetzt mal ernsthaft – wer hätte schon WIRKLICH Lust, sich mit Vampiren, Aliens oder einer Drogendealergang zu kloppen, hm…?) – sich also in Eskapismus zu üben. Pen’n’Paper ist aber auch Problemlösen – und zu den am häufigsten verwendeten Problemen gehören im Storytelling seit der Antike nun mal Antagonisten. Was wäre etwa ein Krimi ohne einen guten Bösewicht (Oh – eine contradictio in adjecto… wie nett). Nun ist mein Regelwerk NICHT auf das taktische Zerkloppen von Monstern ausgelegt. JA – es gibt ein Kampfsystem, JA – es wird auch bei uns gekämpft, NEIN – es gibt keine ausufernden Taktik-Regeln, sondern vor allem “theatre of the mind”. Wenngleich auch an meinem Tisch manchmal eine Art Battlemap und Minis benutzt werden. Minis sind einfach dope as hell!

Mir geht es vor allem um die Motivation und Ziele der Antagonisten. Das sind bei mir keine 2-dimensionalen Wegwerfartikel, wenngleich es natürlich Minions gibt, bei denen man keinen zweiten Gedanken darauf verschwenden muss, ob es okay ist, die zu killen. Manche Kreaturen sind einfach durch ihre Natur böse oder durch ihre Fremdartigkeit so sehr ihren Instinkten unterworfen, dass man mit ihnen nicht rational verhandeln kann. Dieses Etikett tragen sie dann allerdings zumeist auch sehr offen vor sich her. Die Haupt-Antagonisten hingegen sind üblicherweise voll entwickelte, dreidimensionale Charaktere – und ich folge dabei recht häufig meiner individuellen Überzeugung, dass der Mensch das schlimmste Monster ist, welches sich die Natur ausdenken konnte (man darf im Fantasy-Bereich für “Mensch” aber auch gerne mal eine andere humanoide Spezies einsetzen). Wenn es um diese Wesen und ihre Geschichten geht, so lasse ich meiner Fantasie gerne freien Lauf. Bei mir geht das so: In diesem dämmrigen Zustand zwischen Bewusstsein und Traum, wenn man gerade im Begriff ist, vom einem in den anderen Zustand hinüber zu gleiten, lassen Richtung und Thema der eigenen Träume sich manchmal beeinflussen. Es sind diese Momente, in denen mir wirklich gute Ideen kommen. Zumeist habe ich mir allerdings vorher visuelle Inspirationen geholt, indem ich z. B. durch Pinterest (c) oder irgendeinen anderen visuellen Aggregator gesurft bin. Oft ist es so, dass unterdessen ein spezielles Bild mich anspringt und in meinem Kopf in der Folge nach und nach eine Geschichte zu der gezeigten Person oder Kreatur entsteht. Und beim Übergang ins Traumland setzt sich dann alles zusammen. Manchmal habe ich aber auch sofort eine Idee, die ich zu Papier bringe. Auf diese Weise füllen sich meine Notizbücher.

Es ist weder notwendig, meine Methode zu kopieren, noch nach irgendwelchen CR-Werten in Monstermanualen zu schauen. Das in manchen Regelwerken abgedruckte “Creature Ranking” kannst du nämlich in der Pfeife rauchen, wenn die Würfel deiner Spieler während der Sitzung heiß wie Lava oder kalt wie flüssiger Stickstoff sind. Die Action-Economy ist regelseitig auf durchschnittliche Würfelergebnisse zugeschnitten, weil wir alle an Gauß’sche Normalverteilungen glauben. Nur… unsere Würfel interessieren sich manchmal einen Scheiß für Gauß! Drei bis vier naturelle 20er zerstören ein Encounter, drei bis vier naturelle 1er deine Gruppe – zumindest mit etwas Pech. Und wer findet einen Total Party Kill schon lustig, außer denen, die NICHT dabei waren…? Manchmal muss man nachlegen, manchmal muss man die Bremse anziehen – was absolut NICHTS daran ändert, dass DEINE Encounter nur spaßig sind, wenn DEINE Kreaturen und Antagonisten DIR als Spielleitung Spaß machen. Wenn deine Spieler dann auch noch kreative Wege finden, die Mistviecher und ihre Meister zu bezwingen, steht einem wirklich guten Spieleabend nichts mehr im Wege… Klang das jetzt ein bisschen so, als wenn bei uns auch nur Monster-Slaying läuft? Tja, sagen wir mal so – Antagonisten treten einem nicht nur auf dem Schlachtfeld gegegnüber. Auch so genannte Social Encounters können es in sich haben: vermeintliche Feinde werden zu Verbündeten oder gar Freunden; und umgekehrt. Die Methode zur Erschaffung aller NSCs bleibt immer die gleiche – es geht um die, eventuell krasse Geschichte hinter der Figur und den coolen Scheiß, den diese deswegen u. U. drauf hat. Make them as memorable as possible!

Und vergesst dabei bitte nicht, dass das Terrain wie ein Mitspieler ist. Nutzt Räume, oder auch das Gelände nach allen taktischen Regeln der Kunst – aber gebt euren Spielern die Chance, dies auch zu tun. Und bedenkt, dass die meisten Spielrunden sich ohne einen SEHR deutlichen Hinweis NIEMALS taktisch zurückziehen werden, weil sie stets glauben, IHR würdet die Encounter von vorn herein so balancen, dass ihre Chars diese überstehen bzw. gewinnen können. Sagt ihnen in aller Deutlichkeit, dass diese Annahme Bullshit ist! Denn selbst, wenn man das als SL versuchen würde… vier naturelle 1er und verkackte Death-Saves und der Abend läuft vollkommen anders als geplant. Sagt ihnen, dass IHR Spaß haben wollt, und daher eure Antagonisten im Zweifel als Asskicker designed habt, und dass diese NSCs überdies keine Ahnung haben, dass sie Figuren in einem Spiel sind. Die agieren, um zu gewinnen, genau wie die Chars! Sobald die Spieler DAS verstanden haben, fangen sie vielleicht irgendwann an, über ihre Handlungen VORHER nachzudenken. Und sich über mögliche Konsequenzen ihres Handelns Gedanken zu machen. Derweilen designe ich mal die nächsten Encounter – immer wissend, dass Encounterdesign nicht nach dem Initiative-Wurf endet, wie Matt Colville immer so schön sagt. In diesem Sinne – always game on!

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Der verwirrte Spielleiter N°61 – …und der Spielleiter?

Es ist so eine allgemeine Weisheit, die seit ein paar Jahren durch die Youtube-RPG-Sphere geistert, dass “der Spielleiter Spaß hat, wenn die Spieler Spaß haben.” Und tatsächlich kann ich das weitenteils bestätigen. Sitzungen, bei denen es allen Beteiligten so ein bisschen wie Müssen und weniger wie Wollen vorkommt, sind mir ein Graus, denn ich WEISS hinterher immer genau, dass es nicht so der Bringer war. Vielleicht nicht unbedingt “warum” – aber in jedem Fall “dass”. Ich muss, um das genauer erklären zu können, noch einmal zum Thema Prep zurückkehren. Wenn ich mich an meinen Schreibtisch setze und beginne, mir darüber Gedanken zu machen, was ich meinen Spielern das nächste Mal zum Fraß vorwerfen – ähm, ich meine zur Interaktion vorsetzen will, dann spiele ich bereits das Spiel. Natürlich sind die Spieler-Charaktere die Protagonisten der Handlung – und die Spieler gleichsam Mitautoren der Geschichte, weil sie mittels der Handlungen ihrer Avatare (der Chars) die jeweils aktuelle Geschichte, aber eben auch verschiedene, u. U, mehrere Story-Arcs überspannende Aspekte der umgebenden Spielwelt beeinflussen. Sitze ich nun an meinem Schreibtisch, so plane ich nicht voraus, was die Spieler mittels ihrer Chars tun werden; diese Entscheidungen müssen/dürfen sie schon selbst treffen. Aber ich mache mir selbstverständlich Gedanken, wie die Antagonisten – und auch der ganze Rest der Spielwelt – auf das Ergreifen verschiedener Handlungs-Optionen reagieren würden. Denn auch in der Secondary World haben Handlungen Konsequenzen. Andernfalls bräuchten die Chars ja gar nichts tun, weil die Dinge sich in jedem Fall in diese oder jene Richtung entwickeln würden. Das nennt man übrigens Railroading. Und da meine Spieler kein Problem mit (halbwegs) linearem Storytelling haben, sehr wohl aber mit Railroading, lasse ich das üblicherweise bleiben. Was ich jedoch tue, ist Folgendes: manchmal lasse ich es auf eine Begegnung ankommen, schlicht, weil diese durch die Anlage der Erzählung nicht vermeidbar ist. Ob das ein bisschen gemein ist? Vielleicht. Aber ist ein starker (evtl. sogar wiederkehrender) Antagonist, den zu hassen man einfach lieben muss, nicht das Salz in der Suppe einer spannenden Geschichte? Denkt nur mal an “Vecna” aus “Stranger Things”… what a wonderful villain…!

