Kunst-Demokratie?

Manchmal ist meine Artikelauswahl auf einschlägigen Webportalen großer Zeitungen recht eklektisch; manchmal durch die Paywall diktiert, weil ich vielleicht doch zu geizig bin, jedes Blatt zu abonnieren und manchmal durch mein verquere Art, die Welt und damit auch ihre Zeitungen zu lesen. Wieder einmal ist jedenfalls „Zeit Online“ schuld, weil die einen Artikel über die Forderung nach Mitsprache bei der Auswahl der Exponate namhafter Museen gebracht haben. Klingt auf den ersten Blick nicht sonderlich interessant, spannend, oder gar verfänglich, nicht wahr…? Und da sage ich einfach : au contraire, mes amis!

Die Frage nach dem, was Museen ausstellen wollen bzw. dürfen berührt die Frage nach dem Kern von Kunst – nämlich ihrem Wesen und ihrer Bedeutung für die Menschen. Kunst hat weniger etwas mit oberflächlichem ästhetischen Empfinden zu tun, sondern mit der Kapazität eines Werkes – gleich welcher Art – mich zu irritieren und so zum Nachdenken anzuregen. Kunst muss nicht hübsch oder schön sein, oder gar auf den ersten (oder auch zweiten) Blick zugänglich. Kunstwerke können das sein; sie müssen es jedoch nicht! Doch die Aufgabe von Kunst ist eigentlich, einen Rückbezug auf die grundlegenden Fragen des Mensch-Seins zu ermöglichen. Wie sie das tut, ist immer neu, da sie dabei stets auch den Zeitgeist reflektiert. Dies mag Manchem jetzt sehr theoretisch erscheinen, aber vielleicht schauen wir uns einfach ein Beispiel an…

Die „Kopie“ des Holcaust-Mahnmals in Berlin, welches die Aktivisten vom „Zentrum für politische Schönheit“ in Eichsfeld Herrn Höcke vor die Tür gesetzt haben, spaltet die Geister mindestens ebenso sehr, wie das Original. Ist das eine Kunst und das andere nicht? Und falls ja, welche Form davon? Insbesondere unter dem Aspekt, dass nämlicher Herr Höcke das Original als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hat. Wie wurde doch die Ambiguität dieser Aussage diskutiert. Sehen wir uns mal ein Gegenbeispiel an, dass vermutlich fast jeder kennt: Leonardo Da Vincis „Mona Lisa“. Zweifellos eines der bekanntesten Kunstwerke der Welt. Doch was macht es zu Kunst? Es handelt sich um ein Porträt, dessen ästhetischer und kunsthistorischer Wert, insbesondere im Vergleich mit anderen Meistern seiner Zeit als unbestritten gilt.

Doch sind die Schöpfungshöhe, die notwendigen handwerklichen Fertigkeiten, die Planung und schließlich die Kraft der Reflexion, welche es beim Betrachter auslöst, mehr wert, als bei den Arbeiten in Berlin, oder der Kopie in Eichsfeld? Die ja letzten Endes, ein politisches Statement darstellt und damit sehr viel größeren Bezug zu unserer aktuellen Lebensrealität hat, als das Porträt einer seit Jahrhunderten verstorbenen Dame? Ich kann und will diese Fragen nicht für andere Menschen beantworten, ich kann aber für mich selbst klar sagen: beides ist Kunst, die in ihrem jeweiligen Kontext gesehen werden muss!

So wie Kunst den Zeitgeist aufnimmt, reflektiert, interpretiert und wieder ausspeit, nimmt sie damit auch Einfluss auf das Mensch-Sein – und somit auf soziale, politische und wirtschaftliche Umstände. Sie tut dies vielleicht sehr subtil, aber die Wirkung ist da. Wenn nun Menschen den Anspruch erheben, auf das Einfluss nehmen zu wollen, was dargestellt / ausgestellt wird, so versuchen sie damit Einfluss auf das Mensch-Sein an sich zu nehmen. Ein Anspruch, dem ich aus vollem Herzen entgegnen möchte: NEIN! Weil, auch wenn dieser Umstand vermutlich vielen Menschen verschlossen bleibt, Kunst ein Bereich unseres Leben bleiben muss, der allzeit – zumindest in Teilbereichen – frei vom Zugriff der unmittelbaren ökonomischen Verwertbarkeit ist; und der alles, was da Kunst ist, allen Menschen zugänglich machen können soll.

Mir ist bewusst, dass , um es mit Adornos und Horkheimers Worten zu sagen – eine Kulturindustrie existiert, deren Funktionen tatsächlich frappierende Ähnlichkeit zu den Ausführungen in der „Dialektik der Aufklärung“ aufweisen. Insofern ist der ökonomische Zugriff auf kulturelles und damit auch künstlerischen Schaffen leider in vielerlei Hinsicht gegeben. Und dennoch bleiben jene Bereiche, in denen Kunst tut, wozu sie gut ist: mich irritieren, zum Nachdenken, im besten Fall sogar zum Handeln anregen, sofern dies angezeigt ist. Wenn Menschen nun fordern, dass nur bestimmte Dinge gezeigt werden sollen und andere nicht, so stellte dies – gäbe man diesen Ansprüchen überall nach – eine Verarmung unserer Kultur dar. Man könnte denen nun verschiedene Motive unterstellen: manche Kunstwerke sind sicherlich nicht leicht anzuschauen oder gar zu ertragen, also wäre es möglich, dass diese Menschen einen leichteren Zugang zu Kunst haben möchten.

Es könnten auch pekuniäre Aspekte dahinter stehen. Künstler, die öfter in großen Häusern wie der Tate Modern in London oder dem Museum of Modern Art in New York ausgestellt werden, erzielen alsbald höheren Marktwert. Vielleicht hat da jemand schon ein, zwei Stücke im Lager liegen und möchte einen Reibach machen? Oder man versteht, dass es Menschen gibt, welche die politische Sprengkraft fürchten, die Kunst bisweilen hat. Und die um keinen Preis in ihrer Agenda gestört werden möchten. Und dann gibt es noch jene, die in ihrem falschen Verständnis von „political correctness“ alles aus der Welt bannen möchten, was sie irritiert. Was für ein armseliges Verständnis von Kunst. Aber vermutlich haben die Wenigsten die Zeit und Muse, sich hierüber Gedanken zu machen, weil’s ja einfacher ist, zu konsumieren, als zu reflektieren; aber eigentlich mache ich mir die Mühe ja vor allem für mich selbst. Und Tschüss!

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