Man kennt diese Momente, in denen Fremdschämen angesagt ist, weil ein Medium, welches gerade konsumiert wird, sich dermaßen voller Logiklöcher, voller Dummheiten und voller unpassender Wendungen präsentiert, dass es scheint, als wenn die Autoren nochmal extra was krummgebogen haben, um ein weiteres unnötiges Storybögelchen rausleiern zu können. In Büchern kommt so was gelegentlich vor, aber wenn man regelmäßig auf Flix, Prime und Plus unterwegs ist, kommt man einfach nicht an diesen Serien vorbei, deren Macher mit ihrem Mist selbst die Intelligenz 12-Jähriger beleidigen. Now, don’t get me wrong – das Menschen viel Dummes tun, weiß ich durch Jahrzehnte der Erfahrung im Rettungsdienst. Aber den selben Fehler in jeder Season gleich zweimal zu wiederholen…? You’re stretching it! Der Vorteil ist, dass man den Stream dann einfach abschalten kann, was ich in letzter Zeit auch schon mal praktiziert habe.
Tatsächlich ist leider auch das reale Leben manchmal voller Plotholes; nur dass man die Realität leider NICHT abschalten kann. Man schaue sich nur an, wie in der sterbenden Putinestokratie plötzlich das ganze Narrativ der „Sonderoperation“ in der Ukraine umgebaut wird, Bürokraten plötzlich ganz offen von Krieg sprechen und Kommandeure eingestehen, dass es wohl nicht so gut läuft; alles nur, um die verbliebenen Treuen auf weitere Härten und noch mehr Blutvergießen einzuschwören? Oder setzt vielleicht doch ganz langsam die Erkenntnis ein, dass man diesen Krieg nicht gewinnen wird? Hoffentlich gefolgt von der Wladimirs-Dämmerung? Wer weiß denn schon, was zum Henker in deren, von nationalistischer Propaganda und Gier zerfressenen Köpfen vorgehen mag? Jedenfalls ist auch diese neue Erzählung eines gerechten Krieges, für den Opfer gebracht werden müssen, nicht mehr als ein logiklöchriger Jutesack voll alternativer Fakten, Lügen, Propaganda und Hass. Mithin ein einziges, riesiges Plothole.
Beim Marsch durch so manches Nebelfeld der Desillusionierung kam ich nicht umhin, festzustellen, dass Logik KEIN sinnvolles Tool ist, um den Gang der Welt zu analysieren. Umgeben von Menschen und ihren Ideosynkrasien, welche sich bestenfalls durch den Konstruktivismus erklären lassen, bleibt man immer wieder mal beim Dogma hängen. Zum Thema Dogma hat der Philosoph und Journalist Gert Scobel in seinem Buch „Der fliegende Teppich“ einige sehr interessante Dinge gesagt; unter anderem, dass es vermutlich nicht die Realität sei, die uns verwirrt, sondern die Meinungen, welche wir uns über diese fassen. Man könnte auch von Vorurteilen sprechen, aber das verkürzt den Gedankengang evtl. in unzulässiger Weise. Vielleicht geht es vor allem um die Bewusstmachung der Grenzen des eigenen Wissens, Denkens und Könnens. Überschreiten wir diese unsichtbare Grenze in dem Glauben an unsere eigene Unfehlbarkeit – gegen Kritik durch das Dogma immunisiert – sind wir auf dem Weg in ein Loch: unser selbst geschaffenes Plothole der alternativen Realität, in welchem wir, durch die normativen Kraft des Faktischen geläutert, hoffentlich wieder zu Sinnen kommen. Oder ersaufen, was in Wladimir Wladimirowitschs Fall meine Präferenz wäre.
Gegenwärtig fühle ich mich einmal mehr unfähig, diese – immer schon schmerzhaft offensichtlichen – Plotholes der OBJEKTIVEN Realität zu ignorieren, wie wir Zivilisations-geschädigten Konsumkapitalisten dies normalerweise tun können, um unsere SUBJEKTIVE Realität in den Fugen zu halten. Vielleicht liegt es daran, dass ich krank zu Hause hocke, auf mich selbst zurückgeworfen. Denn Arbeit war bei mir schon immer ein Mittel, mich vom Zustand der Dinge abzulenken; inclusive meines eigenen. Das geht jetzt gerade nicht und das Ergebnis ist, wie so oft, ein neuerliches Aufwallen des Nebels. Also schreibe ich mir von der Seele, was mich umtreibt, auch wenn ich mich durch’s Kranksein unendlich müde fühle. Das ist meine Art von metaler Medikation. Wie auch immer es sich bei mir in den nächsten Tagen entwickelt (jetzt gerade sieht es etwas besser aus), ich wünsche allen eine gute und gesunde Woche.
- Scobel, Gert (2017): Der fliegende Teppich. Eine Diagnose der Moderne. Frankfurt am Main: Fischer Verlag