Wenn ich nun aber sage, dass ich bereits bei der Campaign-, oder Session-Prep selbst das Spiel spiele, so bedeutet dies, dass ich mich in die verschiedenen Figuren der Handlung hineinversetze und zu ergründen versuche, was sie in diesem oder jenem Fall tun würden. Und das ist nichts anderes als das, was ich als Spieler am Spieltisch auch tue. Ich versuche, so zu denken, wie mein Char es täte und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen, vor denen ich selbst vermutlich nie stünde. Mir sind jedenfalls letzthin keine Golems, Lindwürmer, lebende wie untote Piraten oder sonstiges seltsames Gesindel begegnet, die mir allesamt am Kittel flicken wollten. Meinem derzeitigen Hauptcharakter allerdings schon. Und diese Person ist von meinem wahren white-middle-aged-cis-gender-male-self SEHR weit entfernt. Jedesmal, wenn ich mir – nur im übertragenen Sinne – die Haut einer anderen Person überstreife, spiele ich das Spiel. Und selbstverständlich möchte ich dann Spaß haben. Beim Vorbereiten von Spielrunden habe ich den, wenn ich das Gefühl bekomme, eine Herausforderung geschaffen zu haben, die spannend, zum Nachdenken anregend, dramatisch, alle Mitglieder der Gruppe wirklich fordernd und schließlich im Abschluss auch belohnend ist. Ob das tatsächlich der Fall war, weiß ich allerdings auch immer erst hinterher. Denn zum einen sehen meine Spieler in meinen Szenarien IMMER WIEDER irgendwelche Dinge, an die ich im Traum nicht gedacht hätte. Was aber bedeutet, dass mein Encounterdesign sich auch nach dem Call for Initiative stets weiterentwickeln muss, um die eben genannten Adjektive wenigstens halbwegs erfüllen zu können. Und manchmal muss ich sehr hart improvisieren, weil sie – wie bereits erwähnt – auf Ideen kommen, die mich dazu zwingen, neue Seiten im jeweiligen Kapitel zu schreiben, weil ich DIESEN course of action einfach nicht vorhergesehen hatte. Was bedeutet, dass ich auch als Spielleiter das Spiel spiele – denn unvorhergesehene Herausforderungen gibt es halt auf beiden Seiten des Spielleiterschirms.

Kommen wir zum Graus, den ich am Anfang erwähnt hatte. Dieser entsteht unter Umständen aus mehreren Gründen. Zunächst einmal kommt es (sehr selten) vor, dass die Spieler an allen Plothooks vorbeirennen und selbst der grellbunte, laut hupende Plotbus nach Cottbus einfach ignoriert wird. Was machste dann? Tja, kurz recht blöd aus der Wäsche kucken und dann irgendeinen Kram aus dem Ärmel schütteln. Meine Truppe ist schon mal Hals über Kopf aus einer Stadt voller interessanter NSCs und Side-Quests geflohen, weil einer von ihnen das Wort “Vampir” auf eine Art gesagt hat, die alle ganz kirre gemacht hat. Okay, vielleicht war ich auch selbst schuld daran, weil ich halt bei jeder Gelegenheit betone, dass meine Vampire weder glitzern, noch blödsinnige Spielchen spielen oder lange fackeln und – ganz im Sinne Draculs – echte MONSTER abseits jeder romantischen Verbrämung sind. Ich habe eh nie verstanden, was dass mit dieser Soft-Erotik rings um Vampire soll. Die saugen Menschen aus und machen sie zu ihren Sklaven. Was ist denn daran bitteschön romantisch oder erotisch? So’n Quatsch. Zurück zum Thema. Ein anderer Grund für Graus ist, dass die Charaktere vollkommen antiklimaktisch durch alle Encounter walzen und null Spannung aufkommt. Auch das (bewusste oder unbewusste) Zerlegen von mir durchaus gewollter Suspense durch unpassende Witze oder Sprüche kann mir den Spaß zerlegen; was allerdings NICHT bedeutet, dass Humor keinen Platz am Spieltisch hätte. Nur bitte nicht dauernd und bei allem, denn DAS ist es, was Marvel am Ende kaputt gemacht hat: jedwedes Drama irgendwie semi-ironisch brechen zu müssen. Wenn die Spieler diskutieren und planen ist das okay. Aber ab einem bestimnmten Punkt wird jede Planerei vollkommen redundant, weil irgendjemand glaubt, alle Risiken ausschalten zu können – dann schalte ich auch kurz ab. By the way: it’s called adventuring. You knew the job was dangerous, when you took it! Um das zuvor Gesagte mal einfach zusammenzufassen: ich habe Spaß, wenn ich tatsächlich auch zum Spielen meiner Welt und meiner NSCs komme und trotzdem dramatische Encounter gestalten kann. Wenn jemand mutwillig (oder auch aus Versehen) mein Drama abschaltet, schalte ich auch ab. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es allen anderen SLs vollkommen anders geht. Daher… gönnt eurem Spielleiter doch auch mal seinen Spaß! In diesem Sinne – alway game on!

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°60 – warum eigentlich…?

März 2019. Seit damals läuft diese Rubrik und damit bald sechs Jahre. Viel ist seitdem passiert. Privat, beruflich aber auch im Weltgeschehen. Trotzdem ist meine Lust an dieser Variante des Storytellings ungebrochen. Oder vielleicht gerade, WEIL Pen’n’Paper eine Konstante in meinem Leben ist, der ich viel verdanke? Ich habe als Junge durch das Rollenspiel gelernt, mich zu fokussieren, habe ausblenden können, dass die Welt auf Nerds – zumindest in meiner Jugend – einen eher negativen Blick gepflegt hat. Ich begann, mich mit vielen, höchst unterschiedlichen Themen auseinanderzusetzen, die auf den ersten Blick wenig bis gar nichts miteinander zu tun hatten; nur um dann herausfinden zu dürfen, was vernetztes, systemisches Denken im Kern ist. Ich habe mit den Jahren meine Neugier immer mehr zu einem Instrument geschäft. Ich habe meine kommunikativen Skills trainiert, lange bevor ich wusste, was kommunikative Skills sind, oder dass das Lehren einstmals ein Teil meines Lebens sein würde. Und ich habe Freunde gefunden – teilweise fürs Leben. Wie viel mehr kann man sich von einem Hobby wünschen? Es hat sich dabei im Lauf der Jahre ergeben, dass ich viel häufiger Spielleiter war (und immer noch bin) als Spieler. Das liegt wohl daran, dass ich – wie ich an anderer Stelle in diesem Blog schon öfter erwähnt habe – sehr wohl Rampensau kann, wenn das Setting passt. Und mit ein paar Likeminded Weirdos zusammen am Spieltisch ist das überhaupt kein großes Ding,,,

Über eine ganze Reihe von Jahren habe ich das, was an Aufgaben dem SL zukommt, mehr oder weniger intuitiv erledigt. Ich habe natürlich viel gelesen, mir die Stile anderer SLs angeschaut, mich selbst mit Gamedesign auseinandergesetzt (und in der Folge zwei Regelwerke entwickelt, von denen eines heute unsere meistgenutzte Homebase ist) und war wohl recht effizient darin, diese Erkenntnisse und meine Erfahrungen aus der wahren Welt in meinem Tun am Spieltisch zu spiegeln. Dennoch kam es natürlich immer wieder zu Konflikten, einfach weil Spieler halt Menschen sind; und diese über ein und den gleichen Scheiß sehr unterschiedliche Meinungen haben können. Dennoch hat sich im Laufe der Jahre – nach den Experimenten der Jugend mit Besuchen als Spieler/SL auf Conventions und wechselnden Gruppen – ein kleiner, fester Kreis gebildet, der immer wieder zum Zocken zusammenkommt. Und noch immer gebe ich den Geschichtenonkel. Und wenn mich jetzt jemand fragt, warum ich mir das nach über 35 Jahren immer noch antue, gibt es eigentlich nur eine gültige Antwort – weil es mir verdammt viel Spaß macht! Ich gehöre zu den Spielleitern, die KEINE Kaufabenteuer und KEINE vorgefertigten Kampagnenwelten nutzen. Also… ich habe schon mal mit EINER “vorgefertigten Kampagnenwelt” angefangen. Das war Palladium Fantasy 1st Edition (hab gerade mal nachgeschaut, mein arg lädiertes Buch ist aus der 8. Auflage von 1990!). Aber Kevin Simbieda würde seine Welt NICHT wiedererkennen. Und genau so soll es auch sein. Spielleiter sind nicht einfach dazu da, die Regeln zu interpretieren. Wir denken uns die Herausforderungen aus, mit welchen sich unsere Spieler bzw. ihre Chars dann später herumschlagen müssen. Wir entwickeln die Folklore, die Geschichten, die Bewohner der Secondary World, um sie zu einem lebendigen, atmenden Ort zu machen, an dem es den Spielern leicht fällt, die erzählten Geschichten zu deren Bedingungen fürwahr zu nehmen. Willing suspension of disbelief ist dabei die wichtigste Währung, weil die Bereitschaft, die Geschichte wenigstens für die Dauer der Spielsitzung glauben zu wollen notwendig ist, wenn wir das Epos gemeinsam weiter erzählen wollen!

