Das alte Jahr endete, wie bei verdammt vielen anderen Menschen auch, durch das ausdauernde Überbacken mit Käse. (Fast) Alles ist mit Käse überbacken besser; der Genuss ethyltoxischer Getränke half aber auch ein bisschen dabei. Das neue Jahr begann, wie bei vielen anderen Menschen auch, wie Tage eben beginnen: aufstehen, frischmachen, anziehen, frühstücken, etc. Der Unterschied zwischen dem Leben am 31.12.xx und dem am 01.01.xx besteht im Datum – allein im Datum! Neujahrsspaziergang, Restevernichtung am Mittagstisch, und exzessives, Wohlstandsverwahrlosung zelebrierendes Gammeln rundeten das Programm sorgsam ab. Soweit im Südwesten nichts Neues.
Ich war morgens zu früh aufgewacht. Mitnichten das, nach derartig käsigen prandialen Detonationen durchaus erwartbare Albdrücken trug jedoch daran Schuld. Vielmehr hatte der Gedankenzirkus unversehens geöffnet; und der Zirkusdirektor meiner privaten Hölle gab eine To-Do-Listen-Galavorstellung. Am 01.01 gegen 06:40 kann ich auf sowas echt verzichten. Es gemahnte mich daran, dass ich für ’22 viel auf dem Zettel habe. Vielleicht zu viel? Ich weiß es nicht. In dem Moment wirkte es allerdings so einschüchternd, dass ich mit einem Schweißausbruch da lag und gerne spontan in ein anderes Universum gewechselt wäre. Selbst Bogenschütze in der ersten Reihe in Helms Klamm wäre in Ordnung gewesen. Wie das mit SOLCHEN Wünschen halt so ist – ich blieb genau da liegen, wo ich war. Und durfte weiter meinen, sich eintrübenden Gedanken nachhängen.
Wir neigen immer in den ungünstigsten Momenten dazu, uns selbst zu martern; und zwar, weil Entspannung oft dafür sorgt, dass unser Gehirn anfängt, nach weiteren Gefahren zu suchen. In unseren Schlafzimmern gibt es nun aber nur in sehr seltenen Fällen noch Säbelzahntiger (und noch seltener greifen uns diese physisch an). Und weil wir heute zu wenig physisch existenzielle Gefahrenquellen haben (warum gehen Menschen wohl Bungee-Springen, Fallschirmspringen, Downhill-Biken, etc….?), werden dann die Dinge greifbar, die wir (unserer Wahrnehmung nach) nicht gut, nicht gut genug, oder sogar gar nicht hinbekommen haben – könnte ja zu Problemen in unserem privaten oder Jobumfeld führen! Und schreiben uns die Schuld natürlich immer selbst zu, damit das schlechte Gefühl auch schön mächtig bleibt. Dass objektiv Manches einfach deshalb liegen bleibt, weil wir weder vier Arme, noch 48h-Tage zur Verfügung haben, gerät dabei zumeist aus dem Blick. Zumal diese Marter ja für andere auch durchaus nützlich ist. Was würden unsere Chefs denn ohne Mitarbeiter machen, die bei unerledigten Dingen Scham empfinden.
Ich möchte an dieser Stelle mal eine Lanze für das Nicht-Schaffen brechen. Wir leben in einer Zeit, in der Arbeitsverdichtung, zumindest in manchen Gewerken, keine Ausnahme mehr bleibt, sondern vielmehr die Norm geworden ist. Sich selbst eingestehen zu können, dass es JETZT gerade zuviel ist, sollte von den Anderen als Zeichen der Stärke, nicht der Schwäche wahrgenommen werden. Meine Mitarbeiter und ich haben in den letzten Monaten diesbezüglich (subjektiv) jedes Limit gerissen. Woran ich tatsächlich niemand speziellem die Schuld geben könnte – oder wollte! Ich habe es allerdings offen nach außen kommuniziert. Mal schauen, wie die Nachlese dazu ausfällt. Ich kann an dieser Stelle allerdings zwei Dinge ganz klar sagen: ich schäme mich für nichts! Und ich sehe auch nichts, dass man mir vorwerfen könnte – mit der möglichen Ausnahme, dass ich nicht früher personellen Entsatz besorgen konnte. Aber das der Markt schwierig ist, hatte ich ja prophezeit.
Ich rede immer wieder davon, dass ich meine Prioritäten neu sortieren möchte. Im Großen und Ganzen habe ich das getan. Letztlich gibt es da gar nicht so viel, was man bedenken muss: die existenziellen Bedürfnisse moderner Zivilisationsmenschen (Unterkunft, Sanitäranlagen, Essen, Kleidung, etc.) müssen gestillt sein; insbesondere, wenn man Verantwortung für seine Familie trägt. Alles, was der so genannten „Selbstverwirklichung“ dient, ist (so bitter das jetzt auch klingen mag) disponibel, nachgeordnet. Da ich meine abhängige Lohnarbeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aufgeben kann – und, zumindest zu einem gewissen Anteil auch noch nicht aufgeben möchte, weil sie spannend ist – um meinen bekloppteren Ideen nachzugehen, werde ich wohl noch eine Weile Sklave der Notwendigkeiten sein. Wäre ich allein auf der Welt, sähe das tendenziell anders aus. Wie’s auch laufend wird – ich stelle fest, dass meine Energie langsam aber sicher zurückkehrt. Und mit Hummeln im Arsch kann es eigentlich nur besser werden. Vielleicht sogar gut. Denn, um noch einmal ein wahrhaftiges Bonmot zu Wort kommen zu lassen: „…wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende!“ Wir hören uns…