Erwachsen bilden N°31 – Anspruchshaltungen…?

Ich hatte neulich das Vergnügen, im Rahmen des 1. Symposium zur Förderung der Wissenschaft im Rettungsdienst zu sprechen – und ich habe einige hochinteressante Vorträge hören dürfen, die mir bereits jetzt Lust auf die nächste Veranstaltung machen. Einer davon hatte es in sofern in sich, als ein Thema behandelt wurde, dass genau an der Schnittstelle zwischen Fachschule und Ausbildungsbetrieb (und ein wenig später für die fertig ausgebildeten NotSans beim Übergang in ein Anstellungsverhältnis als Fachkraft) angesiedelt ist: wie führt man die Generation Z? Abseits des Umstandes, dass es innerhalb von sogenannten Alterskohorten – was der Volksmund eben so als Generationen bezeichnet – erhebliche Streuungen gibt, weil Menschen nun mal Menschen sind, ist die Frage deshalb von Interesse, weil der Kollege, welcher sich des Themas angenommen hatte in der Tat einige interessante Ergebnisse vorweisen konnte.

Diese jungen Menschen streben wohl nach mehr Transparenz im Führungsverhalten, nach mehr Partizipation in der Gestaltung möglichst großer Bereiche ihrer Arbeitsumgebung und nach Respekt für ihr bisheriges Accomplishment; und ganz nebenbei wahrscheinlich auch noch für das Mensch-Sein an sich. Letzteres hatte schon Carl Rogers in den 30ern des vergangenen Jahrhunderts gefordert; also Menschen einfach anzunehmen und ihnen mit natürlichem Respekt zu begegnen. Dass es daran häufig hapert, darf man getrost als Allgemeinplatz bezeichnen. Insoweit decken sich die Ergebnisse mit meinen persönlichen Erfahrungen. Die jungen Leute lassen sich heute nur noch ungerne mit einem „weil das halt so ist“ abspeisen. Und hiertreffen wir auf einen Haufen Probleme, der von beiden Seiten verursacht wird…

Einerseits kann ich aus eigener leidvoller Erfahrung bestätigen, dass wir speziell in meiner Branche noch nahezu flächendeckend weit von Just Culture und Leadership Ability entfernt sind. Also von einer fairen Fehlerkultur, die nicht – typisch deutsch – erst mal jemanden sucht, den man punishen kann, wenn was verrutscht ist, anstatt gemeinsam nach den Ursachen zu forschen, die entstandenen Schäden zu reparieren und Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen, die sich nicht in einer verbalen, (oft öffentlichen) Auspeitschung des betreffenden Mitarbeiters erschöpfen. Über Leadership will ich mich lieber nicht zu sehr auslassen, sonst komme ich in Rage. In meiner idealen Welt führt man von vorne, verlangt von seinen Mitarbeitern nichts, was man nicht auch selbst zu geben bereit ist, und kann ein „NEIN“ ohne Groll akzeptieren. Mal schauen, wann ich es schaffe, meinen Ansprüchen gerecht zu werden. Um das hier abzuschließen: es werden alle Fehler gemacht, die das Handbuch beschreibt: intransparentes, willkürlich erscheinendes, forderndes, in vielerlei Hinsicht intolerantes, den Wünschen der Mitarbeiter negativ begegnendes und zu oft auch noch erratisches Führungs-Handeln. Das einem da die Leute wegrennen, ist vollkommen normal. Insbesondere, wenn dann noch mein Lieblingssatz fällt: „Das haben wir schon immer so gemacht!“

Allerdings beobachte ich auch auf der „Gegenseite“, also bei den jungen Azubis und frischen hauptamtlichen Mitarbeitern einige Verhaltensweisen, die ich ganz persönlich nicht gut finde und denen ich – wenn’s mal wieder übertrieben wird – auch offen ablehnend gegenüber stehe! Und das Hauptproblem ist hier fordern, fordern, fordern! Ich lehne keine Forderung einfach so ab. Aber ich behalte mir vor, über die Legitimation nachzudenken und dann auch entsprechend zu entscheiden. Wir ermöglichen viel. Ich habe noch nie davon gehört, dass es an allgemeinbildenden Schulen so genannte Kann-Listen für Klausuren gibt. Es kommt der Stoff dran, der durchgenommen wurde. Und die Lehrer WISSEN, welcher Stoff durchgenommen wurde. Wir kümmern uns um die Unterbringung. Und ich muss ehrlich sagen: ich hatte schon Ferienwohnungen für gutes Geld gemietet, die schlechter waren, als das, was wir bieten. Niemand kann zaubern; nicht mit dem hiesigen Immobilienmarkt. Und die Ausstattung im Lehrsaal ist nicht genauso, wie daheim. Und, und, und… An manchen Tagen würde ich gerne jemanden aus dem Kreis der SuS dahin stellen, wo ich gerade steh und mich dem stellen muss. Spaß bei der Arbeit geht anders!

Ein substanzielles Problem aber habe ich, wenn ich höre, dass man sich in gewissen social media Kanälen immer und immer wieder gegenseitig anheizt, so nach dem Motto „Mal schauen, was noch geht!“ Falls irgendeiner meiner Azubis das hier liest, kann ich an dieser Stelle klipp und klar in aller Deutlichkeit sagen: NICHTS MEHR! DAS LIMIT IST IN JEDER HINSICHT ERREICHT! Ich weiß, dass die Ausbildung anspruchsvoll ist, dass man sich gerne auf die Inhalte konzentrieren können möchte etc. Und ich habe auch Verständnis dafür, dass so eine Azubi-WG sich auch ein bisschen wohnlich anfühlen soll. Kein Ding. Und mir ist ebenso klar, dass meine Generation anders erzogen und ausgebildet wurde. Aber auch 2021 gilt immer noch: Lehrjahre sind keine Herrenjahre! Ich respektiere meine Azubis, begegne ihnen (zumindest denke ich das) auf Augenhöhe, und versuche Probleme im Rahmen meiner Möglichkeiten schnell und unkompliziert zu lösen. Im Umkehrschluss erwarte ich aber auch, dass sie nicht nur mich, sondern auch die Limits, an denen ich mich orientieren muss, respektieren. Andernfalls reden wir nicht mehr von einem fairen und transparenten Miteinander. Das Verhältnis zwischen den Azubis und den Lehrkräften ist nämlich keine Dienstleistungs-Einbahnstraße!

Mag sein, dass dieser Post weniger metatheoretisch und sehr stark von meinen Erfahrungen der letzten Wochen und Monate geprägt ist, aber auch solche Dinge muss man gelegentlich zur Diskussion stellen. Denn eigentlich kann ich nicht glauben, dass ich der einzige sein soll, bei dem die SuS ihre Macht austesten, „Mama hat gesagt – Papa hat gesagt“ spielen, versuchen, die Honorar-Dozenten auf ihre Seite zu ziehen, etc. Kennen bestimmt auch andere. Würde mich freuen, mal drüber sprechen zu können. Ansonsten: für alle, denen das möglich ist, ein schönes verlängertes Wochenende.

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