Zwischenruf N°7 – Blöde Frage gefällig?

„Ist das Paradies eine Geschmackssache?“ Ich habe ja seit einer Weile diesen Kalender auf dem Schreibtisch stehen, der keine Daten zeigt, sondern eine Vielzahl von Zufalls-Fragen generieren kann; es sind aber auch reichlich blöde dabei, wie etwa diese: „Ist 9/11 mehrheitsfähig?“ Ich glaube die simple Antwort ist da „NEIN“, also kommen wir doch lieber wieder zur Eingangsfrage zurück. Die kann man nämlich guten Gewissens mit „JA“ beantworten. Ich hätte nämlich noch keinen Geschmack daran, diesen Ort live und in Farbe kennen zu lernen, zumal ich vermutlich nach katholischer Sichtung der Fakten eher woanders hin käme. Gottseidank bin ich Agnostiker… 😉

Beim Skimmen durch die Nachrichten fiel mir auf, dass a) ja schon Juni ist und der Stapel Arbeit für’s Studium immer bedrohlicher dräut und b) die Welt immer noch bekloppt ist. Neue Mutationen (Mutanten sind was für’s Science-Fiction-Superhelden-Kino), die mich mittlerweile ehrlich denken lassen „drauf geschissen, ich halte diesen Mist nicht mehr aus!“. Ewiggestrige, die mit allen Mitteln den Baerbock zu schießen versuchen, weil es nicht sein darf, dass unsere Welt sich ändert (Spoiler: sie tut das, egal, ob wir dran glauben oder nicht, aber wer dran glaubt, kann vielleicht Einfluss auf die Änderung nehmen!). Eine katholische Kirche, die sich (endlich) selbst zerlegt. Und schließlich immer das Geld, der Mammon, die Knete, der Zaster. Kapitalismus halt, der seine Blüten treibt, egal wie elend gestorben wird. So weit, so gewöhnlich. An diesen Themen arbeiten sich außerdem Andere ab, die dazu vermutlich besser berufen sind, als ich.

Mir kam der Gedanke, dass man auch zu analytisch sein kann, insbesondere den Menschen gegenüber. So Typen wie ich, also mit psychischen Erkrankungen, haben nicht immer, aber doch recht oft ein wesentlich feineres Näschen für ihre Mitmenschoiden, als jene, die die Frechheit besitzen, sich selbst als normal zu bezeichnen. Als wenn das Facharbeiterjob-Familie-Reihenhaus-Besitzstandswahrer-Purgatorium des Vorstadt-Spießers in irgend einer Weise normal wäre…? Zu analytisch würde aber bedeuten, sich viel zu viele saublöde Fragen zu stellen, nicht wahr? Heyho, willkommen in meiner Welt. Da stehe ich nun umherschauend vor meiner Klasse, und die denken wahrscheinlich so, „jetzt überlegt er gerade noch mal, wie das mit den Beta-Rezeptoren war“; so kann man sich irren. Ich WEISS, wie das mit diesen verfickten Rezeptoren ist, ich wirke wahrscheinlich versonnen, weil ich gerade die Beziehungs-Interaktionen innerhalb der Klasse analysiere und nebenbei Mini-Psychogramme anfertige. Ich kann übrigens nicht anders. Das geschieht automatisch.

Und dann kann es passieren, dass ich mich in solchen Beobachtungen verheddere und meinen Faden verliere. Das passiert nicht allzu oft, ist mir aber trotzdem jedes Mal ein kleines bisschen peinlich. Schließlich können die Schüler ja nix dafür, dass ich sie nicht nur als Unterrichts-Subjekte, sondern als Persönlichkeiten wahrnehme. Wie auch immer. Jedenfalls führt dieses andauernde Analysieren-Müssen manchmal in Sackgassen. Neben der Tatsache, dass ich mir letzthin zu viel aufgeladen hatte, ist das vermutlich einer der Auslöser für meine gelegentlichen Ausflüge ins finstere Tal (wer nicht spontan an Psalm 23 denken musste, geht jetzt noch mal in den Reli-Unterricht!). Kleiner Hinweis in eigener Sache an alle, die zwar rational wissen, was eine Depression ist, aber nicht, wie sie sich wirklich anfühlt: zu wissen was da passiert, und etwas dagegen tun zu können, sind zwei völlig unterschiedliche Welten! Es fühlt sich übrigens auch nicht für jeden gleich an…

Ich bin nicht im Paradies, nicht auf dem Weg dahin, ja nicht mal nah dran, an einem von beiden. „Paradies auf Erden“ ist ja so eine Phrase, die für malerische Umgebungen benutzt wird, um einen höheren Preis für das Hotel hinter den Palmen verlangen zu können. Für mich könnte das Paradies auf Erden bestenfalls in den Köpfen der Menschen existieren. Es wäre also kein physischer Ort, sondern ein mentaler Prozess, so wie „Heimat“. Das es reale Orte gibt, an denen man besser in den damit assoziierten Zustand findet, versteht sich von selbst. Von daher ist es schon OK, Sehnsuchtsorte als „Paradiese“ zu bezeichnen; auch, wenn das nur Anker in der Realität für etwas in unserem Geist sind. Momentan fühlt es sich für mich an, wie ein Traum in weiter Ferne, eine Fata Morgana. Aber wenn ich mal wieder hinkomme, kann ich ganz sicher sagen, dass ich auch gustatorische Empfindungen damit verbinde. Für mich ist das Paradies also auch im irdischen Sinne Geschmackssache; jetzt gerade habe ich eine Aura von Nobile di Montepulciano und Bistecca a la Fiorentina mit Rosmarinkartoffeln auf der Zunge…

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