Und das ist das wahre Ziel von Pen’n’Paper: gemeinsam, kollaborativ kreativ werden und die vielen losen Enden, Herausforderungen, Möglichkeiten, Interaktionspunkte, welche ich als Spielleiter in meine Welt eingebaut habe, aufzunehmen und das Muster immer weiterzuweben! Das wirklich Spannende daran ist, dass ich als Spieleiter vielleicht eine vage Vorstellung habe, wohin die Reise gehen könnte – aber ich habe keinerlei Kontrolle darüber, was meine Spieler mittels ihrer Chars wo und wie als Nächstes tun werden. Meine Aufgabe ist es, einerseits die Reaktionen der Umgebung auf ihre Handlungen zu erzählen und andererseits im Blick zu haben, was die Antagonisten unterdessen tun oder lassen. Denn… die “Gegner” im Rollenspiel wissen nicht, dass sie NPCs sind! Folglich haben sie eine eigene Agenda und wollen gewinnen! Was auch immer das am Ende dann bedeuten mag. Es ist diese ECHTE Ergebnisoffenheit, die ich schätze. Andererseits sind da aber auch die Storyarcs der Charaktere selbst. Meine Spieler kommen oft mit hoch differenzierten Ideen hinsichtlich der Backstory, Persönlichkeit, Stärken und Schwächen ihrer Chars an den Spieltisch. Manchmal haben sie schon übergeordnete Ziele, wohin sich der Character auf der gemeinsamen Reise entwickeln sollte; wie, bzw. wodurch diese fiktive Person ihre Katharsis oder Erfüllung finden wird. Manchmal entwickeln sich diese Ziele aber auch erst unterwegs. Und eine meiner Aufgaben als SL ist es, die Spieler bei dieser Suche zu unterstützen, bzw. ihnen die Möglichkeit zu bieten, diese Fantasie ausleben zu können. Denn wenn der Charakterbogen nicht aufgelöst wird, empfinden manche Spieler die Figur als nicht auserzählt – so als wenn man das letzte Kapitel eines Romans einfach weglässt…

Ich hatte natürlich zwischendrin immer mal wieder Spielleiter-Burnout, hatte mich selbst subjektiv vollkommen auserzählt, fühlte keine neuen Ideen mehr, war von nichts ehrlich inspiriert. Irgendwann bin ich dann über die Roleplaying-Sphere in Youtube gestolpert und habe angefangen, mich – wieder – mit anderen Blickwinkeln auf das Tun des Spielleiters auseinanderzusetzen, an meinem eigenen Stil zu feilen, Neues auszuprobieren, mein Regelwerk abermals weiterzuentwickeln; und ich bekam wieder Lust! Habe mal wieder ein neues Setting geschrieben, neue Kampagnen gestartet, auch teilweise neue Spieler am Tisch begrüßen dürfen. Und der Drive hält immer noch an. Wann immer ich mich an meinen Schreibtisch setze und mich in meine Aufzeichnungen vertiefe, fällt mir noch irgendwas ein, was ich vermisse, was ich selbst gerne erzählen möchte, Charaktere oder auch nur bestimmte Szenen, die ich selbst gerne spielen würde – und meine Fantasie fängt an zu arbeiten. Für mich ist DAS ebenso schon Entspannung und “das Spiel spielen”, wie das gemeinsame Erzählen am Spieltisch. Und ganz nebenbei eine gute Übung für die eigene Kreativität, weil es einen zu Offenheit zwingt; weil man sich regelmäßig überraschen lassen MUSS. Und daher erfüllt es mich mit unbändiger Freude, dass ich zumindest an dieser Stelle keine Ermüdung zu verzeichnen habe. Es ist – wieder – eine meine Kraftquellen. Immer mal wieder fühle ich dieses Jucken, mir wieder eine andere, neue Gruppe zu suchen. Aber ich weiß nicht genau, ob das tatsächlich eine gute Idee ist, denn ich habe schon eine recht spezifische Vorstellung davon, wie ICH das Spiel spielen (oder spielleiten) möchte; und die ist nicht so einfach kompatibel mit der diesbezüglichen Denke Anderer, wie ich im Laufe der Jahre feststellen musste. Warum das so ist, darüber werde ich noch eine Weile nachdenken. Aber ich will trotzdem immer mal wieder versuchen, mit neuen Leuten in Kontakt zu kommen, weil ich mich auch bei meinem Hobby N°1 aus allzu festgefahrenen Spuren lösen möchte. Offen bleiben für Neues ist die Devise. In diesem Sinne – always game on!

Auch als Podcast…

Retrodingsbums… ach ihr wisst schon, Jahresende und so…

Ich habe seit über einem Jahr so ‘ne Zettelbox im Regal neben meinem Schreibtisch stehen. Da werfe ich gelegentlich Gedanken, Ideen, Gute Erfahrungen etc. hinein; also auf Papier, nachdem ich diese auf so kleine Zettelchen geschmiert habe. Und es überrascht mich immer wieder dass ich nicht nur a) meine Sauklaue Monate später noch entziffern kann, sondern b) auch das eine oder andere darauf steht, dass mir Mut macht. Ich habe diese Box mit ein paar Sprüchen beklebt. Einer davon ist von Clive Staples Lewis, dem Autor der “Chroniken von Narnia” und gutem Freund von Tolkien. Er lautet: “Isn’t it funny how, day by day, nothing changes, but when you look back, everything is different…?” So kommt mir das Jahr 2024 vor. Viel Scheiße ist passiert, die mich zwischenzeitlich immer wieder an den Rand meiner Kräfte gebracht hat (und das vermutlich im neuen Jahr gleich wieder tun wird); und doch kann ich eine Bilanz vorweisen, mit der ICH weitestgehend zufrieden sein dürfte, wenn ich zu diesem Gefühl mit Blick auf meine Arbeit derzeit fähig wäre. Also, Schwamm drüber. Anstatt über die Vergangenheit zu jammern, die – wenn ich meinen Zettelchen glauben Schenken möchte – doch mit einigen Siegen garniert war, soll es ein, nicht immer ganz ernst gemeinter Rückblick werden. Denn richtig ernst nehmen kann ich die ganze Scheiße erst ab dem 07.01.2025 wieder…

  • Ich habe etwas dazu gelernt: nämlich dass es nicht auf die Größe des Scheißhaufens ankommt, sondern auf die Einstellung des Betrachtungswinkels. Dinge im Okular können gelegentlich viel größer sein, als sie erscheinen, aber sind es nicht doch die kleinen Dinge, die besondere Freude bereiten? Also: einfach den Blickwinkel einstellen, bis die Größe passt! Oder Blattgold drauf kleben, wie manche das im QM immer machen. Aber Obacht – auch funkelnde Dinge können furchtbar stinken…
  • Das war aber nicht das Einzige: ich weiß jetzt auch, dass ich den Satz “Wir sind auf einem guten Weg!”, begleitet von der im Windschatten lauernden Killerphrase “Das sind doch auch unsere Ziele!” abgrundtief hasse! Haben die jetzt ein Geheim-EEG installiert und glauben ernsthaft, darauf sähe man, was ich denke? Mal davon ab, dass ich meine Ziele oft genug selbst erst mal rausfinden muss. Dem Himmel sei Dank werden wir nicht mit LCD-Displays in der Stirn ausgeliefert, die unsere Gedanken live ausgeben, sonst wäre ich wahrscheinlich geflogen.
  • Ich kann jetzt beinahe fließend Bullshit-Sprech: meine KPI (Key Performance Indicators) sind mit dem Überzeugungs-Effizienz-Faktor ÜFF, dem Überlastungs-Resilienz-Koeffizienten ÜRK und der Dummes-Geschwätz-Konter&Terminierungs-Zahl DG-KoTZ hinreichend beschrieben und werden akribisch gemonitored und reported – und zwar nur an mich. Laufen die Zahlen aus dem Ruder, laufe ich davon. Easy, oder…?
  • Wo wir doch gerade beim Lernen sind: manche Menschen (und JA, ich meine damit Azubis) sind stinkfaul und noch dazu so arrogant, ernsthaft zu glauben, das meine Kolleg:innen und ich zu blöd sind, es mitzukriegen, wenn sie generative KI benutzen, um sich das Leben einfach zu machen – Leute, nur zur Info: ich gebe Fortbildungen zu dem Thema, also werdet erwachsen und erledigt euren Scheiß gefälligst selbst! Damit kommen wir doch tatsächlich schon direkt zum nächsten Punkt…
  • KI in meinem Leben: spielt mittlerweile eine gewisse Rolle. Sie kann nämlich helfen, die Arbeitseffizienz zu steigern, wenn sie punktuell sachgerecht eingesetzt wird. Und obwohl das so ist, stehe ich immer noch auf dem Standpunkt, dass wir uns erst richtig mit der menschlichen Dummheit befassen sollten, bevor wir es so richtig mit künstlicher Intelligenz versuchen können. Man muss sich nur diese selbstherrliche, tech-affine, vollkommen durchgeknallte antidemokratische Hohlbirne anschauen, die einst illegal aus Südafrika in die Staaten eingewandert ist, um zu wissen, was ich fürchte. Ja, ich meine Elon Musk, Faboys- and girls. Wann wandert dieses Stück Scheiße ENDLICH auf den Mars aus…?
  • DIE KOMFORTZONE: Heidewitzka, was habe ich dieses Jahr oft darüber referiert, dass NIEMAND in der Komfortzone gut und nachhaltig was lernt! Es wirkt nicht immer so, als wenn die zuhören würden (siehe oben), aber ich habe dabei ernsthaft noch einiges über mich selbst erfahren; und wie es mir gelingen kann, besser zu werden. Ich bin jetzt ein gereifter Hund, aber neue Kunststückchen lerne ich immer noch gerne (siehe KI-Nutzung). Ich habe neuen Kram schon immer gerne spielerisch erforscht – und ich durfte feststellen, dass das auch 2024 wieder gut funktioniert hat. Den Drive nehme ich nach 2025 mit. ABER… spielerisch bedeutet nicht mühelos und schon gar nicht auf der Couch liegend – selbst, wenn es nur eine mentale Couch ist.
  • A propos Spielen: ICH WILL NOCH MEHR ZOCKEN! Aber… man kann getrost festhalten, dass auch das Jahr 2024 (und damit das 35. Jahr meiner Pen’n’Paper-Karriere) nicht ohne einige Sitzungen auskommen musste. Mehr geht immer, aber Terminfindung is a pain in the ass. Immerhin, ich sehe, dass sich was bewegt. Und ich habe auch hier noch das eine oder andere auszuprobieren. Ein paar Sachen habe ich letzthin schon umgesetzt und war durchaus angetan.
  • Ich möchte zur Politik möglichst wenig Worte verlieren… nur so viel: Friedrich Merz hat sich als ewiggestriger, miesepetriger Fass-mich-nicht-an etabliert! Er wär so gerne der harte Schoolyard-Bully und hat nicht mal die Eier in der Hose, ‘n flapsigen Spruch von unserem Noch-Kanzler-Eremiten sportlich zu nehmen? Mann, Mann, Mann. Wohin man auch blickt: Amateure, Flachpfeifen, arrogante Selbstdarsteller, Pienzbacken und Dauer-Talkshow-Sprechblasen-Klopfer. Was soll ich damit? Und das wird ja bis zum 23.02.25 nicht besser. Nur eine Sache ist klar: das Fascho-Pack von der AfD ist KEINE Alternative für unser Land – und wer sehenden Auges auf deren Ein- Aus- und Unfälle (die von den Medien in aller Breite und Buntheit regelmäßig dokumentiert werden) trotzdem diese Nazis wählt, ist KEIN Protestwähler, sondern ein waschechter NAZI. Raffts endlich, ihr Pfosten!
  • Das Beste kommt natürlich zum Schluss: die Urlaube mit meiner Famile waren und sind wunderbare Auszeiten vom Wahnsinn des Alltags. Südfrankreich hat meine Sinne ebenso beglückt, wie Mittelitalien. Ich reisse immer noch 1100 KM auf einer Arschbacke ab, wenn ich weiß, dass ich dort für eine kurze Weile DAS Leben haben darf, für das ich eigentlich gemacht bin. Langsamer, bewusster, konzentrierter, intensiver. Nur dann umgeben von Menschen, wenn ich das will und mit wem ich will; zumindest weitgehend.

