Workplace Angst – New Work N°10 vs. Erwachsen bilden N°42

Ich las dieser Tage, rekonvaleszierend auf der Couch herumlungernd, einen Artikel über das „pünktlich Feierabend machen“. Eigentlich war es ein Artikel über die Workload-Balancing-Probleme der Autorin, aber das soll hier im Weiteren keine Geige spielen; weil sie Prozesse beschreibt, die zumindest Wissensarbeiter zumeist aus eigener Anschauung gut kennen dürften. Das Ganze mäandert irgendwo zwischen dezenter NEIN-Schwäche und gelegentlich unterstrukturiertem Zeitmanagement des Arbeitnehmers auf der einen Seite, und der Tendenz vieler Arbeitgeber, den dargebotenen kleinen Finger fest zu packen, um den Oberarm am Schultergelenk rausreißen zu können, auf der anderen. Tatsächlich gehören aber zur Entstehung ausufernder Arbeitsüberlastung in aller Regel Zwei. Niemand ist sich dieser Tatsache besser bewusst als jemand wie ich, der in seiner Führungsposition qua Stellenbeschreibung in der Hoffnung institutionalisierten Mangel verwaltet, trotzdem halbwegs gute NotSans auf die Straße bringen zu können. Im Moment fühlt es sich mal wieder an, als wenn man ohne geeignete Schutzausrüstung mit glühenden Eisen jongliert. Macht echt keinen Spaß.

Always being chased up a tree…?

Wie man es auch dreht und wendet, das Thema bleibt immer das Gleiche: wir können doch nicht anders weil wir immerzu müssen, aber leider nicht können, wie wir wohl wollten, obwohl wir eigentlich dürften, wenn wir nur könnten! Das Topos bleibt also auch immer das Gleiche: Ressourcenmangel landet auf dem Rücken des Einzelnen, weil die Institutionen schon immer so funktioniert haben. Nun könnte man MIR sagen: „DU bist doch in der Position, etwas dagegen zu tun!“ Und das versuche ich auch. Weil aber mindestens eine GENERATION vor mir es so richtig verkackt hat, denn heraufziehenden Fachkräftemangel frühzeitig und sachrichtig anzugehen, verwalte ich jetzt, wie viele andere auch, einfach erst mal den Mangel, den ich so schnell nicht beheben kann. Und neben der Tatsache, dass ich im Strahl kotzen könnte, weil ich von meinen Mitarbeitern so viel verlangen muss, beute ich mich natürlich schön selbst aus, denn wirklich geführt wird ja bekanntlich nur von vorne. Den Unterschied zwischen Leader und Boss werde ich jetzt nicht noch mal extra aufwärmen…

Hier entsteht gerade eine Kluft zwischen denen, die derzeit zu wenige sind und denen, die leider (noch) nicht genug Qualifikationen haben, um auf den richtigen Zug aufspringen zu können. Ich erlebe z. B. die Institutionen, welche sich mit dem Thema Qualifizierung von Migranten für den Arbeitsmarkt befassen als dermaßen unflexibel, an teilweise absurden Formalismen verhaftet und dermaßen unterfinanziert, dass es mich mittlerweile nicht mehr im Mindesten wundert, warum zum Teufel wir es einfach nicht hinbekommen, diese neuen Menschen im Lande zu integrieren und ihnen die Chance zu geben, tatsächlich Bürger*innen zu werden. Da ich gezwungen bin, Bildung AUCH als Wirtschaftsbetrieb zu betrachten, stehe ich gerade am Scheideweg, ein im Grunde gutes und hilfreiches Projekt sehr kritisch auf den Prüfstand stellen zu müssen, weil es sich nicht rechnet; egal, wie man den Abakus auch verdreht. Das Resultat ist, dass Menschen, die sehr wohl eine Menge Grips und auch Engagement mitbringen, aber halt nur geringe Sprachkenntnisse, in irgendwelchen Maßnahmen versauern. Das mit der Kultur, die ein Prozess ist und sich daher stetig verändert, werde ich jetzt nicht auch noch mal erklären. Ich bin es nämlich leid, mich dauernd zu wiederholen.

Wenn ich heute an Workplace Angst denke (und den Begriff in dieser Form habe gerade ICH aus der Taufe gehoben, als Amalgamat aus „Workplace“ und „German Angst“), dann sehe ich Arbeitsverdichtung bis zum Tode auf der einen Seite und die Unfähigkeit, neue Leute dazu zu ermächtigen, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten auf der anderen; und das macht mir Angst! Denn wir brauchen jeden Mann und jede Frau für die Herausforderungen, vor denen wir stehen! Also bleibt nur die Frage: Wie passen die eben beschriebenen Diskrepanzen zusammen? Nun, ungefähr genauso schlecht wie die Anforderungen und das Gehaltsgefüge in den allermeisten Gesundheitsfachberufen – wenn man diese mal mit den Bullshit-Jobs im Bereich der Wissens- und Vermögensarbeit vergleicht. Ich weiß auch nicht, wie man das Problem in Gänze lösen könnte. Aber es wäre mal ein guter Anfang, den Weiterbildungsmarkt in Deutschland zu entschlacken, zu professionalisieren, auskömmlich zu finanzieren und zu entbürokratisieren. Und als Gesamtgesellschaft mal genau darüber nachzudenken, welcher Job essentiell ist: Finanzmakler*in oder Gesundheits- und Kranken-Pfleger*in. Mir persönlich fällt die Entscheidung bezüglich Verzichtbarkeit übrigens nicht sonderlich schwer.

New Work ist derzeit nichts weiter als ein Slogan für verschiedene Ideen, wie Arbeit und ihre Rahmenbedingungen sich verändern könnten; der allerdings ungefähr so viel Substanz hat, wie ein Soufflé. Man kann das ganz gut beobachten, wenn der Ofen zu früh aufgeht. Diesen Begriff mit Leben zu füllen, könnte sinnstiftend werden. Aber nur, wenn wir uns von der Idee lösen, dass Mamon ein Gott ist, Bürokratie sein Avatar, Hierarchien ohne Leadership Ability der Weisheit letzter Schluss und Präsentismus eine unumstößliche Tradition. Ich hab die Scheiße so satt. Und ich habe fertig. Schönen Tag noch.

Auch als Podcast…

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