Der verwirrte Spielleiter N°35 – …magisch, oder was?

Wenn eine Technik so weit entwickelt ist, dass jene, die ihr begegnen, sie nicht mehr verstehen können, wirkt diese für die Beobachter wie Magie. Ist so ein Allgemeinplatz, den man immer mal wieder benutzen kann. Ändert jedoch nichts daran, dass Magie als Synonym für geheime Künste, welche die Gesetze der Natur zumindest teilweise zu brechen vermögen, in sehr vielen Rollenspielen zu finden ist. Und nicht nur in denen, die sich „klassischen“ Fantasy-Settings verschrieben haben. Magie ist damit eine Mischung aus Player Empowerment (denn nicht selten sind es auch Chars, welche über besondere Kräfte verfügen, durch die sie sich von der jeweils definierten Norm abheben) und Plot Device (Magie existiert in halbwegs durchdachten Settings aus Gründen, welche sich den Chars vielleicht nur nicht von Anfang an offenbaren) – oder aber eine Genre-Konvention. Das Letztere wird allerdings oft zum Problem. „…und dann brauchen wir noch Magier!“. „Warum…?“. „Weil Magier in die Fantasy einfach reingehören…?!“

Sagen wir mal so – wenn ich Magie irgendwo mit rein tue, weil man das halt so macht, werden die Ergebnisse … interessant. Ich sah neulich ein Video, in dem sich der Autor mit der Frage befasste, wie man Magie im Pen’n’Paper wieder etwas magischer macht. Ich denke, er dachte dabei an Flair; und wahrscheinlich auch ein bisschen an Balance. Seine These, dass in aktuellen Systemen Magie entweder im Überfluss vorhanden ist (jeder Char hat irgendwie welche) oder so knapp, dass man auch gleich gar nicht danach suchen muss, ist vermutlich nicht ganz falsch. Die Frage, die man sich da stellen könnte, wäre folgende: Na und? Mit Magie ist es wie mit den Waffenschäden und Rüstungen in manchen Regelwerken – im nächsten Supplement packen sie noch ’ne Schippe drauf , so dass die Power-Level aller Pro- und Antagonisten einer dauernd fortlaufenden zentrischen Streckung um den Faktor k unterworfen sind; und das bei ewigen Beteuerungen, das ja alles total balanced sei. So ein Käse. Wenn alles eine Nummer größer sein soll, ist das OK. Man sollte dann halt nur akzeptieren, dass die Herausforderungen auch alle ein paar Nummern größer sind…

Magie ist zunächst vor allem eines – eine Möglichkeit, die Chars und ihre Gegner Dinge tun zu lassen, die in unserer Realität einfach nicht möglich sind. Und das ist auch gut so, denn Realität habe ich ehrlich mehr als genug um die Ohren. In diesem Sinne ist Magie also einfach nur eine Erweiterung der Story-Möglichkeiten, die man gut und gerne einsetzen darf, um Effekte zu erzeugen, die alle am Tisch für einen Moment vergessen lassen, dass das alles nur Make-Believe ist. Es liegt doch nicht an den Würfeln, sondern an meinen Beschreibungen, ob Magie tatsächlich als solche wahrgenommen wird! Indem ich Magie als eine Fertigkeit unter vielen nutzen lasse, entzaubere ich sie möglicherweise ein wenig. Das ist aber gar nicht so schlimm, denn sobald die Chars bei ihren Experimenten patzen, erinnert sie die normative Kraft des Faktischen (in Form von SL-Entscheidungen) daran, dass das Herumpfuschen an Kräften, welche die Naturgesetze zumindest hart biegen können, immer mit gewissen Risiken verbunden ist! Das unterscheidet den Magier-Char allerdings kaum vom Atomingenieur-Char. Risiken sind für Chars immer vorhanden, denn es geht beim Pen’n’Paper ja genau darum – das unsere fiktiven Alter Egos riskante Dinge tun, um etwas zu erreichen und dabei mit Konsequenzen zu rechnen haben.

Ist Magie also tatsächlich etwas Besonderes? Und sollte sich daher von den anderen Fertigkeiten, die Chars so meistern können unterscheiden? Ich denke, NEIN, weil es einerseits OK ist, wenn Chars Macht besitzen, welche sie dazu nötigt, genau darüber nachzudenken, wie sie diese einsetzen wollen und andererseits manche Settings eben auch danach verlangen. Ich denke aber auch JA, weil die Konsequenzen des Einsatzes von Magie eben – je nach Regelwerk – eher mit unbedacht eingesetzter Kernenergie vergleichbar sind, als mit zu stark getunten Autos; wobei trotzdem beides tödlich enden kann. Wie so oft gilt, dass die Dosis macht, dass ein Ding ein Gift ist, oder eben nicht. Ein inflationäres Um-sich-werfen mit Power ist sicher der falsche Weg. Wenn ein Setting magiereich ist, bedeutet das noch lange nicht, dass jeder (auch nicht jeder Char) welche haben muss. Zudem bleibt immer noch die Frage, was ich überhaupt als Magie definiere. Denn über das klassische Sprüche-Klopfen als allein selig machende Praxis sind wir ja wohl hoffentlich hinaus, oder?

Mein aktuelles Setting Cavai beinhaltet viel und starke Magie. Die Philosophie des einen Funken betrachtet diese und alle Formen mundaner Technologie als gleichwertig; einfach als unterschiedliche Ausdrücke ein und der selben schöpferischen Kraft, welche die Welt und alles in ihr durchdringt. Das bedeutet mitnichten, dass an jeder Straßenecke Magier ihre Dienste anbieten. Man ist der Sache gegenüber nur aufgeschlossener als in manch anderem Setting. Und auch, wenn ein paar Chars über Kräfte verfügen, bedeutet das mitnichten, dass sie einfach so durch die Abenteuer spazieren könnten. Nur Teamwork siegt hier. Was das Flair angeht, so hängt dessen Intensität davon ab, was die Dramaturgie verlangt und wie hoch die Risiken sind. Insgesamt glaube ich, dass es den Spielern bislang magisch genug war. Alles weitere findet sich. Vielleicht diskutiert ja mal jemand mit mir. Ansonsten – always game on!

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