Ich bin ein extravertierter Introvertierter. Ich kann Rampensau, aber nur, bis meine Akkus leer sind. Im Moment sind wir zwar nicht weg, weil die Festtage zu Hause mit Familie und Freunden zu feiern sind. Aber die Akus füllen sich dennoch – Gott sei Dank. Aber eigentlich will ich einfach nur mehr von zu Hause arbeiten, schreiben, lehren, beraten – und diesen ganzen Chefquatsch Chefquatsch sein lassen. Wir werden sehen. Vielleicht fällt mir morgen noch ein Grußwort für 2025 ein. Und wenn nicht… rutscht gut, aber in die richtige Richtung. Wir hören uns…

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°59 – rock the grid…?

Mit Pen’n’Paper-Rollenspiel ist es wie mit dem Essen – ab und an muss man mal was Neues ausprobieren. Oder wenigstens Dinge wieder ausprobieren, die man schon mal kannte, aber irgendwie wieder aus den Augen verloren hatte. Und wenn es einfach nur dazu gut ist, zu der Erkenntnis gelangen zu können, dass man z.B. KEIN Tactical Wargamer ist. Also… ich verstehe schon, was das Wort Taktik bedeutet und je nach gespieltem Charakter versuche auch ich durchaus, in kompetitiven Szenarien (lese: Kämpfen) den Sieg vom Platz zu tragen. Aber ich bin KEIN Wargamer. Ich habe nie verstanden, warum ein Kampf auf bestimmte Art ablaufen muss und bestimmte Manöver nur mit dieser oder jener Spezialisierung möglich sind. Now don’t get me wrong: wir benutzen auch Regeln, die für alle gleich sind. Aber die lassen Freiraum für kreative Moves, Nutzung der Umgebung, Stunt-Combos und vieles mehr. Ich selbst spiele gerne freier und als SL stehe ich auf dem Standpunkt, dass jeder Char alles probieren kann; es wird nur nicht jeder in allem gleich profizient sein. Ein Beispiel kann dies evtl. verdeutlichen: ein geübter Melee-Fighter gerät in eine bewaffnete Auseinandersetzung mit zwei deutlich größeren Gegnern. Ist der Spieler clever, wird er versuchen, die Größe der Gegner zu seinem Vorteil einzusetzen, indem er etwa zwischen den Beinen durchflutscht und die zwei ineinander laufen lässt. Hierzu ist eine Akrobatik-Probe erforderlich und je nachdem wie gut (oder schlecht) diese geschafft wird, gibt’s einen Modifikator auf den Counterstrike oder Dodge-Roll. Würde jemand untrainiertes derlei versuchen, kann er das auch jederzeit tun, hat aber eine deutlich höhere Schwierigkeit, gegen die gewürfelt werden muss (weil solche Manöver nicht beübt sind) und steht am Ende vielleicht sogar ohne weitere Aktionen da (in meinem System haben Chars per Trainingslevel nämlich unterschiedlich viele Aktionen pro Kampfrunde) und muss nun zähneklappernd hinnehmen, dass die Großen vielleicht noch einen Angriffsversuch übrig haben… Aber wir spielen das eher selten auf einem Feld-Gitter mit festen Abständen; und wenn haben die Angaben eher deskriptiven Charakter Denn Chars haben überdies teileise deutlich unterschiedliche Bewegungsgeschwindigkeiten. Mir kann doch keiner erzählen, dass sich ein richtiger Bücherwurm/Lauch genauso schnell (oder langsam) bewegt wie ein durchtrainierter Melee-Fighter oder Rogue, der mit einem professionellen Athleten vergleichbar ist.

(c) by Monika Merz

Das wird hier kein DnD-Bashing. ICH habe nur im Laufe der Jahre eine Meinung darüber entwickelt, wie manche Dinge funktionieren sollten: Für Nahkampfwaffen braucht man z. B. nämlich neben Stärke (bestimmt den Schaden) ebenso Geschicklichkeit (bestimmt die Treffer-Wahrscheinlichkeit). Dass dies in anderen Spielsystemen anders gehandhabt wird, liegt daran, dass dort kollaborative Problemlösungs-Taktik im Vordergrund steht und keiner ganz allein den Shit so richtig rocken können soll. Das ist die Idee hinter der Abenteurer-Gruppe mit ihren klassischen Archetypen (Melee-Fighter, Archer, Healer, Mage, Rogue), die alle unterschiedliche Rollen erfüllen sollen. Kein Rollenspielsystem, dass ich je kennengelernt habe, schafft hier allerdings tatsächlich Realismus. Das ist aber u. U. auch gar nicht das Ziel. Die Regeln sollen ja nur dazu dienen, eine bestimmte Idee von Gameplay und das damit assoziierte gewünschte Verhalten der Spieler in handhabbare Zahlenwerte zu übersetzen! Dass ein stolzer Krieger real keine Stärke von 20 hat, sondern einfach nur verdammt viel stärker ist, als die anderen Chars ringsum und in bestimmten Situationen sogar noch mehr Stärke mobilisieren kann, versteht jeder intuitiv. Ob die Charaktere schnell sterben, oder (wie etwa John McClane, John Wick, John Rambo oder beliebige andere Kampf-Johns) unfassbar viel aushalten, trotzdem noch stehen und weiter kämpfen, wird dabei durch eine hohe Konstitution, viele Stamina-/Trefferpunke oder ähnliche Zahlenwerte auf dem Charakterblatt ausgedrückt. Aber das Charakterblatt ist nur ein unvollständiges, auf das rein Statistische reduziertes Abbild der Person, die ich eigentlich durch mein Spiel verkörpern möchte. Knüpfe ich das Regelkorsett eng oder weit? Versuche ich möglichst viel oder eher wenig mit den Regeln abzudecken? Baue ich auf Konsens und Quick Rulings, oder soll es jedesmal in einem dauernden Rumgeblätter im Regelwerk enden…? Das sind Fragen, mit denen Gamedesigner, Spieler und Spielleiter sich häufig auseinander setzen müssen, weil die Antworten – je nachdem, wen man fragt – häufig divergieren. Auch deshalb kann es niemals EIN IMMERGÜLTIGES Regelwerk geben…

Glasboard (60×45 cm), dry-erase chalk-marker und ein selbstgebastelter Tick-Counter…

Es gibt wenige Dinge, über die innerhalb der Pen’n’Paper-Szene wirklich Konsens herrscht, weil die Wünsche der Spieler:innen und Spielleiter:innen bezüglich der jeweiligen Themen der Spielwelt, des Grades an realistisch vs. cinematisch, der Menge an Action vs. Social Play vs. Exploration, des Umfangs sowie der Tiefe und Spezifität der Regeln für dieses oder jenes und des individuellen Grades an Immersion erheblich variieren – auf eines kann man sich aber irgendwie immer einigen: es sollte Spaß machen! Immerhin… Was aber bedeutet, dass des Einen Spaß des Anderen Pein sein kann. Kommen wir also zurück zum Thema “ausprobieren”. Ich lasse mich immer wieder gerne auf neue Erfahrungen ein, stelle aber mit zunehmendem Alter fest, dass mir eine gewisse Freiheit des Ausdruckes sowohl als Spieler, wie auch als Spielleiter wichtiger ist, als stabile Regeln (man könnte despektierlich sagen: Fluff ist mir heute wichtiger als Crunch); wenn ich dann aber irgendwelche Talente, spezielle Eigenschaften, Sprüche, etc. nachblättern muss, um zu irgendeiner Auflösung einer Kampfsituation kommen zu können, werde ich ungeduldig. Es bricht für MICH den Spielfluss – und damit die Immersion. Mir ist natürlich bewusst, dass mache Leute für die Vorstellung dieser oder jener Szene (insbesondere bei dynamischen Kampfsituationen) grafische Hilfen brauchen, die das “theatre of the mind” unterstützen und gleichzeitig alle auf die gleiche Basis holen (siehe oben). Wie man das macht, ist Sache des Geschmacks und des Geldbeutels.

Was ich nicht mag ist, wenn das Grid dabei zu einem Diktator des Spiels wird. Mir ist es ehrlich vollkommen Wumpe, ob irgendein Char schon 30ft Movement zusammen hat oder nicht; wenn es allen logisch erscheint, dass der Char das tun könnte, was mir der Spieler beschrieben hat – go for it and let the dice decide….! Wenn “das Grid rocken” bedeutet, dass ich jeden Scheiß ausprobieren kann, der im Rahmen der Spielwelt, der (durch den SL interpretierten) Regeln und des durch sie beschrieben erwünschten Verhaltens der Spieler möglich erscheint, bin ich an Bord – wenn mich Regeln dabei bremsen, einfach weil es halt die Regeln sind und die Idee dahinter offenkundig ist, kollaborativ-taktisches Verhalten über die Ausdrucksfreiheit des Chars zu stellen, habe ich ein Problem. Was nicht bedeutet, das Chars nicht zusammenarbeiten sollzten. DAS war schon immer sinnvoll. Aber ich will weg von diesem Archetypen-Gedöns à la “Der Tank muss da stehen!”, “Der Healer kann nur dies oder jenes tun!”, “Nur der Rogue kann jemanden backstabben!”. Das ist für mich ganz persönlich stereotyper, ausgenudelter, langweiliger Scheiß, weil es subjektiv meine Agency einschränkt. Kann man natürlich – wie bereits weiter oben erwähnt – auch anders sehen. Ganz egal, welche Variante man besser findet – in jedem Fall sollte der Spielfluss geschmeidig sein und möglichst wenig durch Referenzgeblättere unterbrochen werden, weil ich (und vermutlich auch andere) sonst ganz schnell rauskommen. Und dann ist es mit dem einzigen, worauf wir uns ja einigen können – nämlich dem Spaß – Essig! In diese, Sinne – always game on!

Auch als Podcast…

Stuck in the middle N°4 – about gaming…

Gehen wir mal lieber ein Stück weg von den eher philosophischen Betrachtungen der letzten Posts und rein ins pralle Leben; bevor hier noch jemand einschläft… Wenn man die 50 überschritten hat, wird alles grau, man lebt nur noch auf die Rente hin und jeder Spaß ist der Routine gewichen. Man was hatte ich als Jugendlicher für beknackte Vorstellungen über das Älterwerden! Man muss allerdings auch sagen, dass das durchgängig positive Kultivieren des inneren Kindes durchaus Kraft kostet. Kraft die nicht jede*r aufbringen kann oder will! Ich weiß nicht, ob ihr schon mal so jemanden kennengelernt habt, aber in meiner Erfahrungswelt gibt es auch jene Menschen, die mit 25 schon mental alt sind, weil sie den Lebensweg bis zur Rente durchgeplant haben: Heirat mit 23-24, erstes Kind mit 26-27, Haus gekauft mit spätestens 30, jedes Jahr 2 (vielleicht auch 3) Wochen Malle all inclusive, wenn Kinder da sind, halt nur noch 10 Tage Center-Parks (weil recht teuer), Anpassungs-Fortbildungen (oder – Gott behüte – sogar Jobwechsel) nur, wenn unbedingt nötig. Dazu gehören (vor allem auf dem Dorf) die typischen Vereinsmitgliedschaften, etc., Fußball kucken, Grillfeste, und was weiß ich nicht noch alles…! Ums klar zu sagen: wenn das jemandes Leben ist, ist das jemandes Leben und wer er/sie/es damit zufrieden ist, ist das gut so! Nur für mich ist das nix. Ich hätte bei so viel (teilweise extern indoktrinierter) Routine mit spätestens 31 an einem Heizungsrohr im Keller gehangen – ich schwör’! Ich hatte im letzten Post dieser Reihe schon anklingen lassen, dass Gaming für mich ganz persönlich ein großer psychologischer Energieerzeuger ist; die Art von Gaming, die ich haptsächlich betreibe (klassisches Pen’n’Paper-Rollenspiel, aber auch gerne mal die Konsole quälen, momentan eine PS5) ist damit verbunden, ein erhebliches Level an Immersion in die secondary World zu erleben. Also so weit als nur eben möglich in ein Spielerlebnis einzutauchen, dessen inhärente Logik, Umwelt, Geschichte und Regeln sich erheblich von meiner jetzweltlichen Lebensrealität unterscheiden. Weil ich manchmal von der echten Welt so gestrichen die Nase vollhabe, dass ich sie nicht mehr ertragen kann. Wie bereits öfter erwähnt bin ich nämlich “stuck in the middle”…

Eigentlich müsste dieser Post dann aber “about escapism…” und nicht “about gaming…” heißen, nicht wahr? Well, we’ll see into that, shall we…? Eskapismus bedeutet ja zunächst per definitionem lediglich die Flucht aus der Realität, womit allerdings noch nicht gesagt wird, wie und wohin man denn nun flieht. Das kann einfach nur eine Trauminduzierte Phantasie sein (wobei “einfach” in diesem Zusammenhang relativ zu sehen ist, wie ich hier schrieb), die bewusste Rezeption von Kunst (indem ich mir Zeit nehme, Works of Art, gleich welcher Coleur auf mich wirken zu lassen), oder eine simulierte Andersrealität wie etwa ein Film, ein Buch, ein Spiel. Durch welches der genannten Medien das Ziel der Immersion, also des willentlichen Übertretens in die Secondary World dann erzeugt wird, ist dabei stets individuellen Bedürfnissen überlassen. One man’s junk is another man’s art…! Für mich ist die Vorstellung in die Haut einer anderen Person schlüpfen zu können – und dabei gleichsam an einen Ort zu gelangen, an den ich auf andere Art nicht hinkommen könnte, schlicht weil er HIER in unserer Realität nicht existiert – immer wieder auf’s Neue reizvoll. Es lässt mich Dinge erleben, die zwar einerseits nicht wirklich sind (so sehr verbleibt man dann doch in der Realität) – auf der anderen Seite, wenn die Storyteller ihr Handwerk verstehen, aber für mich EMOTIONAL real genug werden, mich in dieser Situation subjektiv wiederfinden zu können; und dann zu denken, zu sprechen und zu handeln, wie es mein Charakter (also diese andere Haut, in die ich geschlüpft bin) tun würde, NICHT jedoch wie ich es tun würde. Der Reiz entsteht für mich dabei aus dieser ambivalenten Spannung, sehr wohl immer noch Ich zu sein und dennoch weit genug weg von meinem Alltag Dinge erleben zu können, die meinem realen Ich auf immer versperrt bleiben werden. Das Theater in meinem Geist entwirft dabei umwerfende Szenerien und Szenarien, deren Kunstfertigkeit und Detailtiefe es mit jedem Setdesigner in Hollywood locker doppelt und dreifach aufnehmen kann! Das innere Auge ist ein mächtiges Instrument, wenn man es nur regelmäßig trainiert…

…leider habe ICH kein solches Gaming-Zimmer!

Tatsächlich irritiert es mich selbst immer mal wieder, wie einfach mir dieser Wechsel von meiner Lebensrealität in die Andersrealität gelingt; es hat vermutlich einerseits damit zu tun, dass ich das seit über 35 Jahren mache (also seit einer Zeit, da es noch NICHT vom Mainstream als charmant anerkannt wurde, ein Nerd zu sein) und das sich meine sonstigen Interessen, befeuert durch meine natürliche Neugier dadurch im Laufe der Jahre sehr weit aufgefächert haben. Man könnte es auch sagen: meine Wissenstiefe und -vielfalt haben eindeutig von meinem Lieblingshobby profitiert; einfach, weil ich mich immer wieder in teils echt obskuren Shit eingelesen habe, mit dem ich anders NIE in Berührung gekommen wäre. Andererseits habe ich diesen Ehrgeiz, diese intrinsische Motivation, mir verschiedenste Dinge aneignen, sie verdammtnocheins verstehen zu wollen. Ich vermute, ich habe hier ein wenig soziales und kulturelles Kapital mitbekommen. Ich habe von meinen Eltern tatsächlich nur sehr selten ein “das kannst du nicht” oder “das darfst du nicht” zu hören bekommen; und wenn, war meist ein “noch” mit im Satz. Das macht einen offener für alle möglichen Erfahrungen. Das bedeutet nicht, dass ich es als Nerd-Kind, dass ich nun mal war einfach gehabt hätte. Es gibt mir heute aber die Selbstsicherheit, manche Dinge einfach zu machen, obwohl manche sagen, dass das nicht ginge… Wie man es auch dreht und wendet, ich bin dankbar dafür, dass mich ein paar likeminded weirdos vor so langer Zeit in das Hobby eingeführt haben; denn es bleibt meine Opportunity N°1, mein “stuck in the middle”-Sein besser ertragen zu können. So, nu isses aber gut für jetzt – mehr folgt die Tage. Bis dahin – stay safe and game as much as you can!

Engaging the audience…?

Wann immer irgendjemand irgendjemand anders eine Geschichte zu erzählen hat, wird das emotionale und kognitive Invest des Publikums – ganz gleich, wie klein oder groß dieses auch sein mag – zur wichtigsten Währung der erzählenden Person. Denn ICH WILL, dass mein Gegenüber etwas von meiner Geschichte hat; und wenn’s nur darin besteht, dass diese unterhaltsam genug ist, um gemeinsam einen schönen Abend im Reich des noch nicht fertig geträumten zu verbringen. Ich denke die Geschichten dabei nicht nur vom Standpunkt des Pen’n’Paper-Gamemasters aus. Ich habe selbst schon Bücher geschrieben und selbstverständlich sind mir auch die Modalitäten visuellen Storytellings nicht fremd. Ein paar Dinge sind aber allen Erzählformen gleich: Immersion, also das Fürwahrnehmen einer Geschichte innerhalb ihrer eigenen Begrenzungen entsteht einerseits nur dann, wenn die Geschichte sich selbst, ihre Figuren und die Welt, in welcher sie stattfindet ernst genug nimmt, um das Publikum nicht bei erstbester Gelegenheit über Bord zu werfen. Es ist andererseits aber auch notwenig, dass die Vierte Wand nur dann durchbrochen wird, wenn es im oben beschriebenen Kontext Sinn ergbibt, bzw. klar wird, dass z.B. eine der Figuren sich ihrer Realität als Figur einer Erzählung bewusst ist – Deadpool ist so eine Figur, aber bei weitem nicht die einzige. Denn jedesmal, wenn ich unnötig die vierte Wand durchbreche, reiße ich die Leute aus der Geschichte, indem ich ihnen – einer vom Clown geworfenen Sahnetorte gleich – ins Gesicht reibe, dass das alles hier nur Fake ist. Und dann heißt es: adieu, willing suspension of disbelief.

Menschen, die sich auf fiktionale Geschichten einlassen – und dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob es sich dabei um den Tatort, Starwars, einen Heimatfilm (was auch immer das heutzutage sein mag), irgendeine Superheldenscheiße oder den Herrn der Ringe handelt – sind grundsätzlich bereit hinzunehmen, dass neue, unerwartete Dinge passieren werden. Solange diese Ereignisse während der gesamten Erzählung konsistent mit den Anfangs geweckten Erwartungen bleiben! Ein Beispiel: würde ich einen Tatort schauen (was ich mangels Relevanz für meine Wahrnehmung schon seit Jahrzehnten nicht mehr tue), dann würde die Handlung in aller Regel irgendwelche Facetten der mir schon lange bekannten bundesrepublikanischen Lebensrealität reflektieren, während irgendwelche Leute über die Klinge springen müssten und irgendwelche Ermittler am Ende den/die/das Böse überführten. Würden die Ermittler allerdings anstatt den typischen (ermüdenden) psychologischen Ausgefeiltheiten plötzlich Waterboarding und Elektroschocks zur Erlangung eines Geständnisses benutzen, als sei das typischer Alltag in deutschen Polizeipräsidien, wäre man vor den Kopf gestoßen. Der geneigten Leserschaft fallen hierzu bestimmt noch weitere blödsinnige Beispiele ein; insbesondere solche, die man schon auf der Mattscheibe zu erdulden hatte. Das kommt davon, wenn Kulturschaffende denken, der Sonntagabendkrimi müsse hohe Kunst sein. Fun Fact: muss er nicht. Unterhalten sollte er allerdings schon. Was regelmäßig spannungsarme Psychodramen mit melodramatischer Sozialkritik eher nicht hinbekommen.

Menschen wollen als Publikum ernst genommen werden. Das erfordert eine gewisse Intelligenz der Geschichte, vor allem aber eine innere Kohärenz der Erzählung; denn wenn man seine eigenen Prämissen als Erzähler schon nach den ersten Minuten bricht, kommt sich das Publikum verschaukelt vor und wird den Rest möglicherweise ger nicht mehr interessant genug finden, um dranbleiben zu wollen. Zum Beispiel Charaktere, welche die gleichen Fehler immer und immer wieder machen; ist für mich ein guter Hinweis, dass die Mitglieder des Wrtiters Room ihr eigenes Erzählkontinuum schlicht nicht im Griff haben – oder aber tatsächlich denken, dass die zuschauer/Leser zu blöd sind, um das zu bemerken. Beides Möglichkeiten sind für die Schreiberlinge nicht sehr schmeichelhaft! Und je nachdem, wie interaktiv das Medium ist, in welchem wir gerade unterwegs sind, möchten sie sich dabei als aktive Partizipanten u. U. auch selbstwirksam fühlen können. Meine Paradedisziplin ist hierbei das Pen’n’Paper-Rollenspiel. Ich hatte zwar schon früher angedeutet, dass ich bei den realitätsnahen Trainingsszenarien im Rahmen der Berufsausbildung ähnliche Maßstäbe anlege. Aber über das Rollenspiel zu reden, ist für mich selbst einfach unterhaltsamer; und der Spielleiter will und darf auch Spaß haben. Beim Pen’n’Paper ist die Sache mit dem Buy-In des “Publikums” allerdings noch mal ein bisschen komplizierter. Denn einerseits gibt es hoch unterschiedliche Grade des Sich-Darauf-Einlassens; manche wollen tief in ihre Rolle und die Geschichte einsteigen, proaktiv vorgehen, hinter jede Facette schauen. Und andere wollen lieber “konsumieren”, bis die Geschichte es zwingend erfordert, dass sie etwas tun und dann eben so das Nötigste unternehmen, um sich hernach wieder durch die Geschehnisse treiben zu lassen. Dazwischen gibt es jede Menge Grautöne.

Session-Prep…

Andererseits sind damit auch die Interessen hinsichtlich der zur Interaktion aufgezeigten Storyhooks sehr unterschiedlich; ob Spieler mit der Welt so interagieren, wie ich als Spielleiter dies für den Fortgang der Geschichte antizipiert habe, hängt stark davon ab, ob es mir gelingt, die Interaktionspunkte für die Spieler bzw. deren Charaktere relevant genug zu machen. Es hängt dabei nicht nur von der Qualität oder Präsentation des Contents ab, sondern vor allem davon, wie ich diesen in die Welt und die Geschichten, welche in ihr erlebbar werden sollen hineinwebe. Als wenn Spieler jemals auf irgendwelche obskuren Details achtgeben würden, auf die ich nicht explizit hingewiesen habe? Lächerlich… Oft denken unerfahrene Spielleiter dabei an das offenkundig Wahrnehmbare – bei NSCs z. B. Äußerlichkeiten, Doing the Voice, besonders seltene Charakterspezies, extravagante Verhaltensweisen, etc.. Wie wäre es stattdessen mit einer echten Persönlichkeit, die deswegen interessant wird, weil dieser NSC – UND NUR DIESER NSC – eine bestimmte Dienstleistung bietet, eine bestimmte Info hat, eine bestimmte Connection herstellen kann. Andere Leute haben das schon sehr schön rausgearbeitet (Matt Colville etwa hier). Ganz Generell gilt aber neben der Relevanz im bezug zur Erfahrungswelt des Publikums vor allem, dass man sein Publikum niemals verarschen sollte; und wenn überhaupt mur mit Ansage und unter Einholung des Einverständnisses. Dann wenn es Prämissen und Konventionen zur verwendeten Spielumgebung, den Regeln (incl. bestimmter Ausnahmen, Houserules, Beschränkungen, etc.) und dem Stil am Tisch gibt, müssen sich alle daran halten; insbesondere der Storyteller.

Ausklapp-Karte… wenn nicht alles in mein kleines Notizbuch passt…

Ganz gleich ob ich an einem Buch schreibe, oder mal wieder an einem Szenario: die Kohärenz des Worldbuildings, das Einhalten der inneren Logik der Geschichte, die Glaubwürdigkeit der Figuren und ihrer jeweiligen Motive, sowie der wenn überhaupt dann nur sehr spärliche Einsatz des [fourth wall breaking] machen die [secondary world] zu einem Ort, an dem man sich gerne aufhält, weil man dort jene Stimuli vorfindet, die einem [Buy- In] und damit [willing suspension of disbelief] ermöglichen. Eskapismus, gleich welcher Form bedarf nun mal verschiedener Voraussetzungen. Ich wünschte nur, dass die ganzen Schreiberlinge sich dieser Tatsache mal erinnern würden. Keine Ahnung, ob sowas heute bei Kursen in kreativem Schreiben nicht mehr gelehrt wird…? Wie dem auch sei, gleich ist es dunkel, gleich ist es Nacht, drum sei ein Wort der Warnung angebracht: Morgen ist Montag. C U soon,,,

Der verwirrte Spielleiter N°58 – Ein AI-Experiment…

Um es kurz zu machen und das Wichtigste an den Anfang zu stellen – ich habe einfach mal zum Ausprobieren DnD 5e mit ChatGPT 4o als SL gespielt… und DAS war eine in der Tat ungewöhnliche Erfahrung. And here comes why! Bevor ich in den Teil einsteige allerdings noch ein paar wenige Kontext-Informationen vorweg: Ich nutze ChatGPT 4o schon seit einer Weile für berufliche Zwecke und auch einfach so zum rumexperimentieren. Es erschien mir nämlich sinnig, etwas über eine Technologie wissen zu wollen, die manche als dämlichen, nutzlosen Tech-Fetisch betrachten, andere als Doomsday-Maschine, die BWLler natürlich als Gelddrucker und wieder andere als das geilste Ding seit dem Buchdruck. Ob generative KI mittels Large Language Models tatsächlich die von McLuhan beschriebene Gutenberg-Galaxis endgültig zerstört hat, bleibt noch abzuwarten. Aber aus dem Alltag vieler Kreativer ist sie bereits nicht mehr wegzudenken. Und auch als Pädagoge kann man damit durchaus produktiven Quatsch anstellen. Aber als mein Gegenüber am Pen’n’Paper-Spieltisch…? Da hilft nur selbst ausprobieren. Die Erfahrung war interessant und tatsächlich alles andere als langweilig; und ich habe über den Pen’n’Paper-Chat mit GPT ein paar Aussagen zu treffen…

  • Die Regelmechaniken von DND 5e scheint GPT 4o zumindest weitgehend zu kennen, vergisst jedoch regelmäßig, dass das Würfeln zum Spiel dazu gehört. Man muss GPT 4o also regelmäßig daran erinnern, dass NICHT alles funktioniert, nur weil man es (gut?) beschrieben hat und die Maschine regelrecht auffordern, einem Würfe abzuverlangen. Und der sportliche Ehrgeiz verlangt natürlich, dass hier NICHT gefudged wird! (Versteht sich von selbst, oder?)
  • Die Korrekturen, die ich GPT 4o vornehmen ließ, wenn ich gemerkt habe, dass die Maschie es sich – und auch mir – zu leicht macht, wurden schnell und weitestgehend sauber in den Spielfluss implementiert. Trotzdem blieb das Gefühl, mit einem Lazy Gamemaster zu spielen, der lieber alles handweaved und die einzelnen Szenen bullshittet, um so etwas wie einen Spielfluss aufrecht zu erhalten. Doch dazu gleich noch etwas mehr.
  • Die Beschreibungen, welche GPT 4o verfasst, sind oft blumig, gelegentlich redundant, aber das LLM bemüht sich wenigstens redlich um den Versuch, dramatische Spannung durch stimmungsvollen Fluff zu unterstützen. Aber ja, Wiederholungen passieren dauernd, wenn man die Maschine nicht daran erinnert, dass es auch noch mehr Variationen bestimmter Themen gibt. Es wirkte ein bisschen so, als wenn die Maschie irgendwann mal Walter Ong (Buchreferenz unten) gelesen hätte, weil die Texte teilweise wirkten, wie die rein mündlich überlieferten Erzählungen der griechischen Antike; Überzeichnung von Merkmalen, Adjektiv-Überfluss, Dopplungen und so verstärkte Bilder waren als Mnemotechniken für die rein aus dem Gedächtnis rezitierenden Erzähler jener Zeit wichtig. Hier wirkte das des Öfteren ungewollt komisch.
  • Die Abenteuer, welche sich die Maschine ausdenkt, sind streckenweise sehr generisch und ein bisschen zu einfach. Man muss allerdings auch bedenken, dass die Maschine einerseits eine Lernkurve absolvieren muss, auf Material aus dem Netz zurückgreift (von dem bei weitem nicht alles gut ist) und von mir zumindest am Anfang nur recht wenig Kontextinformationen abseits der gewünschten Spielwelt, des Spielstils und der Charakterbeschreibung bekommen hatte, einfach weil ich neugierig war, was GPT 4o so zusammenbullshitten würde… Bald wusste ich, wenn du auf einer Mission bist, die urbane Informationsbeschaffung und Sabotage gegen irgendwelche Söldner beinhaltet, gibt’s in der ganzen Stadt plötzlich nur noch Lagerhäuser… Aber ich will ehrlich sein – ich habe von menschlichen SL (allerdings auch sehr unerfahrenen) schon schlechtere Szenarien serviert bekommen.
  • Die technische Reaktionszeit sinkt allerdings, je länger der Thread des Spiels wird deutlich und es kommt auch zu Bearbeitungsabbrüchen, was ein Neuladen des Threads notwendig macht. Bislang habe ich GPT 4o allerdings noch nicht dazu bekommen, den Thread durch technische Fehler komplett zu killen. Es wirkt so, als wenn die Maschine jedesmal den ganzen Thread noch mal von vorne durchgeht.

Natürlich habe ich dieses kleine Experiment zum Zwecke meiner eigenen Unterhaltung begonnen. Wenn ich jetzt allerdings so darüber nachdenke, drängt sich mir einmal mehr die Frage auf, welchen Sinn die Nutzung von Large Language Models wie GPT 4o überhaupt haben soll. Welchen Zweck ich damit verfolge, ist per Anwendungsfall klar: wenn ich das beruflich nutze, erstelle ich oft Grafiken für Präsentationen, ich lasse mir größere Datenmengen (Studien, Leitlinien, etc.) zum Überblick und/oder Vergleich zusammenfassen und wenn man etwas Handarbeit zum Feinschliff investiert, kan man sich auch für verschiedene Themengebiete Multiple-Choice-Fragenkataloge zusammenstellen lassen. GPT 4o schreibt dir theoretisch auch einen Unterrichtsverlaufsplan, wenn du die Maschine mit genügend Kontextinformationen fütterst. Man darf dann allerdings nicht mehr als Standardkost erwarten, weil die Maschhine das mit vernünftigem Methoden-Pluralismus nicht so drauf hat. Aber als Inspiration ist es manchmal ganz okay. Alles bisher genannte sind jedoch lediglich klar definierte Einsatzzwecke, bei denen eine bestimmte Partikularaufgabe aus einem Arbeitspaket an die Maschine delegiert wird, um Zeit und Nerven zu sparen. Und ich darf davon ausgehen, dass ich solche Handlungsoptionen nicht exklusiv nutze. Aber der Sinn dahinter, dass ist es doch, womit die Menschen hadern; wir fremdeln mit der Idee, dass ein Algorithmus in der Lage sein soll, eine Aufgabe zu erledigen, für die es bislang einen Menschen brauchte. Doch eigentlich ist das lediglich eine Weiterentwicklung. Einer der ersten Computer – Colossus – wurde in Großbritannien während des 2. Weltkrieges entwickelt, um die Codes der Enigma– und Lorenz-Maschinen zu knacken; weil Menschen viel zu lange gebraucht hätten, um dies zu tun. Man hatte ja eine zeitliche Dringlichkeit, weil es um laufende militärische Operationen ging. Konsequent weiter gedacht nutzen ich und viele andere Menschen auch heutzutage sogenannte KI-Anwendungen einfach nur, um bei der Arbeit Zeit zu sparen. Wie die Leute in Bletchley Park damals auch. Okay soweit.

Und jetzt habe ich KI einfach benutzt, um damit zu spielen? Ja klar – das tue ich doch auch, wenn ich irgendein x-beliebiges Videospiel an der Playse zocke. Oder was glaubt ihr, wie die Reaktionen eurer Gegner generiert werden. Dahinter steckt ein – zumeist zugegeben sehr einfach gestricktes – Small Reasoning Model, dass versucht (je nach eingestelltem Schwierigkeitsgrad, fall das Spiel so etwas hat) eine glaubwürdige, taktisch halbwegs sinnvolle Antwort auf mein Handeln als Spieler zu finden – und das bitte schnell! Ist im Kern das gleiche, wie ein LLM, nur dass man nicht das Gefühl hat, in der Maschine würde jemand sitzen und mit mir Konversation betreiben. Dem Einsatz von künstlicher Intelligenz – oder dessen, was wir heute darunter verstehen – einen Sinn zu geben, davon sind wir noch sehr weit entfernt. Was vermutlich daran liegt, dass viele Menschen nicht verstehen können, was in diesen Algorithmen passiert – und das die Ergebnisse bislang nicht viel mehr sind, als ein zufälliger, durch meine Eingaben in eine gewisse Richtung manipulierter Remix oder Mashup von Quellmaterial, dass im Internet zu finden ist – und das in den allermeisten Fällen von Menschen stammt. Letztlich ist ein großer Teil dessen, was KI heute alles kann und macht also nur geklaut. Das wird sich irgendwann ändern. Aber wie schnell und was daraus erwächst… keine Ahnung! Aber wir Menschen waren schon immer toll darin, Dinge zu entwickeln, weil wir GLAUBEN, damit ein (oft hoch individuelles) Problem zu lösen und dann einfach mal zu schauen, was man damit alles anstellen kann. Genau das passiert jetzt. Und ich habe mich zu einem Zeil davon gemacht, indem ich, von einer Mischung aus Neugier, forensischem Interesse und Spieltrieb motiviert die Maschine trainiere, als Spielleiter für Pen’n’Paper fungieren zu können. Ich bin mal gespannt, welchen Sinn ich darin finden werde. Euch einen schönen Start in die neue Woche.

  • Buchreferenz: Ong, Walter (1987, 2016): Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien, Kapitel 4.2, S. 31 ff.

The Critic N°5 – Oh yeah, drama baby!

Es ist mir wohl irgendwann in den letzten zwei Jahren klar geworden, dass ich manche Auswüchse unserer kontemporären Popkultur-Industrie nicht mehr mitmachen möchte, weil ich sie nicht verstehe; oder verstehen möchte! Einer davon ist, eine mangelhafte Geschichte in so viel schlecht inszenierter Action zu ertränken, dass die Zuschauer hoffentlich – schwindelig von dem wüsten Gewimmel auf dem Bildschirm – das Denken abschalten und die lauwarme, lieblos hingeklatschte, geschmacklose Visual-Kost einfach schlucken. Dann werden immer und immer wieder Zufälle am laufenden Meter zu komfortablen Plotdevices, Charaktere wachsen, bzw. verändern sich nicht (sie sind z. B. oft nicht in der Lage, aus ihren Fehlern zu lernen, weil man als fauler Erzähler denselben Fehler auch zweimal zur Ausweitung der Geschichte nutzen kann) und Wendungen in der Story werden durch ungesunde Dosen Retconning nachträglich so dämlich hingezimmert, das jedwede Glaubwürdigkeit der Secondary World flöten geht. Wir reden also von richtig schlechtem Storytelling, von richtig schlechter Kinematographie und von unpassendem Einsatz digitaler Effekte. Das alles würde ich ja möglicherweise bei Studenten des Handwerks im ersten Lehrjahr noch akzeptieren – aber bei sogenannten Profis, die dafür auch noch einen Haufen Kohle kassieren…? Würde ich jemals so mies abgeliefert haben, hätte das u. U. Menschenleben gekostet. Aber hier kostet es ja nur die Nerven der Zuschauer…

Der WEG ist das ZIEL!

Um es klar zu sagen: ich rede hier gerade von Film und Fernsehen. Ähnliches gilt aber natürlich auch für andere Formen kontemporärer Gebrauchskunst, wie Unterhaltungs-Literatur, Graphic Novels, Videospiele, etc. Und ich sage es an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit für jene, die sich so gerne als gelehrsam (und damit dem Pöbel überlegen) darstellen, weil sie klassisches Zeugs konsumieren (vulgo in Museen oder die Oper gehen und im Urlaub einen auf Bildungsbürger machen): ES. GIBT. KEINEN. UNTERSCHIED. ZWISCHEN. HOCHKULTUR. UND. POPKULTUR! Die Hochkultur von heute war die Popkultur der Menschen von damals. Ein Vincent van G. hat sich nicht hingestellt, Sonnenblumen auf eine Leinwand geklatscht und sich gedacht “Och, das wird sich zukünftig in einem Museum total gut machen und nach meinem Tod bin ich dann ja irgendwann berühmt…” Der wollte damit seinen Lebensunterhalt verdienen, weil er das EGO besaß anzunehmen, dass SEIN künstlerisches Schaffen so gut wäre, dass andere es auch gut finden könnten. Manche seiner zeitgenössischen Kollegen wie Paul Gaugin teilten diese Ansicht übrigens. Ich bin mir ziemlich sicher, dass etwa John Williams Filmmusiken in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten auch als klassische Musik veehrt werden; und warum auch nicht…? Um seine kreative Arbeit mit anderen teilen zu wollen, bedarf es gewiss eines positiven Selbstverständnisses um die Qualität der eigenen Schöpfungen. Das ist die Quelle des Mitteilungsbedürfnisses. Im Sinne der oben angedeuteten Krise kreativer Schaffenskraft entsteht daraus aber auch ein Problem; nämlich wenn auf einmal Unfähige auf die Idee kommen, ihre Produkte wären gut…

Ich schaue mir gelegentlich Videos des “Critical Drinker” an. Und in den letzten Jahren hat er sich dauernd darüber beklagt, dass man in Hollywood häufig nur noch “The Message” verbreiten wolle, anstatt gute Geschichten zu erzählen. Er ist halt anscheinend Antifeminist und glaubt, dass man Maskulinität positiver (in seinem Duktus klingt es manchmal nach: eher so wie früher) darstellen sollte. Darüber kann man mit Blick auf die gegenwärtigen Antisocial-Media-Debatten um toxische Maskulinität und die weibliche Angst davor sicher trefflich diskutieren; in DER Hinsicht wünsche ICH mir die 80er allerdings definitiv NICHT zurück. Von wüsten Alpha-Males und hilf- wie planlosen Damsels in Distress habe ich genug für zwei Lebenspannen gesehen. Der Drinker macht allerdings seine Punkte, wenn es um lausiges Storytelling geht. Logiklöcher werden, wie oben bereits beschrieben, mit Blödsinn gestopft. Und fast jedes Mal, wenn eine Geschichte gerade eben noch – meist durch explizite Exposition, anstatt einfach die Handlungen und Interaktionen der Pro- und Antagonisten für sich sprechen zu lassen – schön betont hat, was für tolle Wesen da doch gerade zu Gange sind, machen diese tollen Wesen irgendetwas saudummes; z. B. Dinge, die für einen angeblich ach so guten Taktiker keinen Sinn ergeben, unnötig exzessive Gewaltanwendung, nutzfreie Show-Offs (also Groß tun, auch wenn man ein dämliches Würstchen ist), in offensichtliche Fallen oder Honeypots tappen und wasweißichnichtnochalles an anderem Quatsch, der für mich die Suspension of Disbelief erheblich stört. Genauso übrigens wie dieses hektische Schnittgezappel, mit dem man versucht Dynamik vorzutäuschen, wenn man offenkundig nicht mal weiß, was Dynamik ist! LERNT. CENTERFRAMING. GODDAMIT! Oder schreibt halt “Der neue hektische Actionfilm mit Dididummdala – und Krampfanfall-Garantie!” dran, ihr Honks…

Charaktere, deren Beziehungen, deren Entwicklung, deren Ambitionen und Ziele, die normalerweise durch die Dramatik der daraus entstehenden Konflikte eine Geschichte tragen sollten, spielen in vielen “kreativen” Köpfen anscheinend keine große Rolle mehr, da für diese Personen Gesichter austauschbar sind, jeder Stoff schon mal (besser?) erzählt wurde, man alles in (schlecht gemachter) CGI oder den oben schon erwähnten Brechreiz-förderlichen Schnittfluten ersäufen kann und Masse eh immer wichtiger ist als Klasse… oder? ODER? Ich kann diesen Klickzahlen-nivellierten Einheits-Dreck, der letzthin wohl nur noch von Gewinnmargen-Kalkül diktiert wurde einfach nicht mehr sehen. Viele andere übrigens mittlerweile auch nicht mehr, was die financial struggles ALLER etablierten Streamingdienste sowie die daraus resultierende Preispolitik des letzten Jahres oder aber die oft leerbleibenden Kinosäle recht eindrucksvoll belegen. Ob sich das bald ändert? Keine Ahnung. Nur eines ist sicher. Mit noch mehr von derselben Kost tun sich die Medien-Schaffenden sicher keinen Gefallen. Denn im großen und ganzen sind die visuellen Aspekte tatsächlich ausgereizt. Mehr Effekt bringt heute keinen größeren WOW-Faktor mehr, weil sich alle an CGI sattgesehen haben; und sich stattdessen wieder Figuren wünschen, auf die man sich einlassen kann, weil sie durch ihr Handeln, ihr Fühlen, ihr Interagieren glaubwürdig werden; also tatsächlich CHARAKTER bekommen und nicht nur hübsche Hüllen sind, welche durch Szene um Szene wirbeln, ihre Sprüchlein aufsagen und am Ende irgendjemanden killen. Willing Suspension of Disbelief, also das Füh-Wahr-Nehmen einer noch so fiktiven Geschichte braucht nämlich eben diesen Willen, in die servierte Fiktion einzutauchen, der aber nur dann entsteht, wenn die Geschichte MICH als Zuschauer, als Mit-Erlebenden ernst nimmt und mir nicht nur optisch aufgehübschten halbgaren Unfug serviert, mit dem man VIELLEICHT noch Sechsjährige beeindrucken kann…

Ich mag es durchaus dramatisch. Wobei: man kann Drama auch übertreiben, wie die derzeit ach so beliebten K-Dramen dauernd auf’s Neue beweisen. Schwamm drüber; wenn man’s halt mag. Ich wünschte mir einfach, das Storyteller den Intellekt ihrer Konsumenten respektierten und nicht so täten, als wenn wir mittlerweile allesamt zu Smartphone-sedierten, optisch dauerübersättigten, Aufmerksamkeits-defizitären Kapitalismus-Drohnen degeneriert wären, die jeden Scheiß fressen, denen man ihnen serviert. Das wäre doch mal ein Anfang. Ob derlei Überlegungen auch für mich als Pen’n’Paper-SL eine Rolle spielen? Aber hallo, Freunde der Nacht! Aber darüber habe ich andernorts schon viel geredet. Habt einen schönen Rest-Samstag und lasst euch von einer GUTEN Geschichte entspannen.

Auch als Podcast…