Erwachsen bilden N°34 – Curri-Curra-Curriculum…

Rahmenlehrpläne sind genau das – ein Rahmen für die Lehre. Man kann sich viele Dinge ausdenken und seine eigenen Unterrichte dann dementsprechend vorbereiten. Dafür entsteht ein gewisser Zeitaufwand, der in den Controllern jedoch immer wieder Begehrlichkeiten weckt, weil Arbeitszeit Geld kostet. Die Betriebswirte in gewerblich betriebenen Berufsfachschulen verstehen nicht, warum z. B. ein Gymnasiallehrer normalerweise 26 Unterrichtseinheiten (à 45 Minuten) pro Woche unterrichtet und keine 40 Zeitstunden. Das die sogenannten 26 Deputatsstunden dabei je einer UE Unterricht zuzüglich einer UE Vor- und Nachbereitungszeit entsprechen, weil man diese Zeit einfach häufig braucht, wollen sie nicht hören. 26 Deputate x à 1,5h = 39h. Das ist die übliche Wochenarbeitszeit. Nach dieser Rechnung würde ein Fachlehrer drei Tage die Woche unterrichten und wäre zwei Tage mit Vor- und Nachbereitung beschäftigt. Und eigentlich ist das ein guter Ansatz, insbesondere, wenn neue Thematiken aufbereitet werden müssen. Gehe ich zum 10. Mal in eine neue Klasse für den Basisunterricht im ersten Schulblock, brauche ich selbst nicht mehr so viel Vorbereitung. Ein Rookie vielleicht schon.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderer Dozent bzw. Fachlehrer diesen Unterricht exakt auf die gleiche Art hält wie ich, oder aber sich darauf einlässt, den von mir vorbereiteten Content zu benutzen, ist gering. Das hat damit zu tun, dass es bei der Vorbereitung nicht nur darum geht, hübsche Präsentationen zu bauen, Handouts vorzubereiten, etc.; sondern eben auch darum, sich selbst noch mal seines eigenen Wissens zu vergewissern, sich auf die Fragen der SuS vorzubereiten, zu WISSEN, wovon zum Teufel man gerade spricht. Ein Comedian kann auch nicht mit Programmteilen anderer Comedians auf die Bühne gehen, um den Shit zu rocken! Woher sollte er/sie denn wissen, wann und wie die Pointen am besten funktionieren. Auch ein gut gemachter Unterricht hat eine Spanungskurve, ab und an mal eine Pointe und einen Abschluss. Und die kann man nur selten improvisieren, ohne dass die SuS sich hinterher verschaukelt fühlen. Die haben nämlich ein feines Näschen dafür, wenn der Dozent / Fachlehrer eine fragwürdige Performance abliefert…

Davon ab arbeite ich in einer Branche, in der das zu vermittelnde Fachwissen regelmäßig überaltert und folglich Updates der Unterrichtsinhalte notwendig werden. Selbst up to date zu bleiben, ist also eine Grundvoraussetzung für guten Unterricht. Was bedeutet, dass das Lehrpersonal auch noch Fortbildungsstunden braucht, die – oh Wunder – vom Arbeitgeber bezahlt werden müssen. Ja – MÜSSEN! Denn sogar der Gesetzgeber hat erkannt, dass auch das Lehrpersonal sich kontinuierlich fortbilden muss, und sodann – wenn aus meiner Sicht auch Jahrzehnte zu spät – entsprechende gesetzliche Vorschriften erlassen. Wir machen momentan die größten Forschritte in der Professionalisierung meines Berufes, die ich je erleben durfte. Das macht mich einerseits glücklich und stolz – andererseits bereitet es schlaflose Nächte, weil ich zu denen gehöre, die diese Fortschritte mit gestalten müssen. Eine Aufgabe, vor der ich, aller Freude zum Trotz, Respekt habe.

Ein weiterer Punkt neben dem „immer-wieder-durchdenken-müssen“ des Standardstoffes ist der Umstand, dass die Ausbildung von Ausbildern ein kreatives Herangehen an die, zur Lernermöglichung nötige Metaperspektive auf Prozesse der Wissens- und Einstellungs-Aneignung erfordert; Kreativität kann man aber nicht immer erzwingen. Man kann sie trainieren, so wie andere Skills auch, aber das erfordert zwei Dinge: die Bereitschaft, die eigene Komfortzone zu verlassen und Neues auszuprobieren, auch wenn man damit manchmal Schiffbruch erleidet! Und (auch, wenn so mancher das jetzt wahrscheinlich nicht gerne hört) ein gewisses Talent für den Lehrsaal! Und das hat bei weitem nicht jeder, der sich gegenwärtig als Dozent / Fachlehrer versucht. Die teilweise sehr heterogenen Ergebnisse und Berichte von Auszubildenden geben mir hierbei leider Recht. Und damit sind wir wieder bei den eingangs erwähnten Betriebswirten: die glauben nämlich, dass man – so wie früher in der allgemeinbildenden Schule – einfach den Stoff runterrattert, und fertig ist der Lack. Können wir versuchen, aber dann erzeugen wir schlechte, bisweilen evtl. sogar untaugliche NotSans.

Ich versuche wirklich, das mit der doppelten Handlungslogik auch an die Leute mit den Geldbeuteln heran zu tragen, aber einfach ist anders, denn Geld regiert nun mal die Welt. Und doch stelle ich fest, dass es hin und wieder Leute gibt, die allen wirtschaftlichen Notwendigkeiten zum Trotz verstehen, dass es gute Lehre a) nicht billig, b) nicht ohne ordentliche Vor- und Nachbereitung und c) nur mit motivierten SuS und Dozenten gibt. Die Vor- und Nachbereitung steht so aber nicht in den Lehrplänen, und um Motivation zu erzeugen, muss man oft tief in die Trickkiste greifen (und gelegentlich auch ins Portemonaie). Weshalb man diese Umstände geduldig wieder und wieder erklären muss. Dann klappt es vielleicht irgendwann auch mit der stets vollmundig beschworenen, hohen Aus- und Fortbildungsqualität. In diesem Sinne einen schönen September